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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 13 U 159/03
Rechtsgebiete: BeschFG, DÜG


Vorschriften:

BeschFG § 1
BeschFG § 1 Abs. 5 Satz 1
DÜG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Juli 2003 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 15 O 376/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung im Rahmen eines früheren Mandatsverhältnisses in Anspruch.

Die Klägerin war vom 01. 10. 1986 bis 30. 06. 2000 bei dem A-Fernsehen (SENDER A) als Producerin, Dolmetscherin und Übersetzerin für die Berichterstattung aus der Türkei im SENDER A-Studio in J tätig. Seit Anbeginn der Tätigkeit im Jahre 1986 wurden zwischen dem SENDER A und der Klägerin befristete Honorarzeitverträge mit einer Laufzeit von jeweils einem Jahr geschlossen, die eine freie Mitarbeit der Klägerin regelten. Der letzte Vertrag (Nr. 15) war für den Zeitraum vom 01. 07. 1999 bis 30. 06. 2000 geschlossen worden.

Im Sommer 1999 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit der Wahrnehmung ihrer arbeitsrechtlichen Interessen gegenüber dem SENDER A. Ziel der Beauftragung war es, die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin gegenüber dem SENDER A feststellen zu lassen, nachdem das SENDER A die Klägerin vor die Alternative gestellt hatte, entweder einen neuen befristeten Ein-Jahres-Vertrag mit Dienstsitz in J oder einen unbefristeten Anstellungsvertrag mit Dienstsitz in N zu unterzeichnen, wobei aus der Sicht des SENDER A die Vergütungsgruppe V zugrunde gelegt werden sollte. Nachdem sich der Beklagte erfolglos mit Schreiben vom 05. 06. 2000 an das SENDER A gewandt hatte, um für die Klägerin für die Zukunft eine Eingruppierung in die höher dotierte Vergütungsgruppe VII und um ferner die Vereinbarung bzw. Feststellung einer Festanstellung der Klägerin nach 14 Dienstjahren zu erreichen, erhob der Beklagte am 09. 11. 2000 Klage vor dem Arbeitsgericht Mainz mit dem Ziel der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin seit dem 01.10.1986 (Statusklage); ferner machte er Zahlungsansprüche geltend. Einen ihr vom SENDER A angebotenen weiteren Ein-Jahres-Vertrag für den Zeitraum 01. 07. 2000 bis 30. 06. 2001, der eine Jahresbruttovergütung von 66.300.- DM vorsah, unterzeichnete die Klägerin auf ausdrückliche Weisung des Beklagten nicht. Im Rahmen des vor dem Arbeitsgericht Mainz abgehaltenen Gütetermins wurde der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Frist aus § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG nicht eingehalten sei, nach der, sofern die Unwirksamkeit einer Befristung vom Arbeitnehmer geltend gemacht wird, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Vertrages Klage erhoben werden muss. Hierauf wurde das arbeitsgerichtliche Verfahren einvernehmlich zum Ruhen gebracht.

Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten aus dem Gesichtspunkt anwaltlicher Pflichtverletzung auf Zahlung von Schadensersatz für den Zeitraum vom 01. 10. 1997 bis 30. 06. 2000 in Höhe von 30.985,82 Euro nebst Zinsen mit der Begründung in Anspruch, ohne die Versäumung der Frist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG durch den Beklagten wäre festgestellt worden, dass sie als Arbeitnehmerin des SENDER A anzusehen und eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VII vorzunehmen sei. Ferner nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz für den Zeitraum vom 01. 07. 2000 bis 31. 07. 2002 in Höhe von 91.232,36 Euro nebst Zinsen mit der Begründung in Anspruch, aufgrund des Abratens von der Annahme eines weiteren Honorarzeitvertrages habe der Beklagte für die Zeit vom 01. 07. 2000 bis 31. 07. 2002 den vollen monatlichen Betrag nach Vergütungsgruppe VII als Schadensersatz zu leisten.

Mit Urteil vom 24. 07. 2003, auf das wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der gestellten Anträge und der Beurteilung durch die Zivilkammer Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage in Höhe von 33.898,66 Euro nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, sie sei als Arbeitnehmerin anzusehen gewesen, so dass der Manteltarifvertrag des SENDER A anwendbar gewesen sei, wonach sie in die Vergütungsgruppe VII einzuordnen sei. Sie könne sich auf ihre Arbeitnehmereigenschaft auch berufen; dies sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte habe daher den geltend gemachten Schaden in voller Höhe zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils,

1.

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum Oktober 1997 bis Juni 2000 Schadensersatz in Höhe von 30.985,82 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 12. 08. 2002 zu zahlen, und

2.

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 01. 07. 2000 bis Juli 2002 weiteren Schadensersatz in Höhe von 57.333,70 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 12. 08. 2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung entgegen.

