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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.07.2005
Aktenzeichen: 16 U 12/03
Rechtsgebiete: BGB, BBergG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 313
BBergG § 114
BBergG § 115
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 12/03

Anlage zum Protokoll vom 18.7.2005

Verkündet am 18.7.2005

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23.5.2005 durch seine Mitglieder Jennissen, Appel-Hamm und Wurm

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 26.11.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen (1 O 391/02) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 3.234,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 5.8.2002 zu zahlen.

Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der durch bergbaubedingte Einwirkungen an dem in ihrem Eigentum stehenden, mit dem "Alten Rathaus" bebauten Grundbesitz Gemarkung V, Flur xxx, Flurstücke xx und ##1, Gebäude- und Freifläche S-Straße 1, #### V seit dem Jahre 1998 entstanden ist und zukünftig entstehen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 12 % und die Beklagte zu 88 %. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Kläger zu 12 % und die Streithelferin zu 88 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien und die Streithelferin können die gegen sie gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrags abwenden, falls nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Kläger sind Eigentümer des im Tenor näher bezeichneten und mit einem Gebäude, das früher der Stadt V, der Streithelferin der Beklagten, als Rathaus diente, bebauten Grundbesitzes. Im Jahre 1987 veräußerte die Streithelferin der Beklagten das Objekt an die Eheleute E, die es ihrerseits im Jahre 1992 nach einer grundlegenden Sanierung an die Kläger weiterverkauften. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Bergbaugesellschaft Gewerkschaft T-I, die im Raum V Bergbau betrieb. Der Abbau im Bereich der einzelnen Baufelder wurde schrittweise eingestellt; die Zeche T-I wurde im Jahre 1997 geschlossen. Im Zusammenhang mit der Schließung wurde ein - auch heute noch gültiger - Abschlussbetriebsplan erstellt, nach dessen Vorgaben die Grundwasserpumpen inzwischen abgestellt wurden. Das führte zu einer Flutung der Stollen und damit einer Hebung des Bodens im Bereich des früheren Abbaugebietes. Aufgrund dieser Hebung entstanden an dem Gebäude der Kläger Schäden, die sie mit der vorliegenden Klage geltend machen.

Bereits Anfang der 80er Jahre waren an dem damals der Stadt V gehörenden Gebäude durch den Bergbau bedingte Schäden aufgetreten, für die die Rechtsvorgängerin der Beklagten nach Maßgabe ihres Schreibens vom 3.2.1986 (Anlage 3 zur Klageschrift; von der Streithelferin der Beklagten bestätigt mit Schreiben vom 24.2.1986, Anlage 6 zur Klageschrift) einen Betrag von 240.000 DM zahlte. Ein Teilbetrag dieser Summe in Höhe von 50.000 DM war zur Abgeltung künftiger Schäden bestimmt, wie sich aus dem Schreiben vom 3.2.1986 ergibt.

Die Kläger haben behauptet, seit dem Jahre 1998 seien an dem inzwischen von ihnen erworbenen Gebäude in verstärktem Umfang Risse aufgetreten, die auf die Hebung des Grundwasserspiegels zurückzuführen seien. Dafür hafte die Beklagte nach den Vorschriften des Bundesberggesetzes ungeachtet ihrer früheren Vereinbarungen mit ihrer Streithelferin und der daraufhin erfolgten Zahlungen. Die neuen Gebäudeschäden erforderten einen - noch nicht abschließend bezifferbaren - Betrag in einer Größenordnung, die den damals für Zukunftsschäden gezahlten Abfindungsbetrag weit übersteige. Daneben müsse die Beklagte auch die bisher schon eingetretenen und bezifferten Schäden - neben zur Schadensermittlung aufgewendeten Kosten im wesentlichen den Mietausfall, der durch die Unbenutzbarkeit einzelner Gebäudeteile entstanden sei - tragen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil - dem Antrag der Beklagten entsprechend - die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kläger müssten den im Jahre 1986 zwischen den Rechtsvorgängern beider Parteien vereinbarten Bergschadensverzicht gegen sich gelten lassen; er umfasse auch die später eingetretenen Schäden und binde aufgrund der Bezugnahmen in den Kaufverträgen auch die Kläger. Auf die Sachdarstellung in der angegriffenen Entscheidung wird - ebenso wie auf weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien - ergänzend Bezug genommen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung machen die Kläger im wesentlichen geltend, dass das Landgericht seiner Entscheidung unzutreffende Vorstellungen vom Ausmaß der eingetretenen Schäden zugrunde gelegt habe und aus diesem Grunde auch zu falschen rechtlichen Schlüssen gelangt sei. Allein für die Beseitigung der Substanzschäden sei ein Aufwand in der Größenordnung von 300.000 € erforderlich; hinzu kämen noch Mietausfall- und sonstige Schäden nach näherer Maßgabe der Berechnung in der Klageschrift in Höhe von 36.089,43 €. Mit dem Eintritt dieses Schadens habe zum Zeitpunkt der 1986 geschlossenen Vereinbarungen niemand rechnen können; daher handele es sich um einen vom damaligen Vergleich nicht umfassten Schaden, der nach wie vor geltend gemacht werden könne. Auch sie selbst hätten beim Erwerb des Hauses im Jahre 1992 keine Kenntnis davon gehabt, dass die Stollen im Abbaugebiet noch geflutet werden sollten und durch die damit verbundene Geländeanhebung weitere Schäden verursacht werden konnten. Im Gegenteil: Sie seien aufgrund einer entsprechenden Zusage im Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 3.2.1986 davon ausgegangen, dass weitere Beeinträchtigungen ausgeschlossen seien.

Die Kläger beantragen demgemäss entsprechend ihren erstinstanzlich gestellten Anträgen,

1. die Beklagte zur Zahlung von 36.089,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 5.8.2002 zu verurteilen und

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihnen jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der durch bergbeaubedingte Einwirkungen an dem in ihrem Eigentum stehenden, mit dem "Alten Rathaus" bebauten Grundbesitz Gemarkung V, Flur xxx, Flurstücke xx und ##1, Gebäude- und Freifläche S-Straße 1, #### V seit dem Jahre 1998 entstanden ist und zukünftig entstehen wird.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie berufen sich entsprechend ihrer erstinstanzlichen Rechtsverteidigung auf den ihrer Ansicht nach alle nach dem Jahre 1986 entstandenen - mithin auch die von den Klägern geltend gemachten - Schäden umfassenden Bergschadensverzicht, wie er von den Rechtsvorgängern beider Parteien vereinbart worden sei. Diese Verzichtsvereinbarung müssten die Kläger gegen sich gelten lassen, weil sie bei Vertragsschluss davon Kenntnis gehabt hätten und die jetzt aufgetretenen Schäden auch keineswegs unvorhersehbar gewesen seien. Dass es im Zuge der Wiederherstellung der natürlichen Grundwasserverhältnisse zu Schäden an Gebäuden kommen könne, sei vielmehr schon zu dieser Zeit in der einschlägigen Fachliteratur erörtert worden. Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage könnten also nicht eingreifen, denn die Schäden seien nach der vertraglichen Risikoverteilung von den Klägern zu tragen. Hilfsweise beruft sich die Beklagte darauf, dass selbst auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Kläger nicht alle Schadensfolgen zu ersetzen seien, sondern zumindest ein Teil in den Risikobereich der Kläger falle; zudem sei der an ihre Rechtsvorgänger auf zukünftige Schäden gezahlte Betrag von 50.000 DM anzurechnen. Schließlich behauptet die Beklagte - erstmals mit Schriftsatz vom 17.6.2005 - dass in dem fraglichen Gebäude im Jahre 1989 tatsächlich Arbeiten ausgeführt worden seien. Es seien nämlich im Zuge einer Tieferlegung des Gewölbekellers Ziegelwände errichtet worden; das sei bautechnisch fehlerhaft und habe die jetzigen Schäden mitverursacht.

Der Senat hat aufgrund des Beschlusses vom 12.5.2003 (GA 282 f) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und - aufgrund der Anträge beider Parteien - durch ergänzende mündliche Befragung des Sachverständigen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Q vom 7.3.2005 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.5.2005 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf den Ausgleich der ihnen seit 1998 entstandenen und durch die Anhebung des Bodens im Bereich des streitgegenständlichen Gebäudes verursachten Schäden gemäß §§ 114, 115 BBergG. Die Schäden am Gebäude der Kläger sind durch eine der Beklagten zurechenbare Handlung, nämlich die Beendigung der Grundwasserabsenkung in den früheren Stollen im fraglichen Bergbaugebiet verursacht worden.

