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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.01.2003
Aktenzeichen: 12 U 117/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB


Vorschriften:

ZPO § 33
ZPO § 91
ZPO § 91a
ZPO § 261 II Nr. 1
ZPO § 321
BGB § 823 I
BGB § 823 II
BGB § 824
StGB § 186
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreit werden dem Beklagten auferlegt.

Gründe:

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Pflicht zur Kostentragung zu entscheiden. Danach ist es gerechtfertigt, die Kosten des Rechtsstreits insgesamt dem Beklagten aufzuerlegen. Soweit er die landgerichtlichen Urteile nicht angefochten hat, muss es bei der ihn belastenden Kostenentscheidung gem. § 91 ZPO verbleiben, im Übrigen trifft ihn die Kostenlast, da seine Rechtsmittel (die gem. § 518 S. 2 ZPO miteinander zu verbinden waren), keine Erfolgsaussichten besaßen.

1.

Ob das Landgericht unzulässigerweise die Entscheidung zur Tatbestands-berichtigung in Form eines Urteils statt eines Beschlusses erlassen hat (vgl. § 320 IV 4 u. 5 ZPO) und ob dabei die Kammer nicht ordnungsgemäß besetzt war (vgl. § 320 IV 2 ZPO), kann dahinstehen, denn zum einen sind Entscheidungen zur Tatbestandsberichtigung ohnehin nicht anfechtbar (§ 320 IV 4 ZPO), zum anderen hat sich der Beklagte dem Berichtigungsantrag, dem das Landgericht entsprochen hat, erstinstanzlich selbst angeschlossen und macht auch im Berufungsrechtszug nicht geltend, die Berichtigungsentscheidung sei sachlich unrichtig. Die in Betracht kommenden Verfahrensmängel wären deshalb ohne Relevanz.

2.

Der Auffassung der Berufung, die Ergänzung des Urteils vom 10.5.2002 durch das Urteil vom 16.8.2002 gem. § 321 ZPO sei nicht zulässig gewesen, kann nicht gefolgt werden. Das Landgericht hat nämlich am 10.5.2002 nicht bewusst eine Teilentscheidung erlassen, was einer Ergänzung gem. § 321 ZPO entgegen stehen würde, sondern die Anträge zur Widerklage übersehen, wie sich daraus ergibt, dass diese weder im Tatbestand aufgeführt, noch in den Entscheidungs-gründen behandelt und auch im Tenor nicht beschieden werden; das Urteil ist auch nicht als "Teilurteil" bezeichnet worden und enthält eine Kostenentscheidung, was bei einem Teilurteil nicht zulässig wäre. Es war damit ersichtlich als ein die Instanz insgesamt abschließendes Urteil gewollt.

Dass das Urteil vom 16.8.2002, wie die Berufung geltend macht, mit einer unzutreffenden Überschrift versehen sei, kann dahinstehen, da ebenfalls ohne rechtliche Relevanz. Der Tenor des Urteils vom 16.8.2002 ist zwar insoweit unvollständig, als in ihm ein Ausspruch zu den Anträgen der Widerklage immer noch fehlt. Dies schadet jedoch deshalb nicht, weil sich aus den Entscheidungs-gründen ergibt, dass und in welcher Weise das Landgericht diese Anträge nunmehr bescheiden wollte. Ein nochmaliger Antrag auf Ergänzung gem. § 321 ZPO kam deshalb nicht in Betracht, vielmehr konnte der Beklagte nunmehr mit der Berufung seine Widerklageanträge weiter verfolgen, da sie erstinstanzlich beschieden und somit dort nicht mehr anhängig sind.

3.

