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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: 15 U 93/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.04.2007 - 28 O 5/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Verfügungsbeklagte.

Dieses Urteil wird mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um eine Warnung vor Zimtpräparaten, die die Verfügungsbeklagte in einer gemeinsamen Presseerklärung mit der ehemaligen weiteren Verfügungsbeklagten, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, auf der Homepage beider Verfügungsbeklagten veröffentlicht hat. Wegen des Inhalts der Äußerung sowie der gesamten Presseerklärung wird auf die im Tenor der vom Landgericht erlassenen einstweiligen Verfügung vom 09.01.2007 (Bl. 111 f. d. A.) in Bezug genommene Presseerklärung verwiesen.

Die Verfügungsklägerin entwickelt Arzneimittel, diätetische Lebensmittel und Nahrungsergänzungen, stellt diese her und vertreibt sie. Unter den von der Verfügungsklägerin vertriebenen Produkten befindet sich das zimthaltige Produkt "E". Zimthaltige Produkte zur Nahrungsergänzung werden von verschiedenen Unternehmen vertrieben und damit beworben, dass sie aufgrund einer Unterstützung des Zuckerstoffwechsels geeignet seien, den Blutzuckerspiegel bei Diabetikern günstig zu beeinflussen. Bei dem Produkt der Verfügungsklägerin werden die ätherischen Öle, die u. a. Cumarin enthalten, herausgewaschen, so dass ein wässriger Zimtextrakt übrig bleibt, welcher keine ätherischen Öle und daher nahezu kein Cumarin enthält.

Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die sich im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz befindet. Sie soll als Bundesoberbehörde im Bereich von Lebensmitteln als Forschungsorganisation den lebensmittelrechtlichen Aufsichtsbehörden Unterstützung bieten. Zu dem gesetzlichen Auftrag der Verfügungsbeklagten gehört die Vornahme einer wissenschaftlich unabhängigen Risikobewertung im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. In diesem Zusammenhang ist es auch Aufgabe der Verfügungsbeklagten, eine sog. Risikokommunikation zu übernehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher möglichst frühzeitig über gewonnene Erkenntnisse und Arbeitsergebnisse zu informieren.

Die Verfügungsklägerin, die in der Presseerklärung einen Boykottaufruf sieht, der zudem in seiner Pauschalität inhaltlich falsch sei, hat vor dem Landgericht Köln den Erlass einer Unterlassungsverfügung beantragt. Mit Beschluss vom 09.01.2007 hat das Landgericht beiden Verfügungsbeklagten unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags der Verfügungsklägerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, der Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, zu behaupten: "Diabetiker, die auf Anraten einiger Ärzte oder im Rahmen eines Diätplanes täglich größere Mengen Zimtpulver verzehren oder Zimtpräparate zu sich nehmen, sollten wegen möglicher hoher Cumarin-Gehalte und der nicht hinreichend belegten Wirksamkeit auf diese Produkte verzichten", sofern nicht zugleich darauf hingewiesen werde, dass die Problematik der hohen Cumarin-Werte nicht bei Produkten mit wässrigem Zimtextrakt wie "E" auftrete. Wegen der Einzelheiten der einstweiligen Verfügung wird auf Bl. 108 ff. d. A. verwiesen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch beider Verfügungsbeklagten blieb erfolglos. Mit Urteil vom 11.04.2007 - 28 O 5/07 - hat das Landgericht Köln die einstweilige Verfügung vom 09.01.2007 bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verfügungsklägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu, weil die Äußerung die unwahre Tatsachenbehauptung enthalte, dass sämtliche Zimtpräparate und damit auch das von der Verfügungsklägerin hergestellte und vertriebene Produkt von der Cumarin-Problematik betroffen seien. Auch vor dem Hintergrund des Gesamtkontextes der Pressemitteilung sei die streitgegenständliche Äußerung zumindest mehrdeutig und könne von einem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsleser jedenfalls auch in diesem Sinne verstanden werden. Dabei hat das Landgericht die vom Bundesverfassungsgericht in der sog. Stolpe-Entscheidung (BVerfG NJW 2006, 207 ff.) entwickelten Grundsätze herangezogen und darauf abgestellt, dass die presserechtliche Zulässigkeit mehrdeutiger Äußerungen an derjenigen Deutungsvariante zu messen sei, die den Betroffenen am stärksten belaste. Bei mehrdeutigen Äußerungen sei zu berücksichtigen, dass bei der Unterlassung künftiger Äußerungen nicht in demselben Maß ein Schutzbedarf für die individuelle Grundrechtsausübung des sich Äußernden bestehe wie bei der Sanktionierung vergangener Äußerungen, weil der sich Äußernde die Möglichkeit habe, sich in Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klar zu stellen, welcher Äußerungsgehalt der rechtlichen Prüfung zugrunde zu legen sei. Sei der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, bestehe kein Grund, von einer Verurteilung zur Unterlassung nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulasse. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung sowie die erstinstanzlichen Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Köln, Bl. 217 bis Bl. 225 d. A., Bezug genommen.

