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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 11 U 89/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138
BGB § 139
BGB § 242
BGB § 631
BGB § 634
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das am 28.4.2006 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen (12 O 621/04) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Kläger beauftragten den Beklagten im Jahre 2004 mit Vermessungsarbeiten für den Neubau ihres Einfamilienhauses in O, I-Straße 36. Bei diesen Arbeiten unterlief dem Beklagten ein - in seinen Einzelheiten und Auswirkungen umstrittener - Fehler. Das Honorar des Beklagten beglichen die Kläger in bar; es wurde weder eine Rechnung noch eine Quittung erteilt.

Die Kläger behaupten, aufgrund des Vermessungsfehlers sei es zu einer falschen Platzierung des Hauses und des Carports gekommen; ihr Schaden belaufe sich auf insgesamt 31.005,80 €.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 31.005,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat eingewendet, ein wirksamer Vertrag sei nicht zustande gekommen, da man vereinbart habe, das Geschäft ohne Rechnung abzuwickeln.

Die Kläger haben eine Ohne- Rechnung-Abrede bestritten. Nach ihrer Ansicht würde diese auch nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führen. Sie hätten 640,-- € ohne Quittung gezahlt sowie Material zur Verfügung gestellt; ihre Ersparnis habe rund 135,-- € betragen.

Das Landgericht hat zu der Frage, ob eine Ohne-Rechnung-Abrede getroffen worden ist, durch Vernehmung des Zeugen T Beweis erhoben. Es hat eine solche Abrede als bewiesen erachtet. Der Werkvertrag sei daher nach §§ 134, 138 BGB unwirksam, so dass Gewährleistungsansprüche der Kläger ausschieden.

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfange fort. Sie greifen die Beweiswürdigung des Landgerichts an und wiederholen ihre Rechtsmeinung, dass eine Ohne-Rechnung-Abrede nicht die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge habe. Im übrigen wiederholen und vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

1.

Vertragliche Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung nach §§ 631, 634 BGB stehen den Klägern nicht zu, da die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, so dass ein wirksamer Werkvertrag nicht zustande gekommen ist. Als Vereinbarung, die letztlich der Ermöglichung und Absicherung einer Umsatzsteuerverkürzung (§ 370 AO, §§ 1, 13 UstG) diente, ist eine derartige Verabredung nach §§ 134, 138 BGB nichtig (BGH - VIII. Zivilsenat - LM § 134 BGB Nr. 57 = MDR 1968, 834 = NJW 1968, 1927 Leitsatz; BGH - XII. Zivilsenat - NJW 2003, 2742 = EWiR § 139 BGB 2/03, 1121 (Eckkert); OLG Hamm NJW-RR 1997, 722 = BauR 1997, 501 = ZfBR 1997, 151; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 303 = IBR 2000, 424). Diese Nichtigkeit erstreckt sich nach § 139 BGB auf den gesamten Vertrag, es sei denn die Parteien hätten die gleiche Preisvereinbarung auch mit Rechnung getroffen (so BGH - VIII. Zivilsenat - LM Nr. 57 zu § 134 BGB; BGH - XII. Zivilsenat - NJW 2003, 2742; ebenso OLG Hamm NJW-RR 1997, 722; Betriebs-Berater 1989, 651; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 303; OLG Naumburg IBR 2000, 64; OLG Oldenburg OLGR 1997, 2 = IBR 1997, 146; RGRK/Krüger/Nieland/Zöller, BGB, 12. Aufl., § 134 Rdn. 129 und § 138 Rdn. 156; Erman-Palm, BGB, 11. Aufl., § 134 Rdn. 93; Münchener Kommentar - Armbrüster, BGB, 5. Aufl., 134 Rdn. 57; Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 138 Rdn. 44; Soergel-Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 134 Rdn. 65; Flume, BGB AT II, 2. Aufl., § 17, 4, S. 346 Fn. 14 a; Sethe, WuB IV A. § 134 BGB 1.01). Die Beweislast für die Ausnahme von der Gesamtnichtigkeit hat nach allgemeinen Grundsätzen die Partei, die sich auf die Wirksamkeit des Vertrages beruft (Palandt-Heinrichs § 134 Rdn. 14 m.w.N.). Ist der gesamte Vertrag danach nichtig, so hat das den Ausschluss aller vertraglichen Ansprüche zur Folge. Das gilt auch für vertragliche Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche (OLG Hamm NJW-RR 1997, 722; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 303).

Allerdings hat der VII. Zivilsenat des BGH in einer zu einem Architektenvertrag ergangenen Entscheidung vom 21.12.2000 die gegenteilige Auffassung vertreten (NJW-RR 2001, 380 = BauR 2001, 630 = NZBau 2001, 195 = EWiR § 134 BGB 1/01, 357 (Wenner); ebenso Kniffka/Koeble, Kompendium des BauR, 2. Aufl., 5. Teil Rdn. 15; Staudinger-Sack, BGB, Neubearbeitung 2003, § 134 Rdn. 287). Der VII. Zivilsenat verweist auf die Rechtsprechung, nach der ein Vertrag, mit dessen Abwicklung eine Steuerhinterziehung verbunden ist, nur dann nichtig ist, wenn die Steuerhinterziehung Hauptzweck des Vertrages ist. Der Hauptzweck eines Architekten- oder Bauvertrages sei in der Regel nicht auf eine Steuerhinterziehung, sondern auf die Errichtung des vereinbarten Werkes gerichtet. Grundsätzlich könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Nichtigkeit der Abrede, keine Rechnung zu stellen, die Nichtigkeit des gesamten Vertrages erfasse. Die Abrede habe auf die Verpflichtung zur Vergütung des vereinbarten Honorars ohne Mehrwertsteuer keinen Einfluss. Dieses bleibe auch dann ohne Mehrwertsteuer geschuldet, wenn die Ohne-Rechnung-Abrede unwirksam sei.

