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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 13 W 82/00
Rechtsgebiete: ZPO, PostG


Vorschriften:

ZPO § 696 Abs. 2 S. 2
ZPO § 418 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 418 Abs. 2
ZPO § 294
ZPO § 418
ZPO § 182
PostG § 58 Abs. 2 Nr. 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

13 W 82/00 10 O 240/00 LG Aachen

In Sachen

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 28. September 2000 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 8. September 2000 - 10 O 240/00 - , unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und der Richterin am Oberlandesgericht Wahle

am 28. Februar 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

Der Beklagte wendet sich mit seiner zulässigen, insbesondere fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde (§§ 341 Abs.2, 238 Abs.2 ZPO) ohne Erfolg dagegen, dass das Landgericht seinen Einspruch vom 3. Mai 2000 gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen vom 17. Februar 2000 unter Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen hat.

1. Ausweislich des Aktenausdrucks, der im maschinell bearbeiteten Mahnverfahren an die Stelle der Akten tritt (§ 696 Abs.2 S.1 ZPO), ist nach dem Inhalt der Postzustellungsurkunden sowohl der Mahnbescheid (am 28.01.2000) als auch der Vollstreckungsbescheid (am 19.02.2000) dem Beklagten durch Niederlegung und Abgabe einer Benachrichtigung in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise (Hausbriefkasten) an der angegebenen Zustellanschrift (K.straße ... in ... H.) zugestellt worden. Gemäß § 696 Abs.2 S.2 ZPO gelten für den Aktenausdruck die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechend. Wie die Postzustellungsurkunden selbst begründet demgemäß die im Aktenausdruck als Inhalt der Postzustellungsurkunden festgehaltene Beurkundung der postalischen Zustellung über die Art und Weise der Benachrichtigung gemäß § 418 Abs.1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (vgl. OLG Dresden, JurBüro 1999, 154).

2. Zur Führung des nach § 418 Abs.2 ZPO zulässigen Gegenbeweises genügt bloße Glaubhaftmachung i.S.d. § 294 ZPO nicht. Die Unrichtigkeit des beurkundeten Zustellungsvorgangs muss vielmehr über bloße Zweifel an der Richtigkeit der beurkundeten Feststellung hinaus freibeweislich zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Zwar dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Es bedarf aber jedenfalls einer plausiblen und schlüssigen Darlegung von Umständen, die - wenn sie nicht schon jede Möglichkeit der Richtigkeit des beurkundeten Geschehensablaufs ausschließen - zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der Beurkundung begründen müssen (vgl. BVerfG NJW 1992, 224; OLG Düsseldorf, VRS Bd. 87 (1992), 441 und NJW 2000, 2831; OVG Münster, NVwZ 2000, 346).

3. Das Vorbringen des Beklagten ist nicht dazu angetan, den Anforderungen an den Gegenbeweis, der sich hier gleich auf zwei gleichermaßen beurkundete Zustellungen an den Beklagten (die eine am 28.01.2000 und die andere am 19.02.2000) erstrecken muss, zu genügen. Konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Postbediensteten bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung werden nicht aufgezeigt. Belastend für den Beklagten wirkt sich insbesondere aus, dass sich entgegen der eidesstattlich versicherten Angabe des Beklagten, dass in dem Mehrfamilienhaus zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Zustellungen überhaupt keine Briefkästen vorhanden gewesen seien, herausgestellt hat, dass zwar keine Einzelbriefkästen für die dort wohnenden 5 Mietparteien, wohl aber ein gemeinschaftlicher Hausbriefkasten vorhanden war. Dies ergibt sich sowohl aus der vom Landgericht eingeholten postalischen Bestätigung vom 21.08.2000 als auch aus dem vom Beklagten mit der Beschwerde vorgelegten Schreiben der Hausverwaltung vom 25.09.2000.

4. Soweit es in der anwaltlichen Begründung zum Wiedereinsetzungsantrag heißt, dass der Beklagte unter jener Anschrift "bis Anfang März 1999" gewohnt habe, fehlen - sofern es sich nicht lediglich um ein Schreibversehen bei der Jahreszahl handelt - jedenfalls jegliche Anhaltspunkte, die auf einen Umzug des Beklagten vor Anfang März 2000 hinweisen könnten. Zwar erstreckt sich die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde gemäß § 418 ZPO nicht auf die Tatsache, dass der Zustellungsadressat unter der Zustellungsanschrift wohnt. Die Erklärung des Zustellers, dass er den Zustellungsadressaten in seiner Wohnung nicht angetroffen habe, ist jedoch ein beweiskräftiges Indiz dafür, dass der Adressat dort zu jener Zeit gewohnt hat; die indizielle Wirkung dieser Erklärung kann der Zustellungsadressat in der Regel nur durch die plausible und schlüssige Darstellung entkräften, dass er seinen Lebensmittelpunkt zu jenem Zeitpunkt bereits an einem anderen Ort begründet hat (BVerfG NJW 1992, 224; BGH NJW 1992, 1963; BGH NJW-RR 1994, 564). Weder der eidesstattlichen Versicherung des Beklagten noch dem anwaltlichen Vorbringen lassen sich hierfür Anhaltspunkte entnehmen.

