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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 13 U 154/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 840
ZPO § 829
ZPO § 185
ZPO § 841
ZPO § 183
ZPO § 187
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 840 Abs. 2 S. 1
ZPO § 840 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 154/00

Anlage zum Protokoll vom 20.Juni 2001

Verkündet am 20. Juni 2001

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und des Richters am Amtsgericht Bröder

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 1. August 2000 - 10 O 593/98 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung verfolgt den bereits erstinstanzlich umgestellten Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Drittschuldnerklage in Höhe von 3.151,32 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.06.1999 zu erstatten, ohne Erfolg weiter. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 840 Abs.2 S.2 ZPO nicht zu, weil weder die Zustellung des Pfändungsbeschlusses (am 26.05.1998) noch diejenige des Überweisungsbeschlusses (am 14.07.1998) geeignet waren, eine Auskunftspflicht der Beklagten nach § 840 ZPO zu begründen. Die Ersatzzustellung des Pfändungsbeschlusses an die Beklagte als Drittschuldnerin durch Übergabe an den Schuldner, Herrn H. S., war unwirksam; die mit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses erneuerte Aufforderung zur Auskunft blieb - unbeschadet der Frage einer formellen Wirksamkeit dieses Zustellungsaktes - mangels wirksamer Pfändung ebenfalls unwirksam.

1. Das Landgericht hat die Ersatzzustellung des Pfändungsbeschlusses vom 14.05.1998 an den - wie es in der Zustellungsurkunde der Gerichtsvollzieherin heißt - "beim Empfänger freiberuflich tätigen" Schuldner für die Beklagte als Drittschuldnerin (= Zustellungsadressatin) mit Recht in entsprechender Anwendung des § 185 ZPO als unwirksam angesehen. Der Senat stimmt dieser in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Auffassung (vgl. die Nachweise bei BAG NJW 1981, 1399, 1400 und Hamme, NJW 1994, 1035, 1036 in Fußn.2; aus jüngeren Kommentierungen ferner: Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz. 1; MüK/Wenzel, ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz.3 unter Aufgabe der noch von Feldmann in der Vorauflage vertretenen Gegenmeinung) zu.

a) Die von der Berufung bezweifelte Analogiefähigkeit dieser Vorschrift ist bedenkenfrei zu bejahen. In der vom Landgericht angeführten Entscheidung des BAG vom 15.10.1980 - 4 AZR 662/78 - (NJW 1981, 1399 = AP § 829 ZPO Nr.7 m. zust. Anm. Walchshöfer = DGVZ 1981, 7) ist anhand der Entstehungsgeschichte des § 185 ZPO aufgezeigt (insoweit in NJW 1981, 1399 nicht mit abgedruckt), dass diese Vorschrift die Fälle, in denen eine Ersatzzustellung wegen Interessenkollision unzulässig sein soll, nicht abschließend regelt, dass der Gesetzgeber die Lückenhaftigkeit der Regelung vielmehr bewusst in Kauf genommen und der Ausfüllung durch die Rechtsprechung überlassen hat (hierzu auch Hamme, NJW 1994, 1035, 1038). Durch die Vorschrift des § 841 ZPO (Verpflichtung des Gläubigers, dem Schuldner im Drittschuldnerprozess den Streit zu verkünden, damit er dem Rechtsstreit auf Seiten des Gläubigers beitritt) wird bereits deutlich, wie nahe der Schuldner einem Streitgehilfen des Gläubigers steht (auch darauf weist das BAG, a.a.O., hin). Dass der Streitgehilfe des Gegners diesem i.S.d. § 185 ZPO gleichsteht, ist nahezu allgemein anerkannt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 185 Rz.7; MüK/Wenzel, ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz.3; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz.1).

b) Auch der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass § 185 ZPO aufgrund seines Zwecks, die ohnehin schon riskantere Zustellung an Ersatzpersonen dort zu verhindern, wo wegen Interessenkollision die Gefahr der Nichtaushändigung des Schriftstücks an den Adressaten noch größer als normal ist, weit ausgelegt und auf alle Personen sinngemäß angewendet wird, zwischen denen eine vergleichbare Interessenkollision besteht (Urteil vom 11.07.1983 - II ZR 114/82 -, NJW 1984, 57 unter Bezugnahme unter anderem auf das vorgenannte Urteil des BAG). Die vergleichbare Interessenlage bei Zustellung des für den Drittschuldner bestimmten Pfändungsbeschlusses durch Übergabe an den Vollstreckungsschuldner gebietet die entsprechende Anwendung des § 185 ZPO, wie das Landgericht dies in Anlehnung an die Entscheidung des BAG und die Abhandlung von Hamme (jeweils a.a.O.) zutreffend ausgeführt hat. Der Schuldner könnte versucht sein, den Pfändungs-/Überweisungsbeschluss zu unterdrücken, um zu verhindern, dass der Drittschuldner die gepfändeten Beträge an den Gläubiger zahlt. Dabei kann es aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, die bei der Zustellung gewährleistet sein muss, nicht darauf ankommen, dass nach der später erteilten Auskunft des Drittschuldners ein (freiberufliches) Beschäftigungsverhältnis, wie es in der von der Gerichtsvollzieherin beurkundeten Übergabeerklärung zum Ausdruck kommt, angeblich weder bestanden hat noch besteht. Der Gerichtsvollzieher muss erkennen können, ob er eine wirksame Zustellung an eine bestimmte Person vornehmen kann. Handelt es sich hierbei um den im Pfändungs-/Überweisungsbeschluss ausgewiesenen Schuldner, der im Geschäftslokal des Drittschuldners angetroffen wird und erklärt, dort beschäftigt zu sein, hat die Zustellung zu unterbleiben (nach BAG, a.a.O., gilt dies aus Gründen der Rechtssicherheit selbst dann, wenn dem Schuldner - wie im dortigen Fall - Postvollmacht erteilt ist).