Die vom Beklagten erhobene Widerklage war allerdings zulässig.

a) Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Widerklage gem. § 33 ZPO waren zweifellos gegeben, da der mit der Widerklage verfolgte Unterlassungsanspruch als Leistungsklage das direkte Gegenstück zu der vom Kläger erhobenen negativen Feststellungsklage ist.

b) Dass sich die Widerklage auf denselben Streitgegenstand bezieht wie die zuerst eingereichte negative Feststellungsklage, stand der Erhebung der Widerklage nicht entgegen; die Rechtshängigkeitssperre des § 261 II Nr. 1 ZPO greift nicht ein, da das Rechtsschutzziel der Leistungs-Widerklage weitergehend ist als das der negativen Feststellungsklage (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 256 RN 7d u. 16).

c) Der Widerklage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar können nach gefestigter Rspr. gegen Behauptungen, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen Verfahren dienen, Abwehransprüche grundsätzlich nicht mit Erfolg erhoben werden, vielmehr sind derartige Ehrenschutzklagen wegen der Vorrangigkeit des Erstverfahrens, in dem die beanstandete Äußerung gemacht worden ist, ohne Sachprüfung (also: als unzulässig) abzuweisen (BGH NJW 1998, 1399, 1400/1 mit zahlreichen Nachweisen). Dies folgt daraus, dass auf den Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen oder seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden darf, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Widerrufsansprüche in seiner Äußerungs-freiheit eingeengt wird. Diese Grundsätze sind auch auf Äußerungen in behördlichen Verfahren angewandt worden, in denen eine entsprechende Interessenlage besteht (BGH a.a.O. m.w.N.). Ein derartiger Sachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben, denn der Kläger hat die vom Beklagten beanstandete Äußerung weder in einem gerichtlichen noch in einem behördlichen Verfahren getan, sondern im Schriftwechsel mit einer Sparkasse. Auch wenn der Kläger gemeint hat, diese Äußerung sei im Rahmen der Rechtsverfolgung der von ihm beratenen und vertretenen Streithelferin angezeigt, bleibt sie damit justiziabel. Eine Interessenlage, die eine Einschränkung des Ehrenschutzes des Beklagten rechtfertigen könnte, war damit nämlich nicht gegeben. Durch die Erhebung der Unterlassungsklage hinsichtlich einer außerprozessualen Äußerung wird nämlich weder die Kompetenz eines anderen Gerichts beeinträchtigt, da es ein schon mit der Sache befasstes Gericht gerade nicht gibt, und insbesondere steht dem in seiner Ehre Verletzten kein ausreichender anderer Rechtsschutz zur Verfügung. Insbesondere letzterem Gesichtspunkt kommt entscheidende Bedeutung zu, denn eine Einschränkung der grundsätzlich gegebenen Möglichkeiten des Ehren-schutzes kann nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn dem Verletzten anderweitige Behelfe zur Verfügung stehen, die einen gleichwertigen Schutz zu gewähren in der Lage sind. In der Entscheidung BGH NJW 1998, 1399, 1401/2 wird überzeugend darauf hingewiesen, dass eine Ehrenschutzklage selbst gegenüber Äußerungen, die im Rahmen eines anhängigen Verfahrens gemacht werden, nur dann versagt werden kann, wenn davon ausgegangen werden könne, dass der Angegriffene ohne weiteres Kenntnis von den für ihn nachteiligen Äußerungen erhält, so dass er dort die erhobenen Vorwürfe richtig stellen und eine Klärung herbei führen kann, was dann, wenn es sich um Angaben gegenüber einer Behörde handelt, durch die erst ein Verfahren gegen den Angegriffenen in Gang gesetzt werden soll oder die Behörde selbst für Maßnahmen gegenüber dem Angegriffenen nicht zuständig ist, durchaus fraglich sein kann. In Übereinklang damit wird in der Entscheidung BGH NJW 1995, 397 ausgesprochen, dass Äußerungen, die der Konkursverwalter in seinem Erstbericht gegenüber der Gläubigerversammlung macht, nicht einer Ehrenschutzklage entzogen sind, da im Konkursverfahren eine abschließende Überprüfung der Richtigkeit der vom Konkursverwalter aufgestellten Behauptungen nicht stattfindet und es nicht Zweck der Gläubigerversammlung ist, der Rechts- oder Wahrheits-findung zu dienen. Die hinter dieser Auffassung stehenden Erwägungen zum Schutz des in seiner Ehre angegriffenen gelten erst recht, wenn die ehrverletzenden Behauptungen außerhalb jeglichen behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens im Schriftverkehr zwischen Privatpersonen aufgestellt werden wie vorliegend. Es war weder Aufgabe der Sparkasse als Empfängerin des Schreibens, die Bonität des Beklagten zu prüfen, noch war sicher gestellt, dass der Beklagte überhaupt von der Äußerung Kenntnis erlangte, die der Kläger gegenüber der Sparkasse machte; er hat hiervon vielmehr nur zufällig dadurch erfahren, dass die Sparkasse ihm eine Kopie des Schreibens des Klägers zugesandt hat, wozu sie nicht verpflichtet gewesen wäre. Es gibt keinen überzeugenden Grund, weshalb Ehrenschutz gegenüber derartigen Äußerungen nicht gewährt werden sollte.

