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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 03.09.2007
Aktenzeichen: 16 U 11/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 651l
BGB § 651l Abs. 2 Ziff. 2
BGB § 651c Abs. 1
BGB § 651e Abs. 1
BGB § 651e Abs. 2
BGB § 651e Abs. 3
BGB § 651f Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2 Ziff. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 06.02.2007 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 8 O 184/06 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Kläger machen Ansprüche aus einem Vertrag vom 25.01.2005 über einen einjährigen Gastschulaufenthalt ihres Sohnes Q in Südafrika geltend.

Nach einem Vorbereitungstreffen in Deutschland reiste der Sohn der Kläger am 28.07.2005 nach Südafrika. Dort war er zunächst bei einer Gastfamilie in Giyani untergebracht, einer Stadt, die an den Krüger Nationalpark angrenzt und wegen einer möglichen Malariagefahr seinerzeit als "low risk area" eingestuft wurde. Mit Schreiben vom 03.09.2005 rügten die Kläger gegenüber der Beklagten u. a., dass die vermittelte Schule keine High School sei, dass entgegen einer Versicherung vor Antritt der Reise die Stadt in einem Malariarisikogebiet liege und dass schon jetzt (d. h. vor Beginn des dortigen Sommers) die Anopheles-Mücke herumfliege. Sie verlangten deswegen einen Schulwechsel und die Unterbringung ihres Sohnes in einem malariafreien Gebiet. Nach weiterer Korrespondenz wurde der Sohn der Kläger Ende Oktober 2005 bei einer Gastfamilie in der als malariafrei eingestuften Stadt Polokwane untergebracht. Mit Schreiben vom 03.11.2005 ließen die Kläger durch ihren damaligen Bevollmächtigten die Kündigung des Vertrages erklären. Am 07.11.2005 reiste der Sohn der Kläger sodann nach Deutschland zurück.

Die Kläger haben in erster Instanz die Rückerstattung der Kosten für den Gastschulaufenthalt von 6.270,00 € sowie verschiedene Schadenspositionen geltend gemacht, während die Beklagte Klageabweisung begehrt hat.

Mit Urteil vom 06.02.2007, auf das auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte zur Rückzahlung der 6.270,00 € sowie von weiteren 50,50 € für ein vor Ort gezahltes Schulgeld verurteilt. Mit der hiergegen eingelegten Berufung tritt die Beklagte dem Landgericht mit tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen entgegen und begehrt weiterhin die Abweisung der Klage insgesamt, während die Kläger das angefochtene Urteil verteidigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die von ihnen in Bezug genommenen Urkunden verwiesen.

Der Senat hat den Sohn der Kläger sowie einen Mitarbeiter der Beklagten als Zeugen vernommen.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung ist nicht begründet.

Die Beklagte hat den Klägern die von ihnen für den Gastschulaufenthalt gezahlten 6.270,00 € zu erstatten.

Zwar greift die von den Klägern erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ersichtlich nicht durch, weil nicht nur die Probleme im Zusammenhang mit der Schule in Giyani und wegen einer möglichen Malariagefahr, sondern auch alle anderen gerügten Punkte sich erst nach Vertragsschluss infolge der Zuweisung des Sohnes der Kläger durch die südafrikanische Partnerorganisation der Beklagten an eine Gastfamilie im Norden Südafrikas ergeben hatten. Indes folgt der Anspruch - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - aus den §§ 651e Abs. 3 BGB i. V. m. § 651l BGB.

Die Kläger haben den Vertrag über den Gastschulaufenthalt ihres Sohnes Q wirksam gekündigt.

Die Kläger haben zu Recht gerügt, dass die Unterbringung ihres Sohnes in Giyani nicht den vertraglichen Abreden entsprach, also mangelhaft i. S. d. § 651e Abs. 1 i. V. m. § 651c Abs. 1 BGB war.

Der Gastschulaufenthaltsvertrag bezog sich auf den Besuch einer "High School". Die Kläger konnten daher - unabhängig von der Registrierung der Schule als eine "High School" - einen Unterricht erwarten, der einem entsprechenden Anforderungsprofil entspricht, was nach den zutreffenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, gerade nicht der Fall war. Diese Feststellungen werden auch durch das Berufungsvorbringen, das sich lediglich mit den Verhältnissen im Jahre 2003, nicht aber den alleine maßgeblichen in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 befasst, nicht entkräftet.

