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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: 12 UF 70/05
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 319
GKG § 63 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

12 UF 70/05

In der Familiensache

hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Diederichs, die Richterin am Oberlandesgericht Scholz und den Richter am Oberlandesgericht Grommes

am 9. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Gegenvorstellung der Antragsgegnerin wird der im vorliegenden Rechtsstreit am 15.12.2005 mitverkündete Streitwertbeschluss teilweise abgeändert und die Festsetzung des Gegenstandswerts des Berufungsrechtsstreits wie folgt neu gefasst:

a. Wert der Berufung des Antragstellers 16.842,00 €,

b. Wert der Berufung der Antragsgegnerin 12.014,40 €,

c. Gesamtstreitwert der Berufungen 28.856,40 €.

2. Entgegen der Anregung der Antragsgegnerin bleibt die in dem am 15.12.2005 verkündeten Urteil des erkennenden Senats enthaltene Kostenentscheidung aufrechterhalten.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Aachen hat mit Teil-Urteil vom 13.05.2005 - 29 F 55/04 - die Ehe der Parteien geschieden, festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, und zu Ziffer 3. des Rechtsfolgenausspruchs den Antragsteller unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags der Antragsgegnerin verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung Unterhalt in der Höhe von monatlich 3.541,00 € jeweils im Voraus zu zahlen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien jeweils beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch zum nachehelichen Unterhalt Berufung eingelegt, und zwar der Antragsteller mit dem Ziel der Herabsenkung des zu zahlenden Unterhalts auf 2.850,00 € und dessen Befristung bis zum 30.06.2006 und die Antragsgegnerin mit dem Ziel der Anhebung auf 4.542.20 € monatlich. Von den wechselseitigen Berufungsbegründungsschriften ist als letzte die der Antragsgegnerin vom 25.08.2005 der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 31.08.2005 zugestellt worden.

Mit Urteil vom 15.12.2005 hat der erkennende Senat zum vorliegenden Verfahren wie folgt für Recht erkannt:

"Unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels wird das Teil-Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 13.05.2005 - 29 F 55/04 - in seinem Rechtsfolgenausspruch zu Ziffer 3. des Tenors auf die Berufung der Antragsgegnerin teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlich jeweils im Voraus 4.282,00 €, davon 3.541,00 € als Elementarunterhalt und 741,00 € als Altersvorsorgeunterhalt, zu zahlen; im Übrigen wird ihr Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts zurückgewiesen.

Die gegen das vorbezeichnete Urteil des Amtsgerichts Aachen eingelegte Berufung des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtsstreits tragen der Antragsteller zu 85 % und die Antragsgegnerin zu 15 % ...

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar."

Zugleich ist der Gegenstandswert der Berufung wie folgt festgesetzt worden:

Berufung des Antragstellers, 12 x 691,00 € 8.292,00 €,

Berufung der Antragsgegnerin, 12 x (4.542,20 € - 3.541,00 €) 1.001,20 € = 12.014,40 €,

Gesamtstreitwert der Berufungen 20.306,40 €.

Mit Schriftsatz vom 21.12.2005 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin um Überprüfung der Streitwertfestsetzung mit dem Ziel der Erhöhung des Streitwerts für die Berufung des Antragstellers und für den Fall der Änderung des Streitwerts um Anpassung der Kostenentscheidung gebeten. Zur Begründung haben sie vorgebracht, bei der bisherigen Festsetzung des Werts der Berufung des Antragstellers sei nicht zum Ausdruck gekommen, dass die Scheidung erst im Oktober 2005 rechtskräftig geworden sei, der Rechtsfolgenausspruch in dem Teil-Urteil des Amtsgerichts zum nachehelichen Unterhalt daher erst ab Oktober 2005 Wirksamkeit entfalten könne und der Antragsteller mit Wirkung ab dem 01.07.2006, also innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums des § 42 GKG, die vollständige Klageabweisung beantragt habe.

Der Antragsteller und seine Verfahrensbevollmächtigte vertreten die Auffassung, der Gegenstandswert für die Berufung sei richtig festgesetzt; denn die Zwölf-Monats-Frist habe gemäß § 40 GKG mit dem Tag der Einlegung der Berufung durch den Antragsteller (22.06.2005) begonnen.

