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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.09.2000
Aktenzeichen: 16 U 122/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 389
BGB § 463 Abs. 2
BGB § 463 S. 2
BGB § 477 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 122/99 3 O 106/99 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 25.9.2000

Verkündet am 25.9.2000

Luckau, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2000 durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 9. November 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 106/99 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, da die klägerische Forderung durch Aufrechnung erloschen ist, § 389 BGB.

Nachdem der Beklagte seine Einwendungen gegen die Klageforderung fallengelassen hat, die Aufrechnung mit einem Schadensersatz aus dem notariellen Kaufvertrag vom 26.11.1998 als Primäraufrechnung behandelt wissen will und sich für diese Instanz nicht mehr auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft, war nunmehr nur noch über die zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung zu entscheiden. Der klägerischen Forderung über 27.568,11 DM zuzüglich Zinsen abzüglich bereits gezahlter 6.324,06 DM steht ein aufrechenbarer, fälliger Gegenanspruch des Beklagten in mindestens gleicher Höhe gegenüber. Dies ist ein Schadensersatzanspruch wegen arglistigen Vorspiegelns einer Eigenschaft in entsprechender Anwendung des § 463 Abs. 2 BGB, der auf die Fälle des Vorspiegelns einer Eigenschaft ausdehnend angewendet wird (vgl. Palandt/Putzo, 59. Aufl., § 463 Rdz. 13 m.w.N.). Hierbei muß es sich nicht um eine zugesicherte Eigenschaft handeln (vgl. Palandt-Putzo, a.a.O.).

Die Kläger haben dem Beklagten bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 26.11.1998 arglistig einen nicht vorhandenen Umfang der Gaststättenkonzession bezüglich des Hotels vorgespiegelt, indem sie das von ihrer Maklerin erstellte Exposé vom 9.11.1998 (Bl. 216 ff.) zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht haben, das unrichtige Angaben zur Nutzung der im Dachgeschoss befindlichen Räume enthielt. Tatsächlich war eine Hotelnutzung lediglich für folgende Stockwerke und Räume zulässig: Für die Empfangshalle im Erdgeschoss, für Konferenzraum, Salon und Restaurant im ersten Obergeschoss sowie für Fremdenzimmer im ersten bis vierten Obergeschoss (vgl. Bl. 144 d.A.). Hingegen war eine Nutzung des Dachgeschosses nicht gestattet, da dort die baulichen Voraussetzungen (Deckenhöhe) nicht ausreichend waren, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Demgegenüber weist das genannte Exposé für das Hotel "F. Hof" auf dem Grundstück F.er Strasse in K. ein Hotel mit Hotelzimmern vom ersten Obergeschoss bis zum Dachgeschoss aus (Bl. 216 d. GA). Für die Aufteilung im einzelnen werden für das Dachgeschoss "zwei Doppel-/ein Einzelzimmer, Pächterwohnung und anderes" ausgewiesen. Dementsprechend wird auch die Nutzfläche des Hotels einschließlich der Räume im Dachgeschoss berechnet; ebenso werden die drei Hotelzimmer im Dachgeschoss der Gesamtzimmerzahl des Hotels zugerechnet, so dass nach dem Exposé das Hotel über 36 Hotelzimmer verfügt. Diese Angaben wurden bis zum Abschluss des notariellen Kaufvertrages am 26.11.1998 weder von den Klägern, noch von der von ihnen beauftragten Maklerin richtig gestellt. Somit wurde durch Verwendung dieses Exposés mit Kenntnis der Kläger - Gegenteiliges ist weder ersichtlich, noch wurde es von ihnen behauptet - eine Eigenschaft des Kaufgegenstandes vorgespiegelt, die tatsächlich nicht vorhanden war. Für dieses Vorspiegeln ist es unerheblich, in welcher Weise die Dachgeschossräume zum Zeitpunkt der Besichtigung des Hotels durch den Beklagten tatsächlich genutzt wurden. Selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt als Privaträume des Pächters verwendet wurden, blieb aus der Sicht eines potentiellen Käufers jederzeit die Möglichkeit, die Räume wieder als Hotelzimmer einzusetzen. Art und Umfang der zulässigen gewerblichen oder sonstigen Nutzung eines Gebäudes stellen eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Kaufsache dar (vgl. Palandt/Putzo, a.a.O., § 459, Rdz. 24; MünchKomm/Wester-mann, BGB, 3. Aufl., § 459, Rdz. 35 m.w.N.). Hierunter fallen auch objektbezogene Versagungen oder Einschränkungen einer Gaststättenerlaubnis (so BGH NJW-RR 87, 908). Eine solche ist hier gegeben, wenn die Räume aus baulichen Gründen - zu niedrige Deckenhöhe - nicht als Hotelzimmer genutzt werden können. Für den wirtschaftlichen Wert eines Hotels ist die Anzahl der Zimmer von wesentlicher Bedeutung, da diese sowohl Einfluss auf die laufenden Erträge (Pachteinnahmen oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb) als auch auf den Verkehrswert des Grundstücks/Gebäudes haben. Die Art der Nutzung, die der jeweilige Käufer zunächst ins Auge gefasst hat, d.h. ob Eigennutzung oder Verpachtung, spielt dabei keine Rolle.

