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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 12.01.2003
Aktenzeichen: 13 U 37/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 104 Nr. 2
BGB § 105 Abs. 1
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.
ZPO § 284
ZPO § 286
ZPO § 288 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2 n.F.
ZPO § 850 c Abs. 1 Satz 1
ZPO § 850 c Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 08. Februar 2002 verkündete Urteil der 32. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 32 O 178/00 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 96.542,10 Euro (entspricht 188.819,94 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. 08. 1999 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollsteckung gegen sie durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Zahlung eines Betrages von 96.542,10 Euro (entspricht 188.819,94 DM) nebst Zinsen in Anspruch, der aus der Teilungsversteigerung des der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann zustehenden Erbbaurechts an dem Grundstück U.-strasse 2 in H., das mit Grundschulden zugunsten der Beklagten belastet war, auf den Erlösanteil der Klägerin entfiel und den die Beklagte zur Tilgung von Verbindlichkeiten des geschiedenen Ehemannes der Klägerin aufgrund einer von der Klägerin während der Ehezeit übernommenen selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft über 300.000.- DM vereinnahmt hat.

Mit Kreditvertrag vom 06./30. 06. 1994 gewährte die Beklagte dem damaligen Ehemann der Klägerin einen Baufinanzierungsbarkredit in Höhe von 240.000.- DM; als anfänglicher effektiver Jahreszins waren 7,19 % vereinbart, die Rückzahlung sollte in 120 monatlichen Raten von je 2.782.- DM, beginnend spätestens ab dem 30. 12. 1994 erfolgen. Mit weiterem Kreditvertrag vom 28. 06./08. 07. 1994 gewährte die Beklagte dem damaligen Ehemann der Klägerin und der von ihm betriebenen Unternehmensgesellschaft, der Firma A. GmbH Im- und Export von technischen Erzeugnissen, einen zweckgebundenen Investitionskredit in Höhe von 210.000.- DM zu einem Zinssatz von 5,5 % p. a. fest bis 30. 06. 2006; die Rückzahlung sollte in 10 Jahresraten zu je 21.000.- DM, erstmals fällig am 30. 06. 1997, erfolgen. Als Verwendungszweck ist in dem Kreditvertrag bestimmt, dass der Kredit für die Verlagerung der Betriebsstätte des Unternehmens von B.G. nach B. einzusetzen ist. Auch der Baufinanzierungsbarkredit gemäß dem Kreditvertrag vom 06./30. 06. 1994 war vereinbarungsgemäß ausschließlich für die Finanzierung des Neubaus einer Betriebshalle einzusetzen, die der damalige Ehemann der Klägerin zu errichten und an sein Unternehmen zu vermieten beabsichtigte.

Die Klägerin unterzeichnete am 28. 05. 1994 eine Bürgschaftsurkunde, in der sie die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 300.000.- DM für alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit dem damaligen Ehemann der Klägerin zustehen, übernahm. In einem Antrag betreffend die Baufinanzierung des Eigenheimes der Eheleute vom 18.04.1991 sind die jährlichen Nettoeinkünfte der Klägerin, die in dem Unternehmen ihres damaligen Ehemannes mitarbeitete, mit 15.300.- DM angegeben.

