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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.06.2002
Aktenzeichen: 11 W 13/02
Rechtsgebiete: StGB, BGB


Vorschriften:

StGB § 263
BGB § 134
BGB § 242
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 817 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

11 W 13/02

In dem

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor und die Richter am Oberlandesgericht Zoll und Dr. Schmidt

am 03.06.2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14.01.2002 - 15 O 797/01 - aufgehoben.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Das Landgericht hat der Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zu Unrecht verweigert.

1. Unzutreffend ist die Ansicht des Landgerichts, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Klagevortrag unschlüssig sei.

Die Antragstellerin hat für den Klageanspruch dem Grunde nach schlüssig vorgetragen. Sie stützt den Anspruch auf Zahlung von 45.794,04 € auf folgenden Sachverhalt: Der Antragsgegner ist Zahnarzt, die Antragstellerin betreibt (in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einem Zahntechnikermeister) ein Dentallabor. Die Aufträge des Antragsgegners an dieses Dentallabor machen ca. 80% des Umsatzes aus. Zwischen den Genannten besteht u.a. die Vereinbarung, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner von allen Nettoumsätzen mit dessen Zahnarztpraxis 7% in bar zurück gewährt. Mit dieser Barrückzahlung hat es folgende Bewandtnis: Der Antragsgegner rechnet die Laborleistungen gegenüber den Patienten bzw. Kassen nach dem Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis (BEL II) ab. Durch die Barrückerstattung der Antragstellerin - die den Patienten und Kassen unbekannt ist und nicht zu einer Reduzierung der diesen berechneten Kosten führt - liegen seine tatsächlichen Aufwendungen aber erheblich unter den Listenbeträgen. Das Anliegen der Antragstellerin, von den Barrückzahlungen abzusehen, weil dadurch die Existenz des Dentallabors gefährdet sei, beantwortete der Antragsgegner damit, im Fall der Nichtzahlung sämtliche Aufträge zu entziehen. Die Antragstellerin hält die auf die Rückzahlung gerichtete Vereinbarung für sittenwidrig und verlangt Erstattung der insoweit in der Vergangenheit gezahlten Beträge.

Dieser Anspruch kann, sofern sich der Vortrag der Antragstellerin als richtig erweist, begründet sein. Die Ansicht des Landgerichts, eine solche Vereinbarung unterliege dem Grundsatz "pacta sunt servanda", ist ersichtlich verfehlt. Eine von einem Arzt mit einem Labor getroffene Vereinbarung, die dem Arzt den Betrug an den Patienten bzw. den Kassen ermöglichen soll, ist entweder nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 263 StGB oder nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig; je nach den Umständen, unter denen dem Labor eine Mitwirkung an dem gesetzeswidrigen Vorgehen abgenötigt wird, kommt auch eine Nichtigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB in Betracht. An dieser rechtlichen Beurteilung ändert sich nichts, wenn - was das Landgericht in Erwägung zieht - die von der Antragstellerin vorgetragene Vorgehensweise einer gewissen häufig geübten Praxis entspricht; auf Betrug und eigennützige Ausbeutung abhängiger Vertragspartner angelegte Verhaltensweisen verlieren den Makel der Sittenwidrigkeit auch dann nicht, wenn sie sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen (hier möglicherweise begünstigt durch Kontrolldefizite im ärztlichen Abrechnungswesen). Für die vorliegende Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren reicht die Feststellung, dass ein Rechtsgeschäft der vorgetragenen Art nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist, es mithin jedenfalls nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist (zur Definition vgl. BGHZ 86, 82, 88; 107, 92, 97). Darauf, ob sich die Nichtigkeit wegen einer Beteiligung der Antragstellerin an dem verbotenen Verhalten des Antragsgegners schon aus § 134 BGB ergibt, und darauf, ob der Antragsgegner darüber hinaus eine Zwangslage der Antragstellerin ausgenutzt hat und die weiteren Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB vorliegen, kommt es deshalb für die hier vorzunehmende Prüfung nicht an.