5. Die Zustellung gemäß § 182 ZPO war auch nicht etwa deswegen unwirksam, weil die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in den gemeinschaftlichen Briefkasten der Hausgemeinschaft eingelegt worden ist. Für die Benachrichtigung des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise gemäß § 182 ZPO ist eine konkrete Betrachtung maßgeblich, d.h. es kommt auf die vom Postzusteller beim Zustellungsadressaten praktizierte und von diesem jedenfalls hingenommene Übung an; was für sonstige Post erkennbar "üblich" ist, reicht auch für die Abgabe der Mitteilung (OLG München, OLGR 1998, 363; OLG Karlsruhe, MDR 1999, 497; BGH WM 2001, 274 = MDR 2001, 228 m.w.Nachw.). Der Meinungsstreit dazu, ob aus § 13 der Post-Kundenschutzverordnung vom 19.12.1995 zu folgern sei, dass auch eine Benachrichtigung gemäß § 182 ZPO nur über einen Einzelbriefkasten des Empfängers wirksam bewirkt werden könne (so LG Neuruppin, NJW 1997, 2337; zust. Westphal, NJW 1998, 2413; abl. Eyinck, NJW 1998, 206), ist überholt, da jene Verordnung Ende 1997 gemäß § 58 Abs.2 Nr.2 PostG n.F. außer Kraft getreten ist (hierauf weist der BGH, a.a.O., hin). Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Wirksamkeit der Zustellung auch dann nicht anders zu beurteilen wäre, wenn es - wie der Beklagte behauptet - üblich gewesen wäre, dass der Zusteller sämtliche für die Hausbewohner bestimmte Post auf die Treppe im Inneren des Hauses ablegte.

6. Dem Beklagten kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Einspruchsfrist gewährt werden (§§ 233 ff. ZPO). Der Beklagte hat weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Niederlegungsbenachrichtigung erhalten hat. Zwar schließt die Tatsache, dass in einem Mehrfamilienhaus nur ein Gemeinschaftsbriefkasten bereit gehalten wird, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Unkenntnis einer darin hinterlassenen Niederlegungsbenachrichtigung nicht ohne weiteres aus (BVerwG NJW 1988, 578; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 620; OLG Frankfurt, OLGR 1996, 47). Ob der Empfänger seiner allgemeinen Verpflichtung, die notwendigen Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Zuleitung von Postsendungen zu treffen, auch dann noch genügt, wenn - wie dies hier der Fall war - für 5 Mietparteien nur ein Gemeinschaftsbriefkasten am Haus bereit gehalten wird, kann dahinstehen. Der Beklagte behauptet selbst nicht, diesen Briefkasten regelmäßig kontrolliert zu haben; er will sich nicht einmal an die Existenz eines solchen Briefkastens erinnern. Man kann lediglich mutmaßen, dass andere Hausbewohner es übernommen haben, diesen Gemeinschaftsbriefkasten zu leeren und die Post auf die Treppe zu legen. Der Beklagte hat sich jedenfalls erklärtermaßen damit begnügt, den dort lagernden "Post- und Reklamesendungshaufen" durchzusehen, wobei er es selbst für naheliegend hält (eine andere Möglichkeit sei für ihn nicht denkbar), dass der "relativ kleine Benachrichtigungszettel" zwischen Reklamesendungen geriet und von anderen Hausbewohnern "einfach als lästige Reklamesendung gewissermaßen mit weggeworfen" wurde. Schon der Umstand, dass dies gleich zum wiederholten Male geschehen sein müsste (nämlich sowohl bei der Zustellung des Mahnbescheides als auch des Vollstreckungsbescheides), offenbart, was von der pauschalen Behauptung des Beklagten zu halten ist, ansonsten habe ihn die für ihn bestimmte Post, auch wenn sie auf den Haufen gelegt worden sei, immer erreicht. Bezeichnenderweise äußert sich der Beklagte auch nicht zum Erhalt des vorprozessualen Anwaltsschreibens des Klägers vom 2.12.1999, in welchem ihm bei Nichterfüllung der Schadensersatzforderung bis zum 16.12.1999 die unverzügliche gerichtliche Geltendmachung angekündigt wurde. Sollte er dieses Schreiben indessen erhalten haben, so hatte er um so mehr Veranlassung, in Kenntnis der behaupteten Gepflogenheit der Hausbewohner im Umgang mit der eingehenden Post Vorkehrungen für einen ordnungsgemäßen Erhalt der zu erwartenden gerichtlichen Zustellung(en) zu treffen (vgl. auch LAG Düsseldorf, MDR 2001, 145: "Wer es duldet, dass ihm die an ihn adressierte Post ständig auf die Treppe im Hausflur gelegt wird, kann unter dem Gesichtspunkt der Zugangsvereitelung nach § 242 BGB nicht geltend machen, die dort niedergelegte Post müsse verloren gegangen sein").

Für die Annahme einer unverschuldeten Fristversäumung als Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Beschwerdewert: 14.308,00 DM.



Ende der Entscheidung

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