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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 13 U 65/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85
ZPO § 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

13 U 65/07

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Gundlach sowie der Richter am Oberlandesgericht Hentschel und Hartlieb

am 19. September 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 22. März 2007 - 15 O 877/04 - wird unter Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die beklagte Bank schadensersatz- und bereicherungsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung einer Eigentumswohnung geltend. Mit Urteil vom 22.03.2007, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der Sachanträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Kläger nach antragsgemäßer Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum 02.07.2007 (Montag) mit Schriftsatz seiner neuen Prozessbevollmächtigten von diesem Tage mit folgenden Sachanträgen (Seite 1 f. jenes Schriftsatzes) begründet:

1. Unter Aufhebung des am 22.03.2007 zum Aktenzeichen 15 O 877/04 verkündeten Urteils des Landgerichts Göttingen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 59.356,50 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der [richtig: die] Beklagte gegen den Kläger keine Ansprüche aus den Darlehensverträgen ###1 (ursprünglich Nr. xxx1) und ###2 (ursprünglich Nr. xxx2) zustehen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die an sie abgetretene Lebensversicherung der C Lebensversicherung AG in X, Versicherungsschein-Nr.: xxx3, Versicherungsnehmer Herr N D freizugeben und an den Kläger rückzuübertragen.

Die ausweislich des Faxjournals des Empfangsgerichts um 22.49 Uhr begonnene Übersendung des 30seitigen Schriftsatzes per Computerfax ist nach 07,01 Minuten Sendezeit mit der Seite 13 abgebrochen (Bl. 719 GA). Das Journal des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verwendeten PC-Faxsystems weist hierzu mit der Uhrzeit 23:01:06 als Status einen "unbek. Fehler" aus (Bl. 705 GA). Bei einer Kontrolle des gesamten Postausgangs kurz vor Ende des 02.07.2007 entdeckte der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach eigenen Angaben die für 23:01 Uhr dokumentierte Fehlermeldung und übersandte den Schriftsatz daraufhin - nach seinem "Dafürhalten" noch um 23:59 Uhr (Schriftsatz vom 24.07.2007, Bl. 703 GA) - per E-Mail an das Berufungsgericht (dort ist als Sendezeit "Dienstag, 3. Juli 2007 00:00" ausgewiesen, Bl. 624 GA). Nach Hinweis auf die Fristversäumung (durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 05.07.2007, Bl. 690 GA) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 24.07.2007 (Bl. 694 ff./702 ff. GA) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er macht geltend, das verwendete Faxsystem gebe im Falle einer endgültigen Störung des automatisierten Faxversandes eine Textmeldung und einen akustischen Warnton aus. Dies sei hier aus nicht mehr festzustellender Ursache erstmals unterblieben. Er meint, er habe sich auf die bis dahin problemlos funktionierende Wahlwiederholungs- und Warnfunktion des PC-Faxsystems verlassen dürfen.

Die Beklagte beantragt in erster Linie, den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen und die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs.1 ZPO als unzulässig zu verwerfen (Schriftsatz vom 31.07.2007, Bl. 710 f. GA), hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen, wobei sie ein Vorgehen nach § 522 Abs.2 ZPO anregt (Schriftsatz vom 09.08.2007, Bl. 730 ff. GA).

II.

Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 522 Abs.1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgemäß begründet worden ist.

