Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.01.2002
Aktenzeichen: 11 U 96/01
Rechtsgebiete: VOB/B, AGBG, GKG


Vorschriften:

VOB/B § 17
AGBG § 9
AGBG § 9 Abs. 1
AGBG § 1 Abs. 1 Satz 1
AGBG § 1 Abs. 1 Satz 2
GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

11 U 96/01

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor und die Richter am Oberlandesgericht Zoll und Hartlieb

am 14.01.2002 beschlossen:

Tenor:

Die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Gründe:

Auf die zulässige Berufung ist nur noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden, nachdem die Parteien das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 91a Abs. 1 ZPO).

Es entspricht billigem Ermessen, die Verfahrenskosten beider Instanzen der Verfügungsklägerin aufzuerlegen; die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Der Vortrag der Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren und die hier vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Verfügungsklägerin hat ihren Verfügungsantrag darauf gestützt, dass die Vereinbarungen über die Stellung einer Sicherheit in § 11 der Verträge als "Allgemeine Geschäftsbedingungen" unwirksam seien. Dieser Einwand rechtfertigte den Erlass der erstrebten einstweiligen Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten nicht.

1.

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern dient der schnellen Durchsetzung der gesicherten Ansprüche; deshalb können, sofern die formellen Voraussetzungen für die Zahlungspflicht des Bürgen vorliegen, der Inanspruchnahme Einwendungen tatsächlicher und/oder rechtlicher Art auch nur in Ausnahmefällen entgegen gehalten werden; sie sind einem künftigen Rechtsstreit auf Rückforderung der Bürgenleistung vorbehalten, es sei denn, die Inanspruchnahme der Bürgschaft stellt sich als eine missbräuchliche und für jedermann klar erkennbare Ausnutzung einer formalen Rechtsposition dar (Arglisteinwand aus § 242 BGB; vgl. u.a. BGH, NJW 2000, 1563, 1564; 2001, 1857; OLG Düsseldorf, WM 2001, 2294, 2295 f. = BauR 2001, 1940 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). Nichts anderes gilt für den Einwand, die Vereinbarung über die Sicherheitsleistung (auf erstes Anfordern) sei "von Anbeginn an" unwirksam; dies kann der Inanspruchnahme nur entgegengehalten werden, wenn sich dies aus dem unstreitigen Parteivorbringen oder dem Inhalt der Vertragsurkunden ohne Weiteres entnehmen lässt (BGH, NJW 2000, 1563, 1564; 2001, 1857, 1858).

Daraus folgt:

Der Hauptschuldner (Verfügungsklägerin) hat zwar die Möglichkeit, sich gegen die Inanspruchnahme der Bürgschaft auf erstes Anfordern durch den Gläubiger auch im Wege der einstweiligen Verfügung zur Wehr zu setzen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Köln, BauR 1998, 555 ff.); er kann die Inanspruchnahme des Bürgen aber nur dann erfolgreich abwehren, wenn er mit liquiden Mitteln glaubhaft macht, dass der Sicherungsgläubiger eine formale Rechtsstellung missbraucht; jede andere Betrachtung würde die unbedingte Zahlungspflicht des Bürgen durch prozessuale Maßnahmen des Hauptschuldners unterlaufen (ebenso OLG Köln, a.a.O., S. 558).

Die Verfügungsklägerin hat hier vorgetragen, die vertraglichen Regelungen über die Sicherheitsleistungen seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wofür auch ein Anscheinsbeweis streite (in diesem Sinne OLG Düsseldorf, WM 2001, 2294, 2297 = BauR 2001, 1940, 1943 f.; dazu Kemper, IBR 2001, 616). Ob dies zutreffend ist, kann hier jedoch dahin stehen; denn nach dem in beiden Instanzen bis zur Erledigung vorgetragenen Sachverhalt und den vorgelegten Urkunden kann von einem rechtsmissbräuchlichen Vorgehen des Verfügungsbeklagten nicht gesprochen werden.

a) Soweit sich nämlich die Verfügungsklägerin gegen die Inanspruchnahme des Bürgen aus der Vertragserfüllungsbürgschaft mit dem Hinweis wendet, es lägen hier insoweit unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen vor, bestehen hiergegen rechtliche Bedenken: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages enthaltene Verpflichtung, bei Vertragsunterschrift eine Vertragserfüllungsbürgschaft auszuhändigen, unabhängig von der näheren Ausgestaltung der Rückgabe dieser Bürgschaft jedenfalls mit § 9 Abs. 1 AGBG vereinbar (BGH, BauR 2000, 1498, 1500 = NJW-RR 2000, 1331 ff. = NZBau 2000, 424 ff.); hieran anschließend wird die Auffassung vertreten, dass auch eine unter Kaufleuten im Baugewerbe vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern dem Maßstab des § 9 AGBG stand hält (OLG Jena, BauR 2001, 654, 655; OLG München, BauR 2001, 1618, 1620 = ZfIR 2001, 465, 467 mit Anmerkung von Vogel, S. 469 ff.; dazu ablehnend: Siegburg, EWiR § 17 VOB/B 2/01, 785; Schmitz, IBR 2001, 420; a.A. auch OLG Dresden, BauR 2001, 1447, 1449 f.).

