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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 07.08.2002
Aktenzeichen: 13 U 149/01
Rechtsgebiete: BGB, GenG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 826
GenG § 34 Abs. 3 Nr. 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Im Namen des Volkes Urteil

13 U 149/01

Verkündet am: 07.08.2002

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 4. Juli 2001 - 25 O 583/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat gegen die Beklagte selbst dann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Kreditgewährung, wenn die von ihm behaupteten Einkommens- und Vermögensverhältnisse zutreffen.

1. Nach dem das Schuldrecht beherrschenden Prinzip der - negativen - Vertragsfreiheit steht es der Beklagten grundsätzlich frei, mit dem Kläger überhaupt einen Darlehensvertrag abzuschließen. Ein gesetzlicher Kontrahierungszwang, wie er für wichtige Teilbereiche der Daseinsvorsorge ausnahmsweise festgelegt ist (vgl. etwa § 6 EnWG, § 22 PersBefG), lässt sich weder den Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes über das Rechtsverhältnis der Genossenschaft und der Genossen (§§ 17 - 23 GenG) noch den Bestimmungen des Kreditwesengesetzes entnehmen. Er ist auch sonst nicht ersichtlich.

2. Die Satzung der Beklagten sieht ebenfalls keinen Anspruch des einzelnen Genossen auf Darlehensgewährung vor.

a) Dass die Satzung keine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zur Kreditgewährung an ihre Mitglieder enthält, verkennt auch der Kläger nicht.

b) Anders als der Kläger meint, ergibt sich ein Abschlusszwang auch nicht mittelbar aus § 2 Abs. 1, 2 der Satzung in Verbindung mit der genossenschaftlichen Treuepflicht. Diese Satzungsbestimmungen legen nur allgemein den Zweck der Beklagten - die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder - sowie den Unternehmensgegenstand fest, zu dem gem. § 2 Abs. 2 lit. c) die Gewährung von Krediten aller Art zählt.

Diese satzungsmäßige Zweckbestimmung der Beklagten gibt indessen für einen Rechtsanspruch des einzelnen Genossen auf Kreditgewährung nichts her: Das Prinzip der (negativen) Vertragsfreiheit ist einer der tragenden Grundsätze des Zivilrechts. Hätten die Satzungsgeber diesen Grundsatz durchbrechen und die Beklagte gegenüber ihren Mitgliedern einem Abschlusszwang unterwerfen wollen, wären - davon ist angesichts der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung eines solchen Ausnahmetatbestandes auszugehen - zumindest die Grundsätze, nach denen der Abschluss derartiger Kreditverträge zu erfolgen hat, ausdrücklich im Statut geregelt worden. Es verbietet sich daher, allein aus der allgemeinen Bestimmung über die Förderung und Betreuung der Mitglieder oder der Beschreibung des Unternehmensgegenstandes eine Verpflichtung der Genossenschaft zur Darlehensgewährung an ihre Mitglieder abzuleiten.

Daran ändert auch die genossenschaftliche Treuepflicht nichts. Zwar gilt diese Treuepflicht auch für die Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern und ist umso stärker, je länger im Einzelfall die Mitgliedschaft dauert (vgl. BGHZ 27, 297, 305; Beuthien, GenG, 13. Aufl. § 18 Rdnr. 41). Eine Verpflichtung der Beklagten zur Darlehensgewährung an den Kläger vermag sie jedoch nicht zu begründen. Die vom Kläger für seine gegenteilige Auffassung angeführte BGH-Rechtsprechung, wonach es sich bei der Treuepflicht um eine Rechtspflicht handele, die bisweilen auch ein positives Tun erfordern könne, betrifft im Wesentlichen nur allgemeine, in ihrer Geltung unstreitige Rechtsgrundsätze, die für die Annahme eines Kontrahierungszwanges nichts hergeben. Die Entscheidung vom 8.10.1959 (BGHZ 31, 37, 40 f.), in der der BGH dem Mitglied einer Siedlungsgenossenschaft einen Anspruch auf Erwerb eines bestimmten Grundstücks zugebilligt hat, beruhte ersichtlich darauf, dass die Satzung dem Genossen - anders als hier - ausdrücklich ein entsprechendes Erwerbsrecht einräumte.

