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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.07.1999
Aktenzeichen: 16 U 22/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 398
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 22/99 2 O 363/97 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 05.07.1999

Verkündet am 05.07.1999

Krapp, JOS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 1999 durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 01.10.1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 363/97 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Mit der Klage wird Schadensersatz wegen einer vom Kläger behaupteten Schlechterfüllung eines mit den Beklagten geschlossenen Rechtsanwaltsvertrages verlangt.

Im Jahre 1977 führte eine Architektenplanungsgruppe für die Stadt K. die Planung und Bauleitung in Zusammenhang mit der Erstellung des Sozial-Kulturellen Zentrums K.-C. durch. Gemäß einer schriftlichen Vereinbarung vom 20.06.1977 wurde zwischen der Architektengemeinschaft und der Stadt K. ein Pauschalhonorar in Höhe von 1,27 Mio. DM vereinbart. Diese Vereinbarung wurde seitens der Stadt K. von dem Beigeordneten Baecker unterzeichnet. Nach Erhalt dieser Summe vertrat die Architektengemeinschaft die Auffassung, ihr stehe über dieses Pauschalhonorar hinaus ein weiterer Honoraranspruch zu; sie erstellte in diesem Zusammenhang eine Vergleichsrechnung auf der Grundlage einer Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI. Diese Differenz zwischen der Berechnung und dem gezahlten Pauschalhonorar beträgt nach der jetzigen Bezifferung durch den Kläger rund 459.560,00 DM, damals verlangte die Architektengemeinschaft eine deutlich höhere Summe.

Durch Vereinbarung vom 22.12.1982 trat diese Architektengemeinschaft ihre damals noch auf 1,06 Mio. DM bezifferten zusätzlichen Honoraransprüche an den Kläger ab. In einem durch drei Instanzen geführten Rechtsstreit verfolgte der Kläger diese Ansprüche ohne Erfolg. In der Berufungsinstanz dieses zunächst vor dem Landgericht Köln - 5 O 283/83 - geführten Rechtsstreits wurde der Kläger von Rechtsanwalt Prof. Dr. R. J. vertreten (OLG Köln 22 U 247/84). Die Revision gegen das das Rechtsmittel des Klägers zurückweisende Berufungsurteil wurde durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.11.1986 nicht angenommen.

Ende 1987 beauftragte der Kläger Rechtsanwalt U. mit der Prüfung von etwaigen Ansprüchen gegen die für ihn im Vorverfahren tätig gewesenen Prozessbevollmächtigten. Verjährungshemmende oder -unterbrechende Maßnahmen traf Rechtsanwalt U. nicht. Am 16.08.1988 verjährten etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers aus einer Schlechterfüllung des Rechtsanwaltsvertrages mit Rechtsanwalt Prof. Dr. J.. Aufgrund einer Abrede unmittelbar zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt Prof. Dr. J. verzichtete dieser auf die Einrede der Verjährung, und zwar erstmals im Dezember 1988; dieser Verzicht wurde mehrfach verlängert und am 05.01.1990 durch Prof. Dr. J. erstmals mit einer Einschränkung versehen, dass der Verzicht nur soweit gelte, als Verjährung noch nicht eingetreten sei (vgl. K 15). Nach Kündigung der Beauftragung des Rechtsanwalts U. - vermutlich im Frühjahr 1989 - erteilte der Kläger Rechtsanwalt Dr. W. den Auftrag, seine Interessen gegenüber Prof. Dr. J. zu vertreten. Während dieses Mandats kam es zu weiteren - überwiegend mündlichen - Verjährungsverzichtserklärungen von Prof. Dr. J., u.a. zu der bereits erwähnten vom 05.01.1990. Zuletzt erklärte Prof. Dr. J. einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis längstens 30.09.1990. Mit Schreiben vom 23.08.1990 legte Rechtsanwalt Dr. W. sein Mandat nieder (vgl. Anlage K 16).

