Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 14 UF 72/07
Rechtsgebiete: SGB VIII, BGB


Vorschriften:

SGB VIII § 42
SGB VIII §§ 43 ff
SGB VIII § 45
BGB § 1632 Abs. 1
BGB § 1632 Abs. 4
BGB §§ 1793 ff.
BGB § 1800
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die befristete Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Euskirchen vom 22.03.2007 (14 F 169/04) teilweise abgeändert.

1. Die Herausgabeanordnung hinsichtlich der im Rubrum unter 2. bis 16. genannten Kinder wird aufgehoben.

2. Das Verbleiben der unter Ziffer 1. genannten Kinder bei den Antragsgegnern wird angeordnet.

3. Im Übrigen wird die befristete Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen.

4. Im Beschwerdeverfahren angefallene außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 22.03.2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Euskirchen bezüglich der im Rubrum genannten, bei den Antragsgegnern lebenden Kinder deren Herausgabe an die Antragstellerin angeordnet und den Verbleibensantrag der Antragsgegner zurückgewiesen. Zugleich hat es das Verfahren hinsichtlich weiterer Kinder, nämlich N., O.P., S.C. und Q.T. eingestellt, nachdem im Laufe des Verfahrens bereits hinsichtlich der Kinder D. und U.T. eine Verfahrenseinstellung erfolgt war.

Der Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - vorausgegangen waren Beschlüsse des Familiengerichts vom 30.12.2005 und des Vormundschaftsgerichts vom 09.01.2006.

Mit dem ersten wurde bezüglich der im Rubrum unter 1. bis 12. genannten, aus Äthiopien stammenden Kinder, die nach dem Vortrag der Antragsgegner teils nichteheliche Kinder des Antragsgegners und aufgrund Adoption Stiefkinder der Antragsgegnerin sind, das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt und Amtsvormundschaft der Antragstellerin angeordnet. Wegen der Begründung der Entscheidung wird auf den Inhalt des genannten Beschlusses verwiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde nach Hinweis auf die verspätete Begründung zurückgenommen.

Mit dem zweiten Beschluss wurde in Bezug auf die im Rubrum unter 13. bis 16. genannten Kinder die nach dem Tod der Mutter (namens E.) und dem Entzug des väterlichen Sorgerechts angeordnete Vormundschaft der Antragsgegner aufgehoben und durch Amtsvormundschaft der Antragstellerin ersetzt. Die Beschwerde dagegen wurde am 14.04.2007 vor dem Beschwerdegericht (4 T 43/06 LG Bonn) zurückgenommen.

Die Antragsgegner haben gegen den im Eingangssatz genannten, ihnen am 27.03.2007 zugestellten Beschluss mit beim Beschwerdegericht am 10.04.2007 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 27.07.2007 mit bei Gericht am letzten Tag der Frist eingegangenen Schriftsatz unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags begründet.

Wegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung, des zugrunde liegenden Sachverhalts und des Vortrags der Verfahrensbeteiligen vor dem Amtsgericht sowie der Verfahrensgeschichte wird auf Tatbestand und Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Der Senat hat die Verfahrensbeteiligten in der Verhandlung vom 08.11.2007 persönlich angehört und sich anlässlich eines Besuchs am 25.01.2008 bei den Antragsgegnern, bei dem die im Rubrum unter 2. bis 16. genannten Kinder angehört wurden, ein Bild von den dort vorhandenen Gegebenheiten gemacht.

Die im Rubrum unter 1. genannte F. war am 10.12.2007 von der Antragstellerin aus der Schule heraus in Obhut genommen und bei einer Pflegefamilie untergebracht worden. Die Antragstellerin hat diese Maßnahme, bei der sie sich auf § 42 SGB VIII beruft, mit Schriftsatz vom 10.12.2007 begründet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Der Senat hat F. am 13.02.2008 im Gerichtsgebäude angehört und die Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 14.02.2008 von dem Ergebnis der Anhörungen vom 25.01. und 13.02.2008 unterrichtet.

Wegen des zweitinstanzlichen Vortrags der Verfahrensbeteiligten wird auf deren im Beschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die befristete Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Euskirchen vom 22.03.2007 (14 F 169/04) ist zulässig, insbesondere fristgemäß innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt, und hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Das auf §§ 1793 ff., 1800, 1632 Abs. 1 BGB gestützte Herausgabeverlangen der Antragstellerin ist unbegründet, weil gemäß § 1632 Abs. 4 BGB eine Verbleibensanordnung zugunsten der Antragsgegner bezüglich aller von dem Herausgabeverlangen erfasster Kinder - mit Ausnahme von F. - zu treffen ist.

1.

Zu Recht ist das Amtsgericht im Rahmen der einschlägigen Bestimmung des § 1632 Abs. 4 BGB von einem länger währenden Pflegeverhältnis im Sinne dieser Vorschrift ausgegangen. Für die Familienpflege im Sinne des § 1632 Abs. 4 BGB genügt jedes faktische Pflegeverhältnis familienähnlicher Art, gleichgültig ob ein Pflegeverhältnis oder eine etwa erforderliche Pflegeerlaubnis vorliegt (BGH NJW 2001, 3337; BayObLG NJW 1984, 2168; OLG Frankfurt FamRZ 1983, 1163; MüKO/Huber BGB, 4.Aufl., § 1632 Rn 41). Für das Vorliegen eines familienähnlichen Pflegeverhältnisses ist es deshalb nicht von Bedeutung, dass die Antragsgegner keine Erlaubnis nach §§ 43 ff SGB VIII besitzen. Auch wenn die Anzahl der bei den Antragsgegnern lebenden Kinder fünf bei weitem überschreitet und damit im Sinne der genannten Vorschriften eine Heimeinrichtung nach § 45 SGB VIII erfordern würde, rechtfertigt dies nicht, die "Familienähnlichkeit" des faktischen Pflegeverhältnisses in Abrede zu stellen. Das Kriterium der Familienähnlichkeit ist nicht an die Anzahl der "Pflegekinder" gebunden, wie es ja auch Familien mit zahlreichen Kindern im zweistelligen Zahlenbereich gibt. Dass die Kinder bei den Antragsgegnern in einem familienähnlichen Verhältnis leben, ergibt sich daraus, dass sie vorwiegend seit frühester Kindheit bei diesen, herausgelöst aus ihren Elternbeziehungen und ihrem Herkunftsort aufwachsen und von diesen wie eigene Kinder aufgezogen werden.

2.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Amtsgerichts, dass ein weiterer Verbleib der herausverlangten Kinder bei den Antragsgegnern dem Kindeswohl abträglich ist, sondern ist der Überzeugung, dass eine Wegnahme und ein Verbringen der Kinder in Pflegefamilien, Heime und ähnliche Einrichtungen das Kindeswohl eher gefährden könnte.

Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Antragstellerin das Jugendamt als Vormund ist, welches die Herausgabe dieser Kinder nicht begehrt, um die Kinder den leiblichen Eltern zuzuführen, sondern um sie teils in Pflegefamilien, teils in Heimen unterzubringen. Bei dieser Sachlage kommt eine Trennung von den "Pflegeeltern" nur in Betracht, wenn mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls der Kinder aufgrund der Herausnahme ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 14.04.1987 - 1 BvR 332/86 - NJW 1988, 125 ff.; OLG Brandenburg OLG -NL 2006, 255; OLG Bremen FamRZ 2003, 54 ff.; OLG Rostock FamRZ 2001, 1633 ff.; MüKO/Huber BGB, 4.Aufl., § 1632 Rn 46; Palandt/Diederichsen, BGB, 67.Aufl., § 1632 Rn 14). Diese durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgegebenen Erfordernisse haben durch das KindRG vom 16.12.1997 keine Abänderung erfahren, denn der Gesetzgeber wollte lediglich die vorher bereits in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze übernehmen, nicht dagegen neue Wertungen einführen (Vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 96).

3.

Bei der Ablehnung des Herausgabeverlangens sowie der Verbleibensanordnung hat sich der Senat davon bestimmen lassen, dass auf der einen Seite

- die Kinder räumlich und wirtschaftlich gut versorgt werden

- sie eine fundierte Erziehung und Ausbildung sowie individuelle Förderung erhalten

- sie eine familienähnliche Bindung zu den Antragsgegnern und den übrigen Betreuungspersonen sowie den "Geschwistern" besitzen

- und sie sich den Verbleib wünschen,

während sie auf der anderen Seite bei einer Herausnahme unter Auflösung der Gemeinschaft eine ungewisse Zukunft erwartet in Gestalt einer Unterbringung in Heimen, soweit nicht für einzelne von ihnen Pflegefamilien in Betracht kommen.

Zudem gibt es in Bezug auf die Persönlichkeit der Antragsgegner und deren Verhalten keine durchgreifenden Bedenken, die in Bezug auf das Kindeswohl der betroffenen Kinder von wesentlicher Bedeutung wären. Die seitens der Antragstellerin gehegten diesbezüglichen Vorbehalte relativieren sich in ihrer praktischen Bedeutung ohnehin aufgrund der Vormundschaftsstellung der Antragstellerin, die dieser eine weitgehende Kontrolle der häuslichen Verhältnisse bei den Antragsgegnern und Einflussnahme ermöglicht.

Die folgenden näheren Erläuterungen beschränken sich auf die aus der Sicht des Senats für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte und gehen deshalb nicht auf jede der auf zahlreiche und vielfach als nicht entscheidungserheblich zu wertende Umstände fußende Begründung des angefochtenen Beschlusses ein.

a)

Dass die Kinder bei den Antragsgegnern räumlich angemessen und kindgerecht untergebracht sind, ist zur Überzeugung des Senats, nicht zuletzt aufgrund eigener Wahrnehmung anlässlich des Besuchs vom 25.01.2008 nicht zweifelhaft und deckt sich mit der Beurteilung der Gerichtssachverständigen G., B., und Dr. K., auf deren Gutachten verwiesen wird.

Es stehen ausreichend Räumlichkeiten und sanitäre wie Kücheneinrichtungen zur Verfügung. Die Kinderzimmer sind kindertypisch und individuell ausgestattet, weisen teilweise auch von diesen selber gefertigte Produkte, wie selbst gemalte Bilder, auf. Abgesehen von dem Spielplatz mit entsprechenden Einrichtungen im Garten sind neben Büchern Spielsachen im Hause reichlich vorhanden.

Auch unterliegt es keinem Zweifel, dass die Antragsgegner die Kinder angemessen mit Nahrung und Kleidung versorgen. Den Ernährungszustand der Kinder und deren Bekleidung kennt der Senat aus eigener Anschauung. Die Betreuung der von der Herausgabeanordnung betroffenen Kinder, auch der behinderten "E.-Kinder", erscheint angesichts der neben den Antragsgegnern bei diesen tätigen Hilfspersonen gewährleistet.

b)

Die Kinder besuchen entsprechend ihrem Alter Kindergärten und Schulen und werden dort als offen, zugänglich und freundlich wahrgenommen. Sie erfahren als Schulkinder eine kompetente Hausaufgabenbetreuung und erleben eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung. Auch nach dem angefochtenen Beschluss ist "nicht zu verkennen, dass die Kinder nach zahlreichen Zeugenaussagen, den Berichten der Schule und der Verfahrenspfleger im außerhäuslichen, vornehmlich im schulischen Bereich aufgeschlossen und lebhaft sowie, R. ausgenommen, sozial unauffällig" sind und "als gut erzogen, aber auch als ausgeglichen und zufrieden beschrieben" werden.

c)

Der Auffassung des Amtsgerichts, durch die Herausnahme der Kinder würden "keine familiären Bindungen, insbesondere keine Eltern-Kind-Beziehungen zerstört", vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Die aus den Antragsgegnern, den bei ihnen lebenden Kindern und den übrigen Betreuungspersonen bestehende Wohn- und Lebensgemeinschaft stellt sich in ihrem Erscheinungsbild und der praktizierten Ausprägung durchaus als "Großfamilie" dar, die familiäre Bindungen zwischen Kindern zu den Pflegeeltern und untereinander beinhalten. Dass sich ein solch großer "Familienverband" nicht mit dem von dem Amtsgericht vorgegebenen Gegenbild der Familie mit wenigen Kindern vergleichen lässt, bei der sich die Eltern intensiv um jedes Kind in jeder Hinsicht kümmern, versteht sich von selbst. Ein solcher Vergleichsmaßstab wird der Bewertung familiärer und emotionaler Beziehungen innerhalb der Lebensgemeinschaft bei den Antragsgegnern nicht gerecht. So lässt sich auch bei echten Familien mit mehr als fünf oder auch mehr als zehn Kindern nicht der Verdacht einer mangelnden familiären Bindung oder sogar der Kindeswohlgefährdung rechtfertigen, wie umgekehrt bei kleineren Familien eine intensivere gelebte Eltern-Kind-Beziehung nicht ohne weiteres unterstellt werden kann. Man denke beispielsweise an den Fall der Berufstätigkeit beider Eltern.

Vorliegend muss zudem berücksichtigt werden, dass die Kinder zumeist von jungen Jahren an das Leben in der bei den Antragsgegnern bestehenden Gemeinschaft gewöhnt sind und diese selbst ja auch nicht verlassen wollen. Die Größe der Gemeinschaft bedingt - was in einer echten Großfamilie aber nicht anders ist - zwangsläufig, dass häusliche Aufgaben von den Antragsgegnern auf die älteren Kinder und die zur Betreuung zur Verfügung stehenden Personen übertragen werden, wozu auch das Zubereiten von Mahlzeiten oder begleitende Hilfestellungen bei den kleineren Kindern zählt, ohne dass darin eine emotionale Vernachlässigung dieser Kinder gesehen werden kann. Diese von den Antragsgegnern überwachte Handhabung erscheint geeignet, das Sozialverhalten aller Kinder zu fördern und deren Verbundenheit untereinander zu stärken.

Sieht man von dem Postulat der idealen Kleinfamilie ab, wie sie dem Amtsgericht wohl als Maßstab vorschwebt, dann erweisen sich die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses unter 2.4.2.1 (S. 33 ff.) als nicht tragfähig für die Schlussfolgerung, durch die Herausnahme der Kinder würden "keine familiären Bindungen, insbesondere keine Eltern-Kind-Beziehungen zerstört". Sie belegen in großen Teilen das Gegenteil, nämlich das Vorhandensein geordneter familiärer und emotionaler Strukturen, wenn es beispielhaft u.a. heißt:

"Es wurde deutlich, dass die Antragsgegnerin für die Kinder Ansprechpartnerin in allen Dingen ist. Es wurden jedoch nur wenige für eine Eltern-Kind-Beziehung typische Erlebnisse geschildert. Zu verweisen ist beispielhaft auf die Befragung von W. durch die Sachverständige Frau G.: "... Die D. oder die S. würden ihn wecken. Sie hätten einen großen Raum, darin seien viele Anziehsachen. Da würden sie die Sachen holen, ein Großer, die V. oder manchmal die D. würden ihnen dann die Sachen geben. Irgendein Großer würde Essen machen. ... Er frühstücke zusammen mit Q., L., X. und von den Großen seien welche dabei, S.,D., V.. Die Mama komme nach dem Frühstück. Beim Frühstück sei die noch nicht dabei. Dann würde die Mama aufstehen und dann würden sie alle zusammen beten. Dann sage die Mama "tschüss", wenn er in die Schule gehe und sage "bis Mittag", die gebe ihm dann noch einen Kuss und nehme ihn in den Arm. Den Papa sehe er auch morgens. Der sage auch "tschüss" vor der Schule. Ähnliches ergibt sich aus der Befragung von H. durch die Sachverständige Frau G.. Auf entsprechende Nachfrage berichtet H., dass die Großen schauen würden, dass sie alle gut essen. Als sie krank gewesen sei, habe I. auf sie aufgepasst, ihr geholfen und sie getröstet. Die Mama und der Papa seien dann auch gekommen und hätten geguckt, wie es ihr gehe. Im Wesentlichen berichtet H. von den anderen Kindern und dem Spielzeug. In Anbetracht dieser Kindesangaben kommt es nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin die jüngeren Grundschulkinder auch manchmal bei den Mahlzeiten betreut."

"Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass die Antragsgegner bzw. die Antragsgegnerin die wichtigsten und damit Hauptbezugspersonen der (meisten) Kinder sind, wie dies aus den Anhörungen hervorgeht. Dies schließt auch nicht aus, dass den Kindern "Mama und Papa" von allen Personen am liebsten sind. So hat H. bei ihrer Exploration angegeben, dass die Eltern ihr die liebsten Menschen seien. W. antwortete der Sachverständigen Frau G. auf die Frage, wer von allen Menschen, die in seinem Haus leben würden, für ihn am wichtigsten sei und wen er am meisten lieb habe: "Die Mama und den Papa. Wenn er traurig sei, dann gehe er zu einem hin, dann gehe er zu D. oder V. und die würden ihn trösten. ... Manchmal gehe er auch zu Mama oder Papa, die würden ihn auch trösten." Das Gericht ignoriert weiterhin nicht, dass die Kinder die Antragsgegnerin teilweise als liebevoll beschrieben haben. H. hat bei ihrer Exploration von sich aus geäußert, dass sie einen Freund habe. Sie sei traurig, wenn der Freund nicht in der Schule sei. Dann gehe sie nach der Schule zu der Mama. Die Mama tröste sie dann. Die Mama nehme sie in den Arm. Dann sei sie nicht mehr traurig." Die Bindung der Kinder zu den Antragsgegnern ergibt sich schon daraus, dass sie die einzigen erwachsenen Personen sind, die den Kindern dauerhaft als Bezugspersonen zur Verfügung stehen. Die bestehende Bindung begründet sich weiterhin in einem tief verwurzelten Dankbarkeitsgefühl. Den Kindern ist durchaus bewusst, dass die Antragsgegner sie aus sozial schwachen Verhältnissen herausgeholt haben und die Antragsgegnerin ihnen eine gute Schulausbildung sowie Wohlstand ermöglicht. Ihnen ist ebenso bewusst, dass ihre wirtschaftliche Situation ungleich besser ist als in Äthiopien. Anerkennung und tiefe Dankbarkeit gegenüber der Antragsgegnerin lässt sich den Anhörungen und Briefen der Kinder an das Gericht entnehmen. Zudem erleben die Kinder mit den Antragsgegnern die herausragend schöne Dinge, nämlich Ausflüge."

"Die Hausaufgabenbetreuung wird im Wesentlichen durch die Antragsgegnerin geleistet."

"Bei den kleineren Kindern kümmern sich die Antragsgegner auch um das Zu-Bett-Gehen. Ab ca. 19.00 Uhr ist Ruhe. Während die jüngeren Kinder zu Bett gehen, halten sich die älteren Kinder in ihren Zimmern auf.

W. berichtete im Rahmen seiner Exploration davon, dass sie abends alle zusammen mit der Mama beten würden. Wenn er schlafen gehe, kuschele er noch mit der Mama und der Papa lese ihm eine Geschichte vor."

Wenn das Amtsgericht trotz dieser Feststellungen gleichwohl aus dem Umstand, dass die Mahlzeiten der Kinder überwiegend gruppenweise erfolge und durch andere Betreuungspersonen begleitet werden und es, abgesehen von den Ausflügen keinen gemeinsam erlebten Tagesablauf der Antragsgegner mit den Kindern gebe, den Schluss zieht, die Antragsgegner - zumal der Antragsgegner zu 2., dem in Bezug auf die Betreuung und Beziehung zu den Kindern nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme - seien für die Kinder "ersetzbar, da eine wirkliche emotionale Bindung" fehle und "die fehlende Familienstruktur (zumeist bis 6 Personen)" bedinge, "dass ein übliches Familienleben gar nicht stattfinden" könne "und die Bindungen zu den Antragsgegnern ersetzbar" seien, erscheint dies zu kurz gegriffen. Es wird verkannt, dass eine emotionale Bindung, wie sie in vielfachen Bekundungen der Kinder zum Ausdruck gebracht worden ist, nicht durch den bei den Antragsgegnern praktizierten Tagesablauf gehindert oder unterbunden wird.

Im Übrigen ist auch die von dem Amtsgericht bestätigte enge Bindung der Kinder untereinander und mit anderen bei den Antragsgegnern lebenden Kindern sowie den ständigen übrigen Bezugspersonen von wesentlicher Bedeutung. Entscheidend im Rahmen des § 1632 Abs. 4 BGB ist das Ausmaß der Integration der Kinder in die Pflegefamilie, wobei Bezugspersonen nicht einmal zwingend die Pflegeeltern sein müssen, sondern eben auch andere Pflegekinder sein können (Palandt a.a.O. § 1632 Rn 15).

Ausdruck der dargestellten Bindungen ist auch - sieht man von F. ab - der ausdrücklich erklärte Wunsch der Kinder, bei den Antragsgegnern bleiben zu wollen.

Dabei hat der Senat nicht den Eindruck gewonnen, dass deren vielfach geäußerter Wunsch, wie er auch bei der Anhörung durch den Senat spontan zum Ausdruck kam, durch Einflussnahme der Antragsgegner verfälscht worden ist.

Würde eine Herausnahme der Kinder - zudem gegen deren Willen - somit gefestigte familiäre Bindungen der Kinder zerstören, ist eben nicht mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls der Kinder auszuschließen.

Aus den oben genannten Gründen kann auch die Auffassung des Amtsgerichts nicht geteilt werden, im Vergleich zu der "völlig unzureichenden Versorgung der Kinder, insbesondere auch emotionaler Art" weise "jede Form von Heimerziehung sowohl eine bessere emotionale Versorgung als auch stärker ausgeprägte Familienstrukturen auf".

d)

Die Begründetheit des Herausgabeverlangens könnte sich unter den gegebenen Umständen allenfalls dann annehmen lassen, wenn in der Person der Antragsgegner oder deren Verhaltensweise Gründe gegeben sind, die geeignet sind, das Kindeswohl zu gefährden.

Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.

Aufgrund des in vielen Stellungnahmen der Antragsgegner beschriebenen Erziehungskonzepts und der eindeutigen und übereinstimmenden Bewertungen der Sachverständigen G., B., Prof. Dr. Y. und Dr. K. bestehen hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit beider Antragsgegner keine Bedenken.

Anders als das Amtsgericht sieht der Senat keinen durchgreifenden Grund, nicht den Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Y. und Dr. K. zu folgen, die übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangen, dass in Bezug auf die intellektuelle und konzentrative Leistungsfähigkeit sowie Persönlichkeitsstruktur der Antragsgegner und auch in psychologischer wie psychiatrischer Hinsicht nichts gegen deren Erziehungsfähigkeit spricht und der Antragsgegnerin sogar in hohem Maße eine erzieherische Kompetenz zuzusprechen ist.

Soweit bei dem Gutachten Dr. K. beanstandet werden kann, dass es in weiten Teilen aus gelegentlich schwärmerisch anmutenden und für die Antragsgegner Partei nehmenden Passagen besteht, macht dies das Gutachten nicht wertlos. Die Fachkompetenz der Sachverständigen unterliegt keinen Bedenken, auch nicht ihre Unbefangenheit gegenüber den Antragsgegnern, die sie vor der Gutachtenerstellung nicht kannte.

Dass die Gutachterin sich in der geschehenen emphatischen Weise für die Antragsgegner ausgesprochen hat, dürfte seine Ursache nicht zuletzt darin gehabt haben, dass ihr vor Abschluss ihres Gutachtens die anderen - alle zugunsten der Antragsgegner sprechenden - Gutachten der Sachverständigen G., B. und Prof. Y. bekannt waren und sie sich auch durch die Stellungnahme des Direktors der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Köln Prof. Dr. Z. in ihrer Einschätzung bestätigt sehen konnte, während sie auf der anderen Seite aufgrund eines anlässlich der Gutachtenbeauftragung mit der Abteilungsrichterin des Familiengerichts geführten Telefonats von deren skeptischer Haltung gegenüber den Antragsgegnern ausging.

Ihr Gutachten ist auch nicht aus den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 02.10.2007, mit dem das Gericht die Bezahlung des Gutachtens verweigert hat, unbrauchbar. Für die ihr vorgegebene Beweisfrage, "inwieweit bei den Antragsgegnern die psychiatrische und psychologischen Voraussetzungen der Erziehungsfähigkeit vorliegen", hat die Sachverständige nachvollziehbar entsprechend ihrem Fachgebiet ihre Begutachtung vorgenommen. Es konnte aus Sicht der Sachverständigen nicht darum gehen, Wertungen des Gerichts, wie sie in dem Beschluss vom 30.12.2005 wiedergegeben sind, zur Grundlage der (psychiatrischen und psychologischen) Begutachtung zu machen. Das verbot sich - abgesehen davon, dass das Amtsgericht der Sachverständigen insoweit auch keine ausdrücklichen Vorgaben gemacht hat - bereits deshalb, weil sich aus den Gutachten G. und B., welche die Sachverständige Dr. K. in ihre Begutachtung einbezogen hat, ergab, dass die seitens des Gerichts gewonnene Überzeugung über Gewaltanwendungen seitens der Antragsgegner gegenüber den Kindern aufgrund der Exploration der von den Sachverständigen G. und B. explorierten sechs Kinder, die in jeder Hinsicht exemplarisch für alle von dem Herausgabeverlangen der Antragstellerin betroffenen Kindern stehen, nicht berechtigt und die durch das Gericht vorgenommene Befragung der Kinder, weil suggestiv und ergebnisorientiert, fehlerhaft war, eine Einschätzung, welcher der Senat sich aus den von den Sachverständigen genannten Gründen gleichfalls nicht verschließen kann.

Aus den gutachtlichen Ausführungen, auf die vollinhaltlich verwiesen wird, wie aber auch unstreitigen Gegebenheiten - ohne dass es einer Berücksichtigung der zahlreichen von den Antragsgegnern zu den Akten gereichten Leumundszeugnissen von Lehrern, Erziehern, Pfarrern, Ärzten pp. bedarf - ergibt sich zudem, dass die Antragsgegner auch in ihrer gegenüber den Kindern gelebten Verhaltensweise diesen eine als positiv einzustufende Erziehung angedeihen lassen.

Dass die Erziehung vor dem Hintergrund der religiösen Einstellung der Antragsgegner eine christliche Ausrichtung aufweist und aufgrund der beruflichen Qualifikation der Antragsgegnerin betont pädagogisch ausgerichtet ist, widerspricht in der konkret gehandhabten Form nach Auffassung des Senats nicht einer kindgerechten Erziehung und dem Kindeswohl, sondern ist geeignet, die Kinder zu sozialen Menschen heranwachsen zu lassen, die ihren Platz in der Gesellschaft finden. An dieser Stelle ist nochmals hervorzuheben, dass der Senat - in Übereinstimmung mit den Gutachtern - aus den genannten Gründen davon ausgeht, dass die Erziehung seitens der Antragsgegner frei von Gewalt ist und auch die Aussagen der hierzu vernommenen Äthiopierinnen schon aufgrund deren zwiespältiger Rolle und Einstellung gegenüber den Antragsgegnern nicht geeignet ist, durchgreifende Zweifel zu wecken. Auch das Amtsgericht geht davon aus, dass die Kinder jedenfalls ab 2005 keine Gewalt mehr erfahren hätten.

e)

Gegen die Erziehungsgeeignetheit der Antragsgegner sprechen letztendlich auch nicht die zahlreichen, vorwiegend in der Vergangenheit liegenden Umstände, die das Amtsgericht gegen die Antragsgegner anführt, um deren charakterliche Ungeeignetheit zu belegen.

Was die strafrechtliche Verurteilung der Antragsgegner wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt vom 17.10.2006 betrifft (5 Ls 61/05 AG Euskirchen), so lassen sich aus ihr keine Rückschlüsse auf eine fehlende Erziehungsgeeignetheit ziehen. Die illegale Beherbergung der Äthiopierinnen - die als solche im Übrigen geeignet ist zu belegen, dass die Antragsgegner nicht bestrebt sind, den Kontakt der äthiopischen Kindern zu ihren äthiopischen Angehörigen zu unterbinden - erfolgte - in Zitierung des Strafurteils, weil " sie humanitären Erwägungen den Vorzug vor anderen Gesichtspunkten einräumten". Auch die übrigen Delikts- und andere Vorwürfe (Urkundenmanipulation im Zusammenhang mit Adoptionen etc.) sind vor dem Hintergrund der Erhaltung der Gemeinschaft und Abwehr behördlicher Eingriffe zu sehen, sind aber keine gegen die Kinder gerichteten Handlungen. Dies gilt auch hinsichtlich der übrigen strafrechtlichen Vorwürfe, die ohnehin zu keiner Verurteilung geführt haben.

Bei der bewusst unterlassenen Verbringung von UU. in stationäre Behandlung wegen der von diesem erlittenen Verbrennungen im November 2000 hat die Antragsgegnerin beachtliche Gründe für ihre Entscheidung ins Feld geführt, UU. mit Hilfe und Einverständnis der Ärztin Dr. EE. häuslich zu behandeln. Mag das gesundheitliche Risiko auch beachtlich gewesen sein, ist doch letztlich durch umfängliche ärztliche wie pflegerische Betreuung die Genesung erreicht worden.

Auch kann nicht als erwiesen angesehen werden, dass Kinder zur Vortäuschung einer Pflegebedürftigkeit seitens der Antragsgegner medikamentös sediert worden sind. Zum Nachweis erforderliche Urin- oder Blutproben sind nicht entnommen worden, obwohl die Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen haben, diese dem medizinischen Dienst angeboten zu haben.

Die Konflikte, die sich in der Vergangenheit zwischen der Antragsgegnerin und der WW.-Schule ergeben haben, lassen sich nicht einseitig zu Lasten der Antragsgegnerin werten. Diese hat durchaus plausible und nicht widerlegte Gründe vorgebracht, warum sie in Fragen der Teilnahme am Schulessen und Klassenfahrten aus Kindesfürsorge anderer Auffassung als die Schule gewesen ist.

Es mag auch sein, dass die Antragsgegnerin, um ihre Ziele bzgl. der Erhaltung ihres "Sozialprojekts" durchzusetzen, gegenüber Behörden unzutreffende Angaben gemacht und auch andere Personen "manipuliert" hat, wie es das Amtsgericht umschrieben hat, und dabei nach dem Grundsatz "Der Zweck heiligt die Mittel" verschiedentlich zu weit gegangen ist, was sich auch nicht damit rechtfertigen lässt, dass sich die Antragsgegner vielfachen, aus ihrer Sicht ungerechtfertigten behördlichen Anfeindungen ausgesetzt gesehen haben. Es geht auf der anderen Seite aber zu weit, der Antragsgegnerin Manipulation vorzuwerfen, um positive Stellungnahmen, wie etwa auch das Gutachten der Sachverständigen Dr. K. entwerten oder um ein verstelltes Verhalten der Kinder unterstellen zu wollen.

Weitere Ausführungen hierzu bedarf es nach Auffassung des Senats nicht, weil jedenfalls nicht zu gegenwärtigen ist, dass sich etwaige in der Vergangenheit gezeigte Charakterschwächen der Antragsgegner künftig in einer dem Kindeswohl abträglichen Weise auswirken könnten.

Davon abgesehen verschafft der Umstand, dass die Antragstellerin Vormund der Kinder ist, ihr eine Stellung, bei der die Antragsgegner ihrer weit reichenden Kontrolle und Einflussnahme ausgesetzt sind, was diese zu einer Zusammenarbeit zwingt. Dessen sind sich die Antragsgegner auch bewusst, wie ihren Äußerungen gegenüber dem Senat entnommen werden kann. Die Bereitschaft der Antragsgegnerin zur Zusammenarbeit im Interesse des Kindeswohls selbst für den Fall, dass die Kinder nach Auffassung des Gerichts nicht in ihrer Obhut verbleiben könnten, belegt das Ergebnisprotokoll des Jugendamtes der Stadt QQ. über das Hilfeplangespräch vom 23.01.2007, bei dem sie sogar die Überlassung des eigenen Anwesens an das Jugendamt in den Raum stellte, damit die Kinder zusammen bleiben könnten.

4.

Was F. betrifft, hält der Senat eine Verbleibens- bzw. Rückführungsanordnung nicht für angezeigt. Aufgrund der Inobhutnahme und Überführung in eine Pflegefamilie hat sich für diese eine Sonderrolle ergeben, die sie auch veranlasst hat, bei ihrer Anhörung vor dem Senat den Wunsch zu äußern, bei der neuen Pflegefamilie zu bleiben. Der Senat respektiert - wie auch erklärtermaßen die Antragsgegner - diesen Wunsch im Hinblick darauf, dass F. sich bei den Pflegeeltern, bei denen sie jetzt Aufnahme gefunden hat, nach dem Eindruck, den der Senat anlässlich der Anhörung F.s gewinnen konnte, wohlfühlt. Ob dies auf Dauer so bleibt, wenn sie sich nicht mehr im Mittelpunkt der Beachtung ihres neuen Umfelds sehen kann, vermag der Senat nicht abzuschätzen. Diese Skepsis beruht auf den näheren Umständen der Inobhutnahme, die nach dem Eindruck des Senats begleitet war von suggestiver Beeinflussung durch die beteiligten Personen, wie dem Anhörungsprotokoll vom 10.12.2007 entnommen werden kann.

Deshalb bewertet der Senat die Äußerungen F.s bei ihrer Anhörung vor Vertretern der Antragstellerin am 18.12.2007 und vor dem Senat am 13.02.2008, soweit sie eine negative Beschreibung der Verhältnisse bei den Antragsgegnern beinhalten, kritisch und vermag ihnen größtenteils nicht zu folgen, zumal das Kind aufgrund seiner Entscheidung sich einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen dürfte.

5.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 13 a FGG, § 131 Abs. 3 KostO. Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz war dem Amtsgericht - Familiengericht - vorzubehalten, welches in seinem Beschluss die Kostenentscheidung "bis zur abschließenden Entscheidung über den Herausgabeantrag betreffend VV." zurückgestellt hat.

Beschwerdewert: 16.000, - €

Ende der Entscheidung

Zurück