Soweit in der Literatur vereinzelt - ohne nähere Differenzierung - ein grundsätzlicher Abschlusszwang der Genossenschaft im Rahmen des satzungsmäßig festgelegten Förderungszwecks befürwortet wird, wenn nicht im Einzelfall triftige Gründe die Ablehnung eines Vertragsschlusses rechtfertigen (vgl. Beuthien a.a.O. Rdnr. 16; Pöhlmann, in: Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, GenG, 2. Aufl. § 18 Rdnr. 26), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Jedenfalls im hier zu beurteilenden Verhältnis einer Kreditgenossenschaft zu ihren Mitgliedern fehlt es an einem sachlichen Grund für die Annahme, aus der genossenschaftlichen Verbundenheit folge die Verpflichtung der Beklagten, ihren Mitgliedern Kredite zu gewähren. Auch wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Genossen bei objektiver Betrachtung keine Gefährdung des Darlehensrückzahlungsanspruchs besorgen lassen, trägt letztlich allein die Beklagte - bzw. ihr Vorstand - das Risiko, dass sich daran während der Laufzeit des Darlehens unvorhergesehen etwas ändert. Dementsprechend bestimmt § 34 Abs. 3 Nr. 5 GenG, dass die Vorstandsmitglieder der Genossenschaft auf Schadensersatz haften, wenn "entgegen diesem Gesetz oder dem Statut Kredit gewährt wird". Diese Haftungsregelung würde, was die Kreditgewährung an Genossen betrifft, keinen Sinn machen, wenn der Vorstand der Beklagten aufgrund der genossenschaftlichen Treuepflicht ohnehin zur Darlehensgewährung verpflichtet wäre. Der Beklagten muss es daher unbenommen sein, die (künftige) Bonität des Klägers kritisch zu beurteilen und - möglicherweise auch zu Unrecht - eine Gefährdung ihres Rückzahlungsanspruchs anzunehmen.

Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte dem Kläger das begehrte Darlehen willkürlich oder unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot verweigern würde, kann dahinstehen. Ein solcher Sachverhalt ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 21.8.2000 ergibt sich vielmehr, dass die Beklagte im Hinblick auf zahlreiche vertragliche Verpflichtungen mit hohen monatlichen Belastungen sowie immer häufiger werdende Umschuldungen die Kapitaldienstfähigkeit des Klägers verneint hat. Ob diese Einschätzung objektiv zutreffend war, ist nicht entscheidend. Die Beklagte hat den beantragten Kredit jedenfalls nicht aus sachfremden, sondern aus triftigen Gründen abgelehnt. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass die Beklagte einem anderen Genossen unter gleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen einen Kredit gewährt hat und ihre jetzige Weigerung das Gleichbehandlungsgebot verletzt.

3. Schließlich gibt auch § 11 der Satzung, wonach jedes Mitglied das Recht hat, nach Maßgabe des GenG und der Satzung die Leistungen der Genossenschaft in Anspruch zu nehmen, für einen Kontrahierungszwang der Beklagten nichts her: Weder aus dem Gesetz noch - wie dargelegt - aus der Satzung der Beklagten folgt ein Rechtsanspruch des Klägers auf Kreditgewährung.

4. Die Beklagte unterliegt auch keinem allgemeinen Kontrahierungszwang aus § 826 BGB oder dem Sozialstaatsprinzip (vgl. dazu MünchKomm-Kramer, BGB, 4. Aufl. Vor § 145 Rdnr. 13, 14; Palandt/Heinrichs, 60. Aufl. Vor § 145 Rdnr. 8 ff., 10). Soweit in der Literatur ein derartiger Abschlusszwang ausnahmsweise für Unternehmer, die lebenswichtige Güter öffentlich anbieten, bejaht wird (vgl. Bydlinski AcP 180, 1, 41), hat dies zur Voraussetzung, dass für den Kunden keine zumutbare Möglichkeit besteht, seinen Bedarf anderweitig zu decken. Daran fehlt es hier, denn bei den behaupteten finanziellen Verhältnissen könnte der Kläger seinen Kreditbedarf ohne weiteres bei einem anderen Kreditinstitut decken.

Da der Kläger, obwohl ihm hierzu unter Hinweis auf die offenkundige Unbegründetheit der Berufung Gelegenheit gegeben worden war, die Berufung nicht zurück genommen hat, war sein Rechtsmittel mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO n.F. sieht der Senat keine Veranlassung. Das Begehren des Klägers würde in jedem Fall deshalb scheitern, weil die Beklagte die Kreditgewährung aus nachvollziehbaren, in der Sache begründeten Erwägungen abgelehnt hat.

Berufungsstreitwert und Beschwer des Klägers: 16.361,34 EUR (= 32.000,00 DM)

Ende der Entscheidung

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