Mit Schreiben vom 22. 03. 1999 stellte die Beklagte die Verbindlichkeiten des zwischenzeitlich geschiedenen Ehemannes der Klägerin zur sofortigen Rückzahlung fällig und bezifferte diese auf insgesamt 594.951,44 DM. Mit Schreiben vom 23. 03. 1999 nahm die Beklagte die Klägerin aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch und verlangte vergeblich die Zahlung von 300.000.- DM. Aus der von dem geschiedenen Ehemann beantragten Teilungsversteigerung des Erbbaurechts floss der Beklagten ein Erlös von 415.668,72 DM zu, wovon nach Verrechnung mit gemeinsamen Verbindlichkeiten der früheren Eheleute ein Erlös von 377.639,88 DM verblieb, der zur Hälfte, mithin in Höhe von 188.819,94 DM, auf die Klägerin entfiel und den die Beklagte aufgrund der von der Klägerin übernommenen Bürgschaft für sich vereinnahmte.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil vom 08. 02. 2002, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen der im ersten Rechtszug gestellten Anträge verwiesen wird, die Klage auf Zahlung von 188.819,94 DM nebst Zinsen abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin sei wirksam, so dass die Beklagte den streitigen Betrag zu Recht vereinnahmt habe. Die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin erstrecke sich in Anwendung der sogenannten Anlass-Rechtsprechung auf beide Kreditverträge. Auch das Verbraucherkreditgesetz stehe der Wirksamkeit der Bürgschaft nicht entgegen. Die Forderungen der Beklagten gegen den geschiedenen Ehemann der Klägerin hätten zu Recht bestanden, wie sich aus dessen Saldoanerkenntnis ergebe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Zahlungsanspruch nebst Zinsen weiter. Sie trägt ergänzend vor, nach zwei Suizidversuchen, die stationäre Behandlungen vom 17. bis 25. 11. 1993 und vom 24. 05. bis 01. 06. 1994 erfordert hätten, sei bei Abgabe der Bürgschaftserklärung vom 28. 05. 1994, die im Krankenhaus erfolgt sei und bei der sie zudem unter dem psychischen Druck ihres damaligen Ehemannes gestanden habe, ihre freie Willensbildung ausgeschlossen gewesen. Der Bürgschaftsvertrag sei gemäß § 138 BGB nichtig, da sie durch die Übernahme der Mithaftung finanziell "krass" überfordert worden sei. Wegen ihrer psychischen Erkrankung, die im Jahre 1993 begonnen habe, habe sie ab dem 30. 05. 1994 nur noch ein geringes Krankengeld bezogen; seit dem 14.12.1995 erhalte sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente, deren Höhe ab dem 01.03.1997 1.157,68 DM monatlich betragen habe. Anlass für ihre Bürgschaftsübernahme sei im Übrigen der Kreditvertrag vom 06./30. 06. 1994, nicht jedoch der spätere Kreditvertrag vom 28. 06./08. 07. 1994 gewesen, so dass die Beklagte den Versteigerungserlös schon deswegen jedenfalls nicht auf die Verbindlichkeiten aus dem späteren Kreditvertrag verrechnen könne.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 96.542,10 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. 08. 1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend, der Gesundheitszustand der Klägerin, die im Übrigen ein hinreichendes Einkommen erzielt habe, stehe der Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages nicht entgegen. Anlass für die Bürgschaftserklärung der Klägerin seien beide Kreditverträge gewesen.

Wegen aller Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dazu vorgelegten Unterlagen verwiesen.

Die Versteigerungsakten 34 K 117/98 Amtsgericht Bergisch Gladbach waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB ein Anspruch auf Zahlung von 96.542,10 Euro (entspricht 188.819,94 DM) zu. Diesen Betrag, der aus der Teilungsversteigerung des Erbbaurechts an dem Grundstück U.-strasse 2 in H. auf den Erlösanteil der Klägerin entfiel, hat die Beklagte zu Unrecht zur Tilgung von Verbindlichkeiten des geschiedenen Ehemannes der Klägerin vereinnahmt. Denn der insoweit als Haftungsgrundlage dienende, zwischen den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag vom 28.05.1994über eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Klägerin bis zum Höchstbetrag von 300.000.- DM ist nichtig.

1.

Soweit die Klägerin erstmals in der Berufung unter Beweisantritt geltend macht, bei Abgabe der Bürgschaftserklärung vom 28. 05. 1994, die im Krankenhaus erfolgt sei und bei der sie zudem unter dem psychischen Druck ihres damaligen Ehemannes gestanden habe, sei ihre freie Willensbildung krankheitsbedingt ausgeschlossen

gewesen, kann dahinstehen, ob die Berufungsbegründung den Anforderungen von § 531 Abs. 2 ZPO n.F. für die Zulassung eines neuen Angriffsmittels gerecht wird. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Nichtigkeit des Bürgschaftsvertrages sich aus den §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB ergibt, weil die Klägerin bei Abgabe der Bürgschaftserklärung am 28. 05. 1994 krankheitsbedingt nicht in der Lage war, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Denn der Bürgschaftsvertrag ist jedenfalls gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher nichtig, weil die übernommene Mithaftung für die Verbindlichkeiten ihres damaligen Ehemannes die Klägerin objektiv in krasser Weise finanziell überforderte.

2.

Nach den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebens- und Ehepartner entwickelten Grundsätzen spricht bei einer krassen finanziellen Überforderung eine - widerlegliche - Vermutung dafür, dass sich der Lebenspartner bei der Übernahme der Bürgschaft nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen, sondern allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gehandelt hat und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Eine krasse finanzielle Überforderung des Mithaftenden liegt vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die vertraglich festgelegten laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles auf Dauer tragen kann, wobei es allein auf seine eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse ankommt (BGH WM 2001, 1330 = NJW 2001, 2466 (IX. ZS); BGH WM 2002, 125 = NJW 2002, 746 (XI. ZS); BGH WM 2002, 1649, 1651 jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall:

3.