Die Kausalität der nach dem Erwerb des Gebäudes durch die Kläger aufgetretenen Schäden durch die Folgen der Grundwasseranhebung ist zwischen den Parteien bis zur mündlichen Verhandlung vom 23.5.2005 unstreitig geblieben. Die Beklagte trägt allerdings nunmehr vor (Schriftsatz vom 17.6.2005), dass die Rechtsvorgänger der Kläger im Jahre 1989, also nach dem Abschluss des Bergschadensverzichts, im Bereich des Kellers Arbeiten vorgenommen hätten, die nicht sach-und fachgerecht seien. Bei einer fachlich richtigen Ausführung wären Risseschäden weitestgehend vermieden worden; darauf - und nicht auf die Anhebungen des Geländes - sei das Schadensbild also zurückzuführen.

Mit diesem Sachvortrag kann die Beklagte allerdings nicht gehört werden. Er ist bereits nach § 296 a ZPO prozessual unbeachtlich, weil es sich nicht um eine Erwiderung auf Vorbringen der Kläger oder um eine Stellungnahme zu in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweisen handelt. Außerdem ist er neu (§ 529 Abs. 2 ZPO) und auch deshalb prozessual unbeachtlich. Dass er von der Beklagten erstinstanzlich nicht hätte vorgebracht werden können (§ 529 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), behauptet sie selbst nicht. Der Senat hat daher - wie schon das Landgericht - davon auszugehen, dass die Frage der Kausalität der sich auf den Grundwasserstand auswirkenden Maßnahmen der Beklagten für die am streitgegenständlichen Gebäude aufgetretenen Schäden im Sinne der Kläger geklärt ist.

Die Schäden am Gebäude der Kläger sind Bergschäden im Sinne der §§ 114, 115 BBergG, obwohl sie nicht die Folge der eigentlichen Abbautätigkeit sind, sondern auf eine erst im Rahmen der Stillegung erfolgte Maßnahme zurückzuführen sind. Entscheidend ist nämlich allein, dass die die Schäden verursachenden Handlungen der Beklagten in einem inneren Zusammenhang mit der eigentlichen Abbautätigkeit stehen; das aber ist bei Wiederherstellungsarbeiten im Rahmen eines Abschlussbetriebsplanes nicht zweifelhaft.

Der Anspruch der Kläger besteht unabhängig davon, ob die Beklagte sich im Rahmen der Einstellung der Wasserhaltung an die in diesem Zusammenhang zu beachtenden technischen Bedingungen gehalten hat oder nicht, denn er setzt lediglich die Kausalität der Maßnahmen für die eingetretenen Folgen, nicht aber ein Verschulden der Beklagten voraus.

Der zwischen den jeweiligen Rechtsvorgängern der Parteien vereinbarte Bergschadensverzicht steht dem Anspruch der Kläger im Ergebnis nicht entgegen. Dies gilt, obwohl der zwischen der Streithelferin der Beklagten und der Gewerkschaft T-I geschlossene Vergleich grundsätzlich auch zukünftige Schäden der hier in Rede stehenden Art umfasste. Er bezog sich nämlich - trotz der missverständlich engen und nur auf den damals geregelten Schadensfall bezogenen Formulierung in dem bereits erwähnten Schreiben der Gewerkschaft T-I vom 3.2.1986 - nicht nur auf mögliche weitere Folgen dieses Schadensereignisses, sondern auch auf künftige Schadensfälle. Das ergibt sich letztlich zweifelsfrei aus dem Inhalt der weiteren Korrespondenz, namentlich aus den Schreiben vom 13.2.1983 und vom 25.2.1985 (Anlagen 4 und 5 zur Klage), aus denen hervorgeht, dass bereits im zeitlichen Vorfeld des Bergschadensverzichts wegen der geologischen Gegebenheiten auch zukünftige, weitere Schadensfälle für möglich gehalten wurden.