Daraufhin beauftragte der Kläger Rechtsanwalt Schade, für ihn Klage gegen Prof. Dr. J. zu erheben. Dies geschah durch Klageeinreichung beim Landgericht Köln am 28.09.1993; die Zustellung erfolgte am 08.10.1993. Mit Urteil vom 03.04.1991 (3 O 519/90) wurde die Klage abgewiesen. Die dagegen geführte Berufung des Klägers blieb erfolglos. Nach Auffassung des Senats der bereits in diesem Vorverfahren mit der Sache befaßt war und vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde (vgl. Nichtannahmebeschluss vom 18.03.1993), waren bei Klageerhebung bereits mögliche Schadensersatzansprüche gegen Prof. Dr. J. verjährt (vgl. Urteil des Senats vom 08.07.1992 - 16 U 67/91).

Nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens beauftragte der Kläger die jetzigen Beklagten Anfang September 1993 mit der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage gegen Rechtsanwalt Dr. W.; daran schloss sich eine Klageerhebung an. Auch diese Klage wurde vom Landgericht Köln (unter dem Aktenzeichen 17 O 374/93) abgewiesen. Das Landgericht stellte zur Begründung darauf ab, dass eine Pflichtverletzung des damals beauftragten Rechtsanwalts Dr. W. nicht schlüssig dargetan sei. Im Berufungsverfahren ließ der Kläger - nunmehr vertreten durch Rechtsanwälte G. und Sozien in K. - im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.03.1995 Versäumnisurteil gegen sich ergehen, das rechtskräftig wurde (OLG Köln 16 U 1/95).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten es pflichtwidrig versäumt, Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt Dr. W. in dem zuletzt genannten Rechtsstreit schlüssig vorzutragen. Dies ergebe sich bereits aus dem dortigen Ersturteil. Rechtsanwalt Dr. W. habe seine Pflichten aus dem Mandatsverhältnis schuldhaft verletzt, indem er gegenüber Prof. Dr. J. nicht unverzüglich nach Erhalt des erstmals unter Vorbehalt erklärten Verzichts auf die Verjährungseinrede verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen habe. Zudem habe Dr. W. ihn auf mögliche Rückgriffsansprüche gegen Rechtsanwalt U. und deren Verjährung hinweisen müssen, was nicht geschehen sei. Was den Ausgangsrechtsstreit angehe, so habe Rechtsanwalt Prof. Dr. J. es versäumt, wesentlichen Tatsachenvortrag einzuführen. So sei bereits vor der schriftlichen Vereinbarung vom 20.06.1977 ein Architektenvertrag durch schlüssiges Handeln zustandegekommen, wonach sich aus Rechtsgründen ein höherer Honoraranspruch als das vereinbarte Pauschalhonorar ergebe. Die Mindestsätze der HOAI hätten nach der damals geltenden Rechtslage nur durch eine anderweitige Honorarvereinbarung zum Zeitpunkt der Auftragserteilung unterschritten werden dürfen. Zudem sei ein Verstoß gegen die Vertretungsvorschrift der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung übersehen worden, wodurch die Auftragserteilung nicht wirksam zustandegekommen sei. Alternativ hat der Kläger sich darauf berufen, dass die Beklagten ihn nicht ausreichend über das erhebliche Prozessrisiko einer Klage gegen Rechtsanwalt Dr. W. aufgeklärt hätten, so dass er dann den Prozess möglicherweise vermieden hätte.

