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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.07.2002
Aktenzeichen: 15 U 18/02
Rechtsgebiete: AGBG, AGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 3
AGB § 4 Nr. 2
AGB § 4 Nr. 4
AGB § 4 Nr. 5
BGB § 565 Abs. 4
ZPO § 711
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 U 18/02

Anlage zum Protokoll Vom 16.07.2002

Verkündet am 16.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Jährig, die Richterin am Oberlandesgericht Scheffler und den Richter am Amtsgericht Metz-Zaroffe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 10.01.2002 - 18 O 327/01 - festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über den Getränkeautomaten H.-GERÄT, Typ D., Vertrag Nr. ..., zum 31.03.2001 beendet ist .

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.600,00 € vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

(Urteil ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F.)

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch begründet.

Ein die Zulässigkeit des Feststellungsantrages der Klägerin begründendes Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs.1 ZPO ist durch die Regelungen in §§ 4 Nr. 4 und 5 der AGB der Beklagten gegeben, wonach die Beklagte ihrerseits berechtigt ist, im Falle des Verzuges der Klägerin mit mindestens zwei monatlichen Raten mit der Folge erheblicher Schadensersatzansprüche die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses auszusprechen.

In der Sache kann dahin stehen, ob und wann ein Mietvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Denn jedenfalls ist eine verbindliche Grundmietzeit von 54 Monaten nicht Inhalt eines von den Parteien geschlossenen Mietvertrages geworden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass ein etwa entstandenes Mietverhältnis mit gesetzlicher Kündigungsfrist zu beenden gewesen wäre, so dass nach Maßgabe von § 565 Abs. 4 BGB (i.d. bis zum 31.08.2001 geltenden Fassung) die Kündigung der Klägerin vom 21.09.2000 jedenfalls geeignet gewesen wäre, den Vertrag zum 31.03.2001 zu beenden.

Die in dem von der Beklagten in Kopie vorgelegten Vertragsformular unter § 1 Nr. 1 enthaltene Regelung über eine Grundmietzeit von 54 Monaten würde i.V.m. § 4 Nr. 2 der AGB der Beklagten eine überraschende Klausel im Sinne des § 3 AGBG darstellen und könnte deswegen nicht Vertragsbestandteil geworden sein Voraussetzung für das Eingreifen von § 3 AGBG ist der ungewöhnliche Charakter der fraglichen Klausel, der dann zu bejahen ist, wenn die Vereinbarung einer derartigen Bestimmung nach dem konkreten Vertragstyp nicht üblich ist (Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 3 Rn. 14). Dabei kommt es darauf an, ob die als Kunden angesprochenen Verkehrskreise mit AGB dieses Inhalts im Zusammenhang mit dem jeweiligen Vertragstyp rechnen. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 AGBG beurteilt sich nach einem durch die konkreten Umstände überlagerten, im Grundsatz generellen Maßstab, wobei es in erster Linie auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge typischerweise zu erwartenden Kundenkreises, wie sie sich auf Grund von dessen Geschäftserfahrung sowie auf Grund der drucktechnischen Ausgestaltung der fraglichen Klauseln ergeben, ankommt (vgl. BGHZ 130, 150, 154 = NJW 1995, 2637; Ulmer a. a. O. Rn. 13). Erfasst sind etwa Klauseln, mit denen der Kunde nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages nicht zu rechnen brauchte (Ulmer a. a. O. Rn. 18). Ungewöhnlich können auch Klauseln sein, mit denen der Vertragspartner nach Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der Fassung und Aufmachung der Vertragsurkunde, namentlich auch der Überschrift (vgl. BGH NJW 1978, 1519, 1520; WM 1987, 924; BGHZ 99, 274, 282 = ZIP 1987, 439; OLG Nürnberg NJW 1991, 232, 234), nicht zu rechnen brauchte (Ulmer a. a. O. Rn. 19 m. w. N.). Der für die Anwendung des § 3 AGBG vorausgesetzte Überrumpelungseffekt kann sich auch daraus ergeben, dass der Vertragspartner nach den individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses vernünftigerweise nicht mit einer solchen Klausel rechnen musste (BGH NJW-RR 2002, 485 ff. m.w.N.) Dies entspricht dem Schutzzweck des § 3 AGBG, die vielfach ohne nähere Kenntnis vom Inhalt der AGB abgegebene Zustimmung des Vertragspartners zu ihrer Einbeziehung in den Vertrag nur so weit reichen zu lassen, als das mit seinem Vertrauen in die funktionsgerechte Verwendung der AGB vereinbar ist (Ulmer a.a.O. Rn. 12).