Das Landgericht hat richtig festgestellt, dass die Kläger grundsätzlich an die Verzichtserklärung im Rahmen ihrer rechtlichen Reichweite gebunden sind. Das ergibt sich aus dem Inhalt des von den Klägern mit ihren Rechtsvorgängern geschlossenen Vertrages, der eine schuldrechtlich wirksame Übernahme der Rechtsposition der Verkäufer beinhaltete. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in diesem Zusammenhang in dem angefochtenen Urteil Bezug.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist allerdings durch den Eintritt weiterer erheblicher Schäden nach dem Erwerb des Hausgrundstücks durch die Kläger die Geschäftsgrundlage des zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien vereinbarten Bergschadensverzichts weggefallen. Unter der Geschäftsgrundlage eines Vertrages sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum hier anwendbaren, vor dem 1.1.2002 geltenden Rechtszustand die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände zu verstehen, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (vgl. BGHZ 129, 297, 309; 131, 209, 214; 135, 333, 338). Fehlt diese Grundlage oder ändert sie sich derart, dass der betroffenen Partei das Festhalten an der vereinbarten Regelung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zuzumuten ist, ist der Vertrag grundsätzlich den veränderten Verhältnissen anzupassen (vgl. die heutige gesetzliche Regelung in § 313 BGB). Im Rahmen von Abfindungsvergleichen ist anerkannt, dass sich der Abgefundene grundsätzlich an der vereinbarten Leistung festhalten lassen muss. Es liegt nämlich im Wesen eines Abfindungsvergleichs, dass er in der Regel mehr ist als eine bloße zusammenfassende Abgeltung bereits erkannter oder doch leicht erkennbarer und hinreichend wahrscheinlicher Schäden. Wer einen Abfindungsvergleich schließt, nimmt damit grundsätzlich das Risiko in Kauf, dass die für die Berechnung der Zahlung maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen. Seine Entscheidung für die Abfindung wird er in der Regel in dem Bewusstsein treffen, im Gegenzug zur sofortigen und meist erhöhten Zahlung auf die Berücksichtigung zukünftiger, ungewisser Veränderungen zu verzichten, auch soweit sie sich zu seinen Gunsten auswirken könnten. Auf der anderen Seite darf sich auch der Schädiger grundsätzlich darauf verlassen, dass mit der Bezahlung des Abfindungsbetrages die Sache für ihn "ein für allemal erledigt" ist.

Ein Abweichen von dieser umfassenden Bindungswirkung kommt nur ausnahmsweise, nämlich dann in Betracht, wenn es sich um Entwicklungen handelt, die so überraschend und von einem solchen Gewicht sind, dass sie von den Parteien bei Vergleichsabschluss weder ihrer Art noch ihrem Umfang nach als möglich hätten erwartet werden können und sich im Hinblick auf die unerwarteten und unvorhersehbaren Folgen ein so krasses Missverhältnis zwischen Abfindungssumme und Schaden ergibt, dass das Festhalten am Vertrag gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt.

So liegt der Fall hier.

Dabei ist zunächst - entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten - davon auszugehen, dass der Bereich der Zukunftsschäden durch einen Teilbetrag in Höhe von 50.000 DM von der auf die Vereinbarung von 1986 gezahlten Summe abgedeckt sein sollte. Das hat bereits das Landgericht zutreffend als in erster Instanz unstreitig angesehen; es folgt auch zwingend aus dem Inhalt der vom Landgericht zitierten Vertragslage.

Die an der Verzichtsvereinbarung Beteiligten sind im Jahre 1986 - wie sich aus dem von den Parteien vorgelegten Schriftverkehr ergibt - ersichtlich davon ausgegangen, dass die für Zukunftsschäden angesetzte Summe von 50.000 DM für die Beseitigung künftiger nachteiliger Einwirkungen, deren Auftreten ihrerseits für nicht wahrscheinlich gehalten wurde, ausreichend (und wahrscheinlich sogar überhöht) sein würde. Diese Erwartung hat sich indes schon nach dem erstinstanzlichen, im Zuge des Berufungsverfahrens in zulässiger Weise noch präzisierten Vorbringen der Kläger nicht realisiert. Vielmehr ist auf der Grundlage des von der Beklagten nicht ausreichend bestrittenen Vorbringens der Kläger und der von ihnen dazu vorgelegten Unterlagen und Lichtbilder davon auszugehen, dass die Beseitigung der an dem Gebäude bereits jetzt aufgetretenen Substanzschäden finanzielle Aufwendungen in Höhe eines Mehrfachen des Abfindungsbetrages erfordert. Hinzu kommen die von den Kläger bereits bezifferten Schäden, die sich aus Schadensermittlungskosten und dem bereits entstandenen Mietausfall zusammensetzen. Insgesamt kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um eine Überschreitung des Abfindungsbetrages in einer Größenordnung handelt, die das in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als unzumutbar erachtete Missverhältnis noch deutlich überschreitet.