Seinen Schaden hat der Kläger aufgeschlüsselt in entgangene Honoraransprüche der Architektengemeinschaft in Höhe von 459.560,00 DM sowie in entstandene Prozesskosten von insgesamt 199.240,58 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift, Seite 45 ff. verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 658.800,58 DM nebst 4 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 199.240,58 DM seit Rechtshängigkeit sowie 4 % Zinsen auf einen Teilbetrag von 459.560,00 DM für die Zeit vom 19.10.1983 - 31.01.1991, für die Zeit vom 01.02.1991 - 30.06.1991 8,405 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 339.456,51 DM und 4 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 120.102,49 DM und für die Zeit 01.07.1991 8,9 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 425.000,00 DM sowie 4 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 34.560,00 DM zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, für einen Schadensersatzanspruch fehle es bereits an der Kausalität, weil Rechtsanwalt Dr. W. sich dem Kläger gegenüber nicht schadensersatzpflichtig gemacht habe. Eine Klage gegen ihn habe deshalb von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Rechtsanwalt Dr. W. habe nämlich keine Möglichkeiten mehr gehabt, Ansprüche des Klägers gegenüber Rechtsanwalt Prof. Dr. J. durchzusetzen. Diese seien nämlich bereits zum Zeitpunkt seiner Mandatierung im Frühjahr 1989 verjährt gewesen. Von einer vorherigen Beauftragung des Rechtsanwalt U. habe Rechtsanwalt Dr. W. keine Kenntnis gehabt. Eine Nachforschungspflicht, ob und ggfls. welche Anwälte bereits vor ihm für den Kläger tätig gewesen seien, habe nicht bestanden. Der Kläger habe schließlich auch keinen Anspruch auf Ersatz der ihm für das Verfahren gegen Dr. W. entstandenen Kosten. Er sei nämlich von ihnen zu Beginn des Rechtsstreits ausführlich über die nach ihrer Auffassung sehr geringen Erfolgsaussichten der Klage in Kenntnis gesetzt worden; gleichwohl habe er auf Durchführung des Verfahrens bestanden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens in erster Instanz wird ergänzend Bezug genommen auf die gewechselten Schriftstücke sowie die damit vorgelegten Urkunden.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung hat das Landgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es an der erforderlichen Kausalität zwischen einer möglichen Pflichtverletzung des damals beauftragten Prozessbevollmächtigten und eines Schadens des Klägers fehle. Eine Pflichtverletzung durch Rechtsanwalt Dr. W. könne nämlich nicht festgestellt werden, so dass der Rechtsstreit gegen ihn in keinem Fall zu einem Erfolg hätte führen können. Rechtsanwalt Dr. W. habe auch - so habe die Beweisaufnahme gezeigt - keine Kenntnis von der vorangegangenen Mandatierung des Rechtsanwalts U. gehabt. Ohne weitere Anhaltspunkte habe auch keine Nachforschungspflicht seinerseits bestanden. Ein Anspruch auf Ersatz der in dem Rechtsstreit Dr. W. angefallenen Kosten scheitere daran, dass der Kläger mit seiner Behauptung, eine Aufklärung über das Prozessrisiko sei nicht erfolgt, beweisfällig geblieben sei.

