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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 13 U 92/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 174 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In dem Berufungsrechtsstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und des Richters am Oberlandesgericht Hartlieb
am 28. Juli 2004
beschlossen:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 14. April 2004 - 11 O 137/03 - wird unter Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Beträgen in Anspruch, die er ihr während der Dauer ihrer freundschaftlichen Beziehung geliehen haben will. Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wurde dem Kläger zu Händen seines Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt V, mittels Empfangsbekenntnisses gemäß § 174 Abs.1 ZPO zugestellt. Das von Rechtsanwalt V unterzeichnete Empfangsbekenntnis trägt das aufgestempelte Eingangsdatum der Anwaltskanzlei vom 16.04.2004 (dabei handelte es sich um einen Freitag) und ist am 21.04.2004 zu den Akten zurückgelangt. Die Berufung des auch zweitinstanzlich von Rechtsanwalt V vertretenen Klägers ist - vorab per Telefax - am 18.05.2004 bei Gericht eingegangen. In der Berufungsschrift vom 18.05.2004 heißt es: "lege ich gegen das in Kopie beigefügte erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Aachen vom 14.04.2004, zugestellt am 18.04.2004, - 11 O 137/03 - BERUFUNG ein". Die beigefügte Urteilskopie trägt einen handschriftlich auf den 19.04.2004 korrigierten Eingangsstempel der Anwaltskanzlei.
Nach Eingang der Berufungsbegründung am 17.06.2004 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 25.06.2004 darauf hingewiesen, dass das angefochtene Urteil ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 16.04.2004 zugestellt worden, die Berufung vom 18.05.2004 daher verfristet sei. Demgegenüber beruft sich der Kläger darauf, die Zustellung sei tatsächlich erst am Montag, dem 19.04.2004, erfolgt, wie auf der Ausfertigung des Urteils durch handschriftliche Datumskorrektur vermerkt. Der Kläger trägt unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten Frau W seines Prozessbevollmächtigten vor, diese habe an jenem Montagmorgen zunächst versäumt, den Eingangsstempel auf das Datum "19. April 2004" umzustellen. Als das falsch abgestempelte Datum bemerkt worden sei, habe sie das Eingangsdatum auf der Urteilsausfertigung handschriftlich korrigiert; die Korrektur auf dem ebenfalls falsch abgestempelten Empfangsbekenntnis, das sich bereits in der Unterschriftsmappe befunden habe, sei jedoch in Vergessenheit geraten. Hilfsweise beantragt der Kläger gegen die etwa versäumte Berufungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II.
Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs.1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der mit der Zustellung des angefochtenen Urteils in Lauf gesetzten Notfrist von einem Monat (§ 517 ZPO) eingelegt worden ist. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Zustellung des Urteils auf einem Empfangsbekenntnis nach § 174 Abs.1 ZPO bescheinigt, das den Datumsstempel des 16.04.2004 trägt. Ein solches Empfangsbekenntnis erbringt den Beweis für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit für den Zeitpunkt der Zustellung. Zwar ist der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in dem Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben zulässig. An ihn sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Er ist daher nur erbracht, wenn die Beweiswirkung des § 174 Abs.1 ZPO (§ 212a ZPO a.F.) vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können. Der Gegenbeweis ist nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist. Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Zustellungsdatums genügen somit nicht (BVerfG, NJW 2001, 1563, 1564; BGH, NJW 2002, 3027 m.w. Nachw.). Da für die Prüfung der Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels der sog. Freibeweis gilt, können auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden, die Anforderungen des § 286 ZPO an die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich des vom Kläger zu erbringenden vollen Beweises der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses werden dadurch indessen nicht vermindert.
