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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 14 U 20/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 807
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 8. August 2006 Az. - 10 O 279/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Briefmarkenhändlerin. Sie verlangt von der Beklagten den Umtausch von Pfennig-Briefmarken in Briefmarken mit Euro/Cent-Wertzeichen im Gesamtwert von € 500.000.

Mit Wirkung zum 1. Juli 2002 erklärte das Bundesministerium der Finanzen die ursprünglich unbefristet ausgegebenen Pfennig-Briefmarken für ungültig, worauf es in einer Pressemitteilung vom 27. Januar 2000 erstmalig hinwies. Ab Januar 2001 wurden ausschließlich solche Briefmarken ausgegeben, die ihren Nominalwert sowohl in Euro/Cent als auch in DM/Pfennig angaben. Die Beklagte tauschte Pfennig-Briefmarken ab dem 1. Juli 2002 gegen solche mit Euro-/Cent-Angabe ein. Auf Flugblättern und auf ihrer Internetseite wies sie zunächst darauf hin, dass ein Umtausch "voraussichtlich" bis zum 30. Juni 2003 möglich sei; spätere Flugblätter erhielten den Zusatz "voraussichtlich" nicht mehr. Tatsächlich tauschte die Beklagte alle bei ihr bis zum 15. Juli 2003 eingegangenen Pfennig-Briefmarken in Euro-/Cent-Marken ein.

Die Klägerin legte der Beklagten vom 1. Juli 2002 bis zum 15. Juli 2003 Briefmarken im Gesamtwert von 563.000 DM vor, die diese gegen Euro-Briefmarken einlöste. Den am 10. Juli 2003 und 6. Oktober 2003 geäußerten Bitten der Klägerin um Fristverlängerung von ein bis zwei Jahren entsprach die Beklagte nicht.

Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten Zug-um-Zug gegen Einlieferung von Pfennig-Briefmarken in einem Gesamtwert von 977.915,00 DM Herausgabe von Briefmarken zu € 0,45 bzw. € 0,55 im Gesamtwert von € 500.000,00 verlangt.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zum Umtausch auch nach Fristende verpflichtet gewesen. Sie - die Klägerin - sei an einem fristgerechten Umtausch aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen. Dazu hat die Klägerin behauptet, in ihrem Bestand befänden sich echte Pfennig-Briefmarken im Gesamtwert von 977.915,00 DM, die sie nicht durch gezielte Ankäufe nach dem 30. Juni 2003 erworben habe. Ihr Geschäft umfasse 400 Quadratmeter Lagerfläche, auf denen sie 83 Aktenschränke, 36 Schwerlastregale und 511 weitere Transportkisten mit insgesamt ca. 100 Tonnen Briefmarken in ungefähr 54.025 Alben verwahre. Hinzu käme weitere unsortierte Ware in Briefumschlägen, Kisten und Schachteln. Sie habe mit der Durchsicht ihres Lagerbestandes Ende 2001 begonnen; insgesamt seien aber ein bis anderthalb weitere Jahre notwendig gewesen, um das gesamte Lager auf Pfennigbriefmarken zu sichten. Die Existenzgrundlage ihres Geschäftsführers sei gefährdet, wenn ein weiterer Umtausch nicht stattfinde.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - Zug um Zug gegen Einlieferung von Pfennig-Briefmarken im Gesamtwert von DM 977.915 Briefmarken mit € 0,45 bzw. € 0,55 im Gesamtwert von € 500.000 herauszugeben.

Hilfsweise hat sie beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, an sie - die Klägerin - Zug um Zug gegen Einlieferung von Pfennig-Briefmarken im Gesamtwert von DM 977.915 Briefmarken mit € 0,45 bzw. € 0,55 im Gesamtwert von € 500.000 herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einem längerfristigen Umtauschrecht sei nicht zu erkennen, da die Klägerin es zu vertreten habe, die Briefmarken nicht innerhalb der Frist bis zum 30. Juni 2003 eingetauscht zu haben.

