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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 14 U 15/04
Rechtsgebiete: PostG, BGB


Vorschriften:

PostG § 43
BGB § 807
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

14 U 15/04

Anlage zum Protokoll vom 25. November 2004

Verkündet am 25. November 2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Büttner, den Richter am Oberlandesgericht Thiesmeyer sowie die Richterin am Oberlandesgericht Schwarz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 8. Juni 2004 - 10 O 93/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Briefmarkenhändler. Am 28. August 2003 reichte er bei der Beklagten von ihm kurz zuvor erworbene Pfennig-Briefmarken, die durch das Bundesministerium der Finanzen mit Wirkung ab dem 1. Juli 2002 für ungültig erklärt worden waren, zum Umtausch gegen Briefmarken mit EURO-/Cent-Angabe ein. Die Beklagte verweigerte den Umtausch unter Hinweis darauf, dass die von ihr eingeräumte und entsprechend veröffentlichte Frist zum Umtausch ungültiger Pfennig-Briefmarken in Briefmarken mit EURO-/Cent-Angabe zum 30. Juni 2003 abgelaufen sei. Bei ihr bis zum 15. Juli 2003 eingegangene Briefmarken hatte die Beklagte zuvor noch umgetauscht. So waren auch die ihr von dem Kläger Anfang Juli 2003 vorgelegten Pfennig-Briefmarken im Gesamtwert von mehr als 20.000 DM mit Anschreiben vom 9. bzw. 10. August 2003 in entsprechende Briefmarken mit Euro-/Cent-Angabe ausgetauscht worden.

Mit der Klage hat der Kläger von der Beklagten Zug-um-Zug gegen Einlieferung von Pfennig-Briefmarken im Gesamtwert von 95.000 DM Herausgabe von Briefmarken zu € 0,45 bzw. € 0,55 im Gesamtwert von 48.572,73 € verlangt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe darauf vertraut und vertrauen dürfen, dass die Beklagte über den 10. August 2003 hinaus noch ungültige Briefmarken eintauschen werde, nachdem sie Anfang Juli eingesandte Pfennig-Briefmarken ohne Hinweis auf den Ablauf der Umtauschfrist umgetauscht habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zug-um-Zug gegen Einlieferung von Pfennig-Briefmarken im Gesamtwert von 95.000 DM Briefmarken zu € 0,45 bzw. € 0,55 im Gesamtwert von 48.572,73 € herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie habe von einer ihr zustehenden Befugnis, den Umtausch ungültig gewordener Briefmarken zeitlich zu befristen, angemessen Gebrauch gemacht.

Durch Urteil vom 8. Juni 2004, auf das der Senat wegen aller weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug nimmt, hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten auch nach Ablauf des 30. Juni 2003 noch den Umtausch ungültiger Pfennig-Briefmarken, die als Inhaberpapiere im Sinne von § 807 BGB zu qualifizieren seien, gegen aktuelle Postwertzeichen verlangen. Ein Recht auf Umtausch ergebe sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Soweit die Beklagte dieses Umtauschrecht auf ein Jahr befristet habe, sei diese Befristung jedenfalls zu kurz.

Gegen das ihr am 9. Juni 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Juli 2004 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am 3. August 2004 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wendet sich gegen die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene rechtliche Einordnung der Briefmarke und vertritt die Auffassung, die Briefmarke sei als Wertträger oder Zahlungsmittel zu qualifizieren. Des Weiteren rügt die Beklagte, das Landgericht habe nicht korrekt zwischen dem Verschaffungsvertrag hinsichtlich des Erwerbs des angeblichen Inhaberpapiers und der angeblichen Rechte aus dem Inhaberpapier differenziert. Darüber hinaus sei der elementare Grundsatz des Kaufrechts außer Acht gelassen worden, dass eine Verschlechterung der Kaufsache, die zum Zeitpunkt des Erwerbs mangelfrei war, in den Risikobereich des Käufers und nicht des Verkäufers falle. Schon mangels Vorliegens einer Regelungslücke scheide deshalb aus, einen Umtauschanspruch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu konstruieren. Selbst wenn ein solcher Umtauschanspruch aber bestehen solle, sei die von ihr gewährte Umtauschfrist nicht unangemessen kurz. Das Landgericht habe einseitig die Interessen des Klägers berücksichtigt, ohne auf die Belange der Beklagten einzugehen. Schließlich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Bonn, Az. 10 O 93/04, vom 8.6.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger schließt sich den Darlegungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil an.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Umtausch der bei der Beklagten Ende August 2003 eingereichten Pfennig-Briefmarken nicht zu. Zu diesem Zeitpunkt war die von der Beklagten bis zum 30. Juni 2003 eingeräumte Umtauschfrist ungültiger Briefmarken abgelaufen; entgegen den Darlegungen des Landgerichts kann der Kläger von der Beklagten einen Umtausch nach Ablauf dieser Frist nicht verlangen.

