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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.04.2003
Aktenzeichen: 13 U 61/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 826
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 108
ZPO § 543 Abs. 2 n. F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. März 2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 O 85/01 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nach Lieferung einer Produktionsmaschine stellte die Firma K.-Folien GmbH der Klägerin, ihrer Lieferantin, am 09. 08. 1999 einen am 07. 01. 2000 bei der beklagten Sparkasse, der Hausbank der Firma K.-Folien GmbH, zahlbaren Wechsel in Höhe von 250.000.- DM aus. Am 04. 01. 2000 stellte die Firma K.-Folien GmbH zugunsten der Klägerin einen zwischenzeitliche Teilzahlungen berücksichtigenden Prolongationswechsel aus, der am 07. 04. 2000 bei der Beklagten zur Zahlung fällig war. Die Klägerin übergab der Firma K.-Folien GmbH einen Orderscheck über die zweite Wechselsumme abzüglich Zinsen in Höhe von 231.077,70 DM. Hierin war die Beklagte als Schecknehmerin angegeben. Ursprünglich verbunden mit dem Scheck war ein Talon mit der Vorgabe, den Scheck nur für die Einlösung des am 07. 01. 2000 fälligen Erstwechsels über 250.000.- DM valutengleich einzulösen. Die Firma K.-Folien GmbH versah den Scheck mit einem sie selbst als Indossantin bezeichnenden Blankoindossament und löste ihn abredewidrig am 05. 01. 2000 bei der Beklagten ein, die den Scheckbetrag dem Konto der Firma K.-Folien GmbH gutschrieb, wodurch sich der Sollsaldo des Kontos verringerte. Der am 07. 01. 2000 fällige Erstwechsel wie auch der Prolongationswechsel gingen zu Protest. Die Zwangsvollstreckung aus dem von der Klägerin gegen die Firma K.-Folien GmbH erstrittenen Wechselurteil vom 14. 07. 2000 blieb erfolglos; am 01. 08. 2000 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der Schecksumme in Höhe von 118.148,15 Euro (=231.077,70 DM) nebst Zinsen als Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden ist, dass der Scheck nicht zur Einlösung des von ihr ausgestellten Wechsels verwendet worden ist. Daneben macht sie bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend.

Das Landgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme durch das angefochtene Urteil vom 27. 03. 2002, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen der im ersten Rechtszug gestellten Anträge verwiesen wird, die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, auch wenn davon auszugehen sei, dass der Talon zum Zeitpunkt der Einreichung des Schecks bei der Beklagten nicht mehr angeheftet gewesen sei, hafte die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 118.148,15 Euro nebst 4% Zinsen p.a. in der Zeit vom 06. 01. 2000 bis 10. 11. 2000 sowie nebst 5% Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes in der Zeit vom 11. 11. 2000 bis 31. 12. 2001 sowie nebst 8% Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 01. 01. 2002 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung der titulierten Forderung der Klägerin aus dem Wechsel vom 04. 01. 2000 über 234.375.- DM.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dazu vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

1.

Die Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin dadurch, dass sie den von dieser ausgestellten Orderscheck vom 04. 01. 2000 über 231.077,70 DM nicht zur Einlösung des am 07. 01. 2000 fälligen Wechsels, sondern zur Verminderung des Sollsaldos auf dem laufenden Konto der Firma K.-Folien GmbH verwendet hat, nicht wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig gemacht hat. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht dies verneint.

Ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB ist gegeben, wenn der Einreicher einen für einen bestimmten Zweck ausgestellten Scheck missbräuchlich verwendet, die Inkassobank dies erkennt oder zumindest für möglich hält und eine Schädigung des Ausstellers billigend in Kauf nimmt. Stellt im Zusammenhang mit der Prolongation eines Wechsels der Prolongierende dem Wechselschuldner einen Scheck aus, mit dessen Hilfe der Erstwechsel eingelöst werden soll, und wirkt die Inkassobank bei der missbräuchlichen Verwendung eines solchen Schecks durch den Wechselschuldner in der vorbezeichneten Weise mit, so ist sie dem Aussteller aus § 826 BGB schadensersatzpflichtig, wenn sie damit rechnet, dass der Erstwechsel nicht eingelöst wird (BGH WM 1961, 1186; WM 1973, 674; WM 1975, 754; Nobbe, in Schimanky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 2. Aufl., § 61 Rn. 222 f.).