Gegen das am 15.10.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am (Montag) 16.11.1998 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach zweimaliger ordnungsgemäßer Verlängerung bis zum 08.02.1999 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit dem Rechtsmittel verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag weiter. Er vertieft sein Vorbringen erster Instanz und greift darüber hinaus die Beweiswürdigung des Erstgerichts an. Die gegen Rechtsanwalt Dr. W. erhobene Klage hat seiner Ansicht nach durchaus Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn der Sachverhalt durch die Beklagten in dem Rechtsstreit gegen Dr. W. schlüssig dargestellt worden wäre. Rechtsanwalt Dr. W. habe nämlich unter verschiedenen Gesichtspunkten seine anwaltlichen Pflichten verletzt. Zum einen habe er nicht erkannt, dass mögliche Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt Prof. Dr. J. bereits verjährt gewesen seien; darauf hätte er den Kläger hinweisen und diesem ein weiteres Verfahren ersparen müssen. Zum anderen hätte Dr. W. den Kläger auf etwaige Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt U. sowie auf Zugriffsmöglichkeiten gegen den damaligen Revisionsanwalt, Rechtsanwalt Dr. M., hinweisen müssen. Entsprechende Ansprüche seien damals noch nicht verjährt gewesen. In diesem Zusammenhang ist der Kläger weiter der Meinung, das Landgericht habe die Aussage des Rechtsanwalts Dr. W. unzutreffend gewürdigt. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen werde durch Widersprüche in seiner Aussage erschüttert, die der Kläger im Einzelnen erläutert. Im Übrigen habe der Kläger damals Rechtsanwalt Dr. W. seine gesamte Korrespondenz zur Verfügung gestellt, die auch den Briefwechsel mit Rechtsanwalt U. beinhaltete. Schließlich hätte Dr. W. auch von sich aus nachfragen müssen, ob bereits vorher andere Rechtsanwälte in dieser Sache mandatiert gewesen seien. Zumindest müssten die Beklagten seiner Ansicht nach die Kosten des Verfahrens gegen Dr. W. tragen, da sie ihn unzureichend über das vorhandene Prozessrisiko informiert hätten, wobei er im Wesentlichen auf sein Vorbringen erster Instanz verweist.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 01.10.1998 die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 658.800,58 DM nebst 4 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 199.240,58 DM seit Rechtshängigkeit sowie 4 % Zinsen auf einen Teilbetrag von 459.560,00 DM für die Zeit vom 19. Oktober 1983 bis 31. Januar 1991, für die Zeit vom 1. Februar 1991 bis 30. Juni 1991 8,405 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 339.456,51 DM und 4 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 120.102,49 DM und für die Zeit seit 1. Juli 1991 8,9 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 425.000,00 DM sowie 4 % Zinsen aus einem Teilbetrag von 34.560,00 DM zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen ihr Vorbringen erster Instanz und verteidigen das landgerichtliche Urteil.

Ergänzend wird wegen weiteren Parteivorbringens auf die gewechselten Schriftsätze und die damit vorgelegten Urkunden Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Ebenfalls waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung folgende Akten: 16 U 1/95 (Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. W.), 16 U 67/91 (Verfahren gegen Rechtsanwalt Prof. Dr. J.) und 22 U 247/84 (Verfahren gegen die Stadt K.).

Entscheidungsgründe

Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten wegen positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrages unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Denn die von ihm beanstandete Prozessführung in dem Verfahren 17 O 374/93 LG Köln konnte für einen etwaigen Schaden nicht ursächlich werden, da der Prozess gegen Rechtsanwalt Dr. W. keine Aussicht auf Erfolg bot. Ferner blieb der läger beweisfällig mit seiner Darstellung, die Beklagten hätten ihn nicht ausreichend über das Prozessrisiko dieses Verfahrens aufgeklärt.

I.

Unabhängig von der Frage, ob der Kläger sich hinsichtlich der Prozessführung der Beklagten in dem genannten Rechtsstreit zu Recht auf Schlechterfüllung beruft, scheitert der geltend gemachte Anspruch daran, dass eine Pflichtverletzung durch Rechtsanwalt Dr. W. während seines Mandats für den Kläger in den Jahren 1989 und 1990 nicht festgestellt werden kann.

1.

Dass Rechtsanwalt Dr. W. den Kläger zur Frage der Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gegen Rechtsanwalt Prof. Dr. J. möglicherweise nicht zutreffend beraten haben mag, spielt im Ergebnis keine Rolle. Denn zu dem Zeitpunkt, als Rechtsanwalt Dr. W. beauftragt wurde, nämlich im Frühjahr/Frühsommer 1989, waren etwaige Schadensersatzansprüche bereits verjährt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 08.07.1992 (16 U 97/91) festgestellt hat und was inzwischen von den Parteien nicht mehr in Zweifel gezogen ist, ist Verjährungseintritt spätestens am 16.08.1988 erfolgt.

Die Einleitung verjährungsunterbrechender oder sonstiger erfolgsversprechender Maßnahmen gegen Rechtsanwalt Prof. Dr. J. waren für Rechtsanwalt Dr. W. aus diesem Grunde nicht mehr möglich.