Auch die von der Rspr. vertretene Auffassung, dass es einem Betroffenen versagt ist, durch eine Unterlassungs- oder Widerrufsklage Vorbringen in einem zukünftigen Verfahren zu verhindern oder zu entwerten (BGH NJW 1977, 1681, 1682; Senat Urt. vom 6.4.1998 - 12 U 207/97 -), steht der vorliegenden Klage nicht entgegen. Als solche zukünftige Verfahren könnten allenfalls die bei Abgabe der Äußerung noch nicht anhängigen Zahlungsklagen des Beklagten gegen die Streithelferin des Klägers und die Sparkasse angesehen werden. Zum einen sind diese Verfahren aber zwischenzeitlich bereits abgeschlossen, so dass es nicht angezeigt erscheint, ihnen (noch) "Sperrwirkung" beizumessen (vgl. dazu die Entscheidung BGH NJW 1986, 2502 f, in der das Rechtsschutzbedürfnis ausdrücklich nur verneint wird für die Zeit bis zum Abschluss des Ausgangs-verfahrens sowie OLG Hamm NJW 1992, 1329, 1330; in diesem Sinn auch Walter JZ 1986, 614, 617; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb. 1999, § 823 RN C 140 a.E. u. 141; Schwerdtner in MüKo-BGB, 3. Aufl., § 823 RB 341). Zudem ist ein Schutz einer Prozesspartei vor Unterlassungs- oder Widerrufsklagen in Bezug auf beabsichtigten Prozessvortrag nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um Vortrag zu rechtsbegründenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen oder zur Eignung eines Beweismittels handelt; der Vortrag muss mit Blick auf die konkrete Prozesssituation zur Rechtswahrung geeignet und erforderlich erscheinen (vgl. BVerfG NJW 1991, 29). Die Äußerung in dem Schreiben des Klägers vom 13.8.2000 darüber, ob an den Beklagten erfolgte Zahlungen ggfls. wiedererlangt werden können (nur diese Äußerung ist im Berufungsverfahren noch Gegenstand der Widerklage), war zur Verteidigung oder Geltendmachung der Rechte der Streithelferin gegenüber der Sparkasse oder dem Beklagten selbst aber in keiner Weise erforderlich, da dieser Gesichtspunkt für die Entscheidung der Frage, ob die Streithelferin dem Beklagten Mietzins und/oder Kosten für Schönheits-reparaturen schuldete und ob die Sparkasse als Bürgin der Streithelferin dem Beklagten diesbezügliche Einwendungen seiner Schuldnerin entgegen halten konnte, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von Bedeutung war. Damit fehlte dem Beklagten auch jegliche Möglichkeit, sich gegen die Äußerung in einem der nachfolgenden Rechtsstreite mit der Streithelferin und der Sparkasse in dieser Hinsicht zu verteidigen, denn es war offensichtlich, dass eine Nachprüfung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Äußerung von dem angegangenen Gericht nicht vorgenommen werden würde.

4.

Die Widerklage war jedoch nicht begründet.

Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der Kläger nicht passiv legitimiert ist. Nach der Rspr. (BVerfG NJW 1996, 3267; KG NJW 1997, 2390) ist ein Rechtsanwalt für Äußerungen, die er in Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten abgibt, grundsätzlich nicht selbst haftbar zu machen, was u.a. zur Folge hat, dass ein Anspruch auf Unterlassung oder Widerruf von ehrkänkenden Äußerungen nicht gegen ihn, sondern gegen den von ihm vertretenen Mandanten zu richten ist. Diese Grundsätze stehen der vom Beklagten erstrebten Inanspruchnahme des Klägers im Wege der Unterlassungsklage entgegen.