Infolge der Privatisierung des Postwesens steht die privatrechliche Bewertung des Erwerbs von Postwertzeichen auch unter der Geltung des § 43 Abs. 1 PostG außer Zweifel, vgl. Stern in Beckscher PostG-Kommentar, 2. Auflage 2000, § 43 Rn. 7. Seitdem beinhaltet der Erwerb einer Briefmarke unstreitig den Abschluss eines Kaufvertrags im Sinne des § 433 BGB und eine Übereignung nach § 929 BGB, vgl. Beckscher PostG-Kommentar a.a.O.. Aus den Regeln des Kaufrechts kann vorliegend jedoch weder der Kläger Rechte herleiten noch kann die Beklagte sich darauf berufen, das Risiko einer Verschlechterung der Kaufsache treffe nach Abschluss des Kaufvertrages allein den Käufer. Die Parteien streiten nämlich weder über einen Sach- noch über einen Rechtsmangel der zum Umtausch vorgelegten Briefmarken, deren Substanzwert im Zeitpunkt der Ausgabe durch die Beklagte allenfalls geringfügig war und deren Eignung als Sammlerobjekt auch nach Ablauf des 30.6 2002 unverändert fortbesteht, sondern darüber, welche Rechte dem Erwerber zustehen, wenn Postwertzeichen für ungültig erklärt werden und sie damit ihre postalische Funktion im nationalen und internationalen Postverkehr verlieren.