II.

(1) Die teilweise Änderung der Wertfestsetzung für den Berufungsrechtsstreit beruht auf § 63 Abs. 3 GKG.

(1.1) Der Erhöhung des Streitwerts steht nicht entgegen, dass dadurch eine rechtskräftige Kostenentscheidung unrichtig werden könnte (so aber noch: BGH MDR 1977, 925; in neuerer Zeit: OLG Düsseldorf, 9. ZS, NJW-RR 1992, 1532). Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur stellt eine Diskrepanz zwischen Kostenquotelung und Streitwert keinen Hinderungsgrund für eine sachlich gebotene Änderung der Wertfestsetzung dar (vgl.: OLG Frankfurt NJW 1970, 436; OLG Köln, 7. ZS, OLGZ 1993, 446; OLG Düsseldorf, 19. ZS, NJW-RR 1992, 1407; OLG Düsseldorf, 9. ZS, NJW-RR 1992, 1532; OLG Hamm MDR 2001, 1186; Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, GKG § 63 Rdnr. 40; Egon Schneider, Anmerkung zu BGH MDR 1977, 925 f.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Auflage, Rdnr. 4162). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Die sich infolge nachträglicher Änderung des Streitwerts herausstellende Unrichtigkeit einer rechtskräftigen Kostenentscheidung zwingt entgegen der Argumentation der Gegenmeinung nicht zur Berichtigung der Kostenentscheidung. § 63 Abs. 3 GKG sieht die Korrektur einer unzutreffenden Festsetzung des (Gebühren-) Streitwerts ohne Berücksichtigung der Auswirkung auf eine rechtskräftige Kostenentscheidung vor. Wie die Positionierung dieser Regelung zeigt, hat sie die Wahrung fiskalischer Interessen zum Gegenstand. Die Gebühren für die Staatskasse und die Prozessbevollmächtigten der Parteien sind nach dem wahren - wenn auch erst nach Rechtskraft für richtig befundenen - Gebührenwert angefallen. Ein Eingriff in diese Rechtspositionen aus der Erwägung, der Schein der Richtigkeit des Urteils müsse gewahrt werden, ist nicht gerechtfertigt. Es kann in Anbetracht der Neukodifizierung des GKG in Kenntnis dieser Problematik davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber weiterhin an der Möglichkeit der Streitwertkorrektur noch nach Rechtskraft eines Urteils festhalten wollte, ohne dass er es für erforderlich erachtet hat, für diesen Fall gleichzeitig eine Berichtigungsmöglichkeit vorzusehen.

(1.2) Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist für den Gebührenstreitwert bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht grundsätzlich der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung der Klage oder des Antrags geforderte Betrag maßgeblich. Für den vorliegend von der Antragsgegnerin im Verbund geltend gemachten nachehelichen Unterhalt bestand allerdings die Besonderheit, dass dieser nicht schon mit Wirkung ab Einreichung des Stufenantrags zum Unterhalt am 17.10.2004 oder des bezifferten Antrags am 07.07.2004 geltend gemacht war und entstand, sondern entsprechend §§ 1569 ff. BGB erst mit Wirkung ab Rechtskraft der Ehescheidung. Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts der Berufung ist übersehen worden, dass die Rechtskraft des Scheidungsausspruchs in dem Teil-Urteil des Amtsgerichts nicht schon mit dem Ablauf der Berufungsfrist am 27.06.2005, sondern gemäß §§ 524 Abs.2 Satz 2, 629 a Abs. 3 Satz 1 ZPO erst mit Ablauf der Frist zur Anschlussberufung von einem Monat ab Zustellung der (letzten) Berufungsbegründungsschrift, also mit Ablauf des 30.09.2005 eintrat. Der für die Bemessung des Gegenstandswerts der Berufung des Antragstellers maßgebliche Jahresbetrag ist daher wie folgt zu berechnen:

- 01.10.2005 bis 30.06.2006, 9 x 691,00 € = 6.219,00 €,

- 01.07.2006 bis 30.09.2006, 3 x 3.541,00 € = 10.623,00 €,

- zusammen 16.842,00 €,

und der Gegenstandswert des Berufungsrechtsstreits unter Addition des Werts der Berufung der Antragsgegnerin von 12.014,40 € insgesamt auf 28.856,40 € festzusetzen.

