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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: 13 U 124/02
Rechtsgebiete: FGG, GmbHG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 141a
GmbHG § 74
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Juli 2002 - 3 O 326/01 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund dieses Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des gegen den Beklagten zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten, der geschäftsführender Gesellschafter der M. von A. - Klinik für systemische Krebs-Mehrschritt Therapie GmbH (nachfolgend nur noch: GmbH) war und am 26.05.1992 gemeinsam mit dem Mitgesellschafter Prof. Dr. P. für alle Ansprüche der Klägerin gegen die GmbH aus der mit Eröffnung eines Girokontos am 29.05.1992 begründeten Geschäftsverbindung die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 130.000 DM übernommen hatte, auf hälftigen Ausgleich des mit Kündigungsschreiben vom 26.03.1993 zum 15.04.1993 fällig gestellten Saldos des der GmbH gewährten Kontokorrentkredits in Anspruch. Aus einer Forderungsabtretung vom 22.06.1993 hat die Klägerin am 27.10.1993 35.000,00 DM erhalten; der verbleibende Betrag (157.986,32 DM : 2 = 78.993,16 DM ./. 35.000,00 DM = 43.993,16 DM) ist Gegenstand der Klage.

Mit Urteil vom 02.07.2002, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und seiner rechtlichen Beurteilung durch den Einzelrichter der Zivilkammer verwiesen wird (§ 540 Abs.1 Nr.1 ZPO n.F.), ist der Klage im Wesentlichen - mit Ausnahme verjährter Zinsrückstände - stattgegeben worden. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seine Rechtsverteidigung unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens nach Maßgabe der Berufungsbegründung vom 08.10.2002 und des ergänzenden Schriftsatzes vom 23.04.2003 weiter. Er hält die vom Landgericht vorgenommene Abrechnung schon deshalb für rechtsfehlerhaft, weil sie von einer die Höchstbetragsbürgschaft um 27.398,65 DM übersteigenden Hauptschuld ausgehe. Er beanstandet ferner, dass die Klägerin in der Vergangenheit keine Bemühungen zur Inanspruchnahme der Hauptschuldnerin, die inzwischen nach Beendigung der Liquidation im Handelsregister gelöscht worden ist, unternommen habe. Der Beklagte vertritt die Auffassung, mit der Löschung der GmbH sei infolge Untergangs der Hauptschuldnerin auch seine Bürgschaftsverpflichtung entfallen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 10.02.2003 entgegen.

II.

Die Berufung bleibt erfolglos. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Berufung in vollem Umfang stand. Im Ansatz fraglich ist allenfalls, ob hier überhaupt noch von einer Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten als Anspruchsgrundlage ausgegangen werden kann. Gegen die Annahme des Einzelrichters, dass es lediglich eine Verständigung über die Modalitäten der Bürgschaftsschuld und ihrer Geltendmachung durch die Klägerin gegeben habe, lassen sich durchaus beachtliche Umstände anführen. So ist im Schreiben des Beklagten vom 21.06.1993 von einer (hälftigen) "Aufteilung" und "Haftungsübernahme" bezüglich des Kontos der Hauptschuldnerin die Rede. Im Schreiben der Klägerin (Verfasser: Zeuge M.) vom 22.06.1993 an die Hauptschuldnerin (zu Händen des Geschäftsführers Dr. L., der den Beklagten per 3.5.1993 als Geschäftsführer abgelöst hatte) ist von einer "Umschuldung" durch "Übertragung" der Darlehensschuld zu 50% auf den Beklagten in Erfüllung seiner gemeinsam mit Herrn Prof. P. unter dem 26.05.1992 übernommenen Bürgschaft und zu weiteren 50% auf eine von Dr. L. zu gründende Gesellschaft die Rede. Die weiteren Schreiben der Klägerin an den Beklagten und die tatsächliche Handhabung (so wurde nach Eingang der abgetretenen 35.000,00 DM die "Restschuld" des Beklagten aus dem "absprachegemäß" übernommenen Hälfteanteil der Verbindlichkeit der Hauptschuldnerin auf ein separates Konto gebucht) sprechen für das Zustandekommen einer entsprechenden Übernahmevereinbarung. Auch die Aussage des Zeugen M. lässt eigentlich keine Zweifel daran, dass es zu einer die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten ersetzenden Übernahme der hälftigen - fälliggestellten - Verbindlichkeit der Hauptschuldnerin aus dem Kontokorrentkredit gekommen ist. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da auch dann, wenn man die zwischen den Parteien zustande gekommene Vereinbarung lediglich dahin versteht, dass sich die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten der Höhe nach auf - insoweit allerdings alleinschuldnerisch - 50% der Darlehensverpflichtung der Hauptschuldnerin beschränken solle (unter der Bedingung, dass die Klägerin aus der Abtretung 35.000,00 DM erhielt), die Haftung des Beklagten in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang frei von Rechtsfehlern ist. Insoweit kann vollinhaltlich auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Die Angriffe der Berufung geben dem Senat lediglich Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen (§ 540 Abs.1 Nr.2 ZPO n.F.):

