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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.05.2003
Aktenzeichen: 14 WF 64/03
Rechtsgebiete: ZPO, JBeitrO, BRAGO, GKG, SGB I


Vorschriften:

ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 b
ZPO § 123
ZPO § 126
ZPO § 126 Abs. 2
ZPO § 126 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 126 Abs. 2 Satz 2
ZPO §§ 850 ff
JBeitrO § 8 Abs. 1 Satz 2
BRAGO § 130
BRAGO § 130 Abs. 1
BRAGO § 130 Abs. 2
GKG § 58 Abs. 2 Satz 2
SGB I § 54
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 WF 64/03

In der Familiensache

hat der 14.Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Büttner, den Richter am Oberlandesgericht Quack und die Richterin am Oberlandesgericht Schwarz am 5. Mai 2003

beschlossen:

Tenor:

Der Beklagten wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 21. März 2003 - 26 F 132/01 - ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Y in P bewilligt.

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 21. März 2003 - 26 F 132/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Durch Anerkenntnisurteil vom 15.1.2002 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bergisch Gladbach den von den Parteien am 21.3.2000 in dem Verfahren 26 F 299/99 AG Bergisch Gladbach geschlossenen Unterhaltsvergleich abgeändert und die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt. Beiden Parteien war zuvor unter Beiordnung ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Durch Festsetzungsbeschluss vom 20.2.2002 hat das Amtsgerichts Bergisch Gladbach die den Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 357,34 € festgesetzt und diesen Betrag sodann durch Rechnung vom 8.4.2002 gegen die Beklagte erhoben. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beklagten, mit der diese die Aufrechnung gegenüber der in der Gerichtskostenrechnung geltend gemachten Forderung mit rückständigem Unterhalt in dieser Höhe aus dem Vergleich des Amtsgerichts Bergisch Gladbach - 26 F 299/99 - vom 21.3.2000, abgeändert durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 15.1.2002, erklärt hat, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bergisch Gladbach durch Beschluss vom 21.3.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 7.4.2003, der das Amtsgericht nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Die zuständige Einzelrichterin hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 1 Nr. 4 JbeitrO, 130 Abs. 2 BRAGO, 5 Abs. 2 GKG als Beschwerde zu wertende sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die mit Schriftsatz vom 29.4.2002 erkärte Aufrechnung der Beklagten mit den ihr gegen den Kläger rechtskräftig zuerkannten Unterhaltsansprüchen ist als Einrede "aus der Person der Partei" nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zulässig. Hierauf kann sich auch die Landeskasse berufen, auf die der Anspruch der Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 130 Abs. 1 BRAGO übergegangen ist, vgl. BGH AnwBl. 1991, 168 m w. N.. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Insoweit folgt der Senat vollumfänglich den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der vorzitierten Entscheidung, deren Ergebnis der ganz überwiegend vertretenen Meinung in Rechtsprechung und Literatur entspricht, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage 2003, Rn. 820 m.w.N.. Durch § 8 Abs. 1. Satz 2 JBeitrO wird § 126 Abs. 2 ZPO nicht verdrängt. Vielmehr treten die dort genannten Voraussetzungen einer zulässigen Aufrechnung als zusätzliche Erfordernisse zu § 126 Abs. 2 Satz 2 ZPO hinzu, vgl. BGH a.a.O..

Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO aufgrund der ihr bewilligten Prozesskostenhilfe von dem Anspruchsübergang nach § 130 BRAGO befreit. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 11.6.1997 ( = NJW-RR 1998,70 ) ausdrücklich klargestellt. Der originäre Kostenerstattungsanspruch gegen den unterlegenen Gegner aus § 126 ZPO, der Gegenstand des Rechtsübergangs nach § 130 ZPO ist, ist kein "Anspruch gegen die Partei" im Sinne des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO. In der zitierten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof dargelegt, dass abweichende Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs in dem Gesetz keinen hinreichenden Ausdruck gefunden haben und deshalb keine hinreichende Richtschnur zur Auslegung darstellen können. Auch aus dem Umstand, dass § 130 Abs. 2 BRAGO sich für die Geltendmachung übergegangener Ansprüche auf die Vorschriften über die Einziehung von Gerichtskosten bezieht, ergibt sich nichts anderes. Zwar könnte es nahe liegen, § 130 Abs. 2 BRAGO entsprechend auf die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegen den PKH-begünstigten Gegner anzuwenden, d.h. übergegangene Ansprüche auf Erstattung von Anwaltsvergütung, solange die Prozesskostenhilfe des Gegners nicht aufgehoben ist, nicht geltend zu machen. Dem steht jedoch entgegen , dass § 130 Abs. 2 BRAGO die Beitreibung nicht inhaltlich beschränkt, sondern nur das Einziehungsverfahren betrifft, und der Anspruchsübergang den Rechtscharakter des Anspruchs nicht ändert, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn.805 m.w.N..

Soweit in Literatur und Rechtsprechung( vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn. 806; OLG München Rpfleger 2001,307,308 ) die Auffassung vertreten wird, die Sozialhilfepflicht des Staates hindere die Geltendmachung des übergegangenen Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner, dem ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, folgt der Senat dem nicht. § 123 ZPO bestimmt ausdrücklich, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss hat. Aus der Entscheidung des BverfG vom 23.6.1999 ( FamRZ 2000,474 ) ergibt sich für den Übergang der zu erstattenden Anwaltskosten des Gegners nichts anderes. Die Entscheidung des BverfG befasst sich nur mit der Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG. Es besteht kein Grund, von der in § 123 ZPO getroffenen Regelung abzuweichen, wenn anstelle der obsiegenden Partei die Staatskasse die dem Gegner entstandenen Kosten geltend macht. Ein sachlicher Anlass für eine solche Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich ( ebenso OLG Nürnberg NJW-RR 2002, 863,864 ). Dies gilt umso mehr, als die erstattungspflichtige arme Partei keinen Einfluss darauf hat, ob ihr Prozessgegner auf eigene Kosten prozessiert und diese Kosten gemäß § 123 ZPO ersetzt verlangen kann, oder ob dem Gegner ebenfalls Prozesskostenhilfe gewährt worden ist und damit ein Anspruchsübergang auf den Staat gemäß § 130 BRAGO in Betracht kommt. Hinzukommt, dass einer armen Partei, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, zur Sicherung ihres Existenzminimums ausreichend Schutz durch die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff ZPO, 54 SGB I gewährt wird. Auch dieser Umstand spricht dagegen, von der Geltendmachung übergegangener Ansprüche bei Prozesskostenhilfe für den Gegner entgegen der ausdrücklich in § 123 ZPO getroffenen Regelung abzusehen.

Die Beschwerde der Beklagten war nach alledem zurückzuweisen; Bedenken gegen die Höhe des übergegangenen Anspruchs bestehen nicht und werden auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.

Obwohl die Beschwerde letzlich keine Aussicht auf Erfolg hatte, war der Beklagten gleichwohl im Hinblick auf die unklare Rechtslage betreffend die Geltendmachung von übergegangenen Kostenerstattungsansprüchen Pozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Y zu bewilligen. Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten kam die Anordnung von Ratenzahlungen nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

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