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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.12.2000
Aktenzeichen: 16 U 25/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GewO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 539
ZPO § 540
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 635
GewO § 36
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 25/00 3 O 301/99 - LG Köln -

Anlage zum Protokoll vom 04.12.2000

Verkündet am 04.12.2000

Luckau, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2000 durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 22.2.2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 301/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere haben die Kläger entgegen der Meinung des Beklagten in ihrer Berufungsbegründung einen hinreichend bestimmten Sachantrag i. S. d. § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO gestellt. An diesem Erfordernis kann es zwar dann mangeln, wenn ein Berufungskläger nur den Prozessantrag auf Aufhebung und Zurückverweisung ankündigt. Da indes der erforderliche Sachantrag nicht ausdrücklich formuliert zu werden braucht, ist das Rechtsmittel bereits für den Fall zulässig, dass nur der Prozessantrag in eine Antragsform gekleidet und in den Gründen zum Ausdruck gebracht wird, dass das erstinstanzliche Begehren weiterverfolgt wird (vgl. BGH WM 1990, 2128, 2130). Ein derartiger Wille wird auch dann deutlich, wenn - wie hier - primär der Prozess- und hilfsweise der Sachantrag gestellt wird; denn bei dem mit einer Verfahrensrüge verbundenen (vermeintlichen) Hauptantrag handelt es sich um eine bloße Anregung an das Gericht von einer eigenen Sachentscheidung abzusehen und die notwendige Sachaufklärung dem Landgericht zu überlassen (vgl. Zöller/Geimer, ZPO 22. Auflage, § 519 Rdn. 28). Es liegt auf der Hand, dass die Aufhebung und Zurückverweisung nicht um ihrer selbst willen, sondern deshalb angestrebt wird, um die Verurteilung des Beklagten durchzusetzen (BGH BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1 - Anfechtungsumfang 2 -).

Ob die Rüge, dass bereits das Landgericht Beweis hätte erheben müssen, im Hinblick auf einen etwaigen Verfahrensfehler gem. § 539 ZPO beachtlich ist, bedarf keiner Entscheidung, nachdem die erforderliche Sachaufklärung inzwischen erfolgt und daher auch bei einem unterstellten Verfahrensfehler des Landgerichts eine eigene Sachentscheidung des Senats sachdienlich i. S. d. § 540 ZPO ist.

I.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Klage ist nicht begründet.

Schadensersatzansprüche wegen der behaupteten Mängel des Wertgutachtens vom 01.09.1998, die nach der teilweisen Klagerücknahme nur noch mit einer Summe von 38.852,98 DM geltend gemacht werden, stehen den Klägern unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1.

Unmittelbar aus § 635 BGB oder aus positiver Forderungsverletzung (vgl. hierzu BGH NJW 1995, 392 [393]) lassen sich Ersatzansprüche der Kläger nicht herleiten. Die Kläger haben nicht bewiesen, dass der Werkvertrag über die Erstellung des Wertgutachtens zwischen dem Beklagten und ihnen, zumindest einem von ihnen zustande gekommen ist.

