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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 13 U 84/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 311 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 84/07

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 10. Oktober 2007

Verkündet am 10. Oktober 2007

In der Berufungssache

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gundlach und die Richter am Oberlandesgericht Hentschel und Hartlieb

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger zu 1) bis 3) gegen das am 26. April 2007 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 15 O 370/06 - wird zurückgewiesen. Die in der Berufungsinstanz erhobene weitergehende Klage der Kläger zu 1) bis 3) wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu 1) bis 3) zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung der Kläger zu 1) bis 3) (im Folgenden: Kläger) hat - ebenso wie die im Berufungsverfahren gemäß § 533 ZPO zulässigerweise vorgenommene Klageerhöhung - keinen Erfolg, so dass die Berufung zurückzuweisen und die Klageerweiterung abzuweisen ist.

1.

Ein - in erster Linie geltend gemachter - bereicherungsrechtlicher Rückerstattungsanspruch auf Rückzahlung geleisteter Zinsanteile steht den Klägern weder aus übergangenem (§ 1922 BGB) noch aus eigenem Recht zu, denn der mit der (am 24. 10. 1922 geborenen und am 27. 06. 2005 verstorbenen) Erblasserin am 01. März 2005 geschlossene Darlehensvertrag (Bl. 41 bis 43 GA) über eine Baudarlehenssumme von 30.000,- € ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB wegen finanzieller Überforderung der Erblasserin unwirksam.

a.

Bei (Mit-) Darlehensnehmern kommt ein Verstoß des Darlehensvertrages gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) wegen krasser finanzieller Überforderung von vornherein nicht in Betracht. Auf Grund der Vertragsfreiheit ist es grundsätzlich jedem Volljährigen unbenommen, in eigener Verantwortung Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die ihn finanziell völlig überfordern und von ihm notfalls nur unter dauernder Inanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens erbracht werden können (vgl. BGH NJW-RR 2004, 924, 925; BGH NJW 1998, 597; BGH NJW 1993, 322, 323). Wer aus eigenem Entschluss zur Finanzierung eigener Bedürfnisse oder Vorhaben zu marktgerechten Bedingungen einen Bankkredit aufnimmt, handelt daher selbst dann, wenn die Zahlungsverpflichtungen seine Leistungsfähigkeit überschreiten, im Rahmen seiner Vertragsfreiheit und kann keine Entlastung wegen Sittenverstoßes verlangen, sondern haftet in vollem Umfang der Vereinbarung (vgl. BGH NJW 1993, 322, 323; Gundlach, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 82 Rn. 82). Der Kreditgeber handelt daher mit der Darlehensgewährung grundsätzlich auch dann nicht sittenwidrig, wenn er die finanzielle Überforderung des Kreditnehmers kennt (vgl. Schimansky, WM 2002, 2437).

b.

Es kann offen bleiben, ob in Ansehung der vorstehend unter Ziffer 1. a. aufgeführten Grundsätze der von den Klägern herangezogenen - früheren - Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH NJW 1989, 1665 f. auch für den dort behandelten Ausnahmefall, wonach ein sittenwidriges Geschäft vorliegen kann, wenn der Kreditgeber erkennt oder gar selbst dazu beigetragen hat, dass dem Kreditnehmer seine hoffnungslose finanzielle Überforderung bei Vertragsschluss nicht hinreichend bewusst ist, uneingeschränkt zu folgen wäre. Denn auch dann würde die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB bereits daran scheitern, dass die Erblasserin durch die Darlehensverpflichtung objektiv nicht hoffnungslos überfordert wurde.

aa.