Die Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass eine - teilweise oder vollständige - Unterfangung des Gebäudes zu einer Verringerung der Schäden geführt hätte und die Frage des Missverhältnisses aus diesem Grund anders zu beurteilen wäre. Sie hat nämlich bereits nicht substantiiert vorgetragen, dass eine solche Unterfangung zum damaligen Zeitpunkt überhaupt vereinbart war. Aus dem Inhalt der - den Gegenstand der endgültigen Vereinbarung bildenden - Schreiben vom 3. und 24.2.1986 lässt sich eine solche Absprache jedenfalls nicht entnehmen. Unerheblich, weil nicht ausreichend substantiiert ist auch der Vortrag der Beklagten dazu, in welcher Weise eine solche Unterfangung erfolgen sollte und dass sie tatsächlich nicht erfolgt ist. Darauf, wie auch auf das Problem der Substantiierung des Inhalts der Vereinbarung, ist die Beklagte im Termin vom 23.5.2005 hingewiesen worden. Ergänzender Vortrag dazu ist in dem nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten nicht erfolgt.

Es hat damit dabei zu verbleiben, dass die gesamten anfallenden und nicht um einen Mitverschuldensanteil der Kläger zu kürzenden Sanierungskosten in die Beurteilung zur Frage des Missverhältnisses mit einzubeziehen sind.

Dass es sich bei den nunmehr den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Schäden um neue, für die an den Vereinbarungen des Jahres 1986 Beteiligten in keiner Weise vorhersehbare Entwicklungen handelte, steht nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme fest. Der Sachverständige Prof. Dr. Q ist bereits in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass zur Zeit des Schadenseintritts keinerlei praktische Erfahrungen mit Schäden bestanden, die durch Hebungen über stillgelegten und anschließend gefluteten Gruben entstehen. Das Phänomen dieser Hebungen an sich sei zwar bereits bekannt gewesen, doch habe man allgemein angenommen, dass sie ausschließlich gleichmäßige Bewegungen darstellten, die für nicht imstande gehalten wurden, irgendwelche Schäden an der Tagesoberfläche, insbesondere an Gebäuden hervorzurufen. Diese Feststellung sei für den Bereich des F Abbaureviers Allgemeingut gewesen und zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen, sondern von drei wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt worden. Lediglich für das limburgische Steinkohlenrevier in den Niederlanden habe es eine einzelne Untersuchung gegeben, die die Möglichkeit von Gebäudeschäden nicht ausgeschlossen habe, jedoch erstens zu keinen endgültigen Schlüssen gelangt sei und sich zweitens auf ein mit dem F Revier aus geologischer Sicht in keiner Weise vergleichbares Gebiet bezogen habe. Mit Hebungsschäden im Bereich der Stadt V und ihrer Umgebung habe - so die überzeugende Schlussfolgerung des Sachverständigen - im Jahre 1986 daher niemand rechnen können. Diese Feststellung hat der Sachverständige auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt und auch auf die kritischen Einwände der Beklagten hin bekräftigt. Er hat insbesondere darauf verwiesen, dass Hebungen oder Senkungen für sich genommen noch keine Bergschäden verursachen könnten, sondern nur im Zusammenhang mit irregulären Vorgängen wie Zerrungen und Pressungen in einer Unstetigkeitszone. Das Problem der Unstetigkeitszonen sei aber zum damaligen Zeitpunkt wissenschaftlich noch nicht genügend bekannt und erforscht gewesen.

Der Senat folgt den Feststellungen und Erläuterungen des Sachverständigen in vollem Umfang. Sie sind insgesamt folgerichtig und überzeugend; rechtlich führen sie zu dem Schluss, dass die Geschäftsgrundlage des zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien vereinbarten Bergschadensverzichts weggefallen ist und die Kläger an den damals erklärten Verzicht nach Treu und Glauben nicht gebunden sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geltenden und auf den vorliegenden Fall anwendbaren Rechtszustand ist ein Vertrag, dessen Geschäftsgrundlage entfallen ist, in erster Linie an die veränderten Verhältnisse unter Berücksichtigung der sich aus dieser Änderung ergebenden Interessenlage der Parteien anzupassen (BGHZ 47, 52; NJW 1972, 152; NJW 1984, 1746; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Auflage 2005, § 313 BGB n.F. Rdn. 28 bis 30). Diese Anpassung hat nach einer umfassenden Interessenabwägung nach dem Kriterium der Zumutbarkeit zu erfolgen und soll zu einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche vertragliche Regelung führen. Daneben kommt aber in Fällen, in denen die Fortsetzung eines Vertrages unzumutbar ist, auch dessen Auflösung in Betracht.

