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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.03.2002
Aktenzeichen: 13 W 4/02
Rechtsgebiete: WG


Vorschriften:

WG Art 13
WG Art 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

13 W 4/02

In der Prozesskostenhilfesache

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 7. Januar 2002 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10. Dezember 2001 - 10 O 515/01 - unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und des Richters am Amtsgericht Aps

am 25. März 2002

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die Beschwerde wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das Landgericht der Antragstellerin wegen vermeintlich fehlender Erfolgsaussicht ihrer beabsichtigten Rechtsverfolgung die beantragte Prozesskostenhilfe verweigert hat.

I. Die Rechtsansicht der Zivilkammer, die Antragstellerin sei durch die von ihr übernommene Höchstbetragsbürgschaft von 400.000 DM für den Kredit in gleicher Höhe, den die Antragsgegnerin dem damaligen Ehemann der Antragstellerin zur Fertigstellung von 2 Eigentumswohnungen gewährt hat, nicht krass überfordert, weil durch die dingliche Absicherung des Darlehens (durch Eintragung einer erstrangigen Grundschuld in Höhe von 400.000 DM zu Lasten beider Eigentumswohnungen) das Bürgschaftsrisiko jedenfalls auf ein vertretbares Maß "praktisch minimiert" worden sei, hält einer Überprüfung nicht stand.

1. Anderweitige Sicherheiten begrenzen das Haftungsrisiko, bei dessen Beurteilung von der gesicherten Forderung auszugehen ist, nur, wenn der Bürge infolge der übrigen dem Kreditgeber gewährten Sicherheiten in rechtlich gesicherter Weise davor geschützt ist, in einem Maße in Anspruch genommen zu werden, das seine finanzielle Leistungsfähigkeit krass überfordert. Dieser Schutz ist unter anderem dann nicht gegeben, wenn im Bürgschaftsvertrag die Rechte des Bürgen aus § 776 BGB abbedungen sind, so dass der Kreditgeber andere Sicherheiten aufgeben kann, ohne dass der Bürge in der Höhe frei wird, in der er aus der aufgegebenen Sicherheit nach § 774 BGB hätte Ersatz erlangen können, oder wenn sonstige Maßnahmen und Vereinbarungen, welche die Bank hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäßig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren sollen (BGH, NJW 1997, 3372, 3373; NJW 1999, 58, 59; NJW 2000, 1182, 1184; NJW 2001, 815, 816).

2. Diese Einschränkung, die sich aus der angeführten - auch im angefochtenen Beschluss (mit Parallelfundstellen) zitierten - ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt, hat das Landgericht nicht beachtet. Gemäß Nr. 5 der Allgemeinen Bürgschaftsbedingungen war die Antragsgegnerin befugt, den Erlös von Sicherheiten sowie Zahlungen des Hauptschuldners zunächst auf den Betrag ihrer Ansprüche zu verrechnen, der die Bürgschaftssumme übersteigt. Das entspricht zwar im Wesentlichen der gesetzlichen Regelung des § 366 Abs.2 BGB, sofern der Leistende keine anderweitige Bestimmung i.S.d. § 366 Abs. 1 BGB trifft, findet jedoch für den Bürgen seine gesetzliche Grenze in § 776 BGB. Danach wird der Bürge insoweit frei, als der Gläubiger eine anderweitige Sicherheit aufgibt und der Bürge hieraus nach § 774 BGB hätte Ersatz verlangen können. Diese den Bürgen schützende Vorschrift hat die Antragsgegnerin in Nr. 8 der Allgemeinen Bürgschaftsbedingungen formularmäßig abbedungen und sich das Recht vorbehalten, ohne Zustimmung des Bürgen mit dem Hauptschuldner Stundung zu vereinbaren oder einen Vergleich zu schließen, ohne dass sich die Forderung aus der Bürgschaft nach §§ 767 Abs.1, 768 BGB reduziert. Es kommt hier nicht darauf an, inwieweit diese Klauseln mit den Bestimmungen des AGB-Gesetzes zu vereinbaren sind (den formularmäßigen uneingeschränkten Verzicht auf die Rechte aus § 776 BGB hält der BGH in neuerer Rechtsprechung für unwirksam, vgl. NJW 2000, 1566; NJW 2001, 2466). Jedenfalls muss die Bank, die Schutzrechte des Bürgen beschneidet, dann auch die Folgen hinnehmen, die sich hieraus für die Beurteilung ergeben, inwieweit der Bürge durch anderweitige Sicherheiten vor einer seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigenden Inanspruchnahme geschützt ist (BGH, NJW 1997, 3372, 3373).

