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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 13 U 102/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23.5.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (15 O 404/07) abgeändert. Die Klage wird unter Aufhebung des Teilvollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Euskirchen vom 5.3.2007 (XXX1) abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines rechnerisch unstreitig offenstehenden Betrages aus einem von ihm am 14.9.1993 als "Mitdarlehensnehmer" unterzeichneten Darlehensvertrag (Kontonummer ###1; GA 55 f) in Anspruch, mit dem der Erwerb einer Eigentumswohnung durch seinen Vater finanziert wurde. Der Beklagte beruft sich demgegenüber in erster Linie darauf, dass der Vertrag nach den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entwickelten Grundsätzen zur Sittenwidrigkeit der Mithaftung naher Angehöriger gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Daneben behauptet er, mit der Klägerin später seine Entlassung aus der Haftung vereinbart zu haben. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 23.5.2008 (GA 193 ff), auf das im Übrigen wegen der rechtlichen Würdigung durch die Zivilkammer Bezug genommen wird, antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte zwar kein "echter Mitdarlehensnehmer", sondern lediglich Mithaftender neben seinem Vater sei, der Sachvortrag zu seinen für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages maßgeblichen Vermögensverhältnissen - insbesondere zu den zu erwartenden späteren Einkommensverhältnissen - jedoch nicht ausreiche. Auch sein Vorbringen zu einer späteren Entlassung aus der Mithaftung sei unzureichend.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner zulässigen Berufung. Er macht geltend, dass das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt habe. Nicht er müsse seine (spätere) Leistungsunfähigkeit beweisen, sondern die Klägerin sei darlegungs- und beweispflichtig für ihre Behauptung, dass er nach den berechtigten Erwartungen zur Zeit des Vertragsschlusses im späteren zeitlichen Verlauf über genügende finanzielle Mittel zur Rückzahlung des Darlehens verfügen werde. Dem entspreche das Vorbringen der Klägerin nicht.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des Teilvollstreckungsbescheides die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Rechtsstandpunktes, tritt den Rechtsausführungen des Beklagten zur Darlegungs- und Beweislast entgegen und meint, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages nach dem Gesamtbild, das sich angesichts der guten Vermögensverhältnisse vom sozialen Umfeld der Familie des Beklagten ergeben habe, davon habe ausgehen können, dass es dem Beklagten ohne weiteres möglich sein werde, seinen durch den Vertrag übernommenen Verpflichtungen nachzukommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien muss der Darlehensvertrag vom 14.9.1993 gemäß § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig und damit nichtig angesehen werden, soweit es um die Haftung des Beklagten geht. Das führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und - unter Aufhebung des im Tenor näher bezeichneten Teil-Vollstreckungsbescheides - zur Abweisung der Klage. Im Einzelnen gilt:

1.

Was zunächst die vom Beklagten behauptete spätere Entlassung aus der Haftung durch eine Vereinbarung mit der Beklagten angeht, folgt der Senat allerdings der für den Beklagten nachteiligen Bewertung des Landgerichts zum seinem erstinstanzlichen (und im zweiten Rechtszug nicht maßgeblich ergänzten) Vorbringen. Die Unterzeichnung der Ratenzahlungsvereinbarung durch den Beklagten am 3.10.2005, in der die angebliche Haftungsreduzierung keinerlei Niederschlag gefunden hat (GA 64 f) steht zu der behaupteten Vereinbarung im September 2005 (nämlich anlässlich der Unterzeichnung der Schuldanerkenntnisse am 29.9.2005; GA 86) in einem nicht erklärten und auch nicht erklärbaren Widerspruch. Zudem macht es, wie das Landgericht gleichfalls zutreffend ausgeführt hat, keinen Sinn, nach der verbindlichen Vereinbarung einer Haftungsreduzierung über eine solche Entlassung noch zu verhandeln, wie dies aber nach dem damit letztlich ebenfalls nicht nachvollziehbaren Vorbringen des Beklagten (S. 7 des Schriftsatzes vom 2.10.2007, GA 87; S. 4 des Schriftsatzes vom 18.4.2008, GA 169) noch geschehen sein soll.

2.

Die Mithaftungserklärung des Beklagten ist allerdings nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

a.

Der Beklagte ist - wie das Landgericht insoweit zutreffend festgestellt hat - nicht als echter (Mit)Darlehensnehmer, sondern als bloß Mithaftender anzusehen, auf den die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entwickelten Grundsätze über die mögliche Sittenwidrigkeit der Verpflichtung naher Angehöriger anzuwenden sind.

