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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.06.1999
Aktenzeichen: 15 U 170/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, AO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 267 Abs. 1
BGB § 197
BGB § 404
BGB § 818 Abs. 2
AO § 48
AO § 228
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 U 170/98 28 O 294/98 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 22.06.1999

Verkündet am 22.06.1999

Wendt, JHSŽin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Jährig und die Richterinnen am Oberlandesgericht Wahle und Scheffler

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. November 1998 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln- 28 O 294/98 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(Urteil ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht als Gesamtschuldner zur Zahlung von insgesamt 34.533,48 DM nebst 4 % Verzugszinsen seit dem 3.12.1997 verurteilt. Die Klägerin hat in dieser Höhe einen unverjährten Anspruch gegen die Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, da die Beklagten durch die in den Jahren 1982 bis 1991 vom Konto der Klägerin an die Stadt K. geflossenen Zahlungen rechtsgrundlos bereichert sind.

Dadurch, daß die Stadt K. die in dieser Zeit vierteljährlich aufgrund des fortbestehenden Dauerauftrags weiterhin eingehenden Zahlungen in Höhe von jeweils 842,28 DM auf die Abgabeverbindlichkeiten der Beklagten verrechnete, sind die Beklagten auch nach Auffassung des Senats in entsprechender Höhe von ihrer Abgabeschuld befreit worden, §§ 267 Abs. 1 BGB, 48 AO. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Zahlungen vom Konto der Klägerin lediglich deshalb weiterhin erfolgten, weil die Klägerin versehentlich nach dem Verkauf ihres Grundstücks an die Beklagten eine Kündigung ihres Dauerauftrags unterließ. Zwar setzt die nach § 267 Abs. 1 BGB eintretende Erfüllungswirkung eine Leistung des Dritten mit dem Willen voraus, die Verpflichtung des Schuldners zu tilgen (vgl. dazu statt vieler Palandt/Heinrichs, BGB- Kommentar, 56. Auflage § 267 Rdn. 3 u.4). Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. dazu BGH NJW 1986, 251 m.w. N.), daß sich dann, wenn in einer Dreierkonstellation wie hier die Zweckvorstellungen des Zuwendenden und des Zuwendungsempfängers auseinanderfallen, die Zweckbestimmung nicht nach dem inneren Willen des Zuwendenden richtet. Entscheidend ist vielmehr, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt. Mit diesem - auch für viele andere Bereiche des Rechtsverkehrs maßgeblichen- Abstellen auf den sog. "Empfängerhorizont", wird letztlich dem Prinzip der Klarheit und Rechtssicherheit Rechnung getragen. Ebenso wie die auf objektive Kriterien gestützte Betrachtung des Empfängers den entscheidenden Ausschlag gibt, wenn die einer Leistung zugrunde liegende Zweckbestimmung nicht klar zutage tritt, muß es auch auf dessen Sichtweise beim völligen Fehlen einer Zweckbestimmung entscheidend ankommen; denn welcher Art der jeweilige Willensmangel ist, entzieht sich den Erkenntnismöglichkeiten des Zuwendungsempfängers. Nach Maßgabe dieser Grundsätze durfte die Stadt K. davon ausgehen, daß die Zahlungen vom Konto der Klägerin gemäß § 48 AO zugunsten der Beklagten erfolgten:

Bei der Vereinnahmung von Steuern und Abgaben handelt es sich um Massengeschäfte, deren Abwicklung es erforderlich macht, daß sich die Finanzbehörden an leicht zu handhabenden Verfahrensgrundsätzen und typisierten Kriterien orientieren können. Innere Vorstellungen der am Steuerschuldverhältnis beteiligten Personen sind deshalb nur insoweit zu berücksichtigen, als sie nach außen erkennbar in Erscheinung treten. Eine Nachprüfung unklarer privatrechtlicher Rechtsbeziehungen ist den Finanzbehörden nicht zuzumuten (vgl. zu allem Vorstehenden Kühn- Kutter- Hofmann, AO, 14. Auflage, § 37 AO Anm. 6, S. 104; Tipke/Kruse, AO, Stand: November 1998, § 37 AO Anm. 1 a, S. 17). Für die Stadt K. war nun aber nicht erkennbar, worauf die von Seiten der Klägerin fließenden Zahlungen beruhten. Steuerschuldner waren infolge des Eigentumsüberganges seit 1982 die Beklagten. An sie sind auch die jeweiligen Abgabebescheide ergangen. Da in § 48 AO die Möglichkeit einer Entrichtung von Steuern durch Dritte vorgesehen ist, durfte auf Seiten der Stadt K. zwanglos angenommen werden, daß die Klägerin Zahlungen zugunsten der Beklagten erbringen wolle. An ein Versehen bei der Klägerin zu denken, hatte die Stadt K. um so weniger Anlaß, als sich die Zahlungen der Klägerin über einen langen Zeitraum erstreckten und die Tatsache, daß sie auf einem Dauerauftrag und nicht jeweils auf einer Einzelüberweisung beruhten, für die Stadt nicht ohne weiteres erkennbar war. Daß die Stadt K. die Geldeingänge vom Konto der Klägerin tatsächlich als gemäß § 48 AO zugunsten der Beklagten geleistete Zahlungen betrachtet und behandelt hat, wird nicht zuletzt aus dem Umstand deutlich, daß sie - wie zwischen den Parteien unstreitig ist- verschiedentlich Erstattungen an die Beklagten vornahm. An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, daß die Stadt K. die in den Jahren 1992 bis 1997 verbuchten Geldbeträge an die Klägerin zurückgezahlt hat. Hierbei handelte es sich, wie der zwischen der Stadt und der Klägerin geführte Schriftwechsel erkennbar macht, um ein Entgegenkommen, zu welchem sich die Stadt K. deshalb bereit gefunden haben mag, weil ihre Abgabeforderungen gegen die Beklagten für diesen Zeitraum noch unverjährt waren, § 228 AO, und die Stadt davon ausgehen konnte, die entsprechenden Beträge bei den Beklagten wieder hereinzuholen.

Die vom Konto der Klägerin erbrachten Zahlungen haben damit die Abgabeverpflichtungen der Beklagten in der jeweils entsprechenden Höhe zum Erlöschen gebracht, §§ 267 Abs. 1 BGB, 48 AO, ohne daß hierfür ein Rechtsgrund im Verhältnis zwischen den Parteien bestand. Der Klägerin steht deshalb ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Ab. 1 S. 1 BGB zu, der sich gemäß § 818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz in Höhe der insgesamt in den Jahren 1982 bis 1991 getilgten Abgabeschulden richtet.

Mit ihrer gegen den Bereicherungsanspruch der Klägerin erhobenen Einrede der Verjährung können die Beklagten nicht durchdringen.

