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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: 13 U 56/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, AGBG
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
BGB § 607 Abs. 1 | |
BGB § 765 | |
BGB § 765 Abs. 1 | |
BGB § 765 Abs. 2 | |
BGB § 767 | |
AGBG § 3 | |
AGBG § 9 | |
AGBG § 9 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Köln Beschluss
Verkündet am: 11.07.2002
Tenor:
Der Antrag der Beklagten zu 1) vom 22.04.2002, ihr zur Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 14.03.2002 - 2 O 231/01 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1) mit Schlussurteil vom 14.03.2002, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, unter Klageabweisung im Übrigen wie eine Gesamtschuldnerin mit dem durch Teilanerkenntnisurteil vom 26.07.2001 verurteilten und aus den notariellen Urkunden Urk.-Nr. /1996 Notar Dr. N. in H. vom 18.12.1996 und Urk.-Nr. /1998 Notar Dr. N. in H. vom 22.01.1998 verpflichteten Beklagten zu 2) zur Zahlung von 389.331,89 € (= 761.467,00 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz seit dem 23.08.2000 verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass der Klägerin ein entsprechender Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus der am 28.10.1999 übernommenen Bürgschaftsverpflichtung gemäß den §§ 607 Abs. 1, 765, 767 BGB zustehe. Zwar verstoße eine formularmäßige Ausdehnung der Bürgschaft auf alle bestehenden, künftigen und bedingten Verbindlichkeiten aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung der D. GmbH & Co. KG mit der Klägerin gegen die §§ 3, 9 AGBG. Rechtsfolge dieses Verstoßes sei jedoch nicht die Unwirksamkeit der Bürgschaft, sondern nur deren Beschränkung auf die Verbindlichkeiten, die Anlass der Verpflichtung gewesen seien. Anlass der Bürgschaftsverpflichtung sei im vorliegenden Fall die Erhöhung des Kreditrahmens der D. GmbH & Co. KG auf 800.000,00 DM gewesen. Da seinerzeit Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 799.128,51 DM bestanden hätten, sei die Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten zu 1) in dieser Höhe wirksam zustande gekommen. Dass die gewährten Kredite im Zeitpunkt der Erhöhung des Kreditrahmens bereits ausgezahlt gewesen seien, stehe dem nicht entgegen. Auch sei die Bürgschaft nicht wegen sittenwidriger finanzieller Überforderung gemäß § Abs. 1 BGB unwirksam, da die Beklagte zu 1) bereits den objektiven Tatbestand einer krassen finanziellen Überforderung nicht hinreichend dargelegt habe. Ausweislich der von ihr im September 1999 gegenüber der Klägerin abgegebenen Selbstauskunft habe die Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung über Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 81.977,30 DM und Vermögen in Form von Haus- und Grundbesitz verfügt, das selbst bei Zugrundelegung der von der Beklagten zu 1) berichtigten handschriftlichen Zahlen unter Berücksichtigung der vorhandenen Grundstücksbelastungen einen Wert von 1.227.000,00 DM gehabt habe. Die insoweit von der Beklagten zu 1) aufgestellte Behauptung, diese Angaben seien unrichtig, da die Klägerin sie über den Wert des Grundstücks Z.straße getäuscht habe, sei unsubstantiiert. Unabhängig vom Fehlen einer krassen finanziellen Überforderung im allein maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft fehle es auch am Vorliegen weiterer besonderer Umstände, aus denen sich eine Sittenwidrigkeit ergeben könnte. Diese seien von der Beklagten zu 1) nicht dargelegt worden. Auch sei keine Übersicherung der Klägerin gegeben gewesen. Da die durch die Bürgschaft gesicherten Kredite im Zeitpunkt der Kündigung der Geschäftsbeziehung zur D. GmbH & Co. KG nur noch in Höhe von 786.581,24 DM valutiert hätten, hafte die Beklagte zu 1) unter Hinzurechnung der Vertragszinsen für den Zeitraum vom 01.04.-31.07.2000 von 2.210,97 DM bzw. 3.716,67 DM aus der von ihr übernommenen Bürgschaft für einen Gesamtbetrag von 792.508,88 DM. Hiervon seien die seitens des Insolvenzverwalters unstreitig gezahlten Beträge in Höhe von 5.059,68 DM, 6.014,96 DM und 19.967,24 DM abzuziehen, so dass eine Restforderung von 761.467,00 DM verbleibe. Weitere Abzüge habe die Beklagte zu 1) nicht schlüssig vorgetragen.