Durch Urteil vom 8. August 2006, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage entspreche im Hauptantrag nicht den Erfordernissen des § 253 II Nr. 2 ZPO, weil die Zug-um-Zug-Einschränkung nicht bestimmt genug sei. Im Hilfsantrag sei die Klage - unabhängig von der Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag bestehe - zumindest unbegründet. Ein Anspruch auf Umtausch der als kleine Inhaberpapiere im Sinne des § 807 BGB zu qualifizierenden Briefmarken könne sich zwar aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Dieses Recht sei aber zulässigerweise auf ein Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der Marken befristet worden. Die Voraussetzungen für eine - ausnahmsweise zu bewilligende - Verlängerung der Frist lägen nicht vor. Die Klägerin sei an einem rechtzeitigen Umtausch nicht aus von ihr nicht zu vertretenden Umständen gehindert gewesen, da sie seit Anfang 2001 Anlass gehabt habe, ihre Bestände auf Pfennig-Briefmarken durchzusehen.

Gegen das ihr am 10. August 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 11. September 2006, Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. November 2006 mit einem am 10. November 2006 beim Oberlandesgericht eingereichten Schriftsatz begründet.

Die Klägerin wendet sich gegen die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts, die sie für unvollständig und unrichtig hält, da das Landgericht über die von ihr behauptete betriebliche Situation keinen Beweis erhoben habe. Sie ist der Ansicht, die starre Umtauschfrist, die nicht zwischen Privatkunden und Händlern unterscheide, sei bereits wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. Im Übrigen vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, an sie - die Klägerin - Zug um Zug gegen Einlieferung von Pfennig-Briefmarken im Gesamtwert von DM 977.915 Briefmarken mit € 0,45 bzw. € 0,55 im Gesamtwert von € 500.000 herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da ein "Feststellungsantrag auf eine Leistung" dem Zivilprozess fremd sei und der Klageantrag nicht den Erfordernissen des § 253 II Nr. 2 ZPO entspreche. Im Übrigen schließt sie sich den Darlegungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil an.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, denn die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Bedenken der Beklagten gegen die Bestimmtheit des Klageantrages teilt der Senat nicht. Sofern die Gegenleistung bei einer beantragten Zug-um-Zug-Verurteilung nicht hinreichend bestimmt werden kann, ist zwar eine Leistungsklage unzulässig. Dem Kläger bleibt in einem solchen Fall jedoch der Übergang zur Feststellungsklage (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 253 Rn. 13 c). Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Aufwand, den die Bestimmung ihrer eigenen Gegenleistung mit sich gebracht hätte, besteht zudem ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin für den geltend gemachten Feststellungsantrag.

Der Klägerin hat aber keinen Anspruch auf weiteren Umtausch von Briefmarken. Der Fall, dass Briefmarken ihre Gültigkeit durch staatlichen Hoheitsakt verlieren, ist weder gesetzlich noch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geregelt. Diese Lücke ist durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen. Wie der erkennende Senat und der Bundesgerichtshof bereits festgestellt haben, hätten redliche und verständige Vertragsparteien ein Umtauschrecht vereinbart, das zulässigerweise auf ein Jahr befristet werden konnte, ohne die Kunden der Beklagten in unangemessener Weise zu benachteiligen (BGH, Urteil vom 11.10.2005 - XI ZR 395/04, NJW 2006, 54; OLG Köln, Urteil vom 25.11.2004 - 14 U 15/04). Denn eine Abwägung der Interessen der Kunden der Beklagten an einem fristlosen oder zumindest längerem Umtauschrecht auf der einen und den Interessen der Beklagten an einem auf ein Jahr befristeten Umtauschrecht auf der anderen Seite führt zu der Annahme, dass die eingeräumte Frist gegenüber ihren Durchschnittskunden ausgewogen ist. Eine Differenzierung der Fristen gegenüber Privaten und Händlern, wie sie die Klägerin für geboten hält, war weder notwendig noch zulässig. Es ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargelegt, dass Briefmarkenhändler generell im Gegensatz zu Privatkunden von der Fristsetzung unangemessen benachteiligt wurden.

Der Klägerin steht auch unter Berücksichtigung ihrer Interessen im Einzelfall kein Recht auf Fristverlängerung zu. Eine solche Fristverlängerung kann zwar ausnahmsweise dann gerechtfertigt sein, wenn einzelne Kunden der Beklagten ohne eigenes Verschulden daran gehindert waren, die von der Beklagten gesetzte Frist einzuhalten (BGH, Urteil vom 11.10.2005 - XI ZR 395/04, NJW 2006, 54). Die Klägerin hat ihre Verhinderung an einem rechtzeitigen Umtausch jedoch zu vertreten. Sie hätte nicht bis Ende 2001 untätig bleiben und darauf vertrauen dürfen, dass es zu einem unbefristeten Umtausch kommen werde, sondern bereits ab Januar 2000 damit beginnen müssen, ihren Bestand zu sichten und Pfennigbriefmarken auszusondern. Da sie den hierfür erforderlichen Zeitaufwand selbst mit einem bis anderthalb Jahren veranschlagt hat, hätte sie die von der Beklagten gesetzte Umtauschfrist einhalten können.

Die Klägerin hat es schuldhaft versäumt, Pfennigbriefmarken ab Januar 2000 aus ihrem Bestand auszusortieren. Dazu hätte sie sich als Händlerin im Philateliegewerbe veranlasst sehen müssen, weil ab diesem Zeitpunkt allgemein bekannt war, dass die Pfennigmarken zum 1. Juli 2002 ihren Nominalwert verlieren würden. Dem steht nicht entgegen, dass die Währungsreform - wie in anderen europäischen Ländern - nicht zwingend eine Umstellung der Briefmarken mit sich bringen musste. Denn das Bundesfinanzministerium hatte die Änderung in der Bundesrepublik durch entsprechende Pressemitteilungen, von denen die Klägerin als Gewerbetreibende im Philateliebereich zumindest Kenntnis haben musste, frühzeitig bekannt gegeben. In dieser Situation durfte sie nicht nahezu zwei Jahre darauf vertrauen, dass ein Umtausch unbefristet gewährt werden würde. Denn selbst wenn zunächst ein Fristende des Umtausches noch nicht bekannt gegeben war, war eine Befristung des Umtauschs entsprechend der Interessenlage vorhersehbar.

Es sind auch keine weiteren Gründe dafür ersichtlich, dass die Klägerin darauf vertrauen durfte, die Beklagte werde einen Umtausch nach Ablauf der Frist des 30. Juni 2003 vornehmen. Die Beklagte hat dadurch, dass sie zunächst von einem "voraussichtlichen" Fristende zum 30. Juni 2003 sprach, keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Klägerin trägt nicht vor, die Beklagte habe jemals ein alternatives Datum genannt, das Rechtsunsicherheit oder -unklarheit geschaffen hätte, oder sie - die Klägerin - durch ein anders lautendes Datum in die Irre geleitet.

Schließlich führt auch die von der Klägerin behauptete Existenzgefährdung ihres Geschäftsführers nicht dazu, dass ihr Vertrauen gegenüber der Beklagten schutzwürdiger ist als das anderer Kunden. Denn da der Klägerin ein rechtzeitiger Umtausch möglich gewesen wäre, wenn sie rechtzeitig und nicht erst Ende 2001 mit dem Vorsortieren begonnen hätte, hat sie selbst die Verantwortung für die wirtschaftliche Situation ihres Betriebes und ihres Geschäftsführers zu tragen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nach § 543 ZPO nicht zuzulassen, weil die Entscheidung nicht von einer über den Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Frage abhängt. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob die Begrenzung der Umtauschfrist auf ein Jahr grundsätzlich angemessen war, bereits entschieden und auch zu den rechtlichen Voraussetzungen für einen Ausnahmefall Stellung genommen. Im vorliegenden Fall war lediglich im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände zu entscheiden, ob der Klagevortrag die bereits vom Bundesgerichtshof formulierten Voraussetzungen erfüllt.

Streitwert: 400.000 €

Ende der Entscheidung

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