Allerdings tendiert die Rechtsprechung dazu, den auf die Befreiung von einer Verbindlichkeit gegründeten Bereicherungsanspruch grundsätzlich in gleicher Weise verjähren zu lassen wie den Anspruch, von dem der Schuldner durch die Leistung des Dritten befreit wurde (vgl. dazu etwa BGHZ 89, 82, 87). Vorliegend besteht die Besonderheit aber darin, daß für den aus dem Steuerverhältnis zwischen der Stadt K. und den Beklagten resultierenden Hauptanspruch allein die Verjährungsregelung des § 228 AO einschlägig ist, mithin eine Bestimmung aus dem öffentlichen Recht. Diese ist auf die bürgerlichrechtlichen Verjährungsbestimmungen schon deshalb nicht übertragbar, weil sie anders als diese nicht lediglich eine Einrede begründet, sondern den Anspruch zum Erlöschen bringt (vgl. zu letzterem statt vieler Klein/Orlopp, Kommentar zur Abgabenordnung, 4. Auflage, § 228 Anm. 2). Es kommt hier im Verhältnis der Parteien auch keine analoge Anwendung über § 197 BGB -mit der fünfjährigen Frist des § 228 AO-, in Betracht. Zum einen handelt es sich bei der Grundbesitzabgabe nicht um eine "regelmäßig wiederkehrende Leistung" im Sinne dieser Bestimmung, da das Entstehen der Abgabeschuld einen jährlich neu festzusetzenden Abgabebescheid als rechtsbegründenden Akt voraussetzt; dies unterscheidet die Grundbesitzabgabe gegenüber den von § 197 BGB erfaßten periodisch wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen (vgl. dazu BGHZ 80, 357, 358). Vor allem aber verbietet sich nach Auffassung des Senats eine entsprechende Anwendung der in § 228 AO bestimmten kurzen Verjährungsfrist auch mit Rücksicht auf das Wesen des Bereicherungsrechts, welches in besonderem Maße dem Gebot der Billigkeit unterliegt (BGH NJW 1986, 2700). Mit Treu und Glauben, § 242 BGB, erschiene es schlechterdings unvereinbar, wenn die Klägerin keinerlei Ausgleich für ihre Vermögenseinbußen erhielte und die Beklagten im endgültigen Genuß der auf Kosten der Klägerin erlangten Bereicherung blieben. Da die Stadt K. aus den dargelegten Gründen zu Recht davon ausgehen durfte, daß die Zahlungen der Klägerin auf die Abgabeverpflichtungen der Beklagten erbracht würden, besteht für die Klägerin keine Handhabe, die in den Jahren 1982 bis 1991 geleisteten Zahlungen von der Stadt zurückzufordern. Die Beklagten können demgegenüber auf keine schutzwürdigen Belange auf ihrer Seite verweisen. Daß sie Grundbesitzabgaben in der von der Klägerin getilgten Höhe schuldeten, ist ebenso unstreitig wie die Tatsache, daß sie nicht für sich beanspruchen können, Gegenrechte gegenüber der Stadt K. gehabt zu haben; von daher bedeutet der Bereicherungsausgleich mit der Klägerin im Ergebnis keinen Nachteil für die Beklagten. Es ist schließlich auch zu berücksichtigen, daß mit der in § 197 BGB bestimmten kurzen Verjährung verhindert werden soll, daß sich Verbindlichkeiten des täglichen Lebens- bezüglich derer im allgemeinen nicht über längere Zeit Quittungen oder ähnliche Unterlagen aufbewahrt werden- vom sorglos gemachten Schuldner unbemerkt zu unter Umständen existenzgefährdenden Beträgen "aufsummen" (BGHZ 80, 357, 358). Auch hinsichtlich dieser Voraussetzungen ist nichts zugunsten der Beklagten ersichtlich.

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine nachträgliche Tilgungsbestimmung analog § 267 BGB durch die Klägerin zulässig gewesen wäre, um einen Bereicherungsanspruch gegen die Beklagten zu begründen, stellte sich dem Senat nach allem bei seiner Betrachtungsweise nicht. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH NJW 1986, 2700) der Klägerin aus Billigkeitsgründen auch eine nachträgliche Tilgungsbestimmung einzuräumen gewesen wäre, ohne daß eine entsprechende Anwendung von § 404 BGB den Beklagten zu einem günstigeren Ergebnis verholfen hätte.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.6.1999 gibt dem Senat zu einer anderweitigen Beurteilung keinen Anlaß, so daß eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht angezeigt war.

Die Berufung der Beklagten war nach allem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. Der Anregung der Beklagten, die Revision zuzulassen, ist der Senat nicht nachgekommen, da das vorliegende Urteil einen Einzelfall ohne übergreifende Bedeutung betrifft und auch keine Divergenzentscheidung beinhaltet.

Wert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 34.533,48 DM

Ende der Entscheidung

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