Die Kläger haben diese nicht vorhandene Eigenschaft auch arglistig im Sinne des § 463 S. 2 BGB vorgespiegelt. Arglistiges Handeln verlangt Vorsatz, wobei Handeln mit bedingtem Vorsatz ausreicht. Diese Voraussetzung wird nicht erfüllt, wenn gutgläubig unrichtige Angaben gemacht werden. Indes ist zur Arglist nicht unbedingt das Wissen erforderlich, dass die angegebene Tatsache nicht der Wahrheit entspricht. Arglistig kann auch der derjenige handeln, der einem anderen versichert, Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, tatsächlich aber nicht über diese Kenntnis verfügt. So reicht es für eine arglistige Täuschung bereits aus, dass Angaben oder Zusicherungen über Tatsachen gegeben werden, die einer sachlichen Grundlage entbehren. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Handelnde sich einer möglichen und zumutbaren Erkenntnis der die Täuschung begründenden Umstände verschliesst, gleichwohl über diese Umstände blindlings vertragliche Zusicherungen abgibt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese Umstände ihm tatsächlich bekannt waren (so die herrschende Meinung, vgl. BGH NJW 80, 2460, BGH NJW 81, 1441). Wenngleich das Schreiben der Stadt Köln vom 12.3.1990, dass an die "Grundstücksgemeinschaft Fürstenberger Hof" und zugleich namentlich an die Kläger gerichtet war, dafür spricht, dass die Kläger über den Umfang der zulässigen Nutzung des Hotels informiert waren - den Erhalt dieses Schreibens haben sie nicht in Abrede gestellt -, kommt es letztlich nicht darauf an, ob ihnen bei den Vertragsverhandlungen Ende 1998 dies noch positiv bekannt war. Denn selbst wenn ihnen der genaue Umfang der Gaststättenkonzession nicht mehr gegenwärtig gewesen sein sollte, haben sie durch Verwendung des Exposés vom 9.11.1998 blindlings einen Umfang der zulässigen gewerblichen Nutzung vorgespiegelt, der tatsächlich nicht der Wahrheit entsprach. Es wäre ihnen nämlich ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, durch Einsicht in ihre Unterlagen oder ggf. durch gezielte Nachfragen ( bei der Stadt K. oder dem Pächter ) den genauen Umfang der gaststättenrechtlichen Konzession zu erfragen und diesen zur Grundlage eines Exposés zu machen. Wenn sie gleichwohl ohne diese Grundlage konkrete Angaben über die zulässige Nutzung der Räumlichkeiten machen, liegt darin ein arglistiges Verhalten i.S.d. § 463 S. 2 BGB.

Die unrichtigen Angaben zur möglichen Nutzung der Räumlichkeiten waren auch ursächlich für den Kaufentschluss des Beklagten. Auch wenn die Einzelheiten der gaststättenrechtlichen Nutzung nicht besprochen wurden und der Umfang der Konzession nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen war, ändert dies nichts daran, dass die Anzahl der nutzbaren Hotelzimmer ein wesentlicher Umstand für die wirtschaftliche Ertragskraft des Hotels ist- wie oben gezeigt wurde - und damit Einfluss auf den Kaufpreis des Grundstücks hat. Bei Kenntnis der wahren Umstände hätte der Erwerber zumindest auf einer Reduzierung des Kaufpreises bestanden und damit die Vertragsverhandlungen in eine andere Richtung gelenkt.

Soweit die Kläger sich hinsichtlich möglicher Gewährleistungsansprüche auf Verjährung berufen, bleibt diese Einrede angesichts der Regelung des § 477 Abs. 1 BGB ohne Erfolg, da Schadensersatzansprüche wegen arglistigen Verschweigens oder Vorspiegelns nicht der kurzen Verjährung unterliegen.

Der Senat schätzt den Schadensumfang gemäß § 287 ZPO auf mindestens 28.000,- DM. Der Beklagte macht vorliegend als Minderwert des Objekts den sogenannten "kleinen Schadensersatz" geltend. Die genaue Höhe dieses Schadens wird sich nur mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens ermitteln lassen. Der Senat geht indes davon aus, dass ein Mindestschaden in Höhe der ursprünglichen Gegenforderung gegeben ist. Hierbei wurde berücksichtigt, dass sich die Zimmerzahl gegenüber den Angaben im Exposè um 1/12 reduziert hat. Berücksichtigt man weiter, dass bei einer geringeren Zimmerzahl ein entsprechend reduzierter Pachtzins zu erwarten ist, so wäre die jährlich zu erwartende Pacht - damals 180.000,- DM - um mindestens 10.000,-, wenn nicht 15.000,- DM zu reduzieren, so dass der Pachtzinsausfall spätestens nach drei Jahren die klägerische Forderung überschreiten würde. Der Senat hat deshalb keine Bedenken, von einem Schaden in Höhe von mindestens der ursprünglichen Klageforderung auszugehen. Zinsansprüche auf diese Forderung waren nicht zu berücksichtigen, da der Schadensersatzanspruch mit Abschluss des notariellen Kaufvertrages entstand und fällig wurde, so dass durch die in § 389 BGB geregelte Rückwirkung der Aufrechnung die klägerische Forderung unmittelbar nach ihrer Entstehung zum Erlöschen kam, mithin kein Verzug mehr eintrat.

Auf die übrigen vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen kommt es nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO kam nicht in Betracht, da der Beklagte unwiderlegt vorgetragen hat, er habe die Unterlagen, insbesondere das Schreiben der Stadt K. vom 12.3.1990, aus dem sich die eingeschränkte Konzessionierung der Räumlichkeiten ergebe, erst nach Ende der mündlichen Verhandlung erster Instanz, d.h. nach dem Termin vom 28.9.1999 erhalten. Eine frühere Geltendmachung der Gegenforderung war ihm somit nicht möglich.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Kläger: 21.244,05 DM.

Ende der Entscheidung

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