Dem gegenüber können, wie die Verfügungsklägerin zutreffend darlegt, Gewährleistungsbürgschaften, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, unwirksam sein (vgl. BGHZ 136, 27, 32 f. = NJW 1997, 2598, 2599; BGH, NJW 2000, 1863, 1864 = BauR 2000, 1052, 1053; OLG Hamburg, BauR 2000, 445, 446; OLG München, BauR 1995, 859, 860; siehe aber: OLG München, BauR 2001, 1618, 1620 ff.; OLG Hamburg, BauR 1997, 668 ff.). Indes muss hier darauf im Einzelnen nicht eingegangen werden, weil weder auf der Hand liegt noch kraft Anscheins glaubhaft gemacht ist, dass die Inanspruchnahme der Bürgschaften hier auf "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" beruht:

b) Zweifelhaft ist bereits, ob es sich bei den Vertragsklauseln, die die Stellung der Sicherheit betreffen, um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die der Verfügungsbeklagte "gestellt" hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG). Die Vertragstexte selbst sind nämlich keine "vorgedruckten" Formulare, sondern jeweils auf dem Computer der von dem Verfügungsbeklagten beauftragten Firma PB H. GmbH aus Textbausteinen zusammengesetzt worden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG ist es zwar gleichgültig, ob die Vertragsbestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, auch welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.

Nach dem Inhalt der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen (Bl. 34 ff. AH), insbesondere der des Geschäftsführers der Firma PB H. GmbH, Herrn W. (Bl. 37 AH), liegt es auch nahe anzusetzen, dass die Vereinbarungen in § 11 der Verträge letztlich von Seiten des Verfügungsbeklagten gestellt worden sind. In seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung vom 05.04.2001 führt der Verfügungsbeklagte aber dem gegenüber aus, die Klägerin habe nach der damaligen Mitteilung der Firma PB H. GmbH eine Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft vorgeschlagen, was sodann in den Auftrag eingeflossen sei (Bl. 52 d.A.).

Dieser Sachvortrag ist durch die vorgelegten Urkunden nicht entkräftet worden; die eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen W. sind als Mittel der Glaubhaftmachung keine "liquiden" Beweismittel (vgl. § 294 ZPO); an sie lässt sich erst recht kein "Anscheinsbeweis" anknüpfen.

c) Grundlegende Bedenken bestehen auch, ob die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden, wofür an sich schon die beabsichtigte dreimalige Verwendung ausreicht (BGH, WM 2001, 2352 ff. mit weiteren Nachweisen). Der Verfügungsbeklagte hat die Vertragsklauseln über die Stellung einer Sicherheit indes lediglich bei den beiden hier in Frage stehenden Bauprojekten verwendet. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Herrn W. vom 06.07.2001 wurden die Textbausteine des § 11 (der Verträge) zwar auch in "anderen" Verträgen verwendet. Ob damit aber eine von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorgefertigte Vertragsgestaltung vorliegt, die für die Anwendung des AGB-Gesetzes ausreicht (vgl. BGH, NJW 1991, 843; Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 1 Rn. 24 mit weiteren Nachweisen), oder es sich um eine Gestaltung handelt, bei der lediglich eine Individualvereinbarung (unter Benutzung üblicher Muster) getroffen wurde (vgl. BGH, NJW 1991, 843), ist nicht hinreichend deutlich geworden oder glaubhaft gemacht.

Zwar mögen hier die für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgetragenen und durch eidesstattliche Versicherungen untermauerten Umstände es nahe legen anzunehmen, dass die Sicherheitsleistung (§ 11 der Verträge) gerade nicht "ausgehandelt" wurde, weil auf Seiten des Verfügungsbeklagten insoweit keine Verhandlungsbereitschaft bestand (vgl. hierzu die eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Firma PB H. GmbH, W., Bl. 37 AH und Bl. 109 d.A.). Das hat auch das Landgericht zutreffend gesehen. Nach den Ausführungen des Verfügungsbeklagten in der eidesstattlichen Versicherung vom 05.04.2001 haben die Parteien lediglich in einigen anderen Punkten Verhandlungen geführt haben. Die Frage, ob allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen oder nicht, entscheidet sich aber nicht (nur) nach dem gesamten Vertragsinhalt; vielmehr können auch einzelne Klauseln (in im Übrigen individuell ausgestalteten Verträgen) Allgemeine Geschäftsbedingungen sein (BGHZ 75, 15, 20; BGH, NJW 1997, 135; 1998, 2600 f.).

Für ein "Aushandeln" kann es aber schon ausreichen, dass - wie der Verfügungsbeklagte eidesstattlich versichert hat - die Vereinbarung über die Sicherheitsleistung (auf Bitten der Verfügungsklägerin) nachträglich geändert wurde. Änderungen, die auf nachträglichen Verhandlungen der Parteien beruhen und dem Vertragspartner eine hinreichende Gestaltungsfreiheit belassen, bedeuten ein nachträgliches "Aushandeln" und machen das Vereinbarte damit zu einer Individualvereinbarung (vgl. dazu Kötz in: MünchKomm zum BGB, 3. Aufl., § 1 AGBG, Rn. 22; Basedow in: MünchKomm zum BGB, 4. Aufl., § 1 AGBG, Rn. 40; Ulmer in: Ulmer/ Brandner/ Hensen, a.a.O., § 1 Rn. 46, 57).

Es mag sein, dass es nicht schon ausreicht, wenn der Verfügungsbeklagte lediglich hinsichtlich der Höhe der Bürgschaftsbeträge, nicht aber hinsichtlich der grundsätzlichen Verpflichtung zur Stellung einer Sicherheit auf erstes Anfordern verhandlungsbereit war (vgl. auch BGH, NJW 1991, 1678, 1679); indes sind hier insoweit weder in der einen noch in der anderen Hinsicht ausreichende Anhaltspunkte vorhanden.

2.

Im Endergebnis waren somit die Kosten des Verfahrens auf Erlass der einstweiligen Verfügung für beide Instanzen der Verfügungsklägerin aufzuerlegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und - insoweit unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG - der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren werden auf 42.802,06 DM festgesetzt (das ist die Hälfte des Hauptsachewertes von 85.604,12 DM, worauf der Wert des Verfahrens wegen dessen vorläufigen Charakters festzusetzen ist, § 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück