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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 06.02.2002
Aktenzeichen: 13 U 142/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 91 a
ZPO § 108
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
GKG § 25 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 142/00

Anlage zum Protokoll vom 6. Februar 2002

Verkündet am 6. Februar 2002

In dem Berufungsrechtsstreit

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und des Richters am Amtsgericht Aps

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 13. Juli 1998 - 11 O 151/98 - abgeändert.

Die gegen die Klägerin gerichtete Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars F.N. in M. vom 25.02.1986 - UR.-Nr. 231/86 - wird für unzulässig erklärt.

Die gesamten Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch die Prozessbürgschaft eines in der EU als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten Sparkasse aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars F.N. aus M. vom 25.02.1986 (UR.-Nr. 231/86). Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne aus der Urkunde nicht in Anspruch genommen werden, weil die darin enthaltene Übernahme der persönlichen Haftung angesichts ihrer Vermögens- und Einkommenslosigkeit wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei und weil auch die Erstreckung der persönlichen Haftung aus der Grundschuldbestellung auf später begründete Verbindlichkeiten unwirksam sei. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Zur Finanzierung der Gründung, der Erweiterung und des Betriebs eines Handels mit Autozubehör und Ersatzteilen durch den Ehemann der Klägerin gewährte die Kreissparkasse A., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, der Klägerin und ihrem Ehemann in den Jahren 1983 bis 1992 zahlreiche Kredite. Im Jahre 1984 bewarb sich die Klägerin bei der Gemeinde R. um das in dem neuen Gewerbegebiet dieser Gemeinde gelegene Grundstück "V.straße 5" und beantragte über die Kreissparkasse A. öffentliche Kreditmittel aus dem Eigenkapitalhilfe- und ERP-Existenzgründungsprogramm zur Beteiligung an dem in das neue Gewerbegebiet zu verlagernden Betrieb ihres Ehemannes. Nach Ablehnung dieser Anträge erwarb der Ehemann der Klägerin das Betriebsgrundstück "V.straße 5" zur Fortführung und Erweiterung seines einzelkaufmännischen Unternehmens. Zur Finanzierung des auf dem Betriebsgrundstück zu errichtenden Geschäftsgebäudes und der Betriebsmittel beantragte er bei der Kreissparkasse A. mehrere Darlehen, die ihm und der Klägerin als "Mitdarlehensnehmerin" gewährt wurden. Ein Teil dieser Darlehen wurde durch Grundschulden auf dem Grundstück einer Tante des Ehemannes der Klägerin abgesichert. Ferner bestellte der Ehemann der Klägerin zugunsten der Kreissparkasse A. eine erstrangige Grundschuld über 230.000 DM an seinem Betriebsgrundstück. Unter dem 18.02.1986 beantragte der Ehemann der Klägerin öffentliche Kreditmittel zur Existenzfestigung, die ihm in Höhe von insgesamt 375.000 DM bewilligt wurden.

Mit der eingangs bezeichneten notariellen Urkunde vom 25.02.1986 bestellte der Ehemann der Klägerin zugunsten der Kreissparkasse A. an seinem Betriebsgrundstück eine weitere Grundschuld über 400.000 DM. In dieser Urkunde übernahmen die Klägerin und ihr Ehemann die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages nebst Zinsen und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen. Unter Ziffer 6 der vorformulierten Urkunde ist bestimmt, dass die Grundschuld "der Sicherung aller bestehenden und künftigen .... Forderungen der Sparkasse gegen uns, Eheleute B.M., aus der Geschäftsverbindung" dient. Am 02.06.1986 unterzeichneten die Klägerin und ihr Ehemann ferner ein als "Zweckerklärung für Grundschulden" bezeichnetes Formular der Kreissparkasse A., in dem unter anderem auf die hier interessierende Grundschuld Bezug genommen und bestimmt ist, dass sie zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Sparkasse gegen die Klägerin und ihren Ehemann oder gegen einen von ihnen dient.

Die Kredite, die Anlass für die Grundschuldbestellung vom 25.02.1986 waren, sind inzwischen bis auf einen Rest (per 05.06.2000) von 3.173,21 DM auf dem Darlehenskonto 50226810 getilgt. Wegen dieser Restforderung hat die Beklagte auf die Vollstreckung gegen die Klägerin aus der persönlichen Haftübernahme gemäß der notariellen Urkunde vom 25.02.1986 verzichtet; insoweit haben die Parteien die Vollstreckungsabwehrklage mit wechselseitigen Kostenanträgen übereinstimmend für erledigt erklärt. Offen ist jetzt noch ein von der Beklagten per 05.06.2000 auf 518.077,49 DM bezifferter Kreditsaldo auf dem Konto Nr. . Hierbei handelt es sich um ein am 31.12.1992 von der Klägerin und ihrem Ehemann aufgenommenes Umschuldungsdarlehen der Beklagten für einen am 04.02.1987 mit 280.000 DM bewilligten, am 15.10.1987 auf 360.000 DM aufgestockten und bis Ende 1992 auf über 500.000 DM angewachsenen Betriebsmittelkredit für das Unternehmen des Ehemannes der Klägerin.

Mit Urteil vom 13.07.1998 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 01.07.1999 - 18 U 159/98 -, auf das wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts Bezug genommen wird, in Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die gegen die Klägerin gerichtete Zwangsvollstreckung aus der Urkunde vom 25.02.1986 für unzulässig erklärt. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (13. Zivilsenat) zur tatrichterlichen Prüfung der Frage, ob die Mithaftung der Klägerin für die Kreditforderungen der Beklagten und möglicherweise auch die Übernahme der persönlichen Haftung für die Grundschuld nach § 138 Abs.1 BGB nichtig ist. Wegen der hierfür maßgeblichen Gründe wird auf das Urteil des BGH vom 23.05.2000 - XI ZR 214/99 - (ZIP 2000, 1202 = NJW 2000, 2675) verwiesen.

Die Klägerin behauptet, sie habe die von ihrem Ehemann für sein Unternehmen bei der Beklagten aufgenommenen Kredite nur auf Veranlassung der Beklagten aus ehelicher Verbundenheit als Mitdarlehensnehmerin unterzeichnet. Sie sei weder an den Verhandlungen ihres Ehemannes mit der Kreissparkasse A. über diese Kredite beteiligt gewesen noch habe sie über die Verwendung der für das Unternehmen ihres Ehemannes bestimmten Darlehensvaluta mitentscheiden können. Von ihrer Kontovollmacht über das Geschäftskonto ihres Ehemannes habe sie nur nach dessen Weisungen Gebrauch gemacht. Sie sei auch sonst nicht in das Unternehmen ihres Ehemannes eingebunden gewesen, sondern habe sich von gelegentlichen Botengängen u.ä. Routineangelegenheiten abgesehen bis 1989 ganz auf den Haushalt und die Erziehung ihrer beiden Kinder (geb. 1981 und 1984) konzentriert. Im Jahre 1989 sei sie zwar nominell alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der M. Motorsport GmbH geworden. Tatsächlich habe ihr Ehemann als Prokurist auch die Geschäfte dieser GmbH geführt, während sich ihre Tätigkeit für dieses Unternehmen auf Botengänge, Registraturarbeiten und Telefondienst beschränkt habe. Sie habe auch kein Geschäftsführergehalt bezogen, sondern als "geringfügig Beschäftigte" lediglich 470,00 DM monatlich verdient.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars N. (M.) vom 25.02.1986 (UR.-Nr. 231/1986) für unzulässig zu erklären,

2. der Klägerin nachzulassen, erforderliche Sicherheiten durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. der Beklagten zu gestatten, Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe von Anfang an in dem Unternehmen ihres Ehemannes maßgeblich mitgearbeitet und sich, wie in der gemeinsamen Aufnahme sämtlicher Kredite und der - gescheiterten - eigenen Beantragung öffentlicher Fördermittel zum Ausdruck komme, bewusst an den finanziellen Risiken des Unternehmens beteiligt. In den Geschäftsstellen der Kreissparkasse A. in M.-M. und R. sei die Klägerin wie jede andere Geschäftsfrau aufgetreten. Über die wirtschaftliche Situation der Fa. M. Motorsport GmbH sei der Beklagten zwar seinerzeit nichts bekannt gewesen, da diese Firma keinen Kredit bei ihr in Anspruch genommen habe. Ein eigenes unmittelbares Interesse der GmbH und damit der Klägerin an dem Fortbestand des einzelkaufmännischen Unternehmens ihres Ehemannes ergebe sich jedoch schon daraus, dass die GmbH Mieterin des Ehemannes der Klägerin sei und diesem eine hohe Mietvorauszahlung geleistet haben solle.

Der Senat hat - den Vorgaben des Revisionsurteils entsprechend, dass zu den von der Beklagten bestrittenen Behauptungen der Klägerin über ihre Situation sowie Art und Ausmaß ihrer Mitwirkung in dem Handelsbetrieb und bei dem Abschluss der Darlehensverträge tatrichterliche Feststellungen zu treffen seien - nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 14.03.2001 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.01.2002, wegen der Einzelheiten des ergänzenden Parteivorbringens auf die im erneuten Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat erneut Erfolg. Die Vollstreckungsgegenklage erweist sich nach dem aktualisierten Sach- und Streitstand mit Rücksicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme als begründet. Die in der notariellen Urkunde vom 25.02.1986 enthaltene Mithaftungserklärung der Klägerin, deretwegen sie sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, ist hiernach ebenso wie ihre Mithaftübernahme für die inzwischen - bis auf einen als Vollstreckungsgegenstand erledigten geringen Restbetrag - getilgten "Anlasskredite" und den noch offenen Kreditsaldo auf dem Konto Nr. nach § 138 Abs.1 BGB nichtig.

1. Der Auffassung der Beklagten, die Klägerin sei von Anfang an nicht nur zur Sicherung des Anspruchs auf Rückzahlung der in Rede stehenden Kredite in die Haftung einbezogen worden, sondern zusammen mit ihrem Ehemann in jeder Beziehung gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin geworden, kann nicht gefolgt werden. Den objektiven Umständen nach hat die Klägerin lediglich zur Absicherung der ihrem Ehemann für sein Unternehmen gewährten Kredite der Beklagten jeweils die gesamtschuldnerische Mithaft übernommen.

a) Als echte Mitdarlehensnehmer, bei denen eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages selbst bei krasser finanzieller Überforderung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, sind in aller Regel nur solche Personen anzusehen, die ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditgewährung haben und als im wesentlichen gleichberechtigte Partner über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden dürfen (BGH, NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urteil v. 4.12.2001 - XI ZR 56/01 -, ZIP 2002, 210; Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5, 6). Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschließlich nach den Verhältnissen auf Seiten der Mitdarlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat es daher nicht in der Hand, durch im Darlehensvertrag gewählte Formulierungen einen bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs.1 BGB zu entgehen (BGH, NJW 1999, 135 und ZIP 2002, 210; Nobbe/Kirchhof, a.a.O.). Das gilt nicht nur für die Bezeichnung der Klägerin als (weitere) Kreditnehmerin, sondern gleichermaßen für die formularvertragliche Klausel in den Darlehensbedingungen, wonach jeder Darlehensnehmer für sich zur Empfangnahme des Darlehens berechtigt ist.

b) Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin nicht als echte Kreditnehmerin behandelt werden. Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden waren die ausgereichten Kredite allesamt ausschließlich für das einzelkaufmännische Unternehmen des Ehemannes der Klägerin bestimmt. Dafür, dass die Klägerin über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta als gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von solchem Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, lässt sich schon dem Vorbringen der Beklagten nichts Konkretes entnehmen. Inzwischen erklärt die Beklagte selbst (Schriftsatz vom 02.01.2002, Seite 2): "Ob die Klägerin tatsächlich im Verhältnis zu ihrem Ehemann mitentschieden hat und mitentscheiden durfte, wie die Valuta verwendet worden ist, entzieht sich naturgemäß der Kenntnis der Beklagten und ist eine interne Tatsache, die für das Außenverhältnis zur Beklagten keine rechtliche Bedeutung hat". Der Umstand, dass die Klägerin für das ausschließlich auf den Namen ihres Ehemannes eröffnete und geführte Geschäftskonto (Girokonto Nr. ) Unterschriftsvollmacht hatte (wie anfangs auch ein Bruder des Ehemannes der Klägerin), deutet nicht auf ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse der Klägerin an den zahlreichen Kreditaufnahmen und der jeweiligen Mittelverwendung hin. Aus der Tatsache, dass sämtliche Darlehensverträge von beiden Eheleuten unterschrieben worden sind, ohne dass jemals ein ernsthafter Versuch unternommen worden ist, die Beklagte von ihrem Ansinnen auf Einbeziehung der Klägerin abzubringen, mag sich in der Tat - wie dies die Beklagte im Schriftsatz vom 24.04.2001, Seite 3, zum Ausdruck bringt - "ein außergewöhnliches Maß an ehelicher Solidarität" und die übereinstimmende Absicht der Eheleute ergeben, mit dem Geschäft des Ehemannes "gemeinsam eine Lebensgrundlage schaffen" zu wollen. Dies offenbart jedoch nur die wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin bei Abgabe der Mithaftungserklärungen.

2. Die Mithaftungsübernahmen überforderten die Klägerin finanziell in krasser Weise, ohne dass sich für die Beklagte entlastende Umstände ergeben haben.

a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung sowohl des IX. als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs.1 BGB bei Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern regelmäßig entscheidend vom Grad des Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten ab. Zwar reicht selbst der Umstand, dass der Betroffene nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen voraussichtlich keine wesentlichen Tilgungsbeiträge leisten, ja nicht einmal die vertragliche Zinslast auf Dauer tragen könnte, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung wird aber widerleglich vermutet, dass die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (zusammenfassend und bestätigend BGH, Urteil vom 4.12.2001 - XI ZR 56/01 -, ZIP 2002, 210).

b) Die Klägerin war während der hier interessierenden Kreditgewährungen durchgehend leistungsunfähig und aus der maßgebenden Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers gab es auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich hieran in absehbarer Zeit etwas ändern würde. Die Klägerin war bei ihrer ersten Mithaftübernahme gemäß Kreditvertrag vom 08.06.1983 (für einen Kontokorrentkredit von 15.000 DM auf dem Geschäftskonto Nr. ) noch nicht ganz 21 Jahre alt und Mutter eines 2 Jahre alten Kindes. Sie hatte keine Berufsausbildung und war einkommens- und vermögenslos. Im März 1984 wurde das zweite Kind geboren. Unabhängig von der streitigen Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin in dem Unternehmen ihres Mannes mitgearbeitet hat, geht die Beklagte selbst davon aus, dass der Klägerin jedenfalls kein Gehalt bezahlt wurde, und dass sie auch später, nachdem sie 1989 die Geschäftsführung der M. Motorsport GmbH übernommen hatte, kein Geschäftsführergehalt bezogen hat (Seite 12 des Schriftsatzes vom 15.01.1999, Bl. 189 GA). Das Haftungsrisiko der Klägerin war auch nicht durch anderweitige Sicherheiten aufgehoben oder wesentlich begrenzt. Das gilt sowohl für die Darlehen, die den Anlass für die Grundschuldbestellung vom 25.02.1986 und die Sicherungszweckerklärung vom 02.06.1986 bildeten, als auch für die später in ein Tilgungsdarlehen umgewandelten Kontokorrentkredite vom 04.02.1987 und 15.10.1987. Die zugunsten der Beklagten bestellten Grundschulden auf dem Betriebsgrundstück schützten die Klägerin nicht in rechtlich gesicherter Weise vor einer Inanspruchnahme trotz vollständiger Leistungsunfähigkeit. Denn die Grundschulden sollten auch die künftigen geschäftlichen Verbindlichkeiten des Ehemannes der Klägerin absichern. Die gesamtschuldnerische Mithaft der Klägerin für den Kontokorrentkredit vom 04.02.1987 sollte sich ausdrücklich "auch auf evtl. Überschreitungen des in diesem Vertrag genannten Kredithöchstbetrages" erstrecken (Ziffer 5). Die Mithaftübernahmen für die spätere Ausweitung dieses Kredits auf 360.000 DM und die Ende 1992 nach erheblicher Überziehung dieses Kredits erfolgte Umwandlung in einen Tilgungskredit (sog. bankinterne Umschuldung, die eine zur Absicherung des Rückzahlungsanspruchs aus dem Kontokorrentkreditvertrag eingegangene Bürgschaft oder Mithaft ohnehin grundsätzlich bestehen lässt) hatten daher - jedenfalls aus der Sicht der Klägerin - nur deklaratorische Bedeutung.

3. An der krassen finanziellen Überforderung der Klägerin kann nach alledem für den gesamten Zeitraum von 1983 bis 1992 kein Zweifel bestehen. Die Beklagte behauptet denn auch selbst nicht, dass etwa die Erwartung eigener finanzieller Leistungsfähigkeit der Klägerin während der Laufzeit der in Rede stehenden Kredite ein mitbestimmender Grund gewesen sei, die regelmäßige Mithaft der Klägerin zu verlangen. Maßgeblich hierfür waren vielmehr aus ihrer Sicht die Betrachtung der Eheleute M. als "wirtschaftliche Einheit", deren Bereitschaft, zur möglichst weit gehenden Erlangung öffentlicher Fördermittel die Einzelfirma in eine GbR mit Mehrheitsbeteiligung der Klägerin umzuwandeln, und die angenommene ständige Mitarbeit der Klägerin im Betrieb des Ehemannes. In der späteren Gründung einer eigenen GmbH durch die Klägerin sieht die Beklagte lediglich eine teilweise Entflechtung der ursprünglich ineinander "verwobenen" Interessen der Eheleute, beruhend "auf einem gemeinsamen Lebensplan und auf gemeinschaftlichen strategischen Überlegungen" (Seite 3 des Schriftsatzes vom 02.01.2002). Die von der Beklagten angeführten Gründe sind jedoch nicht geeignet, die Vermutung der Sittenwidrigkeit zu widerlegen.

a) Die Klägerin hat weder an den Verhandlungen über die jeweiligen Kreditverträge mitgewirkt noch ist sie zur Unterzeichnung der Verträge bei der Beklagten erschienen. Vielmehr hat ihr Ehemann die Verträge jeweils zu Hause von ihr unterzeichnen lassen. Ob die von dem Ehemann der Klägerin bei seiner Zeugenvernehmung angeführten Gründe, aus denen die Sachbearbeiter der Beklagten die Mithaft der Klägerin verlangt haben sollen, tatsächlich deren Erklärungen entsprachen, kann dahinstehen. Erfahrungsgemäß haben Kreditinstitute in der Vergangenheit Bürgschaften oder Mithaftübernahmen von Ehepartnern vielfach routinemäßig verlangt, um Vermögensverlagerungen vorzubeugen, die Hauptschuldner besonders zu motivieren, ihre Kreditverbindlichkeiten unter allen Umständen zu erfüllen und so eine Inanspruchnahme und aussichtslose Überschuldung des Ehepartners zu vermeiden sowie diesen von nachteiligen Einflüssen - etwa in Form übermäßiger materieller Forderungen - auf den Kreditnehmer abzuhalten (vgl. BGH, NJW 1997, 1773). Anerkanntermaßen können jedoch nur eigene ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile unmittelbar aus der Kreditaufnahme selbst als Indiz für einen freien Willensentschluss des Bürgen oder Mithaftenden angesehen werden. Lediglich mittelbare Vorteile wie etwa die Aussicht auf höhere Unterhaltsleistungen oder die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Geschäftseinnahmen als einzigem Familieneinkommen genügen hierzu nicht.

b) Keiner der vernommenen Zeugen konnte eine Einbindung der Klägerin in die Kreditverhandlungen oder in die unternehmerischen Entscheidungen über die Ausweitung des Geschäftsbetriebs des Ehemannes der Klägerin bestätigen. Soweit die Mitarbeiter der Beklagten von einer aktiven Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes ausgingen, handelt es sich im wesentlichen nur um Mutmaßungen und aus Gesprächen mit dem Ehemann oder aus dem Auftreten der Klägerin in der Filiale der Beklagten in R. gewonnene subjektive Eindrücke ohne konkreten Gehalt. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten und den Zeugenaussagen nichts, was über untergeordnete Tätigkeiten wie Regis- tratur, Putzen, Botengänge und Abwicklung alltäglicher Bankgeschäfte (Geldeinzahlungen, Überweisungen u.ä.) hinausgeht. Auch die Angaben im Lebenslauf der Klägerin vom 12.11.1984, die im Rahmen des Antrags auf ein Existenzgründungsdarlehen dazu dienen sollten, eine tätige Beteiligung der Klägerin am bisherigen Unternehmen ihres Ehemannes zu vermitteln, geben hierfür nichts her. Art und Umfang der danach seit 1983 entfalteten Tätigkeit der Klägerin im Betrieb des Ehemannes werden ebenso wenig konkretisiert wie die angeblich "maßgebliche" Beteiligung der Klägerin an der Eröffnung und dem Aufbau einer Firma "C. A.". Neben diesen substanzlosen Angaben bleibt lediglich die angeführte "momentane" Beschäftigung der Klägerin in der Buchhaltung der Firma des Ehemannes übrig. Mit alledem lässt sich indessen kein geldwertes Eigeninteresse der Klägerin an dem Unternehmen des Ehemannes begründen, das geeignet wäre, das der Klägerin zugemutete Haftungsausmaß auszugleichen. Erst recht ist nicht feststellbar, dass die Klägerin über die Befugnisse einer Angestellten hinaus an Stelle des Hauptschuldners oder neben diesem dessen Geschäfte verantwortlich geleitet hat (vgl. BGH, NJW 2000, 658, 660). Die Tatsache, dass die einkommens- und vermögenslose Klägerin ohne jede rechtliche und/oder wirtschaftliche Beteiligung an dem Geschäftsbetrieb ihres Ehemannes alle Kreditaufnahmen mitunterzeichnet hat und sogar bereit gewesen wäre, im eigenen Namen öffentliche Kreditmittel für die Ausweitung dieses Geschäftes aufzunehmen, spricht vielmehr entschieden für ein der Beklagten erkennbares Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit. Jedenfalls ist es der Beklagten nicht gelungen, den ihr obliegenden Beweis zu führen, dass sich die Klägerin bei der Übernahme der persönlichen Haftung für die Grundschuld, bei Unterzeichnung der Darlehensverträge, die dieser Grundschuldbestellung zugrunde lagen, und/oder bei den Mithaftübernahmen für den später in ein Tilgungsdarlehen umgewandelten Konkokorrentkredit von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos und nicht von fremdbestimmten Motiven hat leiten lassen.

4. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass kein gesetzlicher Grund besteht, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs.2 ZPO n.F.). Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 91a, 108, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Der Streitwert wird für sämtliche Instanzen - gemäß § 25 Abs.2 S.2 GKG zugleich in Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung - auf 204.516,75 € festgesetzt (= umgerechneter Nominalbetrag des Vollstreckungstitels, gegen den sich die Abwehrklage richtet; dass die Beklagte das Verfahren auf Ableistung der eidesstattlichen Versicherung gegen die Klägerin nur wegen einer Teilforderung in Höhe von 100.000 DM betrieben hat, ist für den Streitwert der Vollstreckungsgegenklage ohne Belang).

Ende der Entscheidung

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