Hier ist zwar davon auszugehen, dass der Zeuge R., der seitens der Firma K.-Folien GmbH den Orderscheck vom 04. 01. 2000 am 05. 01. 2000 zusammen mit einem anderen Scheck bei der Beklagten einreichte, den Scheck missbräuchlich verwendet hat. Er wusste, dass der Scheck dazu dienen sollte, den am 07. 01. 2000 fälligen Erstwechsel einzulösen. Der Zeuge R. hat treuwidrig über den Erlös aus dem Scheck verfügt; denn er hat den Erlös nicht für die Einlösung des Erstwechsels, sondern zur Verminderung des Debetsaldos auf dem Konto der Firma K.-Folien GmbH verwendet. Die Beklagte haftet der Klägerin jedoch nur dann, wenn sie den Missbrauch erkannt oder jedenfalls für möglich gehalten und eine Schädigung des Scheckausstellers vorausgesehen oder auch nur für möglich, aber in Kauf genommen hat (BGH WM 1975, 754). In Abgrenzung zur bloßen groben Fahrlässigkeit reicht es insoweit nicht aus, wenn die Bank den Missbrauch des Schecks und die sich für den Scheckaussteller daraus etwa ergebenden Nachteile nur für möglich gehalten hat. Denn die Bank haftet im Rahmen von § 826 BGB nicht für Fahrlässigkeit, auch nicht für grobe, sondern nur für (allerdings auch bedingten) Vorsatz. Es kann indes nicht festgestellt werden, dass die Beklagte mit der Möglichkeit gerechnet hat, der Orderscheck vom 04. 01. 2000 sei zur Einlösung des prolongierten Erstwechsels, der am 07. 01. 2000 fällig wurde, bestimmt gewesen und der Einreicher habe dieser Zweckbestimmung zuwider gehandelt. Der Scheck wurde in der Zweigstelle der Beklagten in Baesweiler eingereicht. Die dortigen Mitarbeiter hatten von dem am 07. 01. 2000 fällig werdenden Wechsel keine Kenntnis. Sie leiteten den Scheck daher im üblichen Geschäftsgang mit anderen Schecks zur Zentrale der Beklagten nach Aachen weiter, in der die Wechsel- und Scheckgeschäfte abgewickelt werden. Dass das Blankoindossament der Firma K.-Folien GmbH auf der Rückseite des Schecks nicht mit der Angabe des Begünstigten auf der Vorderseite übereinstimmte, ist dem betreffenden Mitarbeiter der Zweigstelle in Baesweiler entweder nicht aufgefallen oder von ihm als unproblematisch angesehen worden. Der Zeuge E., der Kundenbetreuer der Beklagten, der in der Zweigstelle Alsdorf tätig war, wusste zwar nach seinen Bekundungen, dass die Klägerin der Firma K.-Folien GmbH eine kunststoffverarbeitende Maschine geliefert hatte und insoweit noch eine Restforderung der Klägerin gegen die GmbH in Höhe von 250.000.- DM offen stand, welche der Zeuge R. wegen angeblicher Regressforderungen nicht zahlen wollte. Er hatte in einem - nach seinen Bekundungen Ende November 1999, nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien Anfang Januar 2000 geführten - Telefonat dem Zeugen R. auch geraten, einen Prolongationswechsel ausstellen zu lassen, weil er darin die einzige Möglichkeit sah, von einer sofortigen Zahlung des am 07.01.2000 fälligen Erstwechsels über 250.000.- DM loszukommen. Dem Zeugen E. ist der Scheck jedoch nicht vorgelegt worden. Er ist mit der Sache erst im Rahmen der späteren Nachbearbeitung befasst worden, wie er in seiner Vernehmung angegeben hat. Entscheidend kommt hinzu, dass in der Geschäftsbeziehung, die mit der Beklagten seit mehr als 10 Jahren bestand, wie der Zeuge J. angegeben hat, bislang zwischen der Klägerin und der Firma K.-Folien GmbH noch keine Wechselprolongationen vorgekommen waren und die Klägerin der Firma K.