Nach Urteilszustellung am 20.03.2002 hat die Beklagte zu 1) mit einem am 22.04.2002 (Montag) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag beantragt, ihr für eine durchzuführende Berufung mit dem Antrag, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 20.03.2002 - 2 O 231/01 - die Klage abzuweisen, Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Sie ist der Ansicht, das Urteil beruhe sowohl auf Rechtsanwendungs- als auch auf Verfahrensfehlern. Das Landgericht habe die Voraussetzungen verkannt, wann eine Bürgschaft nach § Abs. 1 BGB unwirksam sei, und es zudem unterlassen, sie auf ihren, nach Meinung der Kammer unzureichenden Vortrag hinzuweisen. So sei die von ihr übernommene Ehegattenbürgschaft bereits wegen krasser finanzieller Überforderung unwirksam, da sie mit ihren pfändbaren Einkünften nicht in der Lage gewesen sei, in fünf Jahren ein Viertel der Hauptsumme abzudecken. Selbst wenn die Bürgschaft sie nicht "krass", sondern nur "schlicht" überfordert habe, sei von einer Unwirksamkeit auszugehen, da der weitere Umstand, dass das Darlehen bereits in erheblichem Umfang ausgezahlt gewesen sei, die Sittenwidrigkeit begründen würde. Auch fehle es an einem Anlasskredit, auf den das Bürgschaftsversprechen reduziert werden könne, wenn die Stellung der Bürgschaft gar nicht Voraussetzung für die Auszahlung einer bestimmten Geldsumme sei. Des weiteren könne aus den in ihrem Eigentum stehenden Immobilien keine Geschäftserfahrung hergeleitet werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten zu 1) vom 22.04.2002 (Bl. 287ff GA) verwiesen.
II.
Dem Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten zu 1) kann nicht stattgegeben werden, da die von ihr beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 114 ZPO).
1. Zu Recht hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten zu 1) gemäß den §§ 607 Abs. 1, 765, 767 BGB bejaht, da nicht von einer Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Bürgschaft vom 28.10.1999 gemäß § Abs. 1 BGB ausgegangen werden kann. Hinsichtlich der Nichtigkeit einer sogenannten Ehegattenbürgschaft kommt es für die Prüfung der Sittenwidrigkeit auf ein krasses Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner nahestehenden Bürgen oder Mithaftenden an. Ein solches Missverhältnis begründet, wenn der Hauptschuldner dem Bürgen oder Mithaftenden auf Grund einer Ehe, eheähnlichen Partnerschafts-, engen Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehung emotional verbunden ist und sich deshalb bei einer Bürgschafts- oder Mitschuldübernahme nicht von einer rationalen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lässt, auch bei geschäftsgewandten Personen ohne Hinzutreten weiterer Umstände die widerlegliche tatsächliche Vermutung, dass das Kreditinstitut die emotionale Beziehung zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen oder Mithaftenden in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. grundlegend: Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 ff).
Angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen setzt der BGH die Grenze für eine krasse finanzielle Überforderung aber hoch an und sieht ein derartig wirtschaftlich unvernünftiges Geschäft, bei dem die oben genannte Vermutung gerechtfertigt ist, erst dann als gegeben an, wenn bei der Übernahme der Haftung davon auszugehen ist, der Bürge oder Mithaftende werde mit Hilfe des pfändbaren Teils seines Vermögens und Einkommens bei Eintritt des Sicherungsfalles voraussichtlich nicht einmal in der Lage sein, die auf die Bürgschaft bzw. die mitübernommene Schuld entfallenden laufenden Zinsen auf Dauer aufzubringen (Nobbe/Kirchhoff, a.a.O., S. 8 m.w.N.). Einzusetzen hat der Bürge nicht sein ganzes Einkommen, sondern lediglich den pfändbaren Teil seines Einkommens, da ihm wie jedem Schuldner nach den gesetzlichen Schutzvorschriften zur Sicherung des Existenzminimums ein unpfändbarer Teil des Einkommens verbleiben muss und ihm nicht angesonnen werden kann, diesen zur Tilgung von Verbindlichkeiten zur Verfügung zu stellen (Nobbe/Kirchhoff, a.a.O., S. 9). Einzubeziehen in die Beurteilung sind im übrigen nur die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bürgen, und nicht die seiner Familie, insbesondere nicht die