Im vorliegenden Fall bietet weder eine einfache Vertragsauflösung noch eine Vertragsanpassung nach den von der Beklagten in ihrem nachgelassenen Schriftsatz entwickelten Grundsätzen eine tragfähige Grundlage für die Lösung des Interessenkonflikts der Parteien. Eine Vertragsanpassung kommt nicht in Betracht, weil der Bergschadensverzicht nicht zwischen den Parteien selbst, sondern von ihren jeweiligen Rechtsvorgängern vereinbart worden ist und sich auf die heutige Interessenlage auch in geänderter Form nicht übertragen lässt. Eine Auflösung des Vertrages wäre gleichfalls nicht sachgerecht, weil der Vertrag in erster Linie den Ausgleich eines bestimmten, im Jahre 1986 relevanten Schadens zum Gegenstand hatte. Stattdessen ist von der Grunderwägung auszugehen, dass der Bergschadensverzicht die Kläger nach Treu und Glauben nicht bindet und sie daher nicht gehindert sind, die durch die Beklagte verursachten Schäden in vollem Umfang geltend zu machen. Für diese besondere Situation der Rechtsnachfolge haben die Kläger daher nach Auffassung des Senats einen Anspruch auf den vollständigen Ausgleich der bereits eingetretenen und zukünftig zu erwartenden Schäden. Dafür spricht auch, dass es für die Vertragsparteien im Jahre 1986 eindeutig war, dass es jedenfalls über den angesetzten Betrag von 50.000 DM hinaus keinerlei weitere Schäden geben werde (vgl. das von den Klägern mit der Klageschrift vorgelegte Schreiben der Rechtsanwälte Wöbker an die Stadt V vom 13.7.1983).

Zum Umfang des Anspruchs der Kläger:

Hinsichtlich der bereits bezifferten Schäden sind zunächst die durch die Mängelfeststellung und die Gebäudesicherung entstandenen Kosten von insgesamt 5.867,07 € anzusetzen. Dieser Betrag ist unstreitig und setzt sich zusammen aus den an den Gutachter und den Statiker gezahlten Beträgen von 1.010,00 € und 640,20 € sowie den für die Sicherungsmaßnahmen der Firma C aufgewendeten 1.830,80 € und 2.386,07 €. Hinzu kommt der Mietausfallschaden für die im einzelnen in der Klageschrift genannten Zeiträume in einer Gesamthöhe von 22932 €. Der Betrag ergibt sich aus dem von den Parteien nach ihren Erklärungen im Termin vom 23.5.2005 auf der Grundlage des Gutachtens des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis J vom 26.6.2003 unstreitig gestellten angemessenen Mietzins von 7 € pro qm (für das 42 qm große EG-Büro), bzw. von 6 € (für die Büros im OG mit 175 qm) und von 5 € (für die Räume im DG) sowie den unbestritten gebliebenen Angaben der Kläger zur Größe der Räume. Für das Ladenlokal III ist der Mietausfall für den Zeitraum Mai bis Juli 2002 und für die gewerblich vermieteten Räume im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss für den Zeitraum November 2001 bis Juli 2002 erfasst.

Das Bestreiten der Beklagten zur früheren Vermietung der Räume und zur Kausalität zwischen den Schäden und dem Mietausfall ist unerheblich. Für die Kausalität spricht ein - von der Beklagten nicht widerlegter - Beweis des ersten Anscheins; es steht auch fest, dass die Räume früher tatsächlich vermietet waren.

Die sich aus den beiden genannten Teilbeträgen ergebende Gesamtsumme von 28.799,07 € ist allerdings - entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten - um den bereits an die Rechtsvorgänger der Kläger auf zukünftige Schäden gezahlten Betrag von 25.564,59 € (50.000 DM) zu kürzen, denn er betraf nach dem Inhalt der Vereinbarung von 1986 gerade den Schaden, den die Kläger nunmehr geltend machen. Daraus ergibt sich ein Betrag von 3.234,48 €.

Alle nicht von dem bezifferten Schadensersatzanspruch umfassten Substanz- und Ausfallschäden sowie etwaige weitere, im Zuge einer Sanierung auftretende Schäden sind Gegenstand des Feststellungsantrags, der in vollem Umfang begründet ist, weil nach dem von den Klägern durch Vorlage von Fotos nachgewiesenen Schadensbild die Erforderlichkeit weiterer Aufwendungen zur Schadensbeseitigung und der Eintritt weiterer Schäden hinreichend wahrscheinlich ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 und 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 276.089,43 € (davon 240.000 € für den Feststellungsantrag)

Ende der Entscheidung

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