Nach der Gestaltung des Vertragsformulars musste die Klägerin nicht damit rechnen, dass unter § 1 Nr. 1 in der vorliegenden Weise eine Grundmietzeit von 54 Monaten festgesetzt wurde. Seiner Überschrift nach befasst sich § 1 mit dem Vertragsgegenstand und Vertragsschluss. Die Vertragsdauer ist, anders als bei § 4, in der Überschrift nicht genannt. Die Kopfleiste der Tabelle unter § 1 Nr. 1 erweckt nicht den Eindruck, als sei sie für nachträgliche Einfügungen vorgesehen. Hierfür sind nach dem optischen Eindruck jeweils drei darunter liegende leere Felder in den einzelnen Spalten bestimmt. Die Zahl "54" ist in das in Rede stehende Vertragsformular nicht von vornherein eingedruckt, wie dies bei dem von der Beklagten nun vorgelegten, offenbar aktuelleren Formular der Fall ist. Die Klägerin, bzw. ihr Geschäftsführer, hatte danach keine Veranlassung, genau hinzusehen, um die nicht ohne weiteres wahrzunehmende, weil verrutscht eingefügte, Ziffer zu erkennen.

Nach dem Gang der Verhandlungen, insbesondere auf Grund der Verbindung mit dem zur gleichen Zeit mit der Firma H. KG geschlossenen Vertrag über Wartung und Grundstoffbezug für den hier vertragsgegenständlichen Trinkautomat und die darin enthaltene abweichende Kündigungsregelung - halbjährliche Kündbarkeit zum Ende eines Vertragsjahres bei vereinbarter Vertragslaufzeit von 54 Monaten - musste die Klägerin mit einer festen Bindung gemäß § 4 Nr. 2 der AGB der Beklagten für eine Grundmietzeit von 54 Monaten nicht rechnen. Das gilt auch dann, wenn man an die Klägerin als Unternehmerin hinsichtlich ihrer Geschäftserfahrung gesteigerte Anforderungen stellt (vgl. BGH NJW 1998, 558). Grundsätzlich gilt § 3 AGBG auch für Rechtsgeschäfte mit Unternehmern als Kunden (Ulmer a. a. O. Rn. 54).

Zu dem gleichen Ergebnis käme man im Übrigen durch eine Übertragung der Rechtsgrundsätze, die für das gleich strukturierte Verhältnis im Leasingrecht zwischen Händler bzw. Lieferant und Leasinggeber entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, ist der Händler/Lieferant, der die Vertragsverhandlungen mit Wissen und Wollen des Leasinggebers führt, als dessen Erfüllungsgehilfe anzusehen (vgl. BGH NJW 1989, 287 ff). Demnach haftet der Leasinggeber für ein Fehlverhalten des Lieferanten/Händlers bei den Vertragsverhandlungen, u.a. für die Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten. Zu diesen Pflichten gehört etwa, dass der Händler/Lieferant den Leasingnehmer darauf hinweisen muß, dass der Leasingvertrag unabhängig von solchen Vereinbarungen gilt, die zusätzlich zwischen ihm und dem Kunden getroffen worden sind (vgl. BGHZ 95, 170 ff. - Nichtaufnahme eines qualifizierten Rücktrittsrechts in den Leasingvertrag für den Fall, dass die vorhandene Software nicht ordnungsgemäß in der EDV-Anlage arbeiten sollte; BGH NJW 1989, 287 ff. - Nichtaufnahme einer Full-Service-Absprache in den Leasingvertrag; OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 1207 - Nichtaufnahme eines vorzeitigen Kündigungsrechts im Leasingvertrag für den Fall des Mißlingens eines vereinbarten Individualprogramms).

Die Klägerin ist durch den Mitarbeiter der Firma H. KG, Herrn W. P., der die Vertragsverhandlungen auch für die Beklagte geführt hat, nicht darauf hingewiesen worden, dass die günstigeren Kündigungsregelungen des Vertrages mit ihr nicht auch für den Vertrag mit der Beklagten galten. Es ist naheliegend, dass die Klägerin eine 4 1/2- jährige feste Bindung ohne einen Test, ob der Automat bei ihren Mitarbeitern auf Resonanz stieß, nicht akzeptiert hätte, was sie im Übrigen auch geltend gemacht und unter Beweis gestellt hat. Gegebenenfalls wäre die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie wenn sie die ungünstigere Kündigungsregelung nicht vereinbart hätte.

Nach allem kann daher offenbleiben, ob - was die Klägerin in Zweifel zieht - ihr Geschäftsführer den Vertrag mit der Beklagten überhaupt unterschrieben hat, ob und ggfls. wie ein Vertrag zwischen den Parteien trotz Überschreitens der von der Beklagten formularvertraglich ausbedungenen Frist der Bindung der Klägerin an ihr Vertragsangebot durch die Beklagte vor eigener Unterschriftsleistung zustande gekommen ist, wann die Ziffer "54" maschinenschriftlich in den Vertragstext eingefügt wurde und ob der Klägerin wegen des Ablaufs der Vertragsverhandlungen ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zur Seite stand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache nach Einschätzung des Senats grundsätzliche Bedeutung nicht hat und auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert und Beschwer der Beklagten: 6.642,70 €

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