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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.08.1999
Aktenzeichen: 13 W 54/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 380 Abs. 1
ZPO § 381 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

13 W 54/99 12 O 38/98 (LG Aachen)

In der Ordnungsmittelsache

betreffend den Rechtsstreit

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln

auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 5. Mai/16. Juni 1999 gegen den Ordnungsmittel- und Kostenbeschluß der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 13. April 1999 - 12 O 38/98 -, dem Senat vorgelegt mit Nichtabhilfebeschluß jener Kammer vom 2. August 1999, unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und der Richterin am Oberlandesgericht Scholz

am 27. August 1999 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 09.04.1999 hat der vom Landgericht auf den 13.04.1999 als Zeuge geladene Beteiligte zu 1. unter Beifügung der Kopie einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ("Erstbescheinigung" vom 09.04.1999 für die Zeit bis zum 16.04.1999) dem Gericht seine krankheitsbedingte Verhinderung mitgeteilt. Die Zivilkammer hat daraufhin mit im Termin vom 13.04.1999 verkündeten Beschluß gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 DM, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft, festgesetzt und ihm die durch sein Nichterscheinen entstandenen Kosten auferlegt. Das Landgericht hat die Entschuldigung des Zeugen als nicht genügend angesehen, weil die ärztliche Bescheinigung lediglich Arbeitsunfähigkeit attestiere, indessen nichts dazu aussage, ob der Zeuge reise- oder vernehmungsfähig sei. Die Zivilkammer hat es auch abgelehnt, die gegen den Zeugen verhängten Maßnahmen aufzuheben, nachdem dieser eine ärztliche Bescheinigung nachgereicht hat, in der bestätigt wird, daß der Zeuge aufgrund der Schwere der seine Arbeitsunfähigkeit vom 09.04. - 16.04.1999 begründenden Erkrankung aus ärztlicher Sicht nicht reisefähig war. Zur Begründung heißt es im Schreiben der Berichterstatterin vom 09.06.1999: "Abgesehen davon, daß auch die jetzt vorgelegte ärztliche Bescheinigung inhaltlich nicht aussagekräftig ist, bestehen erhebliche Bedenken gegen die Behauptung, aufgrund Krankheit nicht reisefähig gewesen zu sein. Nach dem Termin vom 13.04.99 rief noch am gleichen Tag ein Richter des LG H. an, der anfragte, ob es richtig sei, daß Sie wegen eines Termins vor der Aachener 12. Zivilkammer den Termin in H. nicht wahrnehmen könnten. Bei dieser Sachlage kann die Kammer nicht von einem entschuldigten Fernbleiben durch Sie ausgehen."

II.

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1., der das Landgericht nicht abgeholfen hat, führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Unabhängig davon, ob die Entscheidung des Landgerichts, gegen den Zeugen im Termin vom 13.04.1999 einen Ordnungsmittel- und Kostenbeschluß gemäß § 380 Abs.1 ZPO erlassen, aus damaliger Sicht rechtens war, hätte dieser Beschluß jedenfalls nachträglich aufgehoben werden müssen, weil der Zeuge mit der ärztlichen Bescheinigung über seine Reiseunfähigkeit zum Termin vom 13.04.1999 sein Fernbleiben nachträglich genügend entschuldigt hat (§ 381 Abs. 1 ZPO).

1. Richtig ist, daß Arbeitsunfähigkeit, die nicht mit Reise- oder Vernehmungsunfähigkeit verbunden ist, ein Fernbleiben des Zeugen nicht genügend entschuldigt. Eine andere Frage ist es, ob ein - wie hier - kurz vor dem Termin eingegangenes Entschuldigungsschreiben unter Beifügung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Gericht nicht Anlaß gibt, sich durch telefonische Anfrage bei dem Arzt (die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthielt in lesbarer Form Name, Anschrift und Telefonnummer des ausstellenden Arztes) die erforderliche Aufklärung zu verschaffen. Ein solcher Anruf verbot sich nicht etwa im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht. In der Vorlage eines ärztlichen Attestes durch einen Zeugen, der damit sein Nichterscheinen entschuldigen will, kann die konkludente Erklärung gesehen werden, daß der Zeuge den ausstellenden Arzt bei etwaigen Nachfragen des Gerichts hinsichtlich des Entschuldigungsgrundes von der Schweigepflicht entbindet (vgl. OLG Düsseldorf, VRS Bd. 84 (1993), S. 458, 460; Karlsruhe, NStZ 1994, 141; BayObLG NStZ-RR 1999, 143 - jeweils zu § 329 Abs.1 StPO).