Wegen aller Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Klägerin kann vom Beklagten aus positiver Vertragsverletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrags keinen höheren Schadensersatz beanspruchen als ihr vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil für die Zeit vom 01. 07. 2000 bis zum 30. 06. 2001 in Höhe von 33.898,66 Euro zuerkannt worden ist.

1.

Für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum von Oktober 1997 bis Juni 2000 steht der Klägerin gegen den Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 30.985,82 Euro unter dem Gesichtspunkt der von ihr begehrten Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VII des "Tarifvertrags über die Vergütungsordnung" vom 28. 07. 1971 (Bl. 46 ff GA) für die Arbeitnehmer des SENDER A, die unter den Manteltarifvertrag vom 30. 11. 1970 fallen, nicht zu.

Hierfür kann dahinstehen, ob die Klägerin in tatsächlicher Hinsicht den Status eines Arbeitnehmers eingenommen hat, der unter den genannten Manteltarifvertrag fällt (vgl. zur Arbeitnehmereigenschaft eines Mitarbeiters im Bereich von Funk und Fernsehen BAG NZA 1994, 169 f.). Denn jedenfalls für den Zeitraum von Oktober 1997 bis Juni 2000 muss die Klägerin sich an den von ihr - mit anwaltlicher Hilfe - jeweils nach langwierigen Verhandlungen mit dem SENDER A abgeschlossenen Verträgen festhalten lassen, die keine Eingruppierung in die Vergütungsgruppen des genannten Tarifvertrags, sondern die Zahlung eines genau bezifferten Honorarbetrages vorsehen. Diese Verträge sind jeweils frei ausgehandelt worden und vorbehaltlos zustande gekommen, so dass eine in die Vergangenheit gerichtete Nachzahlungsforderung ausscheidet.

Hinsichtlich des Zeitraumes vom 01. 10. 1997 bis 30. 06. 1999 ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Klägerin dem Beklagten Vollmacht für ihre Vertretung wegen des Arbeitsverhältnisses mit dem SENDER A erteilt hat und dass sie sich weder hinsichtlich des Vertrages vom 01. 07. 1997 bis 30. 06. 1998 noch hinsichtlich des Folgevertrages vom 01. 07. 1998 bis 30. 06. 1999 jemals gegen die Befristung auf ein Jahr außergerichtlich gewandt oder binnen der Frist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG Klage beim Arbeitsgericht erhoben hat, so dass eine rückwirkende Unwirksamkeit der Befristungsabrede für diese Zeiträume schon aus diesem Grunde nicht mehr geltend gemacht werden konnte. Denn die Klagefrist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG gilt für jede einzelne Befristung auch in sogenannten Kettenarbeitsverträgen, so dass nach Ablauf der Klagefrist die Befristung im jeweiligen Arbeitsvertrag als wirksam anzusehen ist (vgl. BAG NJW 1999, 2837 f.).

Eine Anwendung der in der Vergütungsordnung nach dem Manteltarifvertrag geregelten Vergütungssätze auf die Klägerin für den Zeitraum vom 01. 07. 1999 bis 30. 06. 2000 und damit auch eine Anhebung des vom Landgericht zugesprochenen Schadensersatzes unter Berücksichtigung der Vergütungsgruppe VII kommt nicht in Betracht, da das SENDER A ausweislich seines Schreibens vom 03. 11. 1999 (Bl. 196, 197 R GA), dem die Klägerin inhaltlich nicht entgegen getreten ist und das sie selbst vorgelegt hat, bei allen Ortskräften, die weltweit in den Auslandsstudios und Korrespondentenstellen des SENDER A tätig sind, nur entsprechende Ortskraftverträge abschließt. Nach diesem Schreiben werden die von der Klägerin erbrachten Stringer- und Producer-Tätigkeiten sogar in Deutschland üblicherweise in freier Mitarbeit erbracht (Bl. 196 R GA). Das Angebot auf Abschluss eines Ortskraftvertrages nach türkischem Recht lehnte die Klägerin indes bereits Ende 1989 mit der Begründung ab, dass sie keine Steuern und Sozialabgaben leisten wolle. Eine Festanstellung nach deutschem Recht und die Anwendung des Manteltarifvertrags und der Vergütungsordnung wären aber nur dann in Betracht gekommen, wenn die Klägerin die ihr vom SENDER A alternativ angebotene Tätigkeit beim Sitz des SENDER A in N angenommen hätte (Position einer Redaktionsassistentin in der Hauptredaktion, Bl. 196 R, 197 R GA). Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil auf den Seiten 8 und 9 UA (Bl. 257 R und 258 GA).

2.

Zu Recht hat das Landgericht Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten für die Zeit nach dem 30. 06. 2001 nicht für begründet erachtet.

a.