(2) Der zudem vorgebrachten Anregung der Antragsgegnerin ist nicht zu folgen. Der Änderung der Kostenentscheidung stehen deren Rechtskraft und der Grundsatz der Bindung des Senats an sein am 15.12.2005 verkündetes Urteil gemäß § 318 ZPO entgegen.

(2.1) Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Urteils gemäß §§ 319, 525 ZPO liegen nicht vor. Das Urteil vom 15.12.2005 ist hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht offenbar unrichtig. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der in der Entscheidung enthaltene Ausspruch nicht mit dem Gewollten übereinstimmt (vgl. nur: Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 319 Rdnrn. 1, 4, m. Rspr.-N.). Das ist vorliegend zweifellos nicht der Fall. Der Erklärungswert der Kostenentscheidung entspricht dem richterlichen Willen, den Parteien die Kosten des Berufungsrechtsstreits entsprechend dem angegebenen, in Prozenten ausgedrückten Verhältnis aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung ist in sich und auch in Ansehung des gleichzeitig erlassenen Streitwertbeschlusses, der im Übrigen ebenfalls ohne Rechenfehler ist, schlüssig.

(2.2) Soweit in Rechtsprechung und Literatur gleichwohl eine Berichtigung in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO für zulässig erachtet wird (vgl.: OLG Frankfurt NJW 1970, 436; OLG Düsseldorf, 19. ZS, NJW-RR 1992, 1407; OLG Düsseldorf, 24. ZS, NJW-RR 2002, 211; OLG Hamm MDR 2001, 1186; Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 319 Rdnr. 18; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 21. Auflage, § 319 Rdnr. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Hartmann, ZPO, 63. Auflage, § 319 Rdnr. 5; Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, GKG § 63 Rdnr. 40), vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen (so z. B. auch: BGH MDR 1977, 925; OLG Köln, 7. ZS, OLGZ 1993, 446; OLG Düsseldorf, 9. ZS, NJW-RR 1992, 1532; OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 679; OLG München, OLGR München 2003, 110; Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 25. Auflage, § 319 Rdnr. 3; Musielak, ZPO, 4. Auflage, § 319 Rdnr. 8). Die Voraussetzungen für eine Analogie sind nicht gegeben. Ein dem Regelungsgehalt des § 319 ZPO vergleichbarer Sachverhalt kann in der zu behandelnden Fallgruppe, in der das Gericht eine Entscheidung bewusst getroffen hat und die Entscheidung später als unrichtig erkannt wird, nicht gesehen werden. Die Unrichtigkeit seiner Entscheidung war dem Gericht in solchen Fällen zum Zeitpunkt des Erlasses der Kostenentscheidung alles andere als "offenbar". Die Unrichtigkeit beruht auf einem Erkenntnisfehler des Gerichts. Solche können wie fehlerhafte Entscheidungen zur Hauptsache mit den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsmitteln angegriffen werden und sind nach der rechtspolitischen Entscheidung im Anschluss an den Ablauf der Rechtsmittelfrist oder bei Vorliegen einer nicht anfechtbaren Entscheidung bis auf die Ausnahmefälle des Vorliegens eines Restitutionsgrundes aus Gründen der Rechtssicherheit hinzunehmen. Eine "zu schließende gesetzliche Lücke" (so: OLG Düsseldorf, 24. ZS, a. a. O.) besteht danach nicht. Eine "weitherzige Auslegung des § 319 ZPO" (so: OLG Frankfurt, a. a. O.) ist in Anbetracht der Gesetzessystematik nicht gerechtfertigt. Auch Gerechtigkeitsgründe rechtfertigen, anders als etwa bei sittenwidriger Ausnutzung eines Titels, eine Durchbrechung der Rechtskraft über das gesetzliche Rechtsbehelfssystem hinaus nicht.

Ende der Entscheidung

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