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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.08.1999
Aktenzeichen: 13 U 28/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 397 Abs. 2
BGB § 779
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 543 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 28/99 18 O 48/98 (LG Bonn)

Anlage zum Protokoll vom 25. August 1999

Verkündet am 25. August 1999

Hilgers, J.H.S.`in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Berufungsrechtsstreit

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 4. August 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und der Richterin am Amtsgericht Wagner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Streithelferin der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 14. Januar 1999 - 18 O 48/98 - wird zurückgewiesen.

Die Streithelferin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Streithelferin der Kläger bleibt erfolglos.

Das Landgericht hat mit Recht dahinstehen lassen, ob sich der Beklagte den Klägern gegenüber wegen mangelhafter Bauüberwachung bei der Betonierung der Bodenplatte schadensersatzpflichtig gemacht hat; denn durch den Prozeßvergleich vom 22.02.1994 in dem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums (F. ./. Ehel. K. - 2 O 339/93 LG Bonn) sei durch sog. Generalquittung auch dieser etwaige Anspruch im Wege des gegenseitigen Nachgebens (§ 779 BGB) erledigt. Der Senat folgt im wesentlichen den Gründen des angefochtenen Urteils (§ 543 Abs.1 ZPO) nach Maßgabe der folgenden, durch die Berufungsangriffe veranlaßten ergänzenden Ausführungen:

1. Die mit der Berufung aufgeworfene Frage der Beweislast stellt sich erst, wenn bei objektiver Auslegung der Vergleichsurkunde Zweifel am Umfang der Abgeltungsklausel verbleiben oder ein vom objektiven Auslegungsergebnis abweichendes gemeinsames Verständnis der Ausgleichsklausel aufzuklären ist. Weder das eine noch das andere ist hier jedoch der Fall:

a) Eine Ausgleichsklausel, nach der mit der im Vergleich getroffenen Regelung - wie hier - "sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien erledigt sind", erfaßt ihrem Wortlaut nach auch etwaige unbekannte Ansprüche, ohne daß es noch eines klarstellenden Zusatzes bedürfte. Jeder forensisch erfahrene Anwalt weiß, daß eine so formulierte generelle Ausgleichsklausel typischerweise ein wechselseitiges negatives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 397 Abs.2 BGB zum Inhalt hat und bestimmungsgemäß jegliche weitergehenden Ansprüche zwischen den Parteien ausschließt. In einigen Rechtsbereichen - wie bei Abfindungsvergleichen über immaterielle Folgeschäden oder bei arbeitsrechtlichen Aufhebungsvereinbarungen - ist es zwar weithin üblich, den umfassenden Ausgleichscharakter eines Vergleiches, durch den "alle" oder "sämtliche" gegenseitigen Ansprüche der Parteien erledigt sein sollen, durch Zusätze wie "gleichgültig, ob bekannt oder unbekannt" zu verdeutlichen. In Rechtsstreitigkeiten der hier zugrunde liegenden Art besteht eine solche Gepflogenheit jedoch nicht. Der umfassende Ausgleichscharakter des zwischen den Parteien im Rechtsstreit 2 O 339/93 LG Bonn geschlossenen Prozeßvergleichs vom 22.02.1994 findet weitergehenden Ausdruck darin, daß die Ausgleichsklausel nicht einmal auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beschränkt ist.

b) Mit Recht hat das Landgericht bei seiner Auslegung auch darauf abgestellt, daß in dem zuvor im selben Verhandlungstermin abgeschlossenen Vergleich zwischen der Generalunternehmerin und dem Bauherrn (2 O 141/93 LG Bonn) eine Ausgleichsklausel formuliert worden ist, die sich auf "die Klageforderung und sämtliche in diesem Verfahren geltend gemachten Einwendungen" beschränkt, und daß der Architekt (= Beklagter des vorliegenden Rechtsstreits) jenem Vergleich unter Übernahme eigener Ausgleichspflichten gegenüber der Generalunternehmerin beigetreten ist. Wenn er sich anschließend in seinem eigenen Honorarprozeß über die mit 30.516,40 DM nebst Zinsen geltend gemachte restliche Vergütung mit den Beklagten (jetzigen Klägern) auf 25.000,00 DM verglich und 60% der Kosten jenes Rechtsstreits übernahm (mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, die gegeneinander aufgehoben wurden), dann spricht dies entschieden dafür, daß er hierzu nur unter der Voraussetzung bereit war, damit von jeglichem weiteren Haftungsrisiko gegenüber den Bauherren befreit zu sein.

c) Unter diesen Umständen widerspricht die im angefochtenen Urteil vorgenommene Auslegung der generellen Ausgleichsklausel keineswegs dem Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (zur Anwendung dieses Grundsatzes bei der Auslegung einer auf "alle beiderseitigen Ansprüche, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites waren", beschränkten Abgeltungsklausel in einem Prozeßvergleich siehe BGH NJW-RR 1995, 1201). In dem vom BGH (a.a.O.) entschiedenen Fall ging es ebenfalls um die Frage, ob der Vergleich auch Gewährleistungsansprüche wegen Bodenrissen umfaßte. Diese Ansprüche waren in dem durch Vergleich beendeten Vorprozeß zwar beiläufig angesprochen, jedoch nicht zum unmittelbaren Gegenstand jenes Rechtsstreits gemacht worden. Darin ging es vielmehr im Kern um anderweitige Gewährleistungsansprüche der Beklagten, deretwegen sie eine Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch genommen hatte. Als wesentliches Indiz für eine interessengerechte Auslegung des Vergleichs dahingehend, daß diese Gewährleistungsansprüche unberührt blieben, hat der BGH die bei Vergleichsabschluß bereits erkennbaren Vorstellungen der Beklagten über die Höhe der Kosten einer Mängelbeseitigung bezüglich der Risse angesehen (außerprozessual waren diese Ansprüche mit 150.000,00 DM beziffert worden, der Vorprozeß hatte dagegen nur die Rückforderung einer gezahlten Bürgschaftssumme von knapp 30.000,00 DM zum Gegenstand). Unter solchen Umständen spricht in der Tat der Abschluß eines ausschließlich am Sach- und Streitstand der Klageforderung orientierten und auf Ansprüche, die Gegenstand jenes Rechtsstreits waren, beschränkten Vergleiches deutlich gegen die Annahme, die Partei, die sich seit Jahren eines vielfach höheren Gewährleistungsanspruchs wegen Bodenrissen berühmt hatte, habe mit der Ausgleichsklausel diese Forderung ohne jedweden materiellen Ausgleich fallen lassen.

Vergleichbare Umstände fehlen hier jedoch. Zwar war im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits das Auftreten eines größeren und einiger kleinerer Risse bekannt und im Vorprozeß 2 O 339/93 LG Bonn auch thematisiert worden. Indessen sind die Kläger erklärtermaßen davon ausgegangen, daß es sich um einen abgeschlossenen Vorgang handelte, der durch die vom Fliesenleger ausgeführten Maßnahmen (Ausfüllung bzw. Überdeckung der Risse) nachhaltig behoben sei (Seite 8 der Berufungsbegründung). Wenn aber nach der Vorstellung der Kläger dieser Mängelpunkt endgültig "abgehakt" und im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses "praktisch vergessen" war, kann er im Rahmen einer interessengerechten Auslegung auch nicht als Indiz für einen eingeschränkten Regelungsgehalt der generellen Ausgleichsklausel herangezogen werden. So spricht denn auch die Festsetzung im Vergleichsprotokoll, daß der Vergleich keinen Mehrwert habe, nicht für einen auf den Gegenstand des Honorarprozesses beschränkten Regelungsumfang des Vergleichs, sondern für die damalige Einschätzung, daß beiderseits keine weitergehenden Ansprüche mehr bestanden.

Angesichts der fortbestehenden Gewährleistungshaftung der Generalunternehmerin, soweit es Mängel anging, die nicht bereits Gegenstand der im Rechtsstreit 2 O 141/93 LG Bonn erhobenen Einwendungen waren, war das von den Klägern mit der vorzeitigen Haftentlassung des Architekten übernommene Risiko obendrein begrenzt. Erst der Umstand, daß die Generalunternehmerin in der Folgezeit in Konkurs geraten ist, läßt nunmehr den Verzicht auf eine etwaige Haftung des Beklagten in einem anderen Licht erscheinen.

d) Zwar geht auch bei der Auslegung eines Prozeßvergleichs ein übereinstimmender Wille der Parteien dem Wortlaut der Vereinbarung und jeder anderweitigen Interpretation vor. Weder die erstinstanzliche Zeugenaussage der Streithelferin (Prozeßbevollmächtigte der jetzigen Kläger in den genannten Vorprozessen) noch die Ausführungen der Berufungsbegründung geben jedoch für eine solche Willensübereinstimmung etwas her. Es spricht im Gegenteil mehr dafür, daß bei dem gerichtlichen Vergleichsgespräch die umfassende Bedeutung der generellen Ausgleichsklausel zum Ausdruck gekommen ist, wie dies nach der Zeugenaussage des Richters am Landgericht C. seiner üblichen Handhabung entspricht (auch die Streithelferin hat es als "ganz sicher" bezeichnet, "daß Herr C. normalerweise auf die Folge einer umfassenden Abgeltungsklausel hinwies"). Selbst wenn man aber der Aussage der Streithelferin folgt, daß dies hier nicht der Fall gewesen sei, und von der Vorstellung der Kläger beim Vergleichsabschluß ausgeht, daß mit dem Vergleich nur solche Ansprüche erledigt seien, die auch unmittelbar Gegenstand des Rechtsstreits, jedenfalls aber nach Ursache und Ausmaß bekannt waren, fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, daß auch der Beklagte entgegen seiner Darstellung (insbesondere Seite 3 f. der Berufungserwiderung, GA) von einer derartigen Vorstellung ausgegangen ist. Zwar hat grundsätzlich jede Partei die tatsächlichen Umstände, die Grundlage einer für sie günstigen Auslegung sind (Erklärungstatbestand), darzulegen und ggf. zu beweisen. Anderes gilt aber, wenn über das Rechtsgeschäft eine Urkunde aufgenommen ist, für solche Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen. Dann wirkt sich die im angefochtenen Urteil hierzu herangezogene Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde dahin aus, daß die Beweislast für außerhalb der Urkunde liegende Umstände die Partei trifft, die sich auf sie beruft (BGH NJW 1999, 1702 m.w.Nachw.). Die Beweislosigkeit für einen übereinstimmenden abweichenden Willen der Parteien geht daher zu Lasten der Kläger. Daß die Parteien mit der Ausgleichsklausel möglicherweise Verschiedenes (inhaltlich) gewollt haben, begründet ferner nicht die Annahme eines Dissenses (vgl. BGH NJW 1993, 1798) und gibt auch keine Handhabe, die Ausgleichsklausel unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage "anzupassen" (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 1997, 178 = DWW 1997, 25 - zu einer Ausgleichsklausel hinsichtlich aller Ansprüche aus einem Mietverhältnis).

2. Der Berufung kann schließlich nicht in der Auffassung gefolgt werden, der Beklagte könne sich auf eine "erweiternde Auslegung" der Ausgleichsklausel nicht berufen, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen, weil er die Rißbildung aufgrund von Versäumnissen bei der Bauüberwachung mitzuverantworten und die bei Vergleichsabschluß bekannten Risse als normale Schwindrisse als Folge eines abgeschlossenen Austrocknungsprozesses verharmlost habe. Zum einen geht es hier nicht um eine erweiternde, sondern um eine einschränkende Auslegung der Ausgleichsklausel. Zum anderen ist die Ursache der später aufgetretenen, durch die gesamte Betonplatte durchgehenden Risse auch erst durch umfangreiche Spezialuntersuchungen in dem von den Klägern hierzu eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren (18 OH 4/97 LG Bonn) ermittelt worden (wobei die Ursache zunächst in mangelnder Betonqualität gesucht wurde). Es begründet daher unabhängig davon, ob der Beklagte die später als Ursache der Rißbildung ausgemachten Fehler und Versäumnisse bei der Einbringung der Bewehrung als Überwachungsfehler mitzuverantworten hätte, weder den Einwand der Arglist noch des widersprüchlichen Verhaltens, daß sich der Beklagte auf die mit den Klägern im Prozeßvergleich vom 22.02.1994 vereinbarte generelle Ausgleichsklausel beruft.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 713 ZPO. Die Kostenentscheidung trägt der allgemeinen Rechtsauffassung Rechnung, daß die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels allein dem Streithelfer zur Last fallen, wenn er - wie hier - das Rechtsmittel ohne Beteiligung der von ihm unterstützten Partei eingelegt und durchgeführt hat (vgl. BGH NJW 1968, 743, 746; Zöller, ZPO, 21. Aufl., § 101 Rdn. 4; Musielak, ZPO, § 97 Rdn. 4 und § 101 Rdn. 2).

Streitwert der Berufung und Beschwer der Kläger/Streithelferin durch dieses Urteil: 38.433,75 DM (33.433,75 DM + 5.000,00 DM für den Feststellungsantrag).

Ende der Entscheidung

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