des Hauptschuldners (BGH, Urteil vom 27.01.2000 - IX ZR 198/98 - NJW 2000, 1182, 1183; Urteil vom 14.11.2000 - XI ZR 248/99 - 2001, 815, 816). Hat der Bürge dagegen Vermögen, hat er dieses zu verwerten, um die Schuld zu tilgen; dies gilt auch im Falle eines von ihm bewohnten Hausgrundstücks (BGH, Urteil vom 26.04.2001 - IX ZR 337/98 - NJW 2001, 2466, 2467). Dingliche Belastungen auf Grundvermögen sind wertmindernd zu berücksichtigen (Nobbe, Bankrecht - Aktuelle höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, 1999, Rn. 1052; Nobbe/Kirchhoff, a.a.O., S. 9 f). Liegt (pfändbares) Vermögen vor, welches den Betrag der Verpflichtung nicht abdeckt, so ist das Vermögen bei der Beurteilung der krassen finanziellen Überforderung in der Weise in die Berechnung einzubeziehen, dass zunächst der - gegebenenfalls um Belastungen verminderte - Wert des Vermögensgegenstandes von der Bürgschaftsschuld abzuziehen ist und die auf den verbleibenden Betrag entfallenden laufenden Zinsen zu errechnen sind. Sodann muss geprüft werden, ob der Bürge diese Zinsen aus seinem Einkommen aufzubringen vermag (Nobbe/Kirchhoff, a.a.O., S. 10).
Soweit die Beklagte zu 1) im Gegensatz hierzu davon ausgeht, eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen liege vor, wenn die pfändbaren Einkünfte des Bürgen voraussichtlich nicht ausreichen, in fünf Jahren ein Viertel der Hauptsumme abzudecken, ist darauf hinzuweisen, dass der IX. Senat des BGH diesen von ihm zuvor vertretenen Maßstab mit Urteil vom 27.01.2000 - IX ZR 198/98 - (NJW 2000, 1182, 1183) ausdrücklich aufgegeben und sich der vom XI. Senat (vgl. Urteil vom 14.11.2000 - XI ZR 248/99 - NJW 2001, 815, 816 m.w.N.) vertretenen - oben dargestellten - Auffassung zum Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung eines Bürgen oder Mithaftenden angeschlossen hat.
Ausgehend von diesen, vom BGH entwickelten Grundsätzen, denen auch der Senat folgt (vgl. Urteil vom 30.01.2002 - 13 U 93/01 - ZIP 2002, 844), hat das Landgericht eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten zu 1) im vorliegenden Verfahren zu Recht verneint, indem es in zutreffender Weise für die Beurteilung der Einkommens- und Vermögenssituation der Beklagten zu 1) von der im September 1999 gegenüber der Klägerin abgegebenen Selbstauskunft (Bl. 90ff AH) ausgegangen ist. Unter ausdrücklicher Versicherung, alle Angaben vollständig und wahrheitsgemäß gemacht zu haben, hat die Beklagte zu 1) in dieser Selbstauskunft für 1999 nicht nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 81.977,30 DM angegeben, sondern darüber hinaus auch Vermögenswerte aus Grundbesitz, die für sich genommen bereits die verbürgte Hauptforderung überstiegen. Soweit das Landgericht insoweit unter Berücksichtigung der vorhandenen Grundstücksbelastungen selbst bei Zugrundelegung der von der Beklagten zu 1) berichtigten handschriftlichen Zahlen von einem Nettovermögen in Höhe von 1.227.000,00 DM ausgegangen ist, kann dies auch unter Beachtung der nunmehr vorgebrachten Einwendungen nicht beanstandet werden. Bei ihren jetzigen Angaben zum Wert der Grundstücke und der Valutierung der jeweiligen Darlehen übersieht die Beklagte zu 1) zum einen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage einer möglichen Sittenwidrigkeit der übernommenen Bürgschaft allein der Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung ist, die die Beklagte zu 1) am 28.10.1999 abgegeben hat. Soweit von ihr jetzt unter Bezugnahme auf die Bewertung eines Maklers Ende 2000 für das Objekt E.weg 12 in S. bzw. unter Vorlage eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. H.L. vom 26.06.2001 für das Objekt Z.straße 34 in K. teilweise erheblich niedrigere Werte behauptet werden, könnten diese nur dann bei der für die Frage einer krassen finanziellen Überforderung anzustellenden Zukunftsprognose, ob der Bürge voraussichtlich bei Eintritt des Sicherungsfalles in der Lage sein wird, die auf die Bürgschaft entfallenden laufenden Zinsen aufzubringen, Beachtung finden, wenn diese Wertentwicklung seinerzeit bei Übernahme der Bürgschaft vorauszusehen gewesen wäre. Dass dies hinsichtlich der Grundstücke E.weg 12 in S. bzw. H.straße 347 in H. der Fall gewesen wäre, wird von der Beklagten zu 1) nicht vorgetragen.