Soweit der Kläger meint, Rechtsanwalt Dr. W. hätte ihm damals nach entsprechender Beratung von einem weiteren Vorgehen gegen Prof. Dr. J. abraten müssen, übersieht er, dass nicht Dr. W., sondern Rechtsanwalt Schade die Schadensersatzklage als Prozessbevollmächtigter des Klägers erhoben hat. Rechtsanwalt Dr. W. hatte bereits am 23.08.1990 das Mandat niedergelegt, während die Klage erst am 28.09.1990 eingereicht worden ist. Mag auch - wie aus den gewechselten Schreiben zu entnehmen ist - zwischen Rechtsanwalt Dr. W. und dem Kläger damals grundsätzlich Einvernehmen über eine Klageerhebung bestanden haben - wenngleich deren Ausgestaltung kontrovers gesehen wurde -, so kam es wegen der im Schreiben vom 23.08.1990 erwähnten Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten gerade nicht zu einer Klageerhebung durch Dr. W. (vgl. Anlage K 16). Der von dem Kläger später beauftragte Rechtsanwalt Schade hat auftragsgemäß die Schadensersatzklage gegen Prof. Dr. J. erhoben. Damit konnte eine etwaige fehlerhafte juristische Beratung durch Dr. W. - sollte sie überhaupt vorgelegen haben - nicht mehr ursächlich für den späteren Rechtsstreit werden. Denn die abschließende und entscheidende Beratung über die Frage des Ob und Wie der Einleitung eines Prozesses ist zwischen dem Kläger und dem später beauftragten Rechtsanwalt besprochen worden. Mag auch die vorangegangene Beratung durch Rechtsanwalt Dr. W. den Kläger in seiner Entscheidung in der einen oder anderen Weise bestärkt haben - hierzu fehlt im Übrigen ein schlüssiger Vortrag -, so wurden die für die Klageerhebung entscheidenden Beratungsgespräche mit einem anderen Prozessbevollmächtigten geführt.

2.

Rechtsanwalt Dr. W. kann auch nicht deshalb eine Pflichtwidrigkeit angelastet werden, weil er nicht auf eventuelle Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt U. hingewiesen hat.

aa)

Festzuhalten ist hier zunächst, dass die Beauftragung gegen Rechtsanwalt Dr. W. sich darauf erstreckte, die klägerischen Interessen gegenüber Prof. Dr. J. zu vertreten (so der ausdrückliche Vortrag des Klägers in seiner Klageschrift, Seite 26). Demzufolge bestand für Dr. W. allenfalls dann Veranlassung, Schadensersatzansprüche auch in Richtung anderer Berater zu überprüfen, wenn er von deren Tätigkeit Kenntnis erlangt hätte. Dass dies hier der Fall gewesen ist, konnte der Kläger nicht belegen.

Nach der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme kommt der Senat ebenso wie das Landgericht zu dem Ergebnis, dass Rechtsanwalt Dr. W. keine Kenntnis davon hatte, dass zuvor Rechtsanwalt U. eingeschaltet gewesen war. Die Angaben, die Dr. W. hierzu als Zeuge gemacht hat, sind in vollem Umfang glaubhaft. Dass er als Sozius in einer größeren Rechtsanwaltskanzlei mit einer Vielzahl von Mandaten jährlich sich nicht mehr an Details des damaligen Mandats erinnern konnte, ist ohne weiteres nachvollziehbar und spricht nur - wie das Landgericht schon zu Recht ausführt - für seine Glaubwürdigkeit. Weiterhin ist ebenfalls plausibel, dass er sich erst anhand der Handakten des gegen ihn geführten Prozesses in Erinnerung rufen konnte, dass er vom Tätigwerden des Rechtsanwalts U. erstmalig in diesem gegen ihn gerichteten Verfahren erfahren hat. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser in sich widerspruchsfreien Aussage. Den vom Kläger beanstandeten Widerspruch bezüglich der Mitwirkung eines anderen Rechtsanwalts oder Referendars bei der Klageabfassung vermag der Senat nicht zu erkennen. Dass der Zeuge auch zu dieser Person, die ihm vor ca. acht Jahren bei der Erstellung der Klage behilflich war, keine Angaben mehr machen kann, entspricht dem oben geschilderten Eindruck, dass der gesamte Vorgang dem Zeugen Dr. W. nicht mehr in Erinnerung ist und nur anhand der schriftlichen Unterlagen rekapituliert werden kann. Schließlich stehen die Angaben des Zeugen in Einklang mit den damals gewechselten Schriftsätzen, aus denen sich keinerlei Hinweise auf eine frühere Tätigkeit des Rechtsanwalts U. ergeben. Diesem Indiz kommt insofern besondere Bedeutung zu, da der Kläger regelmäßig mit den von ihm beauftragten Rechtsanwälten eine rege Korrespondenz geführt hat.

Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zeugen allein deshalb, weil dieser selbst zunächst in eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Kläger involviert war, bestehen für den Senat nicht. Hierbei hat er berücksichtigt, dass dem Zeugen als Organ der Rechtspflege in besonderem Maße die Pflicht zu einer wahrheitsgemäßen Aussage gegenwärtig ist.

Veranlassung zu einer nochmaligen Vernehmung des Zeugen gemäß § 398 ZPO bestand demnach nicht.

Soweit der Kläger behauptet, er habe sämtliche Korrespondenz einschließlich derjenigen mit Rechtsanwalt U. bei Mandatierung an Rechtsanwalt Dr. W. übergeben, bleibt er mit dieser bestrittenen Behauptung beweisfällig. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger bei der Beauftragung späterer Rechtsanwälte, insbesondere des Rechtsanwalts Schade, sämtliche Korrespondenz zur Verfügung gestellt hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, folgt daraus noch nicht zwingend, er habe sich gegenüber Rechtsanwalt Dr. W. in derselben Weise verhalten.

bb)

Nach Ansicht des Senats bestand bei dieser Sachlage auch keine Veranlassung für Rechtsanwalt Dr. W., weitere Nachforschungen in dieser Richtung zu tätigen, insbesondere den Kläger dazu zu befragen, ob er bereits einen anderen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung der Interessen gegenüber Prof. Dr. J. beauftragt habe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Anwalt die Interessen seines Auftraggebers jeweils in den Grenzen des erteilten Mandats in jeder Richtung wahrzunehmen. Welche konkreten Pflichten aus dem erhaltenen Auftrag abzuleiten sind, richtet sich dabei nach dessen Umfang und den jeweiligen Umständen des Einzelfalles (vgl. BGH, NJW 1993, 2045 m.w.Nachw.). Bei der Beauftragung durch den Kläger stellte sich für Rechtsanwalt Dr. W. ein widerspruchsfreies Bild in der Weise dar, dass er nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gegen die Stadt K. nunmehr damit betraut werden sollte, etwaige Schadensersatzansprüche gegen den damaligen Prozessbevollmächtigten in zweiter Instanz zu überprüfen. Hierbei konnte sich Rechtsanwalt Dr. W. auf die Richtigkeit der Angaben des Klägers verlassen und brauchte keine weiteren eigenen Nachforschungen über diesen vorgegebenen Rahmen hinaus vorzunehmen. Denn ein Rechtsanwalt ist nicht gehalten, eigene Nachforschungen zu Sachverhalten, die der Mandant noch nicht einmal erwähnt hat, vorzunehmen, vielmehr kann er sich auf die Angaben seines Mandanten verlassen, solange er keinerlei Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit hat oder haben müsste (vgl. BGH, NJW 1994, 2293). Dieser Grundsatz ist erst recht entsprechend auf die Vollständigkeit der Mandanteninformationen, die sich auf Sachverhalte über den eigentlichen Rahmen des Mandats hinaus beziehen, anzuwenden, soweit für den Rechtsanwalt keine Lücken und/oder damit eventuell verbundene Unrichtigkeiten deutlich werden. Das war im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Auftrag zum einen beschränkt war auf die Prüfung etwaiger Ansprüche gegen Prof. Dr. J., zum anderen Rechtsanwalt Dr. W. auch in Anbetracht der Person des Klägers von einer umfassenden Information ausgehen konnte. Denn der Kläger als Wirtschaftsprüfer verfügt nicht nur über erhebliche Erfahrung im Wirtschaftsleben, sondern ist darüber hinaus, wie auch Rechtsanwalt Dr. W. bekannt war, hinreichend gerichtserfahren.

Eine generelle Verpflichtung eines Rechtsanwalts, sich bei jeder Mandatsübernahme sich nach einer eventuellen früheren Beauftragung eines anderen Kollegens zu derselben Frage zu erkundigen, wie sie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung postuliert worden ist, kann der Senat nicht erkennen. Durch eine solche Fragestellung kann nämlich möglicherweise das Vertrauensverhältnis zu dem Mandanten in Frage gestellt werden; dieser sieht sich gegen seinen Willen zu ihm unliebsamen Angaben veranlasst, ohne dass klar wird, dass diese Erklärungen zur Aufklärung des eigentlich im Mittelpunkt des Auftrags stehenden Sachverhaltes beitragen könnte. Eine solche generelle Nachfragepflicht bei Mandatsübernahme wird - soweit ersichtlich - weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung bejaht (vgl. hierzu beispielsweise Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht, Rn. 108 ff.).

3.

Eine Pflichtverletzung seitens Rechtsanwalts Dr. W. liegt auch nicht darin, dass er nicht von sich aus gegen den früheren Anwalt im Revisionsrechtszug, Rechtsanwalt Dr. M., vorgegangen ist oder entsprechendes gegenüber dem Kläger angeregt hätte. Unabhängig von der Frage, ob etwaige Schadensersatzansprüche zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, hat Dr. W. auf entsprechende Anfrage des Klägers deutlich gemacht, dass er eine (weitere) Prüfung der Rechtslage hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche gegen Dr. M. sowie die Einleitung anspruchsichernder Maßnahmen nur auf ausdrückliche Anweisung des Klägers durchführen wird; eine solche ist nicht erfolgt. Dr. W. hat nämlich in seinem Schreiben vom 30.11.1989 darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung des Rechtsanwalts Dr. M. in diese Sache ein "ganz neuer Gesichtspunkt" sei. Er erlaubte sich weiter den Hinweis, dass bisher "lediglich ein Auftragsverhältnis dahingehend bestand, dass wir (gemeint ist Dr. W.) gegen Herrn Prof. Dr. J. vorgehen sollen". Weiter heisst es: "Sollten Sie (gemeint: der Kläger) der Meinung sein, dass wir nun auch gegen Herrn Dr. M. vorgehen sollen, bitten wir um weitere Informationen" (vgl. Ablichtung des Schreibens = K 19A, Bl. 104 f. d. GA). Reagiert der Kläger als Auftraggeber auf dieses Schreiben nicht mehr, so bestand für den beauftragten Rechtsanwalt Dr. W. keine Veranlassung, eventuelle Ersatzansprüche gegen den damaligen Revisionsanwalt zu überprüfen.