3. Das sich aus der Vertragsgestaltung für den Bürgen ergebende rechtliche Risiko kann zwar ausnahmsweise durch tatsächliche, den Beteiligten schon bei Vertragsschluss offenbare Umstände faktisch hinreichend sicher deutlich herabgesetzt sein (vgl. BGH, NJW 1995, 1886). Dazu reicht es indessen nicht aus, dass die Antragsgegnerin behauptet, der Antragstellerin seinerzeit mündlich zugesichert zu haben, dass sie aus der Bürgschaft nur dann in Anspruch genommen werde, wenn der Verkaufserlös der im Bau befindlichen Eigentumswohnungen, welche nach Fertigstellung planmäßig verkauft werden sollten, nicht zur Abdeckung der Schuldsumme ausreichen werde und alle anderen Sicherheiten realisiert seien. Wenn eine solche - wie hier - streitige Zusicherung keinen schriftlichen Niederschlag gefunden hat, so dass ihre Feststellung vom ungewissen Ergebnis eines Zeugenbeweises abhängt, ist ein rechtlich gesicherter Schutz des Bürgen vor einer ihn finanziell überfordernden Inanspruchnahme von Anfang an nicht gewährleistet.

II. Letztlich kann dies indessen dahinstehen, weil die Antragstellerin - die Richtigkeit der von der Antragsgegnerin behaupteten Zusicherung unterstellt - nicht damit rechnen musste, wegen derjenigen Forderung aus dem Darlehensvertrag in Anspruch genommen zu werden, um die es hier geht. Unstreitig sind die beiden Eigentumswohnungen bereits im Jahre 1998 vom früheren Ehemann der Antragstellerin veräußert und die zugunsten der Antragsgegnerin eingetragenen Grundschulden freigegeben worden. Aus dem Veräußerungserlös hat der frühere Ehemann der Antragstellerin in Absprache mit der Antragsgegnerin einen der Kreditsumme entsprechenden Betrag in zwei Sparbriefen über 180.000 DM und 220.000 DM angelegt und dieses Sparguthaben der Antragsgegnerin zur Absicherung der Darlehensverbindlichkeit verpfändet. Dass sie sich hierzu etwa der Zustimmung der Antragstellerin versichert habe, behauptet die Antragsgegnerin selbst nicht. Erst diese Art des Sicherheitenaustausches und die spätere vorzeitige Kündigung des - bis zum 01.12.2002 mit einem Festzins vereinbarten - Darlehensvertrages durch den früheren Ehemann der Antragstellerin (nach deren Angaben wurde die Ehe am 29.11.1999 geschieden) führte nach Ablösung des Darlehens zu der Forderung einer Vorfälligkeitsentschädigung durch die Antragsgegnerin, für die sie die Antragstellerin als Bürgin in Anspruch nimmt. Da die Antragstellerin indessen nach den eigenen tatsächlichen Angaben der Antragsgegnerin nur haften sollte, wenn und soweit der Darlehensanspruch der Antragsgegnerin nicht durch den Veräußerungserlös und/oder eine Verwertung der im Darlehensvertrag vereinbarten anderweitigen Sicherheiten (dazu gehörte neben der Grundschuld die Abtretung der Rechte aus einer Lebensversicherung) gedeckt sein würde, kommt eine solche Inanspruchnahme der Antragstellerin nach dem darlehensdeckenden Verkauf der Wohnungen nicht in Betracht. Dass sich die Antragsgegnerin gegenüber dem Hauptschuldner statt einer Darlehenstilgung auf eine anderweitige - und, wie sich jetzt herausstellt, unzureichende - Absicherung des Darlehens eingelassen hat, kann nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen.

III. Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Das Landgericht wird nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats darüber zu entscheiden haben, ob die Antragstellerin die übrigen Voraussetzungen für eine Prozesskostenhilfebewilligung erfüllt.

Ende der Entscheidung

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