1. Für die weit unterhalb der Höchstbetragssumme der Bürgschaft liegende Inanspruchnahme des Beklagten ist es ohne Belang, dass die Hauptforderung mit 157.398,65 DM (wie im angefochtenen Urteil auf Seite 11 errechnet) diese Höchstbetragssumme (130.000,00 DM) um 27.398,65 DM übersteigt. Für eine Beschränkung der Haftung des Beklagten auf 50% der Höchstbetragsbürgschaft (statt der Hauptschuld) fehlt jeglicher Anhalt. Dass es um die hälftige Aufteilung der Hauptforderung ging, kommt im Schreiben des Beklagten vom 21.06.1993 auch ohne Nennung des Betrages (im Schreiben der Klägerin vom 22.06.1993 auf 148.071,19 DM zuzüglich Zinsen seit 15.04.1993 beziffert) zum Ausdruck. Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass dem Beklagten, der immerhin bis zum 03.05.1993 Geschäftsführer der Hauptschuldnerin war, die Höhe der von der Klägerin zum 15.04.1993 fällig gestellten Hauptforderung etwa nicht bekannt war. Auch nach der Aussage des Zeugen M. war bei den Telefongesprächen, die er damals mit dem Beklagten geführt hat, "klar, um welche Zahlen es ging. Es ging zum Schluß um eine Gesamtschuld von etwa 150.000 und davon die Hälfte". Selbst wenn der - von wem auch immer stammende - handschriftliche Zusatz "/P." im Schreiben des Beklagten vom 21.06.1993 eine Mithaftung von Prof. P. zum Ausdruck bringen sollte, könnte daraus keine Beschränkung der Haftung des Beklagten im Außenverhältnis - gegenüber der Klägerin - auf 25% hergeleitet werden. Die Berufung zeigt denn auch nicht einmal auf, dass eine solche (weitere) Aufteilung überhaupt diskutiert worden ist. Vielmehr ergibt sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 22.06.1993, dass Dr. L. "nach erfolgter Darlehensübertragung" eine Ausfertigung der Bürgschaftsurkunde erhalten sollte, "die es Ihnen ermöglicht, auf den Bürgen P. Rückgriff zu nehmen". Damit würden dann im Endeffekt beide Bürgen - Prof. P. und der Beklagte - je zur Hälfte zum Ausgleich des Kontos der Hauptschuldnerin herangezogen.

2. Unbeschadet der inzwischen im Handelsregister eingetragenen Löschung der GmbH nach Beendigung der Liquidation entfällt damit eine Bürgenhaftung des Beklagten nicht. Anerkanntermaßen haftet der Bürge in vollem Umfang weiter, wenn der Untergang des Hauptschuldners auf dessen Vermögensverfall beruht; denn die Bürgenhaftung dient dazu, dem Gläubiger Sicherheit für den Fall des Zahlungsunvermögens des Hauptschuldners zu bieten. Das gilt nicht nur bei einer Amtslöschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit, sondern auch bei einer Löschung nach beendeter Liquidation; denn auch dann darf kein Vermögen mehr vorhanden sein. Nach herrschender Meinung führt eine Handelsregisterlöschung denn auch - sowohl im Falle der Amtslöschung nach § 141a FGG (früher: § 2 LöschG) als auch im Anschluss an die Beendigung des Liquidationsverfahrens gemäß § 74 GmbHG - nur unter der weiteren Voraussetzung der Vermögenslosigkeit zur Vollbeendigung der GmbH (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1993, 754; BFH, GmbHR 2000, 500 m.w.Nachw.). Stellt sich nach der Registereintragung heraus, dass doch noch Vermögen vorhanden ist, kommt es zwar in der Regel nicht zu einer Amtslöschung des Löschungsvermerks, sondern zu einer Nachtragsliquidation; das bedeutet indessen, dass die GmbH "wiederauflebt" oder der Fortbestand der Gesellschaft zumindest fingiert wird. Mit anderen Worten: Eine GmbH kann nur bei tatsächlich eingetretener Vermögenslosigkeit als Rechtsperson untergehen und aus diesem Grund die durch die Bürgschaft besicherte Forderung wegfallen. Für die Bürgenhaftung bleibt es folglich gleich, ob die GmbH trotz Löschung noch existiert oder mit der - sei es von Amts wegen oder im Anschluss an die Beendigung des Liquidationsverfahrens - erfolgten Löschung untergegangen ist (Schwintowski, EWiR 1993, 365; BGH - XI ZR 243/02 -, BKR 2003, 240 = GmbHR 2003, 417 = WM 2003, 487).

3. Es bestand keine Verpflichtung der Klägerin im Verhältnis zum Beklagten, dessen Inanspruchnahme als Bürgen durch vorrangige Verfolgung ihres Anspruchs gegen die Hauptschuldnerin zu vermeiden. Grundsätzlich ist es Sache des Bürgen, den Gläubiger zu befriedigen und den Rückgriff auf den Hauptschuldner zu betreiben. Die von der Berufung angeführte BGH-Entscheidung zur Bürgschaft für Ansprüche des Leasinggebers aus einem Leasingvertrag (NJW 1995, 1886, 1888) betrifft eine hier auch nicht ansatzweise vergleichbare Fallgestaltung: Der Leasinggeber dürfe im Falle eines Zahlungsverzugs des (zahlungsunfähigen) Leasingnehmers im Verhältnis zum Bürgen, der bei einer solchen Leasingbürgschaft kaum jemals für das volle Erfüllungsinteresse aufzukommen habe, nicht unabsehbare Zeit abwarten, bis er von den ihm zu Gebote stehenden Mitteln - insbesondere Kündigung des Leasingvertrages und Verwertung der Leasingsache - Gebrauch mache. Demgegenüber fehlt hier jegliche Grundlage für eine im Verhältnis zum Beklagten bestehende Pflicht der Klägerin, ihrerseits gegen die Hauptschuldnerin vorzugehen, nachdem der Beklagte und Herr Dr. L. (für wen auch immer handelnd) sich zum jeweils hälftigen Ausgleich der Hauptschuld verpflichtet hatten. Wenn der Beklagte sich nicht um die weitere Erfüllung dieser Verpflichtung (über die Abtretung der 35.000,00 DM hinaus) gekümmert hat, muss er sich eine etwa dadurch versäumte Rückgriffsmöglichkeit selbst anlasten. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung seiner Inanspruchnahme durch die Klägerin hat das Landgericht mit Recht verneint; auch insoweit gibt das Berufungsvorbringen keine Veranlassung zu weiteren Ausführungen.

III.

Nach alledem stellt sich die Berufung ersichtlich als unbegründet dar, ohne dass ein gesetzlicher Grund i.S.d. § 543 Abs.2 ZPO n.F. besteht, die Revision zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer des Beklagten durch dieses Urteil: 22.343,11 EUR.

Ende der Entscheidung

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