Die ehemalige Verfügungsbeklagte zu 1), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, hat das landgerichtliche Urteil anerkannt und unter dem 13.07.2007 eine Abschlusserklärung abgegeben.

Die ehemalige Verfügungsbeklagte zu 2) und jetzige alleinige Verfügungsbeklagte verfolgt mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung ihr erstinstanzliches Zurückweisungsbegehren weiter. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass die beanstandete Passage in der Pressemitteilung mehrdeutig sei und die Grundsätze der sogenannten Stolpe-Entscheidung herangezogen. Das Landgericht verwechsele insoweit mehrdeutige Äußerungen mit einer Äußerung, die einen von mehreren in dem jeweiligen Zusammenhang in Betracht kommenden Sachverhalt behandele. Die Erklärung der Verfügungsbeklagten sei ihrem Inhalt nach gerade nicht unterschiedlich zu verstehen, sondern dahin, dass sie sich nur auf diejenigen Präparate beziehe, die einen hohen Cumarin-Gehalt aufwiesen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Presseerklärung ergebe sich, dass es Zimtpräparate mit hohem Cumarin-Gehalt gebe, sowie Zimtpräparate, die keinen hohen Cumarin-Gehalt enthielten. Auch in die beanstandete Äußerung sei ausdrücklich der Begriff "möglicher" hoher Cumarin-Gehalte" eingefügt worden, wodurch deutlich werde, dass es auch Produkte ohne hohen Cumarin-Gehalt gebe. Zu einer ausdrücklichen Beschreibung der unterschiedlichen Verarbeitungsarten und Nennung von Produkten mit wässrigem Zimtextrakt und deren Cumarin-Gehalten sei die Verfügungsbeklagte nicht verpflichtet. In einer Pressemitteilung sei der Differenzierungsgrad naturgemäß beschränkt, da diese klare Botschaften enthalten müsste, um die Öffentlichkeit auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen. Daher seien bestimmte Vergröberungen notwendig und nicht zu vermeiden. Darüber hinaus sei es durch einen der Pressemitteilung angefügten Link jedem Verbraucher möglich gewesen, sich auf einer weiteren Seite differenziert mit der Cumarin-Problematik der verschiedenartigen Zimtprodukte zu befassen. Auf dieser Seite, die eine vollständige Stellungnahme und gesundheitliche Bewertung enthalte, werde detailliert auf die Cumarin-Gehalte einzelner Produkte und deren verschiedene Verarbeitungsarten eingegangen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.04.2007 abzuändern und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 09.01.2007 aufzuheben.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin tritt der Berufung der Verfügungsbeklagten entgegen und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass von der inkriminierten Äußerung auch das Produkt der Verfügungsklägerin erfasst sei. Dass die Presseerklärung in dem vom Landgericht angenommenen Sinne verstanden werde, ergebe sich aus zu den Akten gereichten Schreiben zahlreicher Apotheker. Aus diesen Schreiben werde deutlich, dass selbst die Apotheker als Fachkreise die streitgegenständliche Äußerung so verstanden hätten, dass sie sich auch auf das Produkt der Verfügungsklägerin beziehe. Darüber hinaus sei zwischen den Parteien unstreitig, dass es sich bei dem von der Verfügungsklägerin vertriebenen Produkt um das mit Abstand marktstärkste zimthaltige diätetische Lebensmittel in Deutschland handele. Würde man die inkriminierte Aussage daher in dem von der Verfügungsbeklagten behaupteten Sinne verstehen, würde die streitgegenständliche Presseerklärung nur die marktschwachen Nachahmerprodukte und gerade nicht das marktstarke Produkt der Verfügungsklägerin betreffen. Dass dies nicht richtig sei und auch nicht so verstanden werde, zeige sich an massiven Stornierungen des Produktes der Verfügungsklägerin. Die Presseerklärung habe inzwischen zu einer vollständigen Verunsicherung und nahezu zu einer Unverkäuflichkeit des Produkts der Verfügungsklägerin geführt. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam, dass die Verfügungsbeklagte gewusst habe, dass die von ihr dargestellte Cumarin-Problematik gerade nicht bei dem marktführenden Produkt der Verfügungsklägerin auftrete. Vor diesem Hintergrund sei es nicht verständlich, dass die Verfügungsbeklagte in der streitgegenständlichen Presseerklärung von allen Zimtprodukten mit Blick auf ihren Cumarin-Gehalt pauschal abrate.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet. Dabei kann offen bleiben, ob die in der Stolpe-Entscheidung zu mehrdeutigen Äußerungen entwickelten Grundsätze (BVerfG NJW 2006, 207 ff.) vorliegend heranzuziehen sind. Die beanstandete Äußerung ist nämlich unter dem Aspekt, dass die Verfügungsbeklagte die Äußerung in ihrer Eigenschaft als Bundesbehörde getätigt hat, zu unterlassen, weil sie den Grundsätzen, unter denen ein Informationshandeln von Behörden bei produktbezogenen Äußerungen zulässig ist, nicht entspricht.

