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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 31.05.2002
Aktenzeichen: 11 W 26/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 766 | |
BGB § 773 Abs. 1 Nr. 4 | |
ZPO § 138 Abs. 4 | |
ZPO § 903 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor und die Richter am Oberlandesgericht Zoll und Dr. Schmidt
am 31.05.2002 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14.03.2002 - 15 O 738/01 - aufgehoben.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Landgericht hat dem Beklagten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht verweigert. Seine - aufgrund des rechtzeitigen Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 14.03.2002 weiterhin mögliche - Rechtsverteidigung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Zutreffend bejaht das Landgericht allerdings eine wirksame Bürgschaftserklärung. Notwendiger Inhalt der schriftlichen Bürgschaftserklärung gemäß § 766 BGB ist die Erklärung des Willens, für eine fremde Schuld einstehen zu wollen, ferner die Bezeichnung des Gläubigers und der verbürgten Hauptschuld und damit des Hauptschuldners (vgl. MünchKomm-Habersack, 3. Aufl., § 766 Rn. 8; Staudinger/Horn, 13. Aufl., § 766 Rn. 18; jeweils mit weiteren Nachweisen). Diesen Erfordernissen genügt die Urkunde vom 23.10.1995 (Bl. 3 d.A.). Es handelt sich um die Darlehensurkunde, die am Ende dahin ergänzt ist, dass der Beklagte seine Unterschrift neben das Wort "Bürge" gesetzt hat. Das reicht für eine wirksame Bürgschaftserklärung aus (vgl. MünchKomm-Habersack, a.a.O., Rn. 9; Staudinger/Horn, a.a.O., Rn. 22; jeweils mit weiteren Nachweisen). Dass die Urkunde die Unterschrift des Beklagten und nicht - wie in der Beschwerdebegründung geltend gemacht - eine Paraphe trägt, ist offensichtlich und ergibt sich auch aus einem Vergleich des dortigen Schriftzuges mit der Unterschrift des Beklagten auf der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
2. Mit Erfolg macht der Beklagte aber geltend, das Darlehen sei nicht zur Rückzahlung fällig. Nach dem Inhalt der Urkunde erfolgt die Rückzahlung "bei Verkauf" des näher bezeichneten Grundstücks. Zu Recht vertritt der Beklagte den Standpunkt, dass die inzwischen erfolgte Zwangsversteigerung des Grundstücks dessen Verkauf nicht gleich zu stellen ist. Der Ansicht des Landgerichts, unter den Begriff des Verkaufs falle "unter Berücksichtigung des Interesses des Klägers auch und gerade die zwangsweise Versteigerung", vermag der Senat nicht zu folgen.
Dass ein auf Vereinbarung der Beteiligten beruhender Verkauf eines Grundstücks nebst dinglichem Übertragungsakt (§§ 433 ff. BGB; §§ 873 ff. BGB) juristisch etwas völlig Anderes ist als der Erwerb des Grundbesitzes durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung, also durch Hoheitsakt (§§ 66 ff., 90 ZVG), bedarf keiner weiteren Ausführungen. Fraglich kann also nur sein, ob die Beteiligten bei Errichtung der Urkunde vom 23.10.1995 beide Vorgänge gleichsetzen und als Fälligkeitsvoraussetzung vereinbaren wollten. Dies kann - mangels dafür sprechenden Vortrags - nicht angenommen werden.
Bei lebensnaher Betrachtung muss davon ausgegangen werden, dass die Rückzahlung der Darlehenssumme an den Verkauf des Grundstücks geknüpft war, weil die Beteiligten davon ausgingen, dass dem Darlehensnehmer zukünftig aufgrund des Verkaufs die zur Rückzahlung erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen würden. Diese Erwartung hat sich infolge der Zwangsversteigerung nicht erfüllt. Angesichts der in dem Vermögensverzeichnis vom 21.01.1999 mitgeteilten Belastungen des Grundstücks (Bl. 10 der Akte 285 M 3087/98 AG Köln = Bl. 54 d.A.) und des Versteigerungserlöses (vgl. Beschluss des AG Strausberg vom 08.03.2001 - 3 K 430/97 -, Bl. 4 d.A.) kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Darlehensnehmer aufgrund der Versteigerung irgend welche Beträge zugeflossen sind. Jedenfalls unter diesen Umständen ist die Zwangsversteigerung nicht nur im Wortsinne, sondern auch substanziell etwas Anderes als ein Verkauf. Dass die Beteiligten seinerzeit darin einig gewesen seien, unter den Begriff des "Verkaufs" falle auch ein solcher Vorgang, ist nicht vorgetragen.
