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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.11.2000
Aktenzeichen: 11 W 73/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
ZPO § 127 Abs. 4 |
Beschluss
In dem
pp.
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und am 08.11.2000
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beklagten gegen den ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Widerklage zurückweisenden Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 06.07.2000 - 1 O 103/99 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Widerklage zu Recht verweigert. Der mit der Widerklage verfolgte Antrag auf Rückübertragung des 1988 den Klägern gegen Übernahme der Pflegeverpflichtung übertragenen Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 198.000,00 DM für die Investitionen der Kläger in das Objekt hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt in vollem Umfang den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung, denen die Beschwerde nichts Erhebliches entgegensetzt. Ergänzend sei nur Folgendes ausgeführt.
Die Kläger haben in dem notariellen Übertragungsvertrag die Verpflichtung übernommen, die Beklagte "auf deren Lebenszeit im übertragenen Wohnhaus auf deren Verlangen hin in gesunden und kranken Tagen unentgeltlich zu pflegen, zu versorgen und ihr die häuslichen Arbeiten zu verrichten", sowie den Grundbesitz gegen Erstattung der wertsteigernden Aufwendungen zurück zu übertragen, wenn sie dieser Verpflichtung ganz oder teilweise zuwider handeln. Darauf stützt die bei Vertragsabschluss 46 und jetzt 59 Jahre alte Beklagte den Widerklageantrag, wobei sie die Ansicht vertritt, die Kläger hätten ihrer Pflegeverpflichtung zuwider gehandelt, weil sie auf die in dem angegriffenen Beschluss und in der Beschwerdebegründung im einzelnen aufgeführten Schreiben nicht durch Pflegemaßnahmen reagiert hätten. Zutreffend nimmt das Landgericht an, dass es bisher an einem ausreichend konkretisierten Pflegeverlangen fehlt. Dem hält die Beklagte mit der Beschwerde ohne Erfolg entgegen, ihre Forderungen seien ausreichend konkretisiert, weil die Kläger sich verpflichtet hätten, sie auch in gesunden Tagen zu pflegen und zu versorgen.
Klauseln, in denen sich der Übernehmer eines Grundstücks verpflichtet, den Übergeber in "gesunden und kranken Tagen" zu pflegen und zu versorgen, waren in der früheren notariellen Praxis durchaus nicht unüblich (vgl. Weyland, MittRhNotK 1997, 55, 62). Die Kläger tragen unter Beweisantritt vor, der Notar habe vor Beurkundung des Vertrages darauf hingewiesen, dass mit der Klausel nicht gemeint sei, die Kläger müssten der Beklagten bereits jetzt (46 Jahre alt) den Haushalt führen, vielmehr bestehe diese Pflicht nur, wenn die Beklagte zwar nicht krank, aber auf grund ihres Alters gebrechlich sei. Ob dieser Vortrag zutrifft, kann dahinstehen. Denn es versteht sich von selbst, dass der Verpflichtete aus einer solchen Klausel erst dann in Anspruch genommen werden kann, wenn ein Anlass zur Pflege und Versorgung besteht. Formulierungen wie die hier gewählte bringen das Bestreben zum Ausdruck, zum Schutz des Übergebers möglichst alle denkbaren Lebenslagen zu erfassen, in denen der Übergeber möglicherweise der Hilfe bedarf (Weyland a.a.O.; Wahl, Vertragliche Versorgungsrechte in Übergabeverträgen und sozialrechtliche Ansprüche, S. 157). Diesem von den Vertragspartnern offensichtlich erstrebten Schutzzweck ist bei der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) derartiger Klauseln Rechnung zu tragen. Verlangt der Übergeber Pflege oder sonstige Hilfe in einem Alter, in dem solche Leistungen den Angehörigen oder sonstigen Verpflichteten ohne konkreten Anlass - wie etwa einer Erkrankung oder sonstigen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung - üblicherweise nicht abverlangt werden, so hat er den Grund für die Inanspruchnahme und die Art der notwendigen Leistungen im Einzelnen darzulegen. Eine Verpflichtung des Übernehmers besteht dann, wenn die verlangte Hilfeleistung unter Berücksichtigung der Beeinträchtigung des Übergebers und seiner Möglichkeiten, für sich selbst zu sorgen, als notwendig oder zumindest angemessen und dem Übernehmer zumutbar erscheint.
Selbstverständlich können die Parteien abweichend davon Vereinbarungen treffen, die die Erbringung von Leistungen des Übernehmers ohne konkreten Pflege- oder Versorgungsanlass vorsehen. Dass dies hier geschehen sei, behauptet die Beklagte indes nicht. Sie behauptet, die fragliche Klausel sei im Notartermin überhaupt nicht erörtert worden. Sie hat sich auch auf die Pflegeverpflichtung erst mehr als zehn Jahre nach Vertragsabschluss besonnen, als die Beziehungen der Parteien bereits durch starke Spannungen getrübt waren, ist also selbst nicht von einer sogleich einsetzenden Verpflichtung ausgegangen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Beklagte die Pflegeverpflichtung nunmehr als Druckmittel im Rahmen der Auseinandersetzungen der Parteien einsetzen will; dazu ist sie aber offensichtlich nicht gedacht.
Für einen Pflege- oder Versorgungsanlass hat die Beklagte nicht ausreichend vorgetragen. Sie ist in einem Alter, in dem man heutzutage üblicherweise noch einem Beruf nachgeht. Sie erzielt Einkünfte aus Renten und Arbeitsleistungen (Kinderbetreuung und leichte Arbeiten in fremdem Haushalt) und hat ein unentgeltliches Wohnungsrecht in dem übertragenen Haus. Dass die Beklagte unter einer degenerativen Gelenkserkrankung leidet und deshalb Einschränkungen in ihrer Beweglichkeit hinnehmen muss, löst noch keine allgemeine Pflegeverpflichtung der Kläger aus. Die Beklagte ist immerhin in der Lage, außer Haus zumindest leichte Arbeitsleistungen zu erbringen, und fährt auch ein Kraftfahrzeug. Aus dem bisherigen Vortrag ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ständiger Hilfe bei allgemeinen Hausarbeiten bedarf. Soweit sich aus der Erkrankung im Einzelfall ganz konkreter Pflegebedarf ergibt, der eine Hilfeleistung der Kläger nach dem oben aufgezeigten Maßstab als angemessen erscheinen lässt, mögen die Kläger zu konkret umschriebenen, zeitlich eingegrenzten Leistungen aufgefordert werden. Der Frage, ob, in welchem Umfang und in welcher Form Pflegeleistungen überhaupt noch verlangt werden können, nachdem die Kläger auf Grund des Zerwürfnisses der Parteien aus dem Haus ausgezogen sind und nachdem sich beide Seiten grundsätzlich bereit gefunden haben, den Übertragungsvertrag gegen angemessenen Ersatz der Investitionen einverständlich rückgängig zu machen, muss hier nicht nachgegangen werden; zu Leistungen im konkret nachgewiesenen Bedarfsfall sind die Kläger offenbar bereit.
Die Beschwerde kann danach keinen Erfolg haben. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs.4 ZPO).
Ende der Entscheidung
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