Wenden sich Behörden mit Informationen, Ratschlägen oder Warnungen, insbesondere solchen, die marktbezogen sind, an die Öffentlichkeit, muss dieses Informationshandeln bestimmten Voraussetzungen genügen (BVG NJW 2002, 2621-Glykol; OLG Stuttgart NJW 1990, 2690-Teigwaren; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rdn. 273 ff.). Die Verbreitung staatlicher Informationen durch die Regierung oder Verwaltung setzt zum einen eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen voraus (BVerfG, NJW 2002, 2621, 2622; BVerfG NJW 2002, 2626, 2629 f.). Darüber hinaus muss der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgfältig und unter Nutzung der verfügbaren Informationsquellen, gegebenenfalls auch unter Anhörung Betroffener, sowie dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt werden und die Information inhaltlich zutreffend sein (BVerfG NJW 2002, 2621, 2624; Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 10 Rdn. 275 c f.). Dies folgt daraus, dass Äußerungen von Behörden sich gegenüber privaten Mitteilungen dadurch unterscheiden, dass ihnen in der Regel ein größeres Gewicht, das auf der behördlichen Autorität beruht, beigemessen wird. Auf eine Äußerungsfreiheit i.S.d. Art. 5 Abs.1 GG können sich Behörden bei an die Öffentlichkeit gerichteten Informationen und Ratschlägen nicht berufen ( Wenzel/ Burkhardt, a.a.O., Kap. 10 Rdn. 274).

Die Verfügungsbeklagte handelte in Erfüllung einer staatlichen Aufgabe und unter Einhaltung der Zuständigkeitsordnung. Zu dem gesetzlichen Auftrag der Verfügungsbeklagten, wissenschaftlich unabhängige Risikobewertung im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes zu betreiben, gehört auch die Durchführung einer sog. Risikokommunikation. Dabei obliegt es der Verfügungsbeklagten ausweislich der amtlichen Begründung des Gesetzes über die Errichtung des Instituts für Risikobewertung, den Dialog mit den Verbraucherinnen und den Verbrauchern offensiv zu gestalten und möglichst frühzeitig über mögliche Risiken gesundheitlicher Art sowie gewonnene Erkenntnisse und Arbeitsergebnisse zu informieren. Die Verfügungsbeklagte war daher dafür zuständig, auf eventuelle gesundheitliche Risiken bei auf dem Markt befindlichen Zimtpräparaten zur Senkung des Blutzuckers hinzuweisen.

Die inkriminierte Äußerung in der Pressemitteilung der Verfügungsbeklagten genügt jedoch nicht den an die Vollständigkeit und Richtigkeit behördlicher Mitteilungen zu stellenden Anforderungen. Wird die Öffentlichkeit durch eine Behörde informiert und werden dabei marktbezogene Informationen verwendet, sind diese vor dem Hintergrund des ihnen von den Bürgern beigemessenen Gewichts geeignet, den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der betroffenen Wettbewerber aus Artikel 12 Abs. 1 GG zu beeinträchtigen (BVerfG NJW 2002, 2621, 2622). Damit sind öffentliche Behördenäußerungen, die sich auf privatwirtschaftliche Bedingungen auswirken - wie auch vorliegend ersichtlich - in besonderer Weise geeignet, Nachteile für denjenigen zu verursachen, auf dessen Verhältnisse sie sich ungünstig auswirken. Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt jedoch nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Markteilnehmer von Bedeutung sein können, selbst wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken (BVerfG NJW 2002, 2621, 2622). Dabei ist die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit einer Information Voraussetzung dafür, dass sie der Transparenz am Markt dient und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert. Nur eine solche Information ist auch geeignet, den Bürgern zu Orientierungen zu verhelfen und die Bewältigung von Konflikten zu erleichtern (BVerfG NJW 2002, 2621, 2623).

Zur Vollständigkeit und Richtigkeit der Pressemitteilung wäre erforderlich gewesen, dass die Verfügungsbeklagte darauf hinweist, dass die Problematik der hohen Cumarin-Werte bei Produkten mit wässrigem Zimtextrakt wie dem der Verfügungsklägerin gar nicht auftritt und daher solche Präparate von ihrem Warnhinweis nicht erfasst werden. Dies hätte insbesondere vor dem Hintergrund erfolgen müssen, dass es sich bei dem Produkt der Verfügungsklägerin um das mit Abstand marktführende Produkt bei Zimtpräparaten handelt, was von der Verfügungsbeklagten auch nicht bestritten wird. Dass gerade das marktstärkste Produkt keinen nennenswerten Cumarin - und damit gesundheitsschädlichen Anteil enthielt, war der Verfügungsbeklagten auch bekannt. So führt die Verfügungsbeklagte in ihrer gesundheitlichen Bewertung vom 18.08.2006 aus, dass der Cumarin-Anteil bei Präparaten mit wässrigem Zimtextrakt zwischen 3 und 7% der empfohlenen Tagesdosis liege und damit gesundheitlich unbedenklich sei. Ferner hat Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 04.10.2006 ausdrücklich mitgeteilt, dass sie als Herstellerin von Zimtextrakt-Kapseln von der Cumarin-Problematik nicht betroffen sei.

Die Unvollständigkeit und damit sachliche Unrichtigkeit der behördlichen Warnung wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass die Verfügungsbeklagte den Begriff "möglicher" hoher Cumarin-Gehalte" verwendet hat und die Presseerklärung an anderer Stelle die Formulierung enthält, dass Zimtpräparate "teilweise" hohe Mengen an Cumarin enthielten oder "einige" Präparate betroffen seien. Dem steht bereits entgegen, dass an verschiedenen Stellen der Presseerklärung Cumarin als Inhaltsstoff von Zimt beschrieben und darauf hingewiesen wird, dass dieser bei empfindlichen Personen Leberschäden wie Leberentzündung verursachen könne. Wird Cumarin jedoch als Inhaltsstoff von Zimt bezeichnet, liegt die Annahme nahe, dass ohne Cumarin auch die dem Zimt positiv zugeschriebenen therapeutischen Wirkungsweisen nicht eintreten können. Für den durchschnittlichen Leser der streitgegenständlichen Äußerung ist dann die Annahme, dass es auch Zimtpräparate gibt, die überhaupt kein oder so gut wie kein Cumarin enthalten, weil dieses durch ein bestimmtes Verfahren gerade herausgewaschen worden ist, eher fernliegend. Dies zeigt sich an den zu den Akten gereichten zahlreichen Zuschriften und Retournierungen von Apothekern als Reaktionen auf die Pressemitteilung. Aus diesen Schreiben ergibt sich, dass selbst erfahrene und mit der Materie vertraute Leser der Pressemitteilung verunsichert waren, ob und wenn ja in welchem Maße die Cumarin-Problematik alle Zimtprodukte betrifft.

Ohne Erfolg macht die Verfügungsbeklagte schließlich geltend, dass in einer Pressemitteilung, die der Information der breiten Öffentlichkeit diene, Vergröberungen notwendig seien. Dieser Einwand geht schon deshalb fehl, weil gerade an die Verfügungsbeklagte als Bundesbehörde erhöhte Anforderungen an die Sorgfalt bei derartigen Pressemittlungen zu stellen sind. Gerade weil behördliche Informationsarbeit Ausdruck einer gesamtstaatlichen Verantwortung ist, muss sie dem Bürger durch möglichst vollständige und zutreffende Informationen freistellen, wie er mit gewissen Begleiterscheinungen oder Risiken für sich umgehen möchte. Dabei mag der erforderliche Umfang und Differenzierungsgrad durchaus abhängig vom jeweiligen Einzelfall sein. Vorliegend handelt es sich bei der Pressemitteilung der Verfügungsbeklagten jedoch nicht um eine kurze, die Thematik lediglich anreißende Mitteilung. Vielmehr ist die gesamte Pressemitteilung ca. 1 1/2 Seiten lang und in ihrer inhaltlichen Darstellung auch durchaus ausführlich. Die Verfügungsbeklagte weist umfangreich darauf hin, dass und warum Zimtkapseln zur Senkung des Blutzuckers nach ihrer Auffassung nicht diätetische Lebensmittel, sondern Arzneimittel seien und es nicht wissenschaftlich eindeutig bewiesen sei, ob Zimtpräparate den Blutzuckerspiegel bei Diabetikern positiv beeinflussen könnten. Darüber hinaus wird an verschiedenen Stellen ausführlich die Cumarin-Problematik erläutert. Hier hätte es nur eines kurzen klarstellenden Hinweises dahin bedurft, dass sich die Cumarin-Problematik bei denjenigen Zimtpräparaten, bei denen die ätherischen Öle und damit auch das Cumarin aus dem Zimt entfernt worden sind, nicht stellt. Soweit die Verfügungsbeklagte dies auf einer weiteren Internetseite tut und darauf hinweist, dass diese über weiterführende Links auf der Pressemitteilung angeklickt werden könne, hat das Landgericht bereits mit Recht darauf hingewiesen, dass außerhalb der Veröffentlichung liegende weiterführende Recherchen, die über Links erlangt werden können, nicht geeignet seien, die Veröffentlichung zu relativieren oder zu vervollständigen. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die Leser oder auch nur ein erheblicher Teil der Leserschaft derartiger Presseerklärungen auch über die Presseerklärung hinaus Hintergrundinformationen recherchierten, was tatsächlich nicht der Fall ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da das Urteil kraft Gesetzes nicht revisibel ist, § 542 Abs. 2 ZPO.

Wert des Berufungsverfahrens: 15.000,00 Euro.

Ende der Entscheidung

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