Das überzeugt nicht. Die Entscheidung des VII. Zivilsenats lässt nicht nur eine Auseinandersetzung mit der herrschenden gegenteiligen Ansicht vermissen, die auch der VIII. und XII. Zivilsenat des BGH vertreten. Vor allem geht sie nicht auf die gesetzliche Bestimmung des § 139 BGB ein, nach der sich die Nichtigkeit des Teils eines Rechtsgeschäftes auf das ganze Rechtsgeschäft erstreckt, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Der Senat folgt deshalb der herrschenden Auffassung, nach der eine Ohne-Rechnung-Abrede zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt, soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Abrede die Preisvereinbarung beeinflusst hat.

2.

Nach diesen Grundsätzen ist eine Haftung des Beklagten zu verneinen.

a) Das Landgericht sieht aufgrund der Gesamtumstände und der Aussage des Zeugen T eine Vereinbarung der Parteien als erwiesen an, dass der vereinbarte Werklohn zum Zwecke der Steuerhinterziehung ohne Rechnung gezahlt werden sollte. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist in Begründung und Ergebnis überzeugend und vollständig. Die Berufung zeigt keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der von ihr angeführte Umstand, dass sich der Beklagte vorprozessual und selbst in der Klageerwiderung noch nicht auf die Unwirksamkeit des Vertrages wegen der Ohne-Rechnung-Abrede berufen hat, ist nicht von erheblichem Gewicht. Es erscheint nicht unverständlich, dass der Beklagte die Einräumung der Steuerhinterziehung - einer Straftat - nicht ohne weiteres eingeräumt hat, zumal er sich offenkundig für den ihm unterlaufenen Fehler auch verantwortlich fühlte.

b) Die nach § 139 BGB für die Gesamtnichtigkeit des Vertrages streitende Vermutung haben die Kläger nicht widerlegt. Hierzu hätten sie darlegen und beweisen müssen, dass der Werklohn auch ohne die getroffene Ohne-Rechnung-Abrede in der gleichen Höhe vereinbart worden wäre. Nach ihrem eigenen Vortrag betrug die Differenz zwischen dem gezahlten und dem berechtigten Honoraranspruch etwa 135,-- €. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte sich bei ordnungsgemäßer Rechnungsstellung und Verbuchung ebenfalls auf den Preis von 640,-- € eingelassen hätte. Soweit die Kläger in der Berufungsbegründung behaupten, der gezahlte Werklohn von 640,-- € habe dem vollen angemessenen Honorar eines nicht vereidigten Landvermessers entsprochen, setzen sie sich in Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen, nach dem die Ersparnis etwa 135,-- € betragen habe (Schriftsatz vom 30.1.2006, S. 4 f. = Bl. 287 f. d.A.). Im übrigen ist die Höhe des üblichen Werklohnes für die entscheidende Frage, auf welchen Preis sich die Parteien geeinigt hätten, nicht von maßgebender Bedeutung.

c) Aus dem damit insgesamt unwirksamen Werkvertrag können die Kläger keine Ansprüche herleiten. Der Beklagte verstößt mit der Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Nichtigkeit des Vertrages ist von Amts wegen zu beachten. Sie kann von jedermann geltend gemacht werden, auch von dem, der selbst verbotswidrig und sittenwidrig gehandelt hat (OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 303, 304; Palandt-Heinrichs § 138 Rdn. 21). Nur in besonders gelagerten Fällen kann § 242 BGB der Geltendmachung der Nichtigkeit entgegenstehen, wenn diese zu grob unbilligen Folgen führen würde. Das ist hier aber nicht der Fall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verneinung vertraglicher Ansprüche der Kläger gerade dem Zweck der §§ 134, 138 BGB entspricht, während die Kläger durch eine ihnen günstigere Entscheidung der Sache nach so gestellt würden, als hätten sie einen rechtswirksamen Vertrag abgeschlossen. Letzteres verbietet sich schon aus der Erwägung, dass die von §§ 134, 138 BGB angeordnete Rechtsfolge der Nichtigkeit dadurch aufgehoben würde (OLG Saarbrücken a.a.O.; auch Sethe a.a.O. unter III).

3.

Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, lag in dem vorprozessualen Verhalten des Beklagten auch kein - abstraktes oder deklaratorisches - Schuldanerkenntnis, aufgrund dessen er haften würde. Für andere als vertragliche Ansprüche besteht ersichtlich keine Grundlage, so dass die Klage abzuweisen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen. Im Hinblick auf die nicht einheitliche Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit von Verträgen bei Ohne-Rechnung-Vereinbarung ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung; auch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO).

Berufungsstreitwert: 31.005,80 €

Ende der Entscheidung

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