Das Schreiben des Klägers vom 13.8.2001 war sowohl aus der Sicht des Empfängers als auch der des Beklagten, dem es vom Empfänger abschriftlich zur Kenntnis zugeleitet worden ist, dahin zu verstehen, dass der Kläger die fragliche Äußerung in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und rechtlicher Berater und Bevollmächtigter der Streithelferin gemacht hat. Denn sie erfolgte auf einem mit dem Briefkopf der Anwaltskanzlei versehenen Briefbogen, und das Schreiben galt unverkennbar der Wahrnehmung der Interessen der Streithelferin gegenüber der Sparkasse bzw. dem Beklagten. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang formuliert hat, der Beklagte "ist mir aus anderen Verfahren bekannt", so hob er dabei zwar auf behauptetes eigenes Wissen ab; auch dies geschah jedoch erkennbar mit dem Ziel, die Interessen der Streithelferin wahrzunehmen und stellt sich damit nicht als private Äußerung des Klägers dar, sondern als eine im Rahmen des Mandatsverhältnisses erfolgte Maßnahme zur Verfolgung der Interessen des Mandanten. Dass die Äußerung etwa gemacht wurde ohne Wissen oder Billigung der Streithelferin und damit quasi außerhalb des Mandats-verhältnisses, was dazu führen könnte, dass sie dem Kläger selbst haftungsrechtlich zuzuordnen wäre und nicht seiner Mandantin, ergibt sich weder aus dem Schreiben noch aus dem Vortrag im vorliegenden Rechtsstreit. Denn die Streithelferin, der vom Beklagten der Streit verkündet worden ist mit der Begründung, falls seine Widerklage gegen den Kläger mangels dessen Passivlegitimation abgewiesen werde, werde er sie auf Unterlassung in Anspruch nehmen (GA 38), ist nicht etwa dem Beklagten im Rechtsstreit beigetreten, sondern dem Kläger. Sie hat sich dessen Anträgen angeschlossen und vorgetragen, sie habe den Kläger angewiesen, ihre Befürchtung zum Ausdruck zu bringen, bei einer Zahlung der Sparkasse vom Beklagten das Geld nicht zurückbekommen zu können und dessen Formulierungen gäben genau ihre Befürchtungen wieder (GA 54/5). Spätestens damit war die Möglichkeit einer persönlichen Inanspruchnahme des Klägers durch den Beklagten nicht mehr gegeben.

5.

Soweit die Parteien die Klage im ersten Rechtszug übereinstimmend für erledigt erklärt haben (negative Feststellungsklage gegen das Berühmen des Beklagten betr. seinen Unterlassungsanspruch), erübrigen sich Ausführungen zur Kostentragungspflicht. Dieser Teil der Klage war deckungsgleich mit der nachfolgenden Widerklage, so dass eine Streitwerterhöhung nicht eingetreten ist (so zutreffend das Landgericht in seinem Beschluss vom 15.8.2002, GA 131) und zusätzliche Kosten nicht verursacht worden sind.

6.

Die negative Feststellungsklage betreffend den vom Beklagten angemeldeten Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten war begründet. Als Anspruchsgrund-lage für das Begehren auf Erstattung der Anwaltskosten, das der Beklagte durch seine damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 22.10.2001 (GA 9 f) hatte vorbringen lassen, kämen die Vorschriften gemäß § 823 I BGB bzw. § 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB oder § 824 BGB in Betracht. Dieser Anspruch gegen den Kläger scheidet aber aus denselben Erwägungen aus, die vorstehend unter 4. zur Widerklage gemacht worden sind, so dass das Feststellungsbegehren des Klägers begründet war.

7.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

Für die Zeit bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung am 12.12.2002:

Widerklage 2.556,46 EUR Negative Feststellungsklage betr. Zahlungsanspruch 288,42 EUR 2.844,88 EUR

Für die Zeit danach (Kosteninteresse; begrenzt durch Hauptsachestreitwert): 2.844,88 EUR

Ende der Entscheidung

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