Nach der Urkundenlage ist die Annahme des Landgerichts richtig, dass die Stadtsparkasse K. Auftraggeberin des Beklagten war. Dem Beklagten, der vom Vorstand der Stadtsparkasse gem. § 6 Abs. 1 S. 2 der Sparkassen-VO (GV NW S. 1255/SGV NW 764) i. V. m. § 3 Abs. 2 a) der Beleihungsgrundsätze für Sparkassen (SMBl.NW 764) für Beleihungsschätzungen bestellt und verpflichtet ist, ist von der Stadtsparkasse am 26.08.1998 mit einem Begleitschreiben, in dem er darum gebeten wurde, möglichst noch am gleichen Tag mit dem Kläger zu 1. eine Terminsabsprache zu treffen und kurzfristig ein Gutachten zu erstellen, ein schriftlicher Auftrag erteilt worden. Dies geschah auf einem für Beleihungsschätzungen gebräuchlichen Formular, das eindeutig und unmissverständlich sie selbst als Auftraggeberin ausweist. Diesen Auftrag konnte der Beklagte deshalb dahingehend auffassen konnte, dass er sich auf ein übliches Beleihungswertgutachten im Rahmen seiner regelmäßigen Tätigkeit für die Stadtsparkasse handelte. Dass er den Auftrag so verstanden hat, ergibt sich aus dem Gutachten, in dem die Stadtsparkasse als "Auftraggeber" bezeichnet ist. Auch hat der Beklagte das Gutachten nicht etwa den Klägern, sondern der Stadtsparkasse übermittelt, die es dann an den Kläger zu 1. weitergeleitet hat, nachdem auf jede Seite folgender Stempel gesetzt und dieser jeweils von zwei Mitarbeitern abgezeichnet worden war:

"Diese Wertschätzung wurde nach den Beleihungsgrundsätzen für öffentlich rechtliche Sparkassen erstellt und kann nicht als Grundlage des tatsächlichen Wertes dienen.

Stadtsparkasse K."

Die Gutachterkosten schließlich sind nicht etwa von den Klägern selbst unmittelbar an den Beklagten überwiesen worden. Vielmehr ist dem Kläger zu 1. von der Stadtsparkasse ein Betrag vom Konto abgebucht worden, der nach dem nicht widerlegten Vortrag des Beklagten noch nicht einmal identisch ist mit dem von der Stadtsparkasse aufgrund eines Rahmenvertrags an ihn gezahlten Honorar.

Dass mündlich von der Urkundenlage abweichende Vereinbarungen erfolgt sind, haben die Kläger nicht zu beweisen vermocht.

Sie haben zwar - erstmals im Rahmen eines nachgelassenen Schriftsatzes erster Instanz - einen Sachverhalt dargelegt und unter Beweis gestellt, aus dem sich schlüssig die Voraussetzungen für eine Beauftragung des Beklagten durch den Kläger zu 1. ergeben. Indes haben weder die beiden Mitarbeiter der Stadtsparkasse K. , die Zeugen R. und W. , noch der Beklagte bei seiner auf Antrag der Kläger erfolgten Parteivernehmung den Sachvortrag der Kläger bestätigt, sondern im Gegenteil das ausgesagt, was sich auch aus den Urkunden ergibt, nämlich dass der Auftrag zur Erteilung des Gutachtens - so die Zeugen W. und R. - erteilt worden ist, weil zwar wegen der Bonität des Klägers zu 1. hiervon nicht die Finanzierung abhängig war, man es jedoch aus "formellen" bzw. "technischen" Gründen brauchte, also im Hinblick auf die Beleihungsgrundsätze für Sparkassen. Im Rahmen des telefonischen Kontaktes zwischen den Parteien soll es nach den Bekundungen des Beklagten - angesichts des Begleitschreibens zu dem Auftrag - durchaus nachvollziehbar nur um eine Terminsabsprache und darum gegangen sein, dass die Sache eilbedürftig sei. Damit ist jedenfalls auch nicht bewiesen, dass eine telefonische Auftragserteilung unmittelbare zwischen den Parteien erfolgt ist. Soweit die Kläger schließlich den damaligen Bewohner des Objekts, den Zeugen B. B., dafür benennen, dass dieser bei der Besichtigung durch den Beklagten "eindeutig den Eindruck vermittelt" habe, dass er "für die Kläger" tätig werde, war dem Beweisantritt nicht nachzugehen; denn sie legen nicht dar, aufgrund welcher Tatsachen der Zeuge den genannten Eindruck gewonnen haben soll, was also der Beklagte eigentlich gesagt hat.

2.