Daneben bestehen aus anderen Gründen durchgreifende Bedenken gegen etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Untätigsein in Richtung des Rechtsanwalts Dr. M.. Denn sollte tatsächlich ein pflichtwidriges Versäumnis des Rechtsanwalts Dr. W. vorgelegen haben - wofür allerdings keine Anhaltspunkte bestehen -, wäre dieses dennoch nicht für einen möglichen Schaden des Klägers kausal geworden. Der Kläger selbst hat nämlich bereits zu Beginn des Jahres 1989 zunächst angemeldete Ansprüche gegen Dr. M. aus eigenem Antrieb nicht mehr weiter verfolgt. Er hatte bereits am 23.02.1989 einen Mahnbescheid über 800.000,00 DM gegen Dr. M. erwirkt, das Mahnverfahren aber - offensichtlich nach Widerspruch - aus Kosten- oder anderen Erwägungen heraus - nicht weiter betrieben (vgl. Bl. 351 der Beiakten 16 U 67/91; sowie Bl. 345 der genannten Beiakten). Wenn er nunmehr den damals beauftragten Rechtsanwalt ein diesbezügliches Versäumnis zur Last legen will, vermag dies nicht zu überzeugen. Zumindest hätte es einer genauen Darlegung bedurft, wieso der Kläger ca. ein halbes Jahr, nachdem er selbst ein Mahnverfahren gegen Dr. M. abgebrochen hat, nunmehr dieselben Ansprüche mit entsprechenden Kostenfolgen weiterverfolgt hätte.

Die vom Kläger eingereichte Klage gegen Rechtsanwalt Dr. W. konnte deshalb unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben, so dass etwaige Fehler der Beklagten in ihrer Prozessführung keinerlei Auswirkungen haben konnten.

II.

Ebenfalls zu Recht und aus zutreffenden Gründen hat das Landgericht einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers wegen mangelhafter Aufklärung über das Prozessrisiko des Verfahrens gegen Rechtsanwalt Dr. W. verneint. Der Kläger, der für den Vorwurf einer Pflichtwidrigkeit des Beklagten die volle Darlegungs- und Beweislast trägt, ist hierzu beweisfällig geblieben.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung trägt derjenige, der eine Pflichtverletzung eines Rechtsanwaltes behauptet, die volle Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt auch für den Vorwurf der fehlenden Aufklärung. Den damit verbundenen Schwierigkeiten, insbesondere für einen Negativbeweis, wird dadurch begegnet, dass die zur Beratung verpflichtete Partei im Einzelnen darzulegen hat, in welcher Weise sie ihre Pflichten erfüllt hat (so ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, z.B. NJW 1987, 1322; NJW 1995, 2842; NJW 1996, 2571 je m.w.Nachw.; Vollkommer, a.a.O., Rn. 499 ff., Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 675 BGB, Rz. 15). Eine Umkehr der Beweislast wird in diesen Fällen ausdrücklich abgelehnt (vgl. nur Vollkommer, a.a.O. m.w.Nachw.). Der Ablauf des Beratungsgesprächs muss hierzu nicht in allen Einzelheiten dargestellt werden; dies überfordere - so die höchstrichterliche Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt - den Rechtsanwalt oder Steuerberater in Anbetracht des Zeitablaufs (BGH, NJW 1996, 2571). Die Beklagten haben vorliegend die vom Kläger behauptete Nicht-Beratung ausreichend substantiiert bestritten und hinreichend vorgetragen. Sie haben nämlich bereits in erster Instanz Einzelheiten des Beratungsgespräches dargelegt (Bl. 87, 88 d. GA) und dies in zweiter Instanz um die vermutete Zeitangabe ergänzt (Bl. 246 d. GA). Nähere Angaben zu dem etliche Jahre zurückliegenden Gespräch können von ihnen nicht verlangt werden. Der Rechtsanwalt ist in diesen Fällen im Übrigen nicht verpflichtet, seine Belehrung nachträglich in einem schriftlichen Vermerk festzuhalten oder - falls der Mandant erkennbar dem Rat nicht folgen will - diesen nochmals eindringlich, ggfls. schriftlich, zu wiederholen (vgl. BGH, NJW 1995, 2843 und NJW 1996, 2571). Der Kläger ist diesem substantiierten Vortrag der Beklagten zwar entgegengetreten. Er hat indes seine Version der fehlenden Beratung nicht unter Beweis stellen können (Bl. 94, 95; Bl. 228 d. GA). Damit ist er in dieser Frage beweisfällig geblieben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert und Beschwer des Klägers: 658.800,58 DM

Ende der Entscheidung

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