Die jährlichen Zinsen für den Baufinanzierungsbarkredit von 240.000.- DM beliefen sich nach den vertraglichen Vereinbarungen in dem von der Beklagten mit dem damaligen Ehemann der Klägerin geschlossenen Kreditvertrag vom 06./30. 06. 1994 auf 7,19 %, monatlich also auf (240.000.- DM x 7,19 % : 12) 1.438.- DM. Nach dem von der Beklagten mit dem damaligen Ehemann der Klägerin und dessen Unternehmensgesellschaft geschlossenen Kreditvertrag vom 28. 06./08. 07. 1994 war der gewährte Investitionskredit von 210.000.- DM mit einem bis zum 30. 06. 2006 festen Zinssatz von 5,5 % jährlich zu verzinsen, so dass sich die Zinsen monatlich auf (210.000.- DM x 5,5 % : 12) 962,50 DM beliefen. Allein die laufende monatliche Zinslast betrug hiernach insgesamt (1.438.- DM + 962,50 DM) 2.400,50 DM.

Dem stand schon nach der von der Beklagten vorgenommenen Ermittlung der finanziellen Verhältnisse, die für den Zeitpunkt 18. 04. 1991 aktenkundig ist (Bl. 16 AH), lediglich ein Jahresnettoeinkommen der Klägerin von 15.300.- DM, monatlich mithin nur 1.275.- DM gegenüber, die unter Berücksichtigung der Pfändungsschutzvorschriften nicht einmal ausreichten, auch nur einen geringen Teil der Zinslast abzudecken. Nach § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung ist Arbeitseinkommen unpfändbar, wenn es nicht mehr als 1.209.- DM beträgt. Zu berücksichtigen ist zudem die bei Übernahme der Bürgschaft noch bestehende Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber ihren drei minderjährigen Kindern, die am 17. 09. 1977, 11. 10. 1979 und am 28. 11. 1982 geboren sind, wie die Klägerin vor dem Senat angegeben hat, so dass sich ihre Pfändungsfreigrenze gemäß § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO um (468.- DM + 351.- DM + 351.- DM) 1.170.- DM auf 2.379.- DM erhöhte.

Zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung durch die Klägerin am 28. 05. 1994 war auch für die Zukunft keine einkommenserhöhende Änderung ihrer beruflichen Möglichkeiten zu erkennen. Vielmehr war die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt erkrankt. Gemäß ihrem belegten Vortrag bezog die Klägerin nach ihrem stationären Krankenhausaufenthalt vom 24. 05. bis 01. 06. 1994 ab 30. 05. 1994 Krankengeld in Höhe von täglich 57,61 DM. Bis 31. 12. 1994 belief sich das Krankengeld nach Abzug der Beitragsanteile für Renten- und Arbeitslosenversicherung auf 9.649,77 DM, wie sich aus der vorgelegten Bescheinigung der Krankenkasse (Bl. 128 d.A.) ergibt; monatsdurchschnittlich sind dies (9.649,77 DM : 7) 1.378,54 DM. In den Jahren 1995 und 1996 belief sich das bezogene Krankengeld auf 13.277,78 DM und 18.521,10 DM, wie sich aus den vorgelegten Bescheinigungen der Krankenkasse (Bl. 129 und 131 d. A.) nach Abzug der Beitragsanteile für Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ergibt; monatsdurchschnittlich sind dies im Jahr 1995 nur 1.106,48 DM und 1.543,43 DM im Jahr 1996. Gemäß dem vorgelegten Rentenbescheid vom 24. 01. 1997 (Bl. 167 d.A.) ist die Klägerin, die - wie sich aus dem Bescheid ergibt - bereits am 08. 06. 1994 Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt hatte, seit Dezember 1995 verrentet und bezieht ab 01. 03. 1997 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von 1.157,68 DM monatlich. Wie die Klägerin in ihrer Anhörung vor dem Senat glaubhaft angegeben hat, begann ihre Erkrankung, die letztlich zu ihrer Verrentung wegen Erwerbsunfähigkeit geführt hat, bereits im Jahre 1993. Die Klägerin, die zwar eine Berufsausbildung als Verkäuferin absolviert hat, diesen Beruf allerdings nicht ausgeübt hat, sondern seit 1987 in der Firma ihres damaligen Ehemannes zunächst als Aushilfsangestellte und später als Halbtagskraft gearbeitet hatte, wie sie bei ihrer Anhörung vor dem Senat glaubhaft angegeben hat, war und ist damit nicht in der Lage, auch nur einen geringen Teil der laufenden Zinslast aus den Kreditverträgen zu tragen.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung ihres damals vorhandenen Vermögens, das in dem hälftigen Erbbaurechtsanteil an dem von ihr mitbewohnten Hausgrundstück bestand, und bei dem die zum Zeitpunkt der Haftungsübernahme darauf ruhenden dinglichen Belastungen wertmindernd zu berücksichtigen sind (BGH WM 2002, 1347, 1348 f.). Das Erbbaurecht an dem Hausgrundstück hatte nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten einen Verkehrswert von 460.000.- DM und war mit Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 320.000.- DM belastet. Wenn man davon ausgeht, dass diese Belastungen damals bis auf einen Restanspruch in Höhe von 66.500.- DM zurückgeführt waren, wie es in der internen Stellungnahme der Kreditabteilung der Beklagten vom 20. 05. 1994 (dort letzter Absatz auf Seite 1, .Bl. 47 AH) heißt, so entfiel auf die Klägerin für ihren hälftigen Anteil am Erbbaurecht ein Vermögen von (460.000.- DM - 66.500.- DM = 393.500.- DM : 2) 196.750.- DM. Dieser Vermögenswert ist in der Weise zu berücksichtigen, dass er von der Hauptschuld, für die gehaftet wird, abgezogen wird (BGH WM 2002, 1647, 1648). Hiernach verblieb von der Hauptschuld von insgesamt (240.000.- DM + 210.000.- DM) 450.000.- DM immer noch ein zu finanzierender Kreditbetrag in Höhe von (450.000.- DM -196.750.- DM) 253.250.- DM, für den jedenfalls Zinsen in Höhe von mehr als 1.200.- DM monatlich zu zahlen waren. Hierzu war die Klägerin - wie oben ausgeführt - nicht in der Lage. Der Erkenntnis, dass die Klägerin nicht einmal in der Lage war, auch nur einen geringen Teil der sich ergebenden Zinslast aus ihrem Vermögen oder Einkommen unter Berücksichtigung der Pfändungsschutzvorschriften abzudecken, hat sich die Beklagte bewusst verschlossen, indem sie ohne Prüfung der aktuellen Einkommensverhältnisse der Klägerin die Gewährung von Krediten in Höhe von 240.000.- DM und 210.000.- DM an den damaligen Ehemann der Klägerin von der Übernahme ihrer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft abhängig machte.