Im vorliegenden Fall reicht schon das Vorbringen des Klägers nicht aus, die Überzeugung zu vermitteln, dass die Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis unrichtig ist. Mehrere Umstände begründen durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung, das angefochtene Urteil sei von seinem Prozessbevollmächtigten erst am 19.04.2004 als zugestellt entgegengenommen worden; das Vorbringen ist auch ungeeignet, ein Verschulden des Rechtsanwalts an der Versäumung der Berufungsfrist auszuräumen:
Es fehlen bereits nähere Angaben dazu, in welchem Umfang am Morgen des 19.04.2004 Eingänge mit dem falschen Datum abgestempelt wurden, bevor das Versehen bemerkt wurde. Allein der Umstand, dass sich das - mit dem Datum des 16.04.2004 abgestempelte - Empfangsbekenntnis zu dem hier in Rede stehenden Urteil bereits in der Unterschriftenmappe befunden habe, erklärt nicht, dass die handschriftliche Korrektur auf dem Empfangsbekenntnis nachhaltig in Vergessenheit geraten sein soll. Nach Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch Rechtsanwalt V hätte jedenfalls Anlass bestanden, die Korrektur nachzuholen. War sich die Kanzleiangestellte dessen bewusst, dass auch noch das Datum auf dem Empfangsbekenntnis zu korrigieren war, erklärt sich um so weniger, weshalb dies nicht bei der Eintragung in den Fristenkalender nachgeholt wurde, obwohl hier die Divergenz zwischen dem handschriftlich korrigierten Eingangsdatum auf der Urteilsausfertigung und dem unkorrigierten Datumsstempel auf dem Empfangsbekenntnis auffallen musste. So fehlt jegliche Erklärung dazu, weshalb Rechtsanwalt V bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses - wenn es ihm denn tatsächlich erst am 19.04.2004 vorgelegt und an diesem Tage von ihm unterzeichnet worden sein sollte - nicht selbst bemerkt hat, dass das Empfangsbekenntnis den Datumsstempel vom 16.04.2004 trug. Sollte er dies bemerkt und das Empfangsbekenntnis gleichwohl ohne Aktualisierung des Datums unterzeichnet haben, so hat er damit den Willen zum Ausdruck gebracht, das Urteil zu dem angegebenen Zeitpunkt als zugestellt gegen sich gelten zu lassen. Anerkanntermaßen darf ein Rechtsanwalt das unterzeichnete Empfangsbekenntnis über die Urteilszustellung erst zurückgeben, wenn der Zustellungszeitpunkt und damit der Beginn der Berufungsfrist entweder auf dem zugestellten Schriftstück oder sonst in den Handakten vermerkt oder durch besondere Anordnung dafür Sorge getragen ist, dass das Zustellungsdatum festgehalten wird, damit anhand des entsprechenden Vermerks die Eintragung im Fristenkalender vorgenommen und auch kontrolliert werden kann. Da der Rechtsanwalt mit der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses selbst den Zeitpunkt bestimmt, zu dem er das ihm zuzustellende Urteil als zugestellt annimmt und das unterschriebene Empfangsbekenntnis anschließend an das Gericht zurückzugeben ist, stellt der von dem Rechtsanwalt selbst vorzunehmende oder zu veranlassende Vermerk für die weitere Bearbeitung der Sache den einzigen zuverlässigen Hinweis auf den Beginn der Rechtsmittelfrist dar (BGH, NJW-RR 1998, 1442). Bei sachgemäßer Handhabung hätte die Datumsdivergenz auf Urteilsexemplar und Empfangsbekenntnis daher auffallen müssen. Dazu fehlen ebenso Angaben wie dazu, welches Zustellungsdatum denn nun im Fristenkalender eingetragen wurde. Weitere Zweifel werden dadurch begründet, dass in der Berufungsschrift die Zustellung des angefochtenen Urteils auf den 18.04.2004 datiert ist, während das in Kopie beigefügte Urteilsexemplar den per Hand auf den 19.04.2004 korrigierten Eingangsstempel aufweist.
Nach alledem bleibt festzustellen, dass zum einen keine ausreichenden Umstände dargetan sind, durch die die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses vollständig entkräftet würde, und zum anderen von einem dem Kläger gemäß § 85 Abs.2 ZPO zurechenbaren Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsfrist auszugehen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.
Streitwert der Berufung: 16.854,47 €.
Ende der Entscheidung
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