Die nach § 138 Abs. 1 BGB nichtige Vereinbarung musste von der Antragstellerin nicht nach dem Grundsatz "pacta sunt servanda" - der bei einseitiger Ausnutzung der Vertragsfreiheit ohnehin einer kritischen Betrachtung bedarf, vgl. BVerfGE 89, 214, 231 ff. - beachtet werden. Sie kann vielmehr grundsätzlich einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung der auf diese Vereinbarung geleisteten Beträge haben. Zweifelhaft ist allerdings, ob in Fällen der vorliegenden Art die dem Arzt aufgrund der sittenwidrigen Vereinbarung zugeflossenen Vorteile durch einen Bereicherungsausgleich im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien rückgängig zu machen sind oder ob der Vorteil - bei bestehen bleibender Belastung des Labors - an die betroffenen Patienten bzw. Kassen weiter zu reichen ist. Nach Ansicht des Senats kommt ein Bereicherungsausgleich zwischen den Vertragsparteien jedenfalls dann in Betracht, wenn sich das Labor auf die zu beanstandende Vereinbarung auf Druck des Arztes einlässt, um eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz abzuwenden, wie es nach dem Vortrag der Antragstellerin hier der Fall ist. Entscheidend ist eine an den §§ 242, 817 Satz 2 BGB ausgerichtete Wertung der Umstände des Einzelfalls. Die Abrechnung ärztlicher Leistungen nach der BEL II stellt für die Patienten bzw. Kassen keine unzumutbare Belastung dar, wenn die berechneten Kosten tatsächlich angefallen sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Arzt unzulässige Barrückzahlungen nach Bereicherungsrecht an das Labor zurück erstatten muss. Ein solcher Bereicherungsausgleich kann allerdings nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen sein, wenn das Labor den Zweck der Barrückzahlungen erkennt und demnach an dem verbotenen Tun des Arztes mitwirkt. Erfolgt diese Mitwirkung jedoch unter einem besonderen Druck des Arztes, so kann es nach Treu und Glauben geboten sein, ihm als Bereicherungsschuldner die Berufung auf § 817 Satz 2 BGB - für deren Voraussetzungen er ohnehin darlegungs- und beweispflichtig ist - zu verwehren. Die rechtspolitisch problematische und den Bereicherungsgläubiger hart treffende Vorschrift ist einschränkend auszulegen, wenn ihre Anwendung im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen würde (vgl. etwa BGHZ 111, 308 ff. - zur Schwarzarbeit -; ferner Palandt/Sprau, 61. Aufl., § 817 Rn. 20 mit weiteren Nachweisen). So liegt es nach dem bisherigen Vortrag der Antragstellerin im Streitfall. Eine abschließende Bewertung wird erst aufgrund der im Streitverfahren zu treffenden Feststellungen möglich sein.

Dem unter Beweis gestellten Vortrag der Antragstellerin, auch zu der im Beschwerdeverfahren streitig vorgetragenen Frage, wer die Vertragspartner sind, ist mithin nachzugehen.

Der angefochtene Beschluss kann dem gemäß nicht mit der dargestellten Begründung des Landgerichts aufrecht erhalten bleiben. Er stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die vom Landgericht verneinte Aktivlegitimation der Antragstellerin besteht zumindest aufgrund des mit der Beschwerde vorgelegten Abtretungsvertrages.

2. Nicht gefolgt werden kann auch der Ansicht des Landgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss, soweit sich die Antragstellerin für ihre Aktivlegitimation auf die erfolgte Abtretung berufe, komme es auf die Bedürftigkeit des Zedenten an. Die Antragstellerin hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass dieser mit einem angesichts des Umsatzes relativ geringfügigen festen Gewinnanteil von monatlich 600,00 DM an der Gesellschaft beteiligt ist. Auf seine Bedürftigkeit kann mithin nicht abgestellt werden, da weder ein triftiger Grund für die Abtretung fehlt noch ein Rechtsmissbrauch erkennbar ist (vgl. dazu Zöller/Philippi, 23. Aufl., § 114 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen). Ganz abgesehen davon hätte das Landgericht insoweit auf die Notwendigkeit weiterer Darlegungen zu den Verhältnissen des Zedenten hinweisen müssen, wenn es diese für erforderlich hielt.

3. Der Senat entscheidet nicht selbst über das Prozesskostenhilfegesuch, sondern weist die Entscheidung dem Landgericht zu (§ 572 Abs. 3 ZPO). Zunächst bedarf es noch ergänzenden Vortrags der Antragstellerin. Ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keinerlei zur Glaubhaftmachung erforderliche Unterlagen beigefügt; diese sind zunächst zur Vorbereitung der Entscheidung des Landgerichts nachzureichen. Ist die Bedürftigkeit der Antragstellerin ausreichend glaubhaft gemacht, wird das Landgericht durch einen Abgleich der zahlreichen vorgelegten Urkunden mit den Angaben in der Antragsschrift zu prüfen haben, inwieweit zur Höhe des dem Grunde nach bestehenden Anspruchs schlüssig vorgetragen ist.

Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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