c) Im Übrigen ist die unsubstanziierte Behauptung der Beklagten, der Schuldner sei "nur zufällig" anwesend gewesen, ungeeignet, die indizielle Wirkung der beurkundeten Übergabeerklärung der zustellenden Gerichtsvollzieherin zu entkräften, wie die Berufung insoweit zu Recht geltend macht (unter Hinweis auf OLG München, OLGR 1998, 301); dazu bedürfte es vielmehr der plausiblen und schlüssigen Darstellung, wie es zu der Entgegennahme des Pfändungsbeschlusses durch den Schuldner in ihrem Gewerbebetrieb und dessen Selbstdarstellung als freier Mitarbeiter kommen konnte. Wäre der Schuldner den Umständen nach nicht als Gewerbegehilfe i.S.d. § 183 ZPO anzusehen, würde die Wirksamkeit der Ersatzzustellung des Pfändungsbeschlusses vom 14.05.1998 indessen schon hieran scheitern.

d) Entgegen der Auffassung des LG Bonn (DGVZ 1998, 12) kann die Schutzbedürftigkeit des Zustellungsadressaten auch nicht mit der Erwägung verneint werden, dass ihn eine in Unkenntnis der Pfändung erbrachte Leistung an den Schuldner befreie. Die Schutzbedürftigkeit ergibt sich aus der prozessrechtlichen Situation des Drittschuldners, nachweisen zu müssen, dass er trotz der erfolgten Zustellung keine Kenntnis vom Verfügungsverbot hatte (Hamme, NJW 1994, 1037). Gelänge dieser regelmäßig schwer zu führende Beweis nicht, bliebe der Drittschuldner auf einen wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners oft nicht zu realisierenden Erstattungsanspruch gegen diesen angewiesen. Die Interessenlage spricht daher entschieden für eine analoge Anwendung des § 185 ZPO. Das gilt auch für die regelmäßig mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses verbundene Aufforderung nach § 840 ZPO. Der Schuldner ist als Gläubiger des Drittschuldners die am wenigsten geignete Person, die vom Gerichtsvollzieher gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Hätte sich die Gerichtsvollzieherin nicht an der in der genannten Beschwerdeentscheidung des LG Bonn (DGVZ 1998, 12) vertretenen Ansicht, sondern an derjenigen des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.) orientiert, jedenfalls aber im Hinblick auf die umstrittene Zulässigkeit einer Ersatzzustellung an den Schuldner vorsorglich hiervon abgesehen, wären der Klägerin die Kosten dieses Prozesses erspart geblieben. Soweit ersichtlich, hat sich allerdings seit Jahrzehnten kein Oberlandesgericht mit der Problematik befasst (Walchshöfer bedauert dies bereits in der Anmerkung zu der Entscheidung des BAG in AP Nr.7 zu § 829 ZPO). Die Entscheidung des Senats füllt nunmehr diese Lücke und trägt hoffentlich dazu bei, künftig solche Ersatzzustellungen an den Schuldner zu vermeiden.

2. Die Berufung verweist ferner ohne Erfolg darauf, dass durch die spätere Zustellung des Überweisungsbeschlusses vom 07.07.1998 (am 14.07.1998 durch Übergabe an den unstreitig bei der Beklagten angestellten Sohn des Schuldners, Herrn T.S.) eine erneute Aufforderung an die Beklagte zur Abgabe der Drittschuldnererklärung ergangen ist. Richtig ist zwar, dass die Aufforderung zur Auskunft, die nach § 840 Abs.2 S.1 ZPO Wirkung nur entfaltet, wenn sie Aufnahme in die Zustellungsurkunde gefunden hat (Aufnahme in den Pfändungs- oder Überweisungsbeschluss ist weder erforderlich noch genügend), auch nach der Zustellung des Pfändungsbeschlusses erfolgen kann, und dass es genügt, wenn dabei auf den Pfändungsbeschluss Bezug genommen wird, der hierzu nicht nochmals zugestellt werden muss (RGZ 60, 330; Musielak/Becker, ZPO, 2. Aufl., § 840 Rz.3). Das setzt jedoch eine wirksame Zustellung des Pfändungsbeschlusses voraus. Die Unwirksamkeit der Pfändung macht auch die Überweisung unwirksam (BGH NJW 1994, 3225, 3226 m.w.Nachw.). Da die Zustellung des Überweisungsbeschlusses allein kein Zahlungsverbot bewirkt, ist auch die in die Zustellungsurkunde vom 14.07.1998 aufgenommene Aufforderung zur Auskunft unwirksam geblieben. Dass in beiden Zustellungsurkunden irrtümlich von einem "Pfändungs- und Überweisungsbeschluss" die Rede ist, obwohl die Zustellung vom 26.05.1998 nur den Pfändungsbeschluss vom 14.05.1998 und diejenige vom 14.07.1998 nur den Überweisungsbeschluss vom 07.07.1998 zum Gegenstand hatte, ändert an dieser Beurteilung nichts.

3. Nach alledem hat es bei der auch im Übrigen zutreffenden Entscheidung des Landgerichts zu verbleiben. Gegen die Gründe, aus denen die Zivilkammer eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 187 ZPO verneint hat, wendet die Berufung auch nichts ein.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin durch dieses Urteil: 3.151,32 DM.

Ende der Entscheidung

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