-Folien GmbH bislang noch keine Schecks zur Einlösung von Erstwechseln zur Verfügung gestellt hatte. Die Klägerin macht nicht einmal ansatzweise geltend, dass bereits in der Vergangenheit derartige Wechselprolongationen in ihren Geschäftsbeziehungen mit der Firma K. Folien GmbH vorgekommen seien. Gerade hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt maßgeblich von dem der Entscheidung des BGH WM 1975, 754, zugrundeliegenden Fall, wo derartige Wechselprolongationen in der Geschäftsbeziehung bereits vorgekommen waren und Schecks zur Einlösung von Erstwechseln zur Verfügung gestellt wurden, so dass zusammen mit anderen Anhaltspunkten die Wertung getroffen werden konnte, die Inkassobank habe den Scheckmissbrauch und die daraus folgende Schädigung des Scheckausstellers nicht nur für möglich gehalten, sondern auch billigend in Kauf genommen. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zudem nicht einmal Kenntnis davon erlangt, ob ihre Anfang Januar 2000 von dem Zeugen E. erteilte Empfehlung, den Wechsel prolongieren zu lassen, von dem Zeugen R. befolgt worden ist, und wenn ja, ob dies überhaupt zu einer Neuausstellung eines weiteren Wechsels geführt hat, da es auch sein konnte, dass sich der Wechsel noch im Besitz der Klägerin befand und diese ihn nur gegen einen Prolongationswechsel auszutauschen brauchte. Insoweit kommt auch zum Tragen, dass von der Firma K.-Folien GmbH in der Vergangenheit im üblichen Tagesgeschäft Schecks "auch im 5- oder 6-stelligen Bereich" vorgelegt worden sind, so dass auch der Höhe nach hinsichtlich des Orderschecks vom 04. 01. 2000 sich dem betreffenden Mitarbeiter in der Zweigstelle der Beklagten in Baesweiler nicht ein Verdacht aufdrängen musste. Der Umstand, dass es "eher ungewöhnlich" war, dass ein Scheck vorgelegt wurde, der als Empfänger die beklagte Sparkasse auswies, und das Blankoindossament der K.-Folien GmbH auf der Rückseite nicht mit dem Begünstigten auf der Vorderseite zusammenpasste, belegt allenfalls grobe Fahrlässigkeit, wenn die Einlösung - wie hier - ohne klärende Nachfrage geschah. Denn der Umstand, dass der Zeuge J., der Leiter der Zweigstelle in Baesweiler ist, sich mit der Firma K.-Folien GmbH oder zumindest mit dem Firmenbetreuer, dem Zeugen E., in Verbindung gesetzt hat, "um zumindest die Logik hinein zu kriegen", wie er bekundet hat, belegt nicht, dass der betreffende Mitarbeiter der Beklagten einen Missbrauch des Schecks, dem aus der Urkunde selbst kein Zusammenhang mit der Prolongation eines Wechsels entnommen werden konnte (anders als im Fall des BGH WM 1973, 674, wo sich auf der Scheckurkunde ein Prolongationsvermerk befand), für möglich gehalten oder gar billigend in Kauf genommen hat.

2.

Das Landgericht hat auch zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verneint.

Leistungsempfänger war nach der von der Klägerin verfolgten Zweckbestimmung des Schecks die Firma K. Folien GmbH und nicht die Beklagte, da die Firma K. Folien GmbH mit der Schecksumme den Erstwechsel einlösen sollte, zu deren Bezahlung die Firma K. Folien GmbH verpflichtet war. Ist hiernach die Firma K. Folien GmbH bereicherungsrechtlich als Leistungsempfänger des Scheckbetrages anzusehen, scheidet ein Bereicherungsausgleich gegenüber der Beklagten aus.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n. F. zuzulassen, da die in Rede stehenden Fragen höchstrichterlich geklärt sind und die Entscheidung auf einer Würdigung in tatsächlicher Hinsicht beruht.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin: 118.148,15 Euro (=231.077,70 DM).

Ende der Entscheidung

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