Zwar dürfte die Zwangsversteigerung des Grundstücks den Kläger zur ordentlichen oder auch - zumindest weil ihm zur Sicherheit eine auf dem Grundstück lastende Grundschuld abgetreten worden war, die durch den Zuschlag erloschen ist - zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Darlehens berechtigt haben (dazu Palandt/Putzo, 60. Aufl., § 609 Rn. 11 ff., 15 ff. mit weiteren Nachweisen). Eine Kündigung des Darlehens ist aber unstreitig nicht erfolgt. Eine solche kann auch in der Erhebung der Klage gegen den Beklagten (Bürgen) ersichtlich nicht gesehen werden, da dieser nicht Vertragspartner der Darlehensvereinbarung ist.
3. Da die Fälligkeitsvoraussetzungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden können, wird für das weitere Verfahren auf Folgendes hingewiesen:
Nicht unbedenklich erscheint die Ansicht des Landgerichts, die Berufung des Beklagten auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) sei gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 4 BGB ausgeschlossen. Die Vorschrift setzt voraus, dass anzunehmen ist, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners (nach den §§ 771, 772 BGB) werde nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen. Dem Landgericht ist zuzugeben, dass dafür angesichts der vom Hauptschuldner 1999 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung (285 M 3087/98 AG Köln), aber auch wegen der erst 2001 beendeten Zwangsversteigerung seines Grundstücks einiges spricht. Der Senat ist auch der Ansicht, dass nicht nur die anderweite Zwangsvollstreckung wegen der verbürgten Forderung, sondern auch die Vollstreckung wegen einer anderen Forderung - wie sie offenbar dem genannten Verfahren zugrunde lag - ausreichende Anhaltspunkte für die Voraussetzungen des § 773 Abs. 1 Nr. 4 BGB ergeben kann (so auch; Staudinger/Horn, a.a.O., § 773 Rn. 8; Palandt/Sprau, a.a.O., § 773 Rn. 2; enger: MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 773 Rn. 9 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit jedoch der Kläger als Gläubiger (vgl. MünchKomm-Habersack, a.a.O., Rn. 11; Staudinger/Horn, a.a.O., Rn. 10). Der Beklagte vermutet eine Verbesserung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners seit Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, die nunmehr bereits mehr als drei Jahre zurück liegt. Da der Beklagte vorträgt, ihm sei über die Vermögenslage des Hauptschuldners nichts bekannt, liegt darin ein - nach § 138 Abs. 4 ZPO zulässiges - Bestreiten des dem Kläger obliegenden Vortrags mit Nichtwissen. Vermutungen darüber, dass der Beklagte, der immerhin der Vater des Hauptschuldners ist, insoweit "mauert", helfen prozessual nicht weiter.
Mag auch nicht unbedingt auf die vom Beklagten - offenbar an § 903 ZPO anknüpfende - genannte Dreijahresfrist abzustellen sein, so ist doch jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners, der selbständiger Kraftfahrzeugmeister ist, gebessert haben. Die Einrede der Vorausklage ist zudem auch schon dann begründet, wenn auch nur eine teilweise Befriedigung des Gläubigers durch Zwangsvollstreckung bei dem Hauptschuldner zu erwarten ist, wobei lediglich streitig ist, ob sie dann vollumfänglich (vgl. MünchKomm-Habersack, a.a.O., Rn. 9) oder nur im Umfang des zu erwartenden Vollstreckungserfolges (dafür: Staudinger/Horn, a.a.O., Rn. 8) durchgreift.
Bei dieser Sachlage kann - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht darauf abgestellt werden, dass der Beklagte nichts für eine Besserung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners vorgetragen hat. Es ist Sache des Klägers, für das Gegenteil vorzutragen und Beweis - etwa durch Benennung des Hauptschuldners als Zeugen - anzubieten.
Der angefochtene Beschluss kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat sieht davon ab, die Prozesskostenhilfe bereits zu bewilligen. Der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind keinerlei - zur Glaubhaftmachung erforderliche - Unterlagen beigefügt; diese wird der Beklagte zunächst nachzureichen haben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Ende der Entscheidung
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