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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.07.2006
Aktenzeichen: 14 U 29/05
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1b Abs. 1
BetrAVG § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
BetrAVG § 17 Abs. 1 S. 2
BetrAVG § 30f
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10. November 2005 - 24 O 416/04 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500,00 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe, auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts, leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 18.9.1948 geborene Kläger war aufgrund eines Mitarbeitervertrages vom 17.12.1985 ab 1.7.1986 Leiter des Bereichs Datenverarbeitung bei der Photo Q. GmbH & Co. KG. In der Folgezeit wurde die Photo Q. GmbH & Co. KG in eine Aktiengesellschaft - Q. AG - umgewandelt. Mit Wirkung zum 1.1.1992 wurde der Kläger zum ordentlichen Vorstandsmitglied bestellt. Der hierzu abgeschlossene Dienstvertrag vom 19.12.1991 wurde durch den Dienstvertrag vom 23.4.1992 ersetzt, der erstmals eine Regelung über die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung enthielt. Wegen der näheren Ausgestaltung war auf die Pensionsordnung für Vorstandsmitglieder der Q. AG verwiesen, die zum 1.1.1992 in Kraft getreten war. Nach dieser Pensionsordnung sollte der Anspruch auf Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung dem Grunde nach mit Ablauf einer zehnjährigen Betriebszugehörigkeit entstehen und das Altersruhegeld nach Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt werden. Zuvor hatte es eine Q.-Pensionsordnung von 1965 gegeben, die aber nach Oktober 1972 keine Anwendung mehr gefunden hatte.

Aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung schied der Kläger zum 31.12.1995 als Vorstandsmitglied aus der Q. AG aus, sollte aber nach einem gleichzeitig mit der Q. AG abgeschlossenen Beratervertrag noch vom 1.1. bis 31.12.1996 als Berater für Informatik und EDV-Organisation zur Verfügung stehen.

Am 2.9.2002 wurde über das Vermögen der Q. AG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Nachdem der Beklagte vorgerichtlich seine Einstandspflicht abgelehnt hat, begehrt der Kläger im vorliegenden Verfahren die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm - dem Kläger - nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Versorgungsrente nach der Pensionsordnung für Vorstandsmitglieder der Q. AG in Verbindung mit den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) zu zahlen.

Der Kläger hat behauptet, ihm sei vom damaligen Geschäftsführer der Komplementärin und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der Q. AG, dem Zeugen X., bei Eintritt in das Unternehmen am 1.7.1986 die grundsätzliche Zusage einer Pensionsregelung erteilt worden, wobei entweder die früher bei Q. angewandte Regelung oder eine für Führungskräfte neu zu schaffende Pensionsordnung habe angewandt werden sollen.

Dagegen hat der Beklagte eingewandt, der Kläger sei frühestens 1992 Inhaber einer verbindlichen Versorgungszusage geworden, vorher, insbesondere bei seinem Eintritt in das Unternehmen, sei ihm allenfalls unverbindlich eine Altersversorgung in Aussicht gestellt worden.

Das Landgericht hat Beweis durch Vernehmung des Zeugen X. über die Frage erhoben, ob dem Kläger bereits bei seinem Eintritt in das Unternehmen eine verbindliche Versorgungszusage gemacht worden ist, ob eine solche bis Ende 1996 fortbestanden hat und ob der Kläger im Jahre 1996 beratend für die Q. AG tätig geworden ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.10.2005 (Bl. 157 ff. d.A.) Bezug genommen.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz und wegen der Begründung verwiesen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Mit seiner hiergegen form- und fristgerecht erhobenen Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend:

* Der Mitarbeitervertrag vom 17.12.1985 enthalte keine Regelung über eine Versorgungszusage. Er trage die Vermutung der Vollständigkeit in sich, was gegen eine zum damaligen Zeitpunkt mündlich erteilte Versorgungszusage spreche. Zudem seien nach dem Vertrag mündliche Nebenabreden nicht getroffen worden. Eine erst am 1.7.1986 erteilte Zusage scheitere an der fehlenden Schriftform, die nach dem Mitarbeitervertrag für dessen Änderung erforderlich gewesen sei. Ähnliches gelte für den Dienstvertrag vom 19.12.1991. Angesichts dieser Umstände erscheine die Aussage des Zeugen X. nicht glaubhaft. Die Aussage sei auch aus anderen Gründen zur Überzeugungsbildung ungeeignet.

- Der von dem Zeugen X. unterzeichnete Vermerk vom 10.9.1996 begegne in mehrfacher Hinsicht Bedenken gegen die Richtigkeit der darin enthaltenen Erklärung.

- Des Weiteren ergebe sich aus mehreren versicherungsmathematischen Gutachten, dass die Versorgungsanwartschaft des Klägers weder in der Bilanz 1996 noch in den Folgejahren als unverfallbar bezeichnet und immer von einer erst im Jahre 1992 erteilten Versorgungszusage ausgegangen worden sei. Weder von dem Kläger als Vorstandsmitglied noch von dem Zeugen X., dem als Aufsichtsratsvorsitzender die Prüfung der Bilanzen oblegen habe, seien diese Bilanzen gerügt worden. Die Fa. Q. habe auch nach dem angeblichen Eintritt der Unverfallbarkeit nie Beiträge an die Beklagte bezahlt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen und ihm zu gestatten, Sicherheit auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu leisten.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und behauptet außerdem, er sei überhaupt nur unter der Voraussetzung einer Versorgungszusage bereit gewesen, zu Q. zu wechseln. Damals seien allgemein von Führungskräften vor einem Eintritt in ein anderes Unternehmen derartige Zusagen verlangt worden, weswegen bei Q. auch an der neuen Pensionsordnung gearbeitet worden sei.

Der Senat hat durch erneute Vernehmung des Zeugen X. Beweis über die Frage erhoben, ob dem Kläger bereits bei Eintritt in das Unternehmen der Photo Q. GmbH & Co. KG eine verbindliche Versorgungszusage gemacht wurde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 8.6.2006 (Bl. 347 f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Eine Einstandspflicht des Beklagten für eine dem Kläger von der Firma Q. erteilte Versorgungszusage besteht nicht, weswegen die Feststellungsklage der Abweisung unterliegt.

1. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht auf die Voraussetzungen des § 7 II 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 1b I, 30f BetrAVG abgestellt. Von den Alternativen der hier einschlägigen Übergangsvorschrift des § 30f BetrAVG kommt nur die erste - mindestens 10-jähriger Bestand der Versorgungszusage - in Betracht, weil der Kläger eine 12-jährige Betriebszugehörigkeit unstreitig nicht aufweisen kann, auch wenn man die Dauer seiner Tätigkeit als Berater für die Q. AG bis zum 31.12.1996 mit einbezieht.

2. Entscheidend ist also, ob dem Kläger schon bis Ende 1986 eine verbindliche Versorgungszusage seitens der Firma Q. erteilt worden war. Anders als das Landgericht hat der Senat eine dahingehende Feststellung nicht treffen können, so dass es auf die weitere, vom Landgericht ebenfalls positiv beantwortete Frage, ob der Kläger über den 31.12.1995 als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 17 I 2 BetrAVG für Q. tätig geworden ist, nicht mehr ankommt.

a) Das Landgericht hat aufgrund der Bekundungen des Zeugen X. die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger im Jahre 1986 eine Versorgungszusage nicht nur in Aussicht gestellt sondern bereits rechtsverbindlich - in Form einer Blankettzusage - erteilt worden ist. Die protokollierte Aussage des Zeugen wirft indes Zweifel auf, die das Landgericht nicht hinreichend gewürdigt hat:

- Die Bekundung des Zeugen "...Im Anstellungsvertrag erfolgte 1986 kein Hinweis auf die Ruhegehaltszusage, weil es zu diesem Zeitpunkt eben noch keine Pensionszusage gab ...", steht nicht im Einklang mit dem von dem Zeugen unterzeichneten Vermerk vom 10.9.1996 (Bl. 14 des Anlagenhefters), in dem alternativ von der früheren Pensionsregelung oder von der neu zu schaffenden Regelung die Rede ist.

- Außerdem: Wenn es tatsächlich schon 1986 mündlich zu einer dem Vermerk vom 10.9.1996 entsprechenden Zusage gekommen war, hätte diese mit dem nämlichen Inhalt auch in den Mitarbeitervertrag aufgenommen werden können. Die Begründung des Zeugen für die Nichtaufnahme in den Vertrag, damals habe es noch keine Pensionsordnung gegeben, leuchtet also nicht ein. Die fehlende schriftliche Fixierung eines so wesentlichen Vorgangs wie der Erteilung einer Versorgungszusage erscheint umso weniger verständlich, wenn eine solche Zusage die Vorbedingung für den Wechsel des Klägers zur Firma Q. gewesen sein sollte, wie der Zeuge bekundet hat.

- Der von dem Zeugen bekundete Vorbehalt "... Für den Fall, dass es zur Umwandlung in eine AG nicht gekommen wäre,....In diesem Fall hätte dann wohl die Zusage auch nicht gegriffen. ..." findet sich in dem Vermerk vom 10.9.1996 nicht wieder. Andererseits kann dieser Teil der Aussage entgegen den Ausführungen des Landgerichts nicht als bloße Wiedergabe einer falschen Rechtsauffassung qualifiziert werden. Das Landgericht hat vernachlässigt, dass die betreffende Aussage mit der eingangs von dem Zeugen geschilderten Vorgabe durch die Schweizer Fa. J. (J.) korrespondiert. Danach sollten nämlich für den Fall der Umwandlung (!) der Firma in eine Aktiengesellschaft Ruhegehaltszusagen gemacht werden dürfen. Danach war es aber nur konsequent, wenn für den Nichteintritt dieses Falles eine Ruhegehaltszusage nicht greifen sollte.

- Wenn aber die mündliche Zusage mit diesem Vorbehalt versehen war, spricht dies wiederum dagegen, dass der Zeuge für die Firma Q. schon eine rechtsverbindliche Zusage abgegeben wollte.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist die Argumentation des Landgerichts, die Aussage des Zeugen stehe im Einklang mit seinem Vermerk vom 10.9.1996, nicht nachzuvollziehen.

b) Die erneute Vernehmung des Zeugen X. hat dem Senat nicht die Überzeugung verschaffen können, dass der Kläger schon 1986 eine rechtsverbindliche Versorgungszusage der Firma Q. erhalten hat, vielmehr sind die geschilderten Zweifel eher verstärkt worden.

Im Gegensatz zu seiner Aussage vor dem Landgericht und zu dem Vermerk vom 10.9.1996 hat der Zeuge nunmehr in Abrede gestellt, dass bei dem Gespräch mit dem Kläger alternativ eine Anwendung der alten Pensionsordnung der Firma Q. in Betracht gezogen worden sei. Für diesen Widerspruch hat der Zeuge eine plausible Erklärung nicht abzugeben vermocht. Es ist im Übrigen nicht anzunehmen, dass die heutige Erinnerung des Zeugen an mittlerweile rund 20 Jahre zurückliegende Vorgänge präziser ist als 10 Jahre früher bei Unterzeichnung des Vermerks, naheliegend ist eher das Gegenteil. So war das Erinnerungsvermögen des Zeugen jetzt auch hinsichtlich anderer Details eingeschränkt, wie etwa im Bezug auf das Jahr des Inkrafttretens der Pensionsordnung für Vorstandsmitglieder.

Wie der Beklagte zu Recht geltend gemacht hat, spricht gegen eine schon im Jahre 1986 rechtsverbindlich erteilte Pensionszusage auch der Umstand, dass damals noch gar nicht absehbar war, ob der Kläger überhaupt einmal in den Vorstand des Unternehmens berufen werden würde. Tatsächlich geschah dies auch erst rund 5 Jahre nach Eintritt des Klägers bei Q.. Angesichts dieser Unwägbarkeit im Jahre 1986 lag es eher fern, dass der Zeuge X. die Firma Q. schon damals verbindlich auf eine Pensionszusage festlegen wollte und sich dem Kläger gegenüber entsprechend geäußert hat. Die Bekundung des Zeugen vor dem Senat, er habe im Einstellungsgespräch mit dem Kläger auf dessen Frage darauf hingewiesen, dass eine Pensionsvereinbarung mit leitenden Mitarbeitern beabsichtigt sei, deutet auch eher in die Richtung einer unverbindlichen Vorankündigung oder eines bloßen Inaussichtstellens einer Versorgungszusage, zumal ja auch noch der bereits geschilderte Vorbehalt einer Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft im Raum stand. Gerade dieser Vorbehalt war zudem nach der jetzigen Aussage des Zeugen - im Gegensatz zu seiner Bekundung vor dem Landgericht, wo er die 1986 fehlende Pensionsordnung als Grund angeführt hat - der Grund dafür, dass die mündliche "Pensionszusage" in dem Mitarbeitervertrag von 1985 keinen Niederschlag gefunden hat, auch dies ein Hinweis darauf, dass ein Rechtsbindungswille der Firma Q. insoweit zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gegeben war.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO (Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit).

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, deren Schwerpunkt in der Tatsachenfeststellung und in der Auslegung liegt und die keiner Auseinandersetzung mit höchstrichterlich bisher nicht geklärten Rechtsfragen bedurfte.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 45.383,09 €

(3.082,00 x 36 = 110.952,00 DM, hiervon 80 % für Feststellung = 88.761,60 DM = 45.383,09 €, § 42 II GKG)

Ende der Entscheidung

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