Selbst wenn man die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin bejaht, so hat sie nicht schlüssig dargetan, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem SENDER A über den 30. 06. 2001 hinaus Bestand gehabt hätte. Denn alle Umstände sprechen dagegen: Es ist nämlich davon auszugehen, dass für die Befristung des Arbeitsverhältnisses ein rechtfertigender Sachgrund (vgl. hierzu BAG NZA 2003, 150, 151 f.) gegeben war. In den mit dem SENDER A abgeschlossenen Verträgen heißt es in § 1 Nr. 1: "Das SENDER A benötigt in der Korrespondentenstelle J für einen begrenzten Zeitraum die Mitarbeit einer dort ansässigen freien Mitarbeiterin". Damit ist unabhängig vom Auslandsbezug - bei einem ausländischen gewöhnlichen Arbeitsort ist mangels Berührung des deutschen Arbeitsmarkts § 1 BeschFG nicht anwendbar - der Rechtfertigungsgrund für eine Befristung zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung gemacht worden. Im Übrigen hat die Klägerin selbst vorgetragen (Seite 16 der Klageschrift, Bl. 16 GA, und Seite 9 ihres Schriftsatzes vom 05. 11. 2002, Bl. 134 GA), dass ihr die Vertreter des SENDER A bei einem Gespräch am 07. 02. 2001 erklärt hätten, "dass ein neuer Vertrag bzw. eine Vertragsverlängerung nicht in Betracht käme". Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass sie beim SENDER A über den 30. 06. 2001 hinaus eine weitere Beschäftigung gefunden hätte.

b.

Unabhängig hiervon wäre es der Klägerin - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - verwehrt gewesen, sich im arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit darauf zu berufen, zu dem SENDER A in einem Arbeitsverhältnis mit Arbeitnehmereigenschaft gestanden zu haben. Denn die Klägerin hat in der Vergangenheit gerade ihre Stellung als freie Mitarbeiterin gegenüber dem SENDER A als Argument dafür verwendet, ein höheres Entgelt zu erlangen. Sie hat sich geweigert, einen Ortskraftvertrag nach türkischem Recht zu unterschreiben. Wie sich aus dem Schreiben des SENDER A vom 03. 11. 1999 (Bl. 196, 197 R GA) ergibt, lehnte die Klägerin den Abschluss eines derartigen Ortskraftvertrages in erster Linie mit der Begründung ab, "keine Steuern und Sozialabgaben leisten zu wollen". Dies wird in deutlicher Weise auch belegt durch das Schreiben der Klägerin vom 10. 11. 1989 (Anlage K 17, Bl. 136 GA), in welchem sie hinsichtlich des ihr vom SENDER A vorgeschlagenen Vertrags rügt, dass "abweichend von der früheren Formulierung der Betrag von DM 2.000.- pro Monat auch Versicherungsbeiträge und vom SENDER A abzuführende Steuern enthalten soll", und in dem sie ausdrücklich darauf verweist, dass der Vertrag "sogar eine Verschlechterung" bedeutet, weil der ihr "verbleibende Nettobetrag" für sie "sogar geringer" sein würde als die Zahlungen, die sie für die gleiche Tätigkeit im Jahre 1987 erhalten habe.

Die Klägerin hat ferner - anwaltlich beraten - über einen Zeitraum vom 01. 07. 1989 bis 30. 06. 2000 immer wieder neue Verträge unterschrieben, in denen der Status einer freien Mitarbeiterin hervorgehoben worden ist. Sie hat hierdurch eine Sachlage geschaffen, auf die sich das SENDER A verlassen hat und auch verlassen durfte. Das SENDER A hat darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin weiterhin als freie Mitarbeiterin tätig werden und ihre über 11 Jahre währende Zusammenarbeit mit dem SENDER A auf der Basis von Verträgen für Leistungen freier Mitarbeiter fortsetzen wollte. Die Klägerin hat aus dieser Art der Zusammenarbeit erhebliche finanzielle Vorteile gezogen, da dies ihrem Wunsch entgegenkam, keine Steuern und Sozialabgaben zu zahlen. Es ist anerkannt, dass ein Mitarbeiter rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) handelt, wenn er sich nachträglich darauf beruft, Arbeitnehmer gewesen zu sein, obwohl er als freier Mitarbeiter tätig sein wollte und sich den Versuchen des Dienstgebers widersetzt hat, zu ihm in ein Arbeitsverhältnis zu treten (BAG NJW 1997, 2618). Das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens hindert Vertragsparteien zudem auch daran, sich auf die Unwirksamkeit eines Vertrags zu berufen, den sie viele Jahre lang als rechtswirksam angesehen und beiderseits erfüllt haben (vgl. BAG NJW 1997, 2617, 2618).

In Anwendung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klage vor dem Arbeitsgericht Mainz - wäre sie nicht schon verfristet gewesen - Erfolg gehabt hätte.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein gesetzlicher Grund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO, die Revision zuzulassen, da die Entscheidung auf einer tatsächlichen Würdigung beruht.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 88.319,52 Euro (30.985,82 Euro + 57.333,70 Euro).

Ende der Entscheidung

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