Gesetzliche Regelungen für diesen Fall fehlen. Das Postgesetz sieht weder einen Rückerstattungsanspruch in Geld vor noch die Möglichkeit eines Umtauschs ungültiger Briefmarken in aktuelle. Die rechtliche Einordnung von Postwertzeichen ist streitig. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass mit dem Erwerb von Postwertzeichen ein Beförderungsvertrag noch nicht entsteht, sondern dieser erst mit Aufgabe und Annahme der Postsendung zustande kommt. Dabei kommt auch im privatrechtlich ausgestalteten Postverkehr Postwertzeichen die Aufgabe zu, sich wiederholende gleichartige Zahlungsvorgänge zu erleichtern. Eine gültige Briefmarke kann der Erwerber jederzeit zur Freimachung einer postordnungsgemäßen Sendung einsetzen und damit das Recht auf Beförderung der Sendung einlösen, vgl. Stern in Beckscher PostG-Kommentar a.a.O., Rn. 8 m.w.N.. Vor diesem Hintergrund wird entsprechend der bisher unter der Geltung einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Postbenutzungsverhältnisses herrschenden Meinung auch weiterhin die Ansicht vertreten, Briefmarken seien Ersatzmittel für Geld und damit Zahlungsmittel, vgl. Palandt-Sprau, 63. Auflage 2004, § 807 Rn. 1; Jauernig-Stadler, BGB, 11. Auflage 2004, § 807 Rn. 1 Demgegenüber sieht eine neuere Ansicht nach der Privatisierung des Postwesens Postwertzeichen als Inhaberpapier im Sinne von § 807 BGB an, vgl. Schmidt NJW 2000, 200, 202; Staudinger-Marburger (2002), § 807 Rn. 5; Münchener-Kommentar - Hüffer, 4. Auflage 2004 , § 807 Rn. 12 und 13.; Schließlich wird die Auffassung vertreten, Postwertzeichen stünden zwischen Geld und Wertpapier und seien den kleinen Inhaberpapieren des § 807 BGB nur angenähert, vgl. Stern in Beckscher PostG-Kommentar, a.a.O. Rn. 8.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass nach der Privatisierung des Postwesens für eine Gleichstellung von Briefmarken mit Zahlungsmitteln keine Veranlassung mehr besteht, Briefmarken vielmehr rechtlich als sogenannte kleine Inhaberpapiere im Sinne von § 807 BGB einzuordnen sind. Briefmarken sind auf den Inhaber lautende Marken und Zeichen, mit denen die Beklagte an denjenigen frei werden will, der gültige Briefmarken in Höhe des vereinbarten Leistungsentgelts auf das Beförderungsgut klebt. Dabei will die Beklagte aus unternehmerisch-betrieblicher Rationalisierung nicht nachprüfen müssen, ob der einzelne eine Briefmarke aufklebende Inhaber rechtmäßigen Besitz und Eigentum an der einzelnen Briefmarke hat mit der Folge, dass die Briefmarke jeden Inhaber förmlich zur Forderung der Leistung legitimiert. Dass die versprochene Leistung dabei nur abstrakt definiert ist, weil bei Ausgabe der Briefmarke noch nicht feststeht, welche Beförderungsleistung konkret in Anspruch genommen werden wird, steht der Klassifierung der Briefmarke als Inhaberpapier im Sinne von § 807 BGB nicht entgegen. Dies hat das Landgericht mit überzeugender Begründung dargelegt, der sich der Senat vollumfänglich anschließt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Davon, dass Briefmarken nicht als Zahlungsmittel zu werten sind, geht auch der Verfasser des von der Beklagten als Anlage B 2 vorgelegten Schreibens vom 1.3.2004, Bl. 57 ff. d.A, aus, der in seiner Eigenschaft als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen dargelegt hat, dass aufgrund der wesentlich leichteren Möglichkeit Marken zu fälschen, diese dem Geld als Zahlungsmittel nicht gleichgesetzt werden können und das Postgesetz deshalb auch keinen Rückanspruch in Geld vorsieht. Zwar verlangt der Kläger vorliegend einen Ersatz in Geld für die ungültig gewordenen Pfennig-Briefmarken nicht, so dass es auf die Frage, ob ein solcher Anspruch überhaupt besteht, nicht ankommt. Mangels einer rechtlichen Gleichstellung von Postwertzeichen und Geld scheidet aber auch ein Anspruch auf Umtausch von Briefmarken unter dem Gesichtspunkt , dass auf Deutsche Mark lautende Banknoten und die von der Bundesrepublik Deutschland ausgegebenen, auf Deutsche Mark oder Deutsche Pfennig lautenden Bundesmünzen nach wie vor in jetzt gültige Euro-Banknoten und Euro-Münzen umgetauscht werden können, von vornherein aus.

Auf Inhaberpapiere im Sinne von § 807 BGB finden die Vorschriften des § 793 Abs. 1 ZPO und der §§ 794, 796, 797 BGB entsprechende Anwendung. Daraus folgt, dass der Inhaber seine Rechte aus dem Begebungsvertrag, d.h. der sachenrechtlichen Übereignung der Urkunde sowie der Einigung über die schuldrechtliche Begründung der verbrieften Forderung, zwar nicht verliert, dass er sie aber wegen § 797 BGB nicht ausüben kann, da der Aussteller nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet ist. Damit der Inhaber einer Inhaberschuldverschreibung im Sinne von § 793 BGB gleichwohl nicht schutzlos dasteht, sehen die §§ 798 ff. BGB Regelungen für die Fälle der Beschädigung oder Verunstaltung der Urkunde bzw. der Vernichtung oder des Abhandenkommens vor. Es kommt entweder die Ausstellung einer Ersatzurkunde gemäß § 798 BGB oder aber - bei Vernichtung und Abhandenkommen - die Kraftloserklärung gemäß § 799 ff. BGB in Betracht. Unabhängig davon, dass diese Vorschriften auf die sogenannten kleinen Inhaberpapiere im Sinne von § 807 BGB nicht anwendbar sind, ist der Fall, dass eine Urkunde ihre Gültigkeit durch staatlichen Hoheitsakt verliert, auf den keine der ausschließlich auf privatrechtlicher Ebene miteinander kontaktierenden Parteien Einfluss hat, in den §§ 793 ff. BGB nicht geregelt. Ebenso wie das Landgericht sieht der Senat deshalb die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung als erfüllt an. Hätten die Parteien den nicht geregelten Fall, dass ausgegebene Postwertzeichen später durch das Bundesministerium der Finanzen für ungültig erklärt werden, bedacht, hätten sie einen Umtausch in gültige Briefmarken vereinbart. Hierfür spricht bereits, dass die Beklagte, nachdem Pfennig-Briefmarken ihre Gültigkeit verloren hatten, ihren Kunden von sich aus einen Umtausch in Briefmarken mit Euro-/Cent-Angaben angeboten und ermöglicht hat. Dies ergibt sich aber auch daraus, dass der Kläger in der Vergangenheit wiederholt von diesem Umtauschrecht Gebrauch gemacht hat, ohne auf einer anderen Art der Vertragsabwicklung zu bestehen.

Dass die Beklagte die Umtauschmöglichkeit auf den 30. Juni 2003 befristet hat, begegnet keinen Bedenken. Anders als das Landgericht sieht der Senat keine Veranlassung für die Annahme, dass die Frist unangemessen kurz war und der Kläger hierdurch einseitig benachteiligt ist. Eine Abwägung der gegenseitigen Interessen führt vielmehr zu der Annahme, dass die eingeräumte Frist ausgewogen ist. Die ergänzende Vertragsauslegung hat sich allein danach zu orientieren hat, was die Parteien bei einer angemessenen Würdigung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten. Gemessen an diesen Kriterien ist die Dauer der von der Beklagten gewährten Frist nicht zu beanstanden. Sie ist mit dem Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung vereinbar und kann nicht als unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden.

Während Postkunden durch die Befristung des Umtauschs ungültiger Briefmarken nur Gefahr liefen, den Gegenwert für die von ihnen bereits erbrachte Zahlung, nämlich die Beförderungsleistung der Beklagten, nicht mehr einlösen zu können, waren die Risiken, denen die Beklagte durch einen unbefristeten Umtausch bzw. durch eine sich über einen längeren Zeitraum hinziehende Umtauschmöglichkeit ausgesetzt gewesen wäre, weitaus größer. Die bis 30. Juni 2002 gültigen Pfennig-Briefmarken waren - anders als die Euro-Briefmarken - nicht fälschungssicher. Wie sich aus der von dem Kläger als Computerausdruck zu den Akten gereichten Internetseite der Beklagten - Stand 10.9.2002 -, Bl. 12 ff. d.A., ergibt, waren 1.600 verschiedene Pfennig-Briefmarken in Umlauf. Schon diese hohe Zahl, die die Anzahl der im Umlauf befindlichen Banknoten bei weitem übersteigt, belegt die Fälschungsanfälligkeit. Dass die Beklagte unter diesen Umständen daran interessiert ist, den Umtausch ungültiger Briefmarken zeitlich zu begrenzen, um der Gefahr zu begegnen, noch in weiter Zukunft mit gefälschten Briefmarken konfrontiert zu werden, für die sie keinen Gegenwert erhalten hat, liegt nahe, und zwar unabhängig von der Frage, wer letztlich den Beweis für die Echtheit zu erbringen hat. Angesichts des Massengeschäfts besteht ein anzuerkennendes Interesse der Beklagten daran, Gewissheit darüber zu erlangen, ab wann sie nicht mehr mit dem Risiko eines Missbrauchs rechnen muss. Hinzu kommt, dass der Umtausch für die Beklagte mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand verbunden ist. Diesen Aufwand zu begrenzen, liegt ebenfalls im anzuerkennenden Interesse der Beklagten. Ein überwiegendes Kundeninteresse an einer möglichst langfristigen Umtauschmöglichkeit lässt sich demgegenüber nicht feststellen. Nach der Einführung des Euro zum 1.1.2002, die seit Jahren publik war, behielten Pfennig-Briefmarken noch bis zum 30. Juni 2002 ihre Gültigkeit; vorhandene Briefmarken konnten innerhalb dieser Zeit verbraucht werden. Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Verbrauch bei einer überwiegenden Anzahl von Postkunden auf Schwierigkeiten stieß, ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Angesichts des Umstandes, dass Postwertzeichen einzeln vertrieben werden, bestand für niemanden Veranlassung, einen Vorrat an Briefmarken anzulegen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Belange von mittleren und Großkunden. Mit zunehmender Verbreitung technischer Alternativen zur Freimachung von Postsendungen wie etwa der Freistemplung und der Infopost sowie mit zunehmender Nutzung elektronischer Substitute zur Informationsübermittlung ( Fax, e-mail, Internet ) dürfte gerade deren Bedarf an vorgehaltenen Postwertzeichen gering sein. Dass die sich nach Ablauf des 30. Juni 2002 anschließende Umtauschfrist von einem Jahr zu kurz war, um bis dahin nicht verbrauchte Marken gegen gültige einzutauschen, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Auch der Kläger macht nicht geltend, dass die Kürze der Zeit den Umtausch unangemessen erschwert hat oder gar aus Gründen, die nicht in seinen Risikobereich fallen, unmöglich machte. Vielmehr verlangt er den Umtausch von Marken, die er unstreitig erst nach dem 30. Juni 2003 weit unter dem Nominalwert erworben hat. Dass die von der Beklagen gewährte Umtauschfrist nicht zu kurz ist, belegt auch ein Vergleich mit den in der Vergangenheit durch den Bundespostminister bewilligten Umtauschkonditionen, die noch wesentlich kürzere Fristen vorsahen. So betrug die im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung und der Änderung des Status der Stadt und des Landes Berlin angeordnete Aufbrauchfrist für die Postwertzeichen "Deutsche Post" und "Deutsche Post Berlin" ein dreiviertel Jahr, die anschließende Umtauschfrist war auf drei Monate begrenzt. Auch im Jahre 1969 war keine längere Umtauschfrist für die Sonderpostwertzeichen vorgesehen, die mit Ablauf des 31. Dezember 1968 ihre Gültigigkeit verloren. Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Postwesen damals hoheitlich organisiert war; gleichwohl bestehen keine Bedenken, die damaligen Fristen, mit denen ebenfalls in die Rechte der Inhaber von Postwertzeichen eingegriffen wurde, zum Vergleich heranzuziehen. Auch Stern, a.a.O. Rn. 16, der Postwertzeichen als den kleinen Inhaberpapieren des § 807 BGB angenähert ansieht, geht von einer angemessenen Frist zum Eintausch ungültiger Briefmarken gegen Postwertzeichen, die auf die neue Währung lauten, aus; eine unbegrenzte oder jedenfalls sehr ausgedehnte Umtauschfrist schlägt er dagegen nicht vor.