(Mit-)Darlehensnehmer ist, wer ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditgewährung hat und im Wesentlichen gleichberechtigt über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschließlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf Seiten der Mitdarlehensnehmer (vgl. BGH NJW 2002, 2705; NJW 2005, 973, 974; Palandt/Heinrichs, BGB 68. Aufl. 2009, § 138 Rdn. 38a; Gundlach, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 3. Aufl. § 82 Rdn. 99, jew. m. weiteren Nachweisen zur ständ. Rspr.). Auf die vom Landgericht angeführte Begründung zur rechtlichen Stellung des Beklagten als bloßer Mithaftender - gegen die sich die Klägerin auch nicht wendet - nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

b.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab. Zwar reicht selbst der Umstand, dass der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und/oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, dass er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH NJW 1997, 3372; NJW 2001, 815; NJW 2002, 746; NJW 2002, 2228; NJW 2002, 2705; NJW-RR 2002, 1130; NJW 2004, 161; Palandt/Heinrichs Kommentar zum BGB, 68. Auflage 2009 § 138 BGB Rdn. 38 ff; Erman/Palm, BGB, 12. Auflage 2008, § 138 BGB Rdn. 91).

c.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die unbeschränkte Mithaftungsübernahme wegen krasser finanzieller Überforderung gegen die guten Sitten verstößt, ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Darüber hinaus ist allerdings auch zu prüfen, ob der Mitverpflichtete bei einer Prognose bezogen auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme die Hauptverbindlichkeit aus eigenen Mitteln zumindest zu einem erheblichen Teil wird erfüllen können. Es stellt sich also die Frage, ob - aus der Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers - bis zu dem damals noch ungewissen Zeitpunkt einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Beklagten aus der Bürgschaft mit einer die damalige krasse finanzielle Überforderung beseitigenden Verbesserung seines finanziellen Leistungsvermögens zu rechnen war. Wenn das der Fall war, kann das Unwerturteil des § 138 BGB u.U. entfallen.

d.

Die tatsächlichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten zur Zeit der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung sind zwischen den Parteien nicht streitig: Nach dem insoweit von der Klägerin nicht angegriffenen Vorbringen des Beklagten hatte er zu dieser Zeit gerade sein Abitur gemacht und befand sich im 1. Ausbildungsjahr zum Versicherungskaufmann. Die aus der Inanspruchnahme des - nominal mit 7,3% zu verzinsenden - Kredits über 153.400 DM sich ergebende monatliche Zinsbelastung belief sich auf einen Betrag von 933 DM, bei Zugrundelegung des Effektivzinses von 7,554% auf 965 DM. Dass er angesichts seiner damaligen Ausbildungsvergütung von monatlich 930 DM, im 3. Ausbildungsjahr von 1130 DM (GA 121) mit der Rückzahlung des Darlehens wirtschaftlich krass überfordert war, steht daher - wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 27.10.2008 (GA 233 ff) bereits ausgeführt hat - außer Frage.

e.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Sittenwidrigkeit einer Mithaftung oder Bürgschaft trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Mithaftende/Bürge (BGH NJW 1994, 1278; Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 ff; Laumen in: Handbuch der Beweislast, Schuldrecht Besonderer Teil II, 3. Auflage 2009, § 765 BGB Rdn. 4). Entgegen der Auffassung des Landgerichts gilt diese allgemeine Regelung allerdings nur für die wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses, nicht aber für die hier zu beurteilende Frage der späteren Einkommensentwicklung. Nimmt ein Gläubiger also einen Mitverpflichteten in Anspruch, der zur Zeit der Haftungsübernahme finanziell krass überfordert war, so hat er darzulegen und zu beweisen, dass die Einbindung in die Haftung ausnahmsweise wegen einer zu erwartenden Verbesserung der finanziellen Lage dieses Mitschuldners wirtschaftlich sinnvoll war. Diese Erwartung hat das Kreditinstitut bei kaufmännisch korrekter Vorgehensweise in den Kreditunterlagen niederzulegen. Es besteht deshalb kein Anlass, ihm zu Lasten eines wirtschaftlich Schwächeren bei der Darlegung und dem Beweis seiner eigenen Vorstellungen Erleichterungen zuzubilligen (BGH NJW 1999, 2584, 2587; vgl. auch Gundlach in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 3. Auflage 2007, § 82 Rdn. 103 f).). Die Darlegungs- und Beweislast bezieht sich im vorliegenden Fall auf die Erwägungen, die der Entscheidung des Kreditgebers zugrunde lagen, den Beklagten trotz seiner zum damaligen Zeitpunkt offenkundigen Vermögenslosigkeit für das im Interesse seines Vaters gewährte Darlehen mit in die Haftung zu nehmen. Die Klägerin hatte daher vorzutragen, aus welchem Grunde die Inanspruchnahme des Beklagten ausnahmsweise wegen einer zu erwartenden Verbesserung seiner finanziellen Lage wirtschaftlich sinnvoll war.