Der Gutachtervertrag zwischen dem Beklagten und der Stadtsparkasse K. kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass hieraus für den Beklagten Schutzpflichten gegenüber potentiellen Käufern des Grundstücks entstanden sind, also gegenüber dem ihm als Kaufinteressenten bekannten Kläger zu 1. und gegebenenfalls auch gegenüber der Klägerin zu 2., von deren Existenz und von deren Kaufabsicht er seinerzeit offensichtlich keine Kenntnis hatte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Käufer aus einem Wertgutachten nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter dann Schadensersatzansprüche herleiten, wenn sich aus den Umständen des Falles hinreichende Anhaltspunkte für einen auf Drittschutz gerichteten Parteiwillen ergeben, was insbesondere dann der Fall ist, wenn das Gutachten erkennbar für einen Dritten bestimmt ist und der Sachverständige über besondere, durch staatliche Anerkennung oder einen vergleichbaren Akt ausgewiesene Sachkunde verfügt (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB 59. Auflage, § 328 Rdn. 24). Ein die staatliche Anerkennung i. S. d. § 36 GewO vergleichbarer Akt zum Ausweis besonderer Fachkunde ist u. a. dann anzunehmen, wenn ein Bausachverständiger - wie hier - nach § 3 der Beleihungsgrundsätze für öffentlich-rechtliche Sparkassen vom Vorstand einer Sparkasse besonders verpflichtet worden ist (BGH NJW 1995, 392, insoweit in der MDR a.a.O. nicht abgedruckt).

Mit dem Landgericht ist der Senat der Meinung, dass in dem hier vorliegenden Fall eines Vertrags zwischen einem öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut und einem Bausachverständigen über ein Beleihungswertgutachten ein Drittschutz zu verneinen ist. Dies folgt aus dem unterschiedlichen Zweck gegenüber einem Verkehrswertgutachten, der in der Berufungserwiderung unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 20.02.1980 (abgedruckt bei Consbruch /Möller/Bähre/Schneider KWG, Bd. 1, Ordnungs-Nr. 8.19) zutreffend dargestellt wird. Während die Ermittlung des Verkehrswertes vornehmlich auf den Ausgleich entgegengesetzter Interessen gleichrangiger Rechtsträger gerichtet ist und deshalb auf den wahren, den richtigen Wert des Objekts zu einem bestimmten Stichtag zielt, ist der Beleihungswert etwas völlig anderes, nämlich ein Dauerwert, der allein dazu dient, dem Kreditgeber eine verlässliche Vorstellung über die Eignung eines Grundstücks zur Absicherung eines meist langfristigen Kredits zu verschaffen. Der Beleihungswert wird deshalb auch als Dauerwert bezeichnet, weil die dauernden Eigenschaften des Grundstücks und der Ertrag zu berücksichtigen sind, den das Grundstück bei ordnungsgemäßer Wirtschaft für die Beleihungszeit gewähren kann (vgl. Bruchner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 86 Rdn. 27). Für dessen Ermittlung ist der Verkehrswert nur ein Hilfsmittel bzw. ein Faktor, was auch in § 2 Abs. 1 S. 3, 4 der Beleihungsgrundsätze deutlich wird, wenn hierin ausgeführt wird, als Grundlage für die Festsetzung des Beleihungswertes dienten der Ertragswert, der Bau- und Bodenwert und der Verkehrswert, wobei in erster Linie der Ertragswert zugrunde zu legen sei. Genau dieser unterschiedliche Zweck ist praktisch in Kurzform den Klägern bei der Übermittlung des Gutachtens durch die Stadtsparkasse K. durch den Stempelausdruck vor Augen geführt worden. Damit brachte die Stadtsparkasse auch zum Ausdruck, dass das Gutachten als solches nur für Beleihungszwecke, also für sie selbst bestimmt war und mit der Übermittlung an die Kreditnehmer lediglich einer bloßen (Neben-)Pflicht aus dem Rechtsverhältnis mit ihrem Kunden nachgekommen wurde, ohne das ihm Rechte hieraus erwachsen konnten.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschwer der Kläger: 38.852,98 DM

Ende der Entscheidung

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