Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: 16 U 31/03
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 5
BGB § 253 Abs. 2 n. F.
BGB § 278
BGB § 280 n. F.
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 831
BGB § 847 a. F.
StGB § 230
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
16 U 31/03

OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Sturhahn

am 30.07.2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 07.03.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 15 O 611/02 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung ist nicht begründet und war gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

I.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11.07.2003 die Gründe, die einem Erfolg des Rechtsmittels entgegenstehen und eine Entscheidung hierüber im Beschlusswege rechtfertigen können, im Wesentlichen wie folgt mitgeteilt:

1.

Das Landgericht hat mit Recht eine Verletzung von Pflichten der Beklagten aus dem Reisevertrag bzw. gleichgelagerter Verkehrssicherungspflichten verneint.

Die Beklagte traf - wie zwischen den Parteien nicht im Streit ist - die Pflicht, alle Einrichtungen der Hotelanlage einschließlich der Wege auf solche Mängel zu überprüfen, die sich bei genauem Hinsehen jedem offenbaren. Dass sie dies unterlassen oder ihre Pflicht nicht hinreichend beachtet hat, kann ihr nicht A.stet werden. Nicht nur im Rahmen der eingeschränkten Verkehrssicherungspflicht