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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 11 W 41/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ProdHaftG


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
BGB § 823 Abs. 1
ProdHaftG § 1
ProdHaftG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

11 W 41/01

In dem

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und den Richter am Landgericht Ernst

am 17.12.2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 12.06.2001 - 1 O 47/01 - aufgehoben.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

I.

Der Antragsteller beabsichtigt, mit der Klage die Antragsgegnerin als Herstellerin eines Pflasterfugenmörtels auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil sich bei der Behandlung einer Pflasterung auf den Pflastersteinen produktbedingt ein Schleier gebildet habe. Der Antragsteller macht geltend, er habe den Mörtel gekauft und die Fugen der Pflasterung erneuert. Die Pflasterung befindet sich auf einem im Eigentum der Tochter des Antragstellers stehenden Grundstück, dessen Mieter der Kläger ist. Der 1949 geborene Antragsteller hat das Grundstück an seine 1973 geborenen Tochter 1995 für 20.000,00 DM veräußert und sich in dem Kaufvertrag zugleich bevollmächtigen lassen, mit dem Grundstück weitgehend nach Belieben zu verfahren, insbesondere Umgestaltungen bzw. Erneuerungen auf seine Kosten vornehmen zu lassen (Bl. 96 ff. 101 d.A.).

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die vom Antragsteller beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert, weil der Antragsteller nicht Eigentümer des beschädigten Grundstücks sei und er als Mieter und Besitzer den behaupteten Substanzschaden nicht geltend machen könne. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Er hat eine Abtretungserklärung vom 24.07.2001 (Bl. 69 d.A.) vorgelegt, mit der ihm seine Tochter die ihr gegen die Antragsgegnerin zustehenden Ansprüche abtritt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht erkennbar, warum die Grundstückseigentümerin den Anspruch nicht selbst verfolge; ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestehe nicht, wenn eine hinreichend vermögende Partei den Anspruch ohne triftigen Grund an einen anderen abtrete, der die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt.

II.

1. Mit der vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss kann der durch den behaupteten Produktfehler an dem Grundstück entstandene Substanzschaden nach § 823 Abs. 1 BGB oder § 1 ProdHaftG nicht nur von der Grundstückseigentümerin ersetzt verlangt werden, sondern auch von dem Antragsteller als Mieter und Besitzer des Grundstücks.

a) Es ist anerkannt, dass der Besitz ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist und dass dem Besitzer bei einer Verletzung dieses Rechts Ansprüche auf Ersatz nicht nur des Nutzungsschadens, sondern auch des sogenannten Haftungsschadens zustehen können (vgl. Mertens in: MünchKomm, 3. Aufl., § 823 Rn. 145; Palandt/Thomas, 61. Aufl., § 823 Rn. 13; Staudinger/Hager, 13. Aufl., § 823 Rn. B 167). Dem entsprechend bejaht die Rechtsprechung einen Anspruch des Leasingnehmers aus § 823 Abs. 1 BGB gegen den Schädiger der Leasingsache, wenn der Leasingnehmer wegen der Beschädigung des Eigentums des Leasinggebers, von dem er seinen Besitz ableitet, diesem vertraglich ersatzpflichtig ist (BGH, VersR 1976, 943, 944; BGHZ 116, 22 ff.). Dasselbe gilt für den Mieter einer Sache, der dem Vermieter ersatzpflichtig ist (BGH, NJW 1981, 750, 751 f.). Schließlich hat der Bundesgerichtshof auch den Anspruch des Werkunternehmers gegen den Schädiger eines noch nicht abgenommenen Werks aus § 823 Abs. 1 BGB bejaht (BGH, NJW 1984, 2569, 2570; dazu Richter, NJW 1985, 1450 ff.). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Besitzer, der letztlich die Verantwortung für die Sachsubstanz trägt, der durch die Substanzverletzung eigentlich Geschädigte ist und er daher auch Anspruch auf Ersatz des Substanzschadens hat.

b) Dies muss auch für den möglichen Anspruch aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG gelten. Nach Satz 1 der Vorschrift ist, wenn durch den Fehler eines Produkts eine Sache beschädigt wird, der Hersteller verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Es steht außer Zweifel, dass auch der Besitzer einer Sache Geschädigter im Sinne dieser Vorschrift sein kann (Cahn in: MünchKomm, 3.Aufl., § 1 ProdHaftG, Rn. 5; Graf von Westphalen in: Produkthaftungshandbuch, Band 2, 2.Aufl., § 71 Rn. 27; Rolland, ProdHaftG, § 1 Rn. 49 f.). Sofern in den zitierten Kommentierungen ausgeführt wird, der Besitzer könne nur den Nutzungsschaden geltend machen, nicht den Substanzschaden, weil "diese Rechtsposition für den Eigentümer reserviert ist" (Graf von Westphalen, a.a.O.) bzw. "die Sache ihm nicht gehört" (Rolland, a.a.O., Rn. 50), ist der Fall eines dem Besitzer entstehenden Haftungsschadens offensichtlich nicht bedacht. Weder aus der Struktur des Produkthaftungsgesetzes noch aus Schutzzwecküberlegungen lässt sich herleiten, dass ein Haftungsschaden des Besitzers nicht nach § 1 ProdHaftG zu ersetzen ist. Auch hier folgt die Haftung des Herstellers daraus, dass der Besitzer, der für die Sachsubstanz verantwortlich ist und dafür dem Eigentümer auch finanziell einzustehen hat, einen eigenen auf die Sachsubstanz bezogenen Schaden erleidet.

c) Ausgehend davon kommt eine Haftung der Antragsgegnerin auch gegenüber dem Antragsteller in Betracht. Nach Ziffer V des Grundstückskaufvertrages zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter sind Änderungen und Umgestaltungen bzw. Erneuerungen an Grundbesitz, Wohnhaus, Gartenanlagen, Umzäunung etc. ausschließlich Sache des Verkäufers (Antragstellers), der alleine berechtigt ist, solche Maßnahmen auf seine Kosten vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen; danach ist der Verkäufer ferner verpflichtet, solche Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen auf eigene Kosten vornehmen zu lassen, soweit dies zur Beseitigung von Schäden oder zur Abwehr weiterer Schäden geboten ist. Damit ist die Verantwortung für die Sachsubstanz vertraglich weitgehend dem Antragsteller als Besitzer zugewiesen. Ob er sich - wie die Antragsgegnerin vermutet - durch die Gestaltung des Kaufvertrages "arm machen wollte", ist für die mögliche Haftung der Antragsgegnerin ohne Belang.

2. Auf die Begründung, die das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung gegeben hat, kann die Verweigerung der Prozesskostenhilfe danach ebenfalls nicht gestützt werden. Da der Antragsteller die Klageforderung auf eigenes Recht stützen kann, kommt es auf seine Bedürftigkeit an, nicht auf die der Grundstückseigentümerin. Für die Abtretung der Ansprüche der Eigentümerin an den Antragsteller, auf die die Klage hilfsweise gestützt werden mag, besteht im Übrigen ein triftiger Grund, weil der Antragsteller der Grundstückseigentümerin für die Sachsubstanz verantwortlich ist.

3. Das Landgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht geprüft, ob und inwieweit die Klage nach dem zur Herstellerhaftung vorgetragenen Tatsachen Aussicht auf Erfolg hat und ob der Antragsteller die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfüllt. Dies wird nunmehr nachzuholen sein.

III.

Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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