Anders war die Situation nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten zu 1) bei dem Grundstück Z.straße 34 in K., wo der von ihr selbst beauftragte Sachverständige Dipl. Ing. M.M. in seinem Gutachten vom 19.07.1999 zur Erläuterung des im Ergebnis festgehaltenen Verkehrswertes von 2,3 Mio. DM ausgeführt hatte, dass auftragsgemäß nicht auf den bei der Besichtigung vorgefundenen Zustand abgestellt werde, "sondern auf den mutmaßlichen Endzustand, d. h. auf den mängelfreien, fach- und sachgerechten Zustand nach Beendigung der Baumaßnahme". Diese Maßnahmen waren seinerzeit aber bereits geplant und sollten zeitnah ausgeführt werden, so dass aufgrund der Erhöhung des Kreditrahmens für die D. GmbH & Co. KG auf insgesamt 800.000,00 DM unter Befristung bis zum 30.03.2000 ein Sicherungsfall erst zu einem Zeitpunkt zu erwarten war, in dem die noch ausstehenden Arbeiten schon ausgeführt waren.
Weiter wird von der Beklagten zu 1) bei der nunmehr von ihr vorgenommenen Bewertung ihres Grundvermögens nicht beachtet, dass nicht jedes Darlehen, das zur Finanzierung eines Grundstücks aufgenommen wurde, im Rahmen der Überprüfung einer krassen finanziellen Überforderung bei Übernahme der Bürgschaft vom Grundstückswert abgezogen werden kann. Wertmindernd wirken sich allein dingliche Belastungen aus, die einer Inanspruchnahme der zum Vermögen des Bürgen gehörenden Grundstücke entgegenstehen. Dass aber weitere dingliche Belastungen bestanden hätten, die bislang noch nicht berücksichtigt wurden, trägt die Beklagte zu 1) nicht vor. Aus diesem Grunde kann die Frage, inwieweit der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten zu 1) unsubstantiiert war bzw. ob der Vortrag nunmehr hinreichend substantiiert ist, ebenso dahinstehen wie der Einwand, das Landgericht hätte die Beklagte zu 1) trotz der bereits im Parallelverfahren 2 O 691/00 LG Köln erteilten Hinweise hierauf nochmals im vorliegenden Prozeß besonders hinweisen müssen. Reichte bereits das Vermögen der Beklagten zu 1) aus, um die von ihr als Bürgin übernommene Haftung für einen voraussichtlichen Sicherungsfall abzudecken, scheidet eine finanzielle Überforderung der Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft vom 28.10.1999 aus, ohne dass ihr damaliges pfändbares Einkommen - das sie nunmehr selbst mit höchstens 3.300,00 DM angibt - in Relation zu den auf die Bürgschaft entfallenden laufenden Zinsen gesetzt werden müsste.
Im übrigen wäre selbst bei einer objektiven krassen finanziellen Überforderung der Beklagten zu 1) als Bürgin und dem persönlichen Näheverhältnis zum Beklagten zu 2) vorliegend nicht von der Vermutung auszugehen, dass sie sich nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern von ihrer emotionalen Bindung zu ihrem Ehemann hat leiten lassen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Denn aufgrund der von der Beklagten zu 1) abgegebenen Selbstauskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätte die Klägerin eine krasse finanzielle Überforderung nicht erkennen können, so dass die oben aufgezeigte Vermutung als widerlegt anzusehen wäre. Auf diese Selbstauskunft, die von der Klägerin gerade zu dem Zweck eingeholt worden war, sich über die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beklagten zu 1) zu informieren, durfte sich die Klägerin angesichts der ausdrücklichen Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben durch die Beklagte zu 1) verlassen.
Kann aber nicht einmal von einer finanziellen Überforderung der Beklagten zu 1) ausgegangen werden, kann dahin gestellt bleiben, ob das Haftungsrisiko der Beklagten zu 1) nicht zusätzlich noch durch anderweitige Sicherheiten begrenzt worden ist, die sie als Bürgin in rechtlich gesicherter Weise davor schützen, in einem Maße in Anspruch genommen zu werden, das ihre finanzielle Leistungsfähigkeit krass überfordert (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2000 - IX ZR 198/98 - NJW 2000, 1182, 1183; Urteil vom 14.11.2000 - XI ZR 248/99 - 2001, 815, 816).