2. Wenn die Zivilkammer aber schon, ohne von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, einen Beschluß nach § 380 Abs.1 ZPO gegen den Zeugen erließ, dann gab spätestens die mit dem Aufhebungsantrag überreichte ärztliche Bescheinigung über die Reiseunfähigkeit des Zeugen am Terminstag Anlaß, etwaigen Zweifeln an dem Inhalt des Attestes oder an der Richtigkeit der darin enthaltenen Aussage von Amts wegen im Freibeweisverfahren nachzugehen. Gerade wegen dieser Aufklärungsmöglichkeit kann eine ärztlich bescheinigte Reiseunfähigkeit nicht schon deshalb von vornherein als ungenügende Entschuldigung angesehen werden, weil weder die Art der Erkrankung angegeben noch die daraus folgende Reiseunfähigkeit erläutert ist. Ein ärztliches Attest, das einem Zeugen aus Gesundheitsgründen die Fähigkeit abspricht, den Vernehmungstermin wahrzunehmen, stellt grundsätzlich eine genügende Entschuldigung für sein Ausbleiben dar. Argwöhnt das Gericht, daß es sich um ein Gefälligkeitsattest handeln könnte, so ist das Gericht gehalten, ihm geeignet erscheinende Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Im übrigen ist hier schon nicht nachvollziehbar, weshalb es erhebliche Bedenken gegen die von dem Zeugen geltend gemachte krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit zum 13.04.1999 begründen soll, daß der Zeuge sein Nichterscheinen zu einem am gleichen Tage anstehenden Termin vor dem Landgericht H. mit seiner - wie anzunehmen ist: früheren - Zeugenladung vor das Landgericht Aachen begründet hat.

3. Die Tatsache, daß der Zeuge sein Nichterscheinen zum nächsten Beweisaufnahmetermin (vom 13.07.1999) erneut mit Reiseunfähigkeit entschuldigt hat (die hierzu beigefügte ärztliche "Folgebescheinigung" vom 01.07.1999 erfaßt den Zeitraum bis zum 15.07.1999 und enthält als Diagnose: "Fraktur 5. Mittelfußknochen links"), mag Anlaß zu einer strengeren Prüfung geben. Ob - wiederum ohne jegliche Aufklärungsmaßnahmen des Gerichts - der Erlaß eines erneuten Ordnungsmittelbeschlusses gerechtfertigt war, hat der Senat hier nicht zu entscheiden. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich jedoch, daß auch jener Beschluß in einem etwaigen Beschwerdeverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben wird, wenn die Zivilkammer dem Verdacht, daß der von dem Zeugen geltend gemachte Entschuldigungsgrund nur vorgeschoben ist, nicht nachgeht (das gilt auch für die Frage, ob der Zeuge das Gericht von der sich abzeichnenden Verhinderung rechtzeitig verständigt hat). Von dem Ergebnis der freibeweislichen Aufklärung kann auch abhängen, ob eine etwa erneut auf gesundheitliche Gründe gestützte Entschuldigung des Zeugen (zu dem nunmehr auf den 26.10.1999 bestimmten Termin zu seiner Vernehmung) an die Auflage geknüpft werden kann, daß sich der Zeuge dem Amtsarzt vorzustellen habe (wie dem Hinweis zur Ladungsverfügung vom 14.07.1999 zu entnehmen ist).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 380 Rdn. 10; Musielak, ZPO, § 380 Rdn. 6, 7).

Ende der Entscheidung

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