4.

Die demnach zugunsten der Klägerin eingreifende tatsächliche Vermutung, dass sie die Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem damaligen Ehemann übernommen und die Beklagte dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist von der Beklagten nicht widerlegt worden.

Ein auf einen freien Willensentschluss hindeutendes Eigeninteresse des finanziell krass überforderten Ehepartners an der Darlehensgewährung kann nur angenommen werden, wenn er zusammen mit dem Ehepartner ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind (BGH NJW 2001, 815, 817). Derartiges hier ist nicht ersichtlich. Beide Kredite dienten ausschließlich der Finanzierung von betrieblichen Investitionen des damaligen Ehemannes der Klägerin. Finanziert werden sollten die Verlagerung der Betriebsstätte der vom damaligen Ehemann der Klägerin geführten GmbH von B.G. nach B. und ein Neubau der betrieblich genutzten Halle. Hiervon mag die Klägerin zwar mittelbar profitiert haben. Solche bloß mittelbaren Vorteile sind jedoch nicht geeignet, die in derartigen Fällen bestehende tatsächliche Vermutung einer unzulässigen Willensbeeinflussung zu widerlegen (so ausdrücklich für den Betriebsmittelkredit BGH NJW 2001, 815, 817). Unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB ist es unvertretbar, den nicht leistungsfähigen Ehepartner durch eine Mithaftungserklärung in eine wirtschaftlich sinnlose Garantenstellung für den wirtschaftlichen Erfolg einer Berufsentscheidung des anderen Ehepartners zu drängen. Sollte die Beklagte außer der Erlangung einer - wertlosen - Sicherheit auch das Ziel verfolgt haben, die Klägerin in das unternehmerische Risiko ihres damaligen Ehemannes einzubinden, so verkennt sie, dass die Ehe lediglich im Verhältnis der Ehegatten zueinander eine Schicksals- und Risikogemeinschaft ist, sie jedoch keine Solidargemeinschaft darstellt, die im Außenverhältnis ein Einstehen für die Verbindlichkeiten des Partners erwarten lässt (BGH NJW 1992, 1822, 1823). Dass die Bürgschaftserklärung der Klägerin wegen der ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit krass überfordernden Mithaftungsübernahme gegen die guten Sitten verstößt und nichtig ist, kann hiernach nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.

5.

Der zuerkannte Zinsanspruch ist gemäß den §§ 284, 286, 288 Abs. 1 ZPO gerechtfertigt, nachdem die Beklagte weder dem Verzugszeitpunkt noch dem geltend gemachten Zinssatz widersprochen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. besteht keine Veranlassung.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Beklagten: 96.542,10 Euro.

Ende der Entscheidung

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