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Renteneinkünfte der Darlehensnehmerin - wie im Darlehensvertrag angegeben - 1.267,78 € oder nur - wie die Kläger behaupten - 754,55 € betrugen. Nach eigenem Vorbringen der Kläger (Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 19. 01. 2007, Bl. 21/26 GA) war die Erblasserin Eigentümerin eines Hausgründstücks, welches bei Vertragsschluss einen Verkehrswert von "allenfalls" 95.000,- € hatte. Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der sittenwidrigen finanziellen Überforderung einkommensschwacher Bürgen entschieden hat, ist selbst ein Bürge - dem die Darlehensvaluta nicht selbst zugute kommt - wirtschaftlich nicht krass überfordert, wenn er die gesamte Bürgschaftsschuld voraussichtlich durch Verwertung des von ihm bewohnten Eigenheims zu tilgen vermag (vgl. nur BGH NJW 2001, 2466, 2467). Die Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB hat nicht den Zweck, dem Bürgen das Eigenheim auf Dauer zu erhalten oder ihm mietfreies Wohnen zu ermöglichen. Diese Grundsätze müssen im Streitfall, in dem es um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensempfängers selbst geht, erst recht gelten. Das - mangels gegenteiligen Vortrags - unbelastete Hausgrundstück der Erblasserin deckte bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages jedenfalls den Darlehensbetrag von 30.000,- € wertmäßig in voller Höhe ab. Eine finanzielle Überforderung hätte mithin allenfalls durch die Zinspflicht eintreten können. Auch daraus ergibt sich aber keine Sittenwidrigkeit des Darlehens. Denn abgesehen davon, dass offenbar keine Ratenrückstände aufgelaufen sind - die Kläger verlangen gerade auch Zahlungen der Erblasserin zurück, die mithin zu Ratenzahlungen in der Lage war - , hätte die Erblasserin den Kredit bei Ablauf der im Vertrag vereinbarten 5-jährigen Zinsbindungsfrist (Seite 1 des Darlehensantrages, Bl. 41 GA) zum 31. 03. 2010 - dann hätte sie ein Alter von 87 Jahren erreicht - notfalls unter Verwertung des Hausgrundstücks zurückführen können. Selbst wenn ihr laufendes monatliches (Renten-) Einkommen nicht zur Zinszahlung ausgereicht hätte, hätte die Erblasserin nämlich die bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist - als möglichen Termin zur vollständigen Rückführung des Darlehens ohne Vorfälligkeitsentschädigung - anfallenden Zinsen in Höhe von (102,50 € x 12 Monate x 5 Jahre) 6.150,- € ohne weiteres aus einem etwaigen Verwertungserlös des Hausgrundstücks abdecken können.

bb.

Ein weiteres kommt hinzu. Für das Vorliegen der subjektiven Umstände des oben unter Ziffer 1. b. erörterten und von den Klägern herangezogenen Ausnahmefalls trifft den Darlehensnehmer als Schuldner die volle Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH NJW 1989, 1665, 1666; Gundlach, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 82 Rn. 93). Die Kläger haben jedoch nicht unter Beweis gestellt, dass sich die Erblasserin ihrer - hier insoweit unterstellten - finanziellen Überforderung nicht bewusst war, während die Mitarbeiter der Beklagten dies aber klar erkannt haben sollen. Die pauschale Behauptung, dies habe sich für die Mitarbeiter der Beklagten aufdrängen müssen, enthebt die Kläger nicht ihrer Beweispflicht. Geeigneter Beweis ist insoweit nicht angetreten, wobei schon der Vortrag, die Mitarbeiter der Beklagten hätten dies anhand der Rentenbescheide der Erblasserin erkennen müssen, nicht schlüssig ist. Denn die Mitarbeiter der Beklagten hatten schon aufgrund des Grundbesitzes der Erblasserin keinen Anlass zur Annahme, die Erblasserin werde durch das Darlehen hoffnungslos finanziell überfordert, sei sich dessen aber ersichtlich nicht bewusst. Allein das Alter der Erblasserin von damals 82 Jahren reicht für eine derartige Schlussfolgerung keinesfalls aus.

2.

Auch ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss wegen Beratungsverschulden scheidet aus.

Die Bank prüft die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers nur im eigenen Interesse. Eine insoweit versäumte oder unsorgfältige Prüfung begründet daher keine Haftung gegenüber dem Kreditnehmer (vgl. Senat WM 1999, 1817; Senat 13 U 8/04 - Urt. v. 21. 07. 2004 - ).

Eine unterlassene Aufklärung darüber, dass die Erblasserin das Darlehen voraussichtlich zu Lebzeiten nicht mehr werde zurückzahlen können, führt ebenfalls nicht zur Haftung. Dies war - abgesehen davon, dass dieser Umstand auch für jeden durchschnittlichen Kreditnehmer und damit auch für die Erblasserin klar erkennbar war, wovon auch die Mitarbeiter der Beklagten ohne Verschulden ausgehen konnten - allein das Risiko der Beklagten als Kreditgeberin. Der Hinweis der Kläger in diesem Zusammenhang (Seite 2 des Schriftsatzes vom 28. 02. 2007, Bl. 52 GA) auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 11. 01. 1995 - 3 U 2/94 - (= WM 1995, 747 ff.) greift nicht, denn dort ging es um den hier nicht vorliegenden Fall, dass eine Bausparkasse nicht von dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages abgeraten hatte, obwohl die Vorfinanzierung noch nicht gesichert war.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).

Streitwert: bis zum 11. 09. 2007: 4.638,87 € (3.604,50 € + 1.034,37 €) und danach: 4.139,37 € (3.105,- € + 1.034,37 €).

Ende der Entscheidung

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