Schließlich kann der Kläger sich nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12. Juni 2001, NJW 2001, 2635 ff., zur Frage des Verfalls eines Telefonkartenguthabens bei Gültigkeitsablauf berufen. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Während dort das Telekommunikationsunternehmen seine Pflicht zur Erfüllung des Vertrages schon bei Vertragsabschluss befristet hatte, hatte vorliegend keine Vertragsseite Einfluss darauf, ob bzw. innerhalb welchen Zeitraums das Bundesfinanzministerium die Ungültigkeit von Pfennig-Briefmarken anordnen würde. Schon hierin liegt der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Fallgestaltungen. Hinzu kommt, dass niemand gehalten ist, mehr Briefmarken zu erwerben als zur Freimachung einer Postsendung, deren Beförderung beabsichtigt ist, nötig ist. Im Gegensatz hierfür wurden in dem durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall von dem beklagten Telekommunikationsunternehmen nur Telefonkarten mit einem bestimmten Mindestwert ausgegeben ohne Rücksicht darauf, ob der Erwerber viel oder wenig telefonieren will, mit der Folge, dass auch derjenige, der nur ein einzelnes Ortsgespräch führen wollte, mit dem Erwerb einer Telefonkarte den Gegenwert einer größeren Anzahl von Telefongesprächen, von denen noch ungewiss ist, ob und wann er sie führen wird, vorab bezahlen musste. Hinzu kam, dass das beklagte Telekommunikationsunternehmen seine öffentlichen Fernsprecher im Laufe der Jahre ganz überwiegend vom Münzbetrieb auf den Kartenbetrieb umgestellt hatte, also auch diejenigen Interessenten, die nur verhältnismäßig selten in die Verlegenheit kommen, einen öffentlichen Fernsprecher benutzen zu müssen, gezwungen waren, eine Telefonkarte zu erwerben. Vor diesem Hintergrund, der keine Gemeinsamkeiten mit dem vorliegenden Fall aufweist, hat der Bundesgerichtshof die im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen festgelegte Gültigkeitsdauer von drei Jahren und drei Monaten ab Herstellung der jeweiligen Telefonkarte gemäß § 9 Abs. 1 AGBG für unwirksam gehalten. Dazu, ob und welche längere Befristung dagegen wirksam wäre, hat der Bundesgerichtshof keine Ausführungen gemacht. Auch deshalb kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf die vorgenannte Entscheidung berufen. Dass jedwede Befristung zu kurz ist, hat der Bundesgerichthof gerade nicht gesagt.

Ein Recht auf Umtausch nach Ablauf des 30. Juni 2003 ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger aufgrund des eigenen Verhaltens der Beklagten auf einen solchen Umtausch hatte vertrauen dürfen. Insoweit fehlt es bereits am Vertrauenstatbestand. Eine Verlängerung der Frist ist von der Beklagten nie in Aussicht gestellt oder gar veröffentlicht worden. Alle von der Beklagten veranlassten Publikationen weisen den 30. Juni 2003 als Ende der Umtauschfrist aus. Allein aus dem Umstand, dass Anfang Juli 2003 von dem Kläger eingereichte Pfennig-Briefmarken noch mit Anschreiben vom 9. bzw. 10. August 2003 umgetauscht worden waren, konnte der Kläger nicht entnehmen, dass die Beklagte trotz ihrer anderslautenden Veröffentlichungen an der von ihr selbst gesetzten Frist nicht festhalten, sondern noch über dieses Datum hinaus Briefmarken umtauschen werde. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass sie aus Kulanzgründen und wegen etwaiger längerer Postlaufzeiten intern einen Umtausch aller bis zum 15. Juli 2003 bei ihr eingegangenen Briefmarken vorgenommen habe. Auch wenn sich nicht erschließt, weshalb nicht entsprechend dem Procedere bei sonstigen fristgebundenen Sendungen für die Frage der Fristwahrung das Einlieferungsdatum maßgebend war, konnte der Kläger allein hieraus jedenfalls nicht darauf schließen, dass die Beklagte auch in Zukunft weiter den Umtausch von Pfennig-Briefmarken durchführen werde.

Da der Kläger den von ihm beanspruchten Umtausch aus rechtlichen Gründen nicht verlangen kann, kommt es darauf, ob die von ihm der Beklagten vorgelegten Pfennig-Briefmarken echt sind, bzw. darauf, ob die Beklagte in prozessual zulässiger Weise deren Echtheit bestritten hat, nicht an. Ebenso wenig bedurfte es einer Entscheidung über die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO ( Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit ).

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO zugelassen, weil die Entscheidung von einer über den Einzelfall hinaus bedeutsamen klärungsbedürftigen Frage, nämlich, ob die bis zum 30. Juni 2003 von der Beklagten eingeräumte Frist zum Umtausch ungültiger Pfennig-Briefmarken wirksam ist, abhängt, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 48.572,73 €

Ende der Entscheidung

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