Die dazu von der Klägerin vorgebrachten Tatsachen bieten keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei Vertragsschluss die begründete Aussicht auf eine alsbaldige wesentliche Verbesserung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Beklagten bestand (vgl. BGH NJW 1999, 2587), es also - aus der maßgeblichen Sicht ex ante betrachtet - ausreichende Anhaltspunkte dafür gab, dass dieser alsbald nach Abschluss seiner Ausbildung ein Einkommen würde erwirtschaften können, mit dessen pfändbarem Anteil er die innerhalb der Kreditlaufzeit anfallenden Zinsen - auch wenn sich die Zinsbelastung im Hinblick auf die vereinbarte anteilige Tilgung des Darlehens von 1% fortlaufend geringfügig verringern würde - aufbringen könnte. Im Jahre 1993 - dem für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt - hätte es hierzu eines Nettoeinkommens in Höhe von 2600 DM bedurft (Zöller, 18. Aufl. Tabelle zu § 850 c ZPO - ohne Unterhaltspflicht).

f.

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang eingeräumt, über die (auch zukünftigen) Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten über keine Erkenntnisse verfügt zu haben. Sie hat lediglich auf das "soziale Umfeld" des Beklagten sowie darauf verwiesen, dass insbesondere im Hinblick auf die gesicherte wirtschaftliche und berufliche Situation seines Vaters, des (Haupt)Darlehensnehmers, kein Anlass bestanden habe, eine sittenwidrige Überforderung des Beklagten in Erwägung zu ziehen. Damit geht sie allerdings von falschen rechtlichen Voraussetzungen aus. Die wirtschaftliche Situation des Vaters des Beklagten spielt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Mithaftung keine Rolle. Auf die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2000, 1182; NJW 2002, 2705; Erman/Palm, Kommentar zum BGB, 12. Auflage 2008, § 138 BGB Rdn. 91; Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Auflage 2009, § 138 BGB Rdn. 38 b) für die Beurteilung einer möglichen Überforderung nicht an. Maßgebend ist allein die Leistungsfähigkeit des Mithaftenden. Dieser Grundsatz würde im Streitfall in sein Gegenteil verkehrt, wenn man für das Vorliegen einer sittenwidrigen Überforderung auf die berufliche Stellung des Vaters - des Hauptschuldners - und die hierdurch geprägten wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie abstellt. Die Annahme, dass auch die Einbindung eines finanziell krass überforderten Angehörigen in die Haftung grundsätzlich nicht zur Sittenwidrigkeit führt, wenn neben ihm ein - scheinbar oder tatsächlich - wirtschaftlich potenter Hauptschuldner vorhanden ist, bürdet dem Mithaftenden das Risiko einer wesentlichen Verschlechterung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder einer fehlenden Leistungsbereitschaft des anderen auf. Die Mithaftung wird aber regelmäßig gerade für den Fall der Insolvenz des Hauptschuldners vereinbart. Auf diesen Fall ist deshalb bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten abzustellen (BGH NJW 1997, 3372; 1999, 58; 1999, 2884).

g.

Was die Leistungsfähigkeit des Beklagten im Übrigen angeht, hat dieser zwar nicht substantiiert dargelegt, dass der ihm übertragene Miteigentumsanteil an dem in Rede stehenden Hausgrundstück bei Vertragsschluss durch Grundschulden (der Klägerin) - wertausschöpfend - belastet war. Unstreitig ist jedoch, dass bereits vor Abschluss des Darlehensvertrages zu Lasten des Miteigentumsanteils des Beklagten ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht seines Vaters - gesichert durch eine ebenfalls im Grundbuch eingetragene Rückauflassungsvormerkung - bestand. Diese Belastung steht einer Berücksichtigung des Grundbesitzes zwar nicht grundsätzlich entgegen, denn dem Mithaftenden wird zugemutet, Immobilienbesitz notfalls zu verwerten, um seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Bank nachkommen zu können. Mit einem nennenswerten, eine krasse finanzielle Überförderung ausschließenden Erlös konnte in Anbetracht der konkreten Situation - Verwertung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Haus, der mit einem lebenslänglichen Nießbrauchsrecht zugunsten des damals erst knapp 46-jährigen Vaters des Beklagten belastet war - allerdings nicht gerechnet werden.

Die - zusätzliche - Sicherung des Darlehens durch eine Grundschuld über 350.000 DM (GA 117 ff) könnte eine Überforderung des Beklagten nur ausschließen, wenn dadurch seine Inanspruchnahme in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß begrenzt würde (vgl. BGH NJW 2001, 815, 816; 2002, 2705, 2707; zum Ganzen auch Erman/Palm, § 138 BGB Rdn. 91). Dies ist nicht der Fall, denn die Grundschuld sichert nach der maßgeblichen Zweckerklärung (GA 120) auch alle künftigen Ansprüche der Klägerin gegen den Hauptschuldner.

h.

Auf eine Vermutung, dass die bei Eintritt des Sicherungsfalls tatsächlich vorhandenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei Übernahme der Mithaftung vorhersehbar waren (vgl. BGHZ 132, 328, 335 f.; wohl auch NJW 98, 450 - IX. Zivilsenat), kann sich die hierfür beweispflichtige Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil zur finanziellen Situation des Beklagten im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme jeder Sachvortrag fehlt. Selbst wenn den Beklagten insoweit eine sekundäre Darlegungslast träfe, kann eine derartige Vermutung aber auch in der Sache aus den vom XI. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 29.6.1999 angeführten Gründen (vgl. BGH NJW 99, 2584, 2588), auf die der Senat Bezug nimmt, nicht anerkannt werden.

i.

Dass der Beklagte - wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 9.12.2008 (GA 243) geltend macht - die mit dem Darlehen finanzierte Eigentumswohnung seines Vaters selbst für einige Jahre genutzt hat, ändert an der Sittenwidrigkeit der Mithaftung nichts. Insoweit handelt es sich allenfalls um einen mittelbaren Vorteil des Beklagten aus der Kreditaufnahme, wobei die Klägerin nicht einmal substantiiert dargelegt hat, dass die behauptete Nutzung bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages beabsichtigt war. Um die Mithaftungsvereinbarung als angemessenen Interessenausgleich erscheinen zu lassen, bedürfte es jedoch unmittelbarer, ins Gewicht fallender Vorteile des Mitschuldners - wie etwa des Erwerbs von Miteigentum an der Immobilie (vgl. auch Gundlach a.a.O. Rdn. 113, 114) -, für die hier nichts ersichtlich ist.

3.

Die Klägerin kann ihre Forderung auch nicht auf das notarielle Anerkenntnis des Beklagten vom 29.92005 (GA 122) stützen. Abgesehen davon, dass dieses Anerkenntnis nach dem insoweit unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten und ausweislich des Schreibens der Klägerin vom 5.9.2005 (GA 43 ff) nur die damals in Höhe von etwa 33.500 € valutierende Forderung aus dem Girokonto umfassen sollte, wird die Klage hierauf auch nicht gestützt.

Die Unterzeichnung des Schreibens vom 5.9.2005 durch den Beklagten kann die Klageforderung - auch dann, wenn man es rechtlich als Anerkenntnis werten würde - nicht stützen, weil dieses Anerkenntnis im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit des Grundgeschäftes kondizierbar wäre (§ 812 BGB). Für die Annahme, das Anerkenntnis sei im Bewusstsein der Sittenwidrigkeit abgegeben worden, sind ausreichende Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich.

4.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Einer Zulassung der Revision bedarf es auch nicht im Hinblick auf die vom - damals für das Bürgschaftsrecht zuständigen - IX. Zivilsenat in BGHZ 132, 328, 335 entwickelte Vermutung der Vorhersehbarkeit der bei Eintritt des Sicherungsfalls tatsächlich vorhandenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mithaftenden oder Bürgen. Da die Zuständigkeit für das Bürgschaftsrecht seit dem Jahre 2001 ebenfalls beim XI. Zivilsenat liegt, der XI. Zivilsenat eine solche Vermutung indessen ausdrücklich ablehnt (BGH NJW 99, 2588), weicht der erkennende Senat mit seiner Entscheidung nicht von der nunmehr maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung ab.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 27.781,36 €.

Ende der Entscheidung

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