Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 02.07.2003
Aktenzeichen: 13 U 122/02
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 607 a. F.
BGB § 607 Abs. 1 a. F.
AGBG § 9
ZPO § 543 Abs. 2 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 122/02

Verkündet am 2. Juli 2003

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht Hentschel, die Richterin am Oberlandesgericht Zakosek-Röhling und die Richterin am Amtsgericht Rottländer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Juli 2002 - 3 O 790/01 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die von der beklagten T. aus notarieller Grundschuldbestellungsurkunde mit Unterwerfungserklärung betriebene Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen der Klägerin. Die Klägerin macht geltend, die durch Grundschuldeintragung auf dem gekauften Objekt zu besichernden Darlehen, welche die Beklagte mit Treuhandauftrag vom 30.06.1995 auf das im Kaufvertrag zwischen der D.(nachfolgend nur noch D.) und der Klägerin hierfür vorgesehene Notaranderkonto bei der später insolvent gewordenen C. ausgezahlt hat, nicht i.S.d. § 607 BGB a.F. empfangen zu haben. Die Beklagte hat für den Fall, dass die Klägerin mit ihrem Antrag, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, durchdringe, widerklagend von der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 135.872,12 € zuzüglich Kosten und Verzugszinsen beansprucht, weil die Klägerin den von ihr nach den Darlehensbedingungen zu erbringenden Eigenkapitalanteil von rd. 70.000 DM nicht rechtzeitig auf das Notaranderkonto gezahlt und dadurch den Eintritt der (letzten) Auszahlungsvoraussetzung verhindert habe.

Mit Urteil vom 02.07.2002, auf das wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und seiner rechtlichen Beurteilung durch die Zivilkammer Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klagebegehren unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens nach Maßgabe der Berufungsbegründung vom 11.11.2002 und des ergänzenden Schriftsatzes vom 05.05.2003 weiter. Sie rügt, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft in der treuhänderischen Hinterlegung der Darlehensvaluta in Höhe von 286.000,00 DM auf dem Notaranderkonto bereits einen Empfang des Darlehens durch die Klägerin gesehen, obwohl der Notar nach den Treuhandauflagen der Beklagten über diesen Betrag nur dann verfügen durfte, wenn auch der von der Klägerin zu erbringende Restkaufpreis in Höhe von 69.960,00 DM gezahlt war. Die Klägerin habe ihren "Eigenanteil" am Kaufpreis berechtigterweise und im Einvernehmen mit der D. einbehalten, weil noch Mängel an dem Kaufobjekt zu beseitigen gewesen seien und wegen rechtlicher Probleme bei der grundbuchrechtlichen Zuordnung der Tiefgaragenplätze eine neue Teilungserklärung habe erstellt werden müssen. Zu Unrecht habe das Landgericht ferner die in der Zahlungsanweisung der Klägerin vom 13./20.06.1995 enthaltene Bestimmung ("Die Auszahlung der Darlehensbeträge wirkt auch bei auftragsgemäßer Überweisung an einen Dritten, sowie bei Überweisung an einen Notar, die an Treuhandauflagen von Seiten der T. gebunden ist, wie eine direkte Auszahlung an uns") als wirksam angesehen, obwohl es sich um eine von der Beklagten für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Klausel handele, die gemäß § 9 AGBG unwirksam sei.

Die Klägerin beantragt,

1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Zwangsvollstreckung aus dem Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungsklausel des Notars I. mit Amtssitz in I. vom 23.06.1995 (Urkundenrollen-Nr. 134/95) für unzulässig zu erklären,

2. für den Fall, dass die Beklagte ihre Hilfswiderklage aufrecht erhalte, die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 04.04.2003 entgegen.

II.

Das angefochtene Urteil hält im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung den Angriffen der Berufung stand. Die vom Landgericht - teilweise in anderem Zusammenhang - gewürdigten Umstände sprechen entschieden dafür, dass hier mit der Hinterlegung der Darlehensvaluta auf dem Notaranderkonto, spätestens jedoch mit der Erfüllung aller anderen Auszahlungsvoraussetzungen außer der Zahlung des Restkaufpreises (in Höhe von 69.960,00 DM) durch die Klägerin der Darlehensempfang i.S.d. § 607 Abs.1 BGB (a.F.) eingetreten und der an die D. als Verkäuferin abgetretene Hinterlegungsanspruch erfüllt war.

Richtig ist - davon geht auch das Landgericht aus -, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich die Darlehensvaluta noch nicht i.S.d. § 607 Abs.1 BGB a.F. "empfangen" hat (§ 488 Abs.1 BGB n.F. spricht von "zur Verfügung stellen"), wenn und solange die von der darlehensgebenden Bank mit Treuhandauflagen auf Notaranderkonto überwiesene Darlehensvaluta noch der Verfügung der Bank unterworfen blieb (BGH, NJW 1986, 2947; NJW-RR 1990, 629, 631; NJW 1991, 1055, 1057). Wird der Notar bei der Treuhandtätigkeit in erster Linie im Sicherungsinteresse der darlehensgebenden Bank tätig, hat er die Valuta regelmäßig als Beauftragter der Bank erhalten. Solange die Darlehensvaluta noch nicht zur Verfügung des Darlehensnehmers steht, ist auch die kaufvertragliche Hinterlegungspflicht durch Zahlung auf Notaranderkonto in der Regel nicht erfüllt (vgl. BGH, NJW 1983, 1605; NJW 2002, 59; ob bei vorrangigen, einseitigen Weisungen der Bank, die einem Rückforderungsvorbehalt gleichkommen, der Käufer das Finanzierungsdarlehen der Bank überhaupt schon empfangen hat, lässt der BGH in NJW 2002, 1346 offen).

Da indessen die Parteien des Darlehensvertrages wie auch diejenigen des Kaufvertrages - auch stillschweigend - etwas anderes vereinbaren können, bedürfen die Abreden und Erklärungen der Beteiligten der Auslegung (BGH, NJW 1991, 1055, 1057; NJW 1997, 2104, 2106; NJW 2002, 59, 60; NJW 2002, 1346). Diese Auslegung führt hier zur Bestätigung des angefochtenen Urteils:

Für eine von der Regel abweichende Vereinbarung zwischen den Beteiligten - sowohl des Kaufvertrages als auch des Darlehensvertrages - sprechen eine Reihe von Umständen, die das Landgericht überwiegend bereits in seine Würdigung einbezogen hat. Anerkanntermaßen kann eine Belastungsvollmacht, wie sie hier in § 11 des Kaufvertrages in Form der Zustimmung des Verkäufers, den zu verkaufenden Grundbesitz zum Zwecke der Finanzierung des Kaufpreises vom Käufer mit Grundpfandrechten belasten zu lassen, erteilt worden ist, ein beachtliches Indiz dafür sein, die Hinterlegungsvereinbarung dahin auszulegen, dass eine Leistung der Bank an den Notar, die bis zur Eintragung der Grundschuld mit banküblichen Vorbehalten versehen ist, die Hinterlegungsvereinbarung trotz der Vorbehalte der Bank erfüllt (BGH, NJW 1997, 2104, 2106; NJW 2002, 59, 60). Der hier zu beurteilende Kaufvertrag stellt über die Zahlung des Kaufpreises auf das einzurichtende Notaranderkonto bei der C. (§ 4 Nr.2) und die bis zur Höhe des Kaufpreises vereinbarte Abtretung der Darlehensvaluta "zur Zahlung auf Notaranderkonto an Verkäufer" (§ 11 Abs.2) hinaus keine weitergehenden Anforderungen an die Erfüllung der Hinterlegungspflicht; insbesondere ist - anders als in den vom BGH in NJW 1997, 2104 und NJW 2002, 59 entschiedenen Fällen - die Ermächtigung zur Belastung des Grundstücks weder an die "Unwiderruflichkeit" der Hinterlegung der Darlehensvaluta bzw. des Kaufpreises geknüpft noch bestimmt, dass die Hinterlegung nur als Erfüllung gilt, wenn für die Auszahlung keine unerledigten Auflagen des Kreditgebers vorliegen. Insoweit steht das Sicherungsinteresse der Beklagten, die Darlehenssumme nicht vor Eintragung der Grundschuld endgültig aus der Hand zu geben, nicht im Widerspruch zur Hinterlegungsvereinbarung der Parteien des Kaufvertrages. Die Berufung zeigt auch im übrigen keine Anhaltspunkte auf, die Anlass zu der Annahme geben könnten, dass die Parteien des Kaufvertrages eine mit den banküblichen Vorbehalten zur Sicherung der Grundschuldeintragung verbundene Hinterlegung auf dem eigens bei der C. einzurichtenden Notaranderkonto nicht als Erfüllung der Hinterlegungsvereinbarung ansehen wollten. Das hätte auch dem Käuferinteresse der Klägerin widersprochen, die zur Absicherung der Finanzierung des Kaufpreises auf die Belastung des Grundbesitzes angewiesen war (dem trägt § 11 Nr.1 des Kaufvertrages ausdrücklich Rechnung: "Verkäufer ist bekannt, daß Käufer den Kaufpreis finanzieren und hierzu zur Sicherung der Gläubigerbanken des in § 1 Abs.1 näher bezeichneten Grundbesitzes bedürfen......"). Vor diesem Hintergrund ist auch der Wortlaut der Auszahlungsanweisung der Klägerin an die Beklagte vom 13./20.06.1995, wonach die Auszahlung der Darlehensbeträge auch bei Überweisung an einen Notar, der an Treuhandauflagen von Seiten der Beklagten gebunden ist, "wie eine direkte Auszahlung an uns" wirke, unabhängig von ihrer Bewertung als Allgemeine Geschäftsbedingung ein starkes Indiz für einen vom Regelfall abweichenden Willen der Beteiligten. Zu Recht hat das Landgericht ferner das tatsächliche Verhalten der Beteiligten - insbesondere die Bedienung der Darlehensraten bis März 1998 - als beachtliches Indiz in seine Auslegung einbezogen. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass bis auf die Eigenleistung der Klägerin alle anderen Treuhandauflagen erfüllt waren und die Klägerin dem Notar am 15.05.1996 sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Verkäuferin, deren Geschäftsführerin sie war, mitgeteilt hat, dass der von der Beklagten hinterlegte Betrag weiterhin auf dem Notaranderkonto liegen bleiben solle; sie - die Klägerin - käme auf den Notar zu, soweit Weiteres zu veranlassen sei. Der von der Berufung näher dargelegte Hintergrund dafür, dass die Klägerin diese Treuhandauflage noch nicht erfüllt hatte (Probleme bezüglich der Zuordnung des Tiefgaragenplatzes sowie Baumängel am Sonder- und Gemeinschaftseigentum; wegen dieser Probleme Einigung zwischen Klägerin und D., dass die Eigenzahlung der Klägerin zunächst zurückgestellt und die von der Klägerin auf das Notaranderkonto überwiesenen 286.000 DM dort zunächst liegen bleiben sollten), sowie die Tatsache, dass die Beklagte diese ihr vom Notar mit Schreiben vom 20.08.1996 mitgeteilte Handhabung widerspruchslos hingenommen hat, sprechen ebenfalls für das Einvernehmen der Parteien, die Hinterlegung der Darlehensvaluta auf dem Notaranderkonto als Darlehensempfang durch die Klägerin zu behandeln. Die Klägerin hatte es in der Hand, durch Hinterlegung des aus Eigenmitteln zu erbringenden Restkaufpreises für die Erfüllung auch dieser Auszahlungsbedingung zu sorgen. Ob sie den Eintritt dieser Bedingung treuwidrig verhindert und/oder gegen den ihr nach den Darlehensbedingungen obliegenden Eigenkapitalnachweis verstoßen hat, kann dahinstehen.

Nach alledem bleibt festzustellen, dass das angefochtene Urteil nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 513 Abs.1, 546 ZPO n.F.) und sich aus dem Berufungsvorbringen auch keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen könnten (§§ 513 Abs.1, 529 Abs.1 Nr.1 ZPO n.F.). Ebenso wenig besteht ein gesetzlicher Grund i.S.d. § 543 Abs.2 ZPO n.F., die Revision zuzulassen.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 12.06.2003 gibt weder Veranlassung zu einer anderen Beurteilung noch zu weiteren Ausführungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin durch dieses Urteil: 135.872,12 €.

Ende der Entscheidung

Zurück