Die Begründungsfrist lief - nach antragsgemäßer Verlängerung - am 02.07.2007 ab. Der unvollständige Faxeingang (es fehlen die Seiten 13-30 mit der eingescannten Unterschrift des Prozessbevollmächtigten auf der letzten Seite) konnte die Frist nicht wahren. Es ist weder festzustellen, dass die Faxsendung etwa vollständig empfangen (gespeichert) worden ist, noch, dass ein Papierstau oder eine sonstige Empfangsstörung vorlag. Vielmehr weist das vom Senat bei der Posteingangsstelle des Oberlandesgerichts angeforderte und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Hinweisverfügung des Berichterstatters vom 07.08.2007 zur Kenntnis gegebene Faxjournal vor und nach der unvollständig empfangenen Faxsendung des Prozessbevollmächtigten des Klägers den ordnungsgemäßen Empfang der Faxe anderer Absender aus. Zwar kann der unvollständige Empfang einer per Fax übermittelten Berufungsbegründung sowie das Fehlen der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten ausnahmsweise unschädlich sein, wenn die fristgerecht eingegangenen Teile der Begründungsschrift den Anforderungen des § 520 Abs.3 ZPO genügen und sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen und diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. Dabei sind jedoch nur solche Umstände berücksichtigungsfähig, die dem Berufungsgericht bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bekannt geworden sind (BGH, NJW 2005, 2086). Der Umstand, dass zeitnah mit dem unvollständigen Computerfax eine vollständige und mit der eingescannten Unterschrift des Prozessbevollmächtigten versehene Berufungsbegründung per - unverschlüsselter und unsignierter - E-Mail eingegangen ist (die inhaltlich mit dem Original und - soweit empfangen - dem Fax der Berufungsbegründung übereinstimmt, infolge veränderten Schriftbildes jedoch 35 Seiten umfasst), reicht schon deshalb nicht aus, weil auch insoweit nicht festzustellen ist, dass die E-Mail-Sendung noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist empfangen wurde. Zur Fristwahrung müsste die Berufungsbegründung vor Beginn des 03.07.2007 00:00 Uhr eingegangen sein und damit - weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde existiert - vor Ablauf von 23:59 Uhr (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - VI ZB 74/06 -, NJW 2007, 2045, 2046). Dass sich der Prozessbevollmächtigte für die vermeintliche Absendung um 23:59 Uhr lediglich auf sein "Dafürhalten" beruft, legt nahe, dass (auch) im dortigen PC-System ein späterer Zeitpunkt dokumentiert ist. Jedenfalls lässt sich ein rechtzeitiger Eingang bei Gericht nicht zuverlässig feststellen, so dass dahinstehen kann, ob die einfache E-Mail-Sendung für sich oder in Verbindung mit der unvollständigen Faxsendung überhaupt zur Wahrung der Berufungsbegründungfrist geeignet wäre.

III.

Der Antrag, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist zu gewähren, ist zwar fristgerecht (§ 234 Abs.1 und 2 ZPO), aber unbegründet, weil auch auf der Grundlage der zur Wiedereinsetzungsbegründung angeführten Tatsachen eine unverschuldete Verhinderung des Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden gemäß § 85 Abs.2 ZPO eigenem Verschulden der Partei gleichsteht, nicht festzustellen ist.

Zwar durfte der Antragsteller bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zuletzt ausnutzen. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz erst kurz vor Ablauf der Frist per Telefax übermitteln will, muss aber besonders darauf achten, dass bei der Übermittlung keine Fehler passieren (BGH, NJW-RR 2006, 1648). Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts bei der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof hinreichend geklärt (z.B. BGH, NJW 2007, 601; NJW 2004, 3490 m.w.Nachw.). Nach dieser Rechtsprechung endet die Pflicht des Rechtsanwalts zur Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax erst dann, wenn aufgrund gezielter Kontrolle des Sendeprotokolls feststeht, dass der Schriftsatz wirklich übermittelt worden ist. Die Kontrolle der störungsfreien Übermittlung durch Überprüfung des Sendeprotokolls muss zwar nicht notwendigerweise in unmittelbarem Anschluss an den Sendevorgang, aber so rechtzeitig erfolgen, dass eine erfolglos gebliebene Übermittlung ohne weiteres noch innerhalb der verbleibenden Frist nachgeholt werden kann. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob das benutzte Faxgerät bislang ordnungsgemäß funktioniert hat. Warum das - wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers meint - bei Vorhandensein einer automatischen, bislang beanstandungsfrei funktionierenden Alarmfunktion für den Fall eines fehlerhaften oder unterbliebenen Versandes anders sein soll, leuchtet nicht ein. Auch eine derartige Überwachungseinrichtung kann unerwartet ausfallen - wie das Versagen der Alarmfunktion im Streitfall belegt. Ein blindes Vertrauen auf eine automatische Alarmfunktion bei fehlerhaftem oder endgültig unterbliebenem Versand kann die erforderliche positive Ausgangskontrolle daher nicht ersetzen. Mit Rücksicht auf die Risiken bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle einer selbst per Computerfax übermittelten Berufungsbegründung nur dann, wenn er sich - wozu es nur eines einfachen "Klicks" auf das Ausgangsjournal seines PC-Fax-Systems bedarf - rechtzeitig von der vollständigen Übermittlung des Schriftsatzes unter Verwendung der zutreffenden Empfängernummer überzeugt. Das ist hier erst so verspätet geschehen (kurz vor Mitternacht), dass eine fristwahrende Nachholung der aufgrund eines unbekannten Fehlers abgebrochenen Faxübermittlung nicht mehr möglich war.

IV.

Nach alledem kann weder ein rechtzeitiger Eingang der Berufungsbegründung noch eine unverschuldete Verhinderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers an der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist festgestellt werden, mit der Folge, dass die Berufung unter Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Kostenfolge aus § 97 Abs.1 ZPO als unzulässig zu verwerfen ist.

Streitwert: bis 120.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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