2. Andere Umstände, aus denen sich eine Sittenwidrigkeit der von der Beklagten zu 1) übernommenen Bürgschaft vom 28.10.1999 ergeben könnte, sind nicht erkennbar. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst vollumfänglich auf das landgerichtliche Urteil verwiesen. Insbesondere steht auch der Einwand, dass die Darlehen, für die sich die Beklagte zu 1) verbürgt hat, bereits in erheblichen Umfang ausgezahlt worden waren, der Wirksamkeit der Bürgschaft nicht entgegen. Bereits § 765 Abs. 1 und 2 BGB zeigen, dass es für die Wirksamkeit einer Bürgschaft nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Bürgschaft zu einem Zeitpunkt übernommen wird, in dem die Hauptverbindlichkeit bereits durch Auszahlung des Kredits entstanden ist (§ 765 Abs. 1 BGB), oder ob die Bürgschaft eine künftige Verbindlichkeit betrifft (§ 765 Abs. 2 BGB), wie dies bei einer Verbürgung für eine noch nicht ausgeschöpfte Kreditlinie der Fall wäre.
Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) kann eine Sittenwidrigkeit auch nicht aus dem Urteil des BGH in NJW 1996, 513ff (Urteil vom 02.11.1995 - IX ZR 22/94) hergeleitet werden. Die in dieser Entscheidung festgestellte Nichtigkeit der Bürgschaft nach § BGB basierte nicht allein auf der Tatsache, dass wesentliche Teile des Kredits bereits an den Ehemann der dortigen Beklagten und Hauptschuldner ausgezahlt waren, als eine Bürgschaft der Ehefrau gefordert wurde, sondern auf der zusätzlichen Besonderheit, dass die Bank die dortige Beklagte nach deren Vortrag in eine seelische Zwangslage gebracht hatte, weil die Mithaftungsübernahme unter Androhung einer Rücknahme der Kreditzusage erst gefordert worden war, nachdem ein wesentlicher Teil des Kredits bereits zum Aufbau des Unternehmens des Ehemannes der Beklagten verwendet worden war, und weil die Bank von Anfang an entweder gewusst hatte, dass die Beklagte keine Mithaftung für die Kredite übernehmen wollte oder dass die Ausfallbürgin ihre Ausfallbürgschaft von einer Mitverpflichtung der Beklagten abhängig machen würde, und die Bank dies dem Ehemann nicht mitgeteilt hatte (vgl. BGH, a.a.O., NJW 1996, 513, 515). Dies ist jedoch eine mit der vorliegenden nicht vergleichbare Fallgestaltung.
Genauso wenig ist die Auszahlung einer bestimmten Geldsumme Voraussetzung für die Anwendbarkeit der sogenannten Anlassrechtsprechung des BGH, die vom Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend dargestellt worden ist und der sich auch der Senat anschließt. Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer formularmäßigen globalen Zweckerklärung nach § 9 Abs. 1 AGBG ist allein die Beschränkung der Bürgenhaftung auf die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung objektiv zu ermittelnde Forderung, die Anlass der Bürgschaftsübernahme war. Objektiver Anlass ist hierbei das aktuelle Sicherungsbedürfnis des Gläubigers unter Wahrung des Verbots der Fremddisposition. Sichert die Bürgschaft einen Tilgungskredit, bildet dieser - soweit er im Zeitpunkt der Verbürgung (noch) besteht - den objektiven Anlass. Wird ein Kontokorrentkredit besichert, tritt an die Stelle der Kreditschuld das im Zeitpunkt der Verbürgung geltende Kreditlimit (BGH, Urteil vom 18.05.1995 - IX ZR 108/94 - NJW 1995, 2553, 2556). Da im vorliegenden Falle die Kreditforderungen der Klägerin gegen die D. GmbH & Co. KG in Höhe von seinerzeit 799.128,51 DM Anlass für die von der Beklagten zu 1) übernommene Bürgschaftsverpflichtung vom 28.10.1999 waren, spielt es demnach keine Rolle, dass diese Forderungen bereits zuvor durch Darlehensauszahlung entstanden waren (vgl. auch: BGH, Urteil vom 28.10.1999 - IX ZR 364/97 - NJW 2000, 658).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Ende der Entscheidung
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