Der Gastschulaufenthalt war auch deshalb mangelhaft, weil hierfür ein Ort ausgewählt worden war, bei dem die Gefahr mit einer Malariainfektion bestand.

Südafrika ist unstrittig zu 90 % malariafrei. Lediglich an den Grenzen zu den Nachbarländern Botswana, Zimbabwe und Mozambique gibt es Risikogebiete unterschiedlicher Stufen (high, middel und low). Giyani liegt nach der vorgelegten Karte zwar in einer low risk area, aber unmittelbar angrenzend an den Krüger Nationalpark, bei dem es sich unstrittig um ein high risk - Gebiet handelt. Mit Verschiebungen des Gefahrpotentials je nach Witterungslage im südafrikanischen Sommer ist zudem immer zu rechnen. So wurde gerade Giyani am 26.01.06 in einem Artikel der Internet-Zeitschrift "news 24 com" als in einer high risk area liegend bezeichnet. Unabhängig davon geht es vor allem in der hier gegebenen Situation, dass der allergrößte Teil des Gastlandes malariafrei ist, nicht an, ohne entsprechende Hinweise einen Schüler für ein Jahr in ein Gebiet zu schicken, in dem eine - wie auch immer geartete - Gefahr einer Infektion, die bereits durch einen einzigen Mückenstich eintreten kann, besteht. Dies gilt umso mehr, als eine Malariaprophylaxe über einen so langen Zeitraum wegen der damit verbundenen, möglicherweise gravierenden Nebenwirkungen medizinisch nicht indiziert ist, worüber die Parteien ebenfalls nicht streiten.

Dass eine entsprechende Aufklärung erfolgt und gleichwohl die Reise ohne ein Verlangen nach Unterbringung an einem anderen Ort in Kenntnis des Malariarisikos angetreten worden ist, kann nicht festgestellt werden. Nach den Bekundungen des Zeugen Q I hat der Zeuge E zwar bei dem Vorbereitungstreffen vom 18./19. Juni 2005 über eine etwaige Malariaprophylaxe gesprochen, aber nur im Zusammenhang mit dem im Austauschprogramm vorgesehenen Besuch der Schüler im Krüger Nationalpark und mit der weiteren Erklärung, dass es ansonsten keine Malaria gebe und keine Prophylaxe gebraucht werde, letzteres im Hinblick auf ein vorher mit der Klägerin geführtes Telefonat in einer gesonderten Abgabe gegenüber Q I. Der Zeuge E erinnerte sich nicht an den Ablauf des Vorbereitungstreffens, was im Hinblick auf die große Zahl derartiger von ihm veranstalteter Treffen verständlich sein mag, konnte aber auch nicht ausschließen, dass die von dem Zeugen Q I wiedergegebenen Erklärungen gefallen sind. Ansonsten erinnerte er sich nur an das unstreitige erste Telefonat mit der Klägerin, bei dem er auf ihre Frage, ob Malaria in dem Aufenthaltsgebiet verbreitet sei, geantwortet hatte, er werde sich bei einem Kollegen der südafrikanischen Partnerorganisation erkundigen. In einem weiteren Telefonat will er der Klägerin zwar die Antwort seines Kollegen übermittelt haben, dass der Ort in einem low risk - Gebiet liege und dass eine Malariaprophylaxe empfohlen werde. Diese Bekundung ist indes zur Beweisführung ungeeignet, weil der Zeuge zu diesem Telefonat trotz intensiven Befragens ansonsten praktisch nichts mehr wiedergeben konnte. Eine nur auf ein "Ausschnittswissen" zu dem prozessrelevanten Teil eines Gesprächs reduzierte Bekundung kann keine Tatsachengrundlage für eine gerichtliche Entscheidung bilden.

Im Übrigen und unabhängig hiervon wäre die Beklagte selbst bei einer unterstellten Richtigkeit der Bekundung des Zeugen E ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Sie schuldete als Nebenpflicht aus dem Gastschulaufenthaltsvertrag gerade wegen der langen Dauer des Aufenthaltes eine umfassende und vor allem auch richtige Aufklärung über ein etwaiges Malariarisiko und ggfls. zu den Möglichkeiten, diesem zu begegnen. Gemessen hieran war die Empfehlung einer Malariaprophylaxe falsch, wie sich auch in der Folgezeit herausstellte, weil der Arzt, den der Zeuge I in Giyani aufgesucht hatte, ihn von einer entsprechenden Behandlung abgeraten hatte.

Das Verlangen der Kläger nicht nur nach einem Schul-, sondern auch nach einem Ortswechsel war gerechtfertigt. Im dessen Rahmen konnten sie - wie in der Korrespondenz geschehen - auch verlangen, dass vertragliche Anforderungen zu dem Aufenthaltsort zumindest nunmehr eingehalten wurden. Dies war indes bei Polokwane nicht der Fall. Der Ort war zwar malariafrei; indes stellte die Unterbringung dort keine ordnungsgemäße Abhilfe dar mit der Folge, dass auch die Voraussetzungen des § 651e Abs. 2 BGB für eine Kündigung erfüllt sind.

In Ihrem Katalog hat die Beklagte mögliche Aufenthaltsorte der Schüler dahingehend umschrieben, dass die Gastfamilien in der "näheren Umgebung" von Johannesburg, Pretoria, Kapstadt und Durban leben. Polokwane erfüllt dieses Kriterium indes nicht; denn der Ort ist mehr als 400 km von Pretoria, der nächstgelegenen im Katalog aufgeführten Stadt entfernt. Es mag sein, dass eine Unterbringung in der Nähe der Zentren nicht immer zu realisieren ist; dies ist indes unerheblich, weil sich aus der Katalogbeschreibung zugleich entsprechende Leistungspflichten der Beklagten ergeben, deren Fehlen einen Reisemangel i. S. d. § 651c Abs. 1 BGB begründet (BGH NJW 2000, 1188). In diesem Zusammenhang kann es offen bleiben, ob und inwieweit die Kläger und ihr Sohn vor Antritt der Reise über die Lage des - ebenfalls entfernt von einer der Zentren liegenden - ursprünglichen Aufenthaltsortes informiert waren. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, konnten sie im Rahmen des Abhilfeverlangens wegen des neuen Aufenthaltsortes berechtigterweise auf Einhaltung der sich aus der Reisebeschreibung ergebenden Leistungspflichten bestehen.

Des Weiteren waren in Polokwane in dem Katalog zugesicherte Freizeitaktivitäten nicht möglich. Nach dem nicht berichtigten Tatbestand des angefochtenen Urteils hatten die dortigen Gasteltern den Sohn der Kläger darauf hingewiesen, dass die Stadt überaus gefährlich sei mit der Folge, dass er deswegen weitgehend im Haus blieb. Soweit die Beklagte nunmehr eine Gefahr durch Straßenbanden o. ä. am neuen Aufenthaltsort bestreitet, handelt es sich um neuen Sachvortrag, mit dem sie wegen § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO nicht gehört werden kann.

Schließlich waren in Polokwane die Voraussetzungen für einen "geregelten Schulbesuch" i. S. d. § 651l Abs. 2 Ziff. 2 BGB nicht geschaffen, weil der Direktor der dortigen Schule den Sohn der Kläger erst mit dem Beginn des neuen Schuljahrs im Januar aufnehmen wollte; denn der Sohn der Kläger hätte über einen Zeitraum von ca. 3 Monaten nicht am Unterricht teilnehmen können. Einzukalkulieren waren gem. dem für ihre Leistungspflichten maßgeblichen Prospekt nur Ferien bis zu 6 Wochen von Mitte Dezember bis Ende Januar. Auch wenn nach den Verhältnissen im Gastland wegen der Prüfungsphase kurz vor Schuljahresende ab November nur noch "reduzierter Service" angeboten wird, stand auch dieser dem Sohn der Kläger nicht zur Verfügung. Zudem und vor allem war ihm die gerade bei einem Gastschulaufenthalt im Ausland für die Persönlichkeitsentwicklung wichtige Möglichkeit sozialer Kontakte zu Mitschülern genommen.

Gegen die zutreffende Feststellung des Landgerichts, dass eine Anrechnung erbrachter Reiseleistungen nicht zu erfolgen habe und wegen der übrigen Ausführungen zur Höhe hat die Beklagte Anfechtungsgründe nicht geltend gemacht. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil wird daher verwiesen. Entsprechendes gilt wegen des Schadensersatzanspruchs aus § 651f Abs. 1 wegen des Schulgeldes von 50,50 €, dessen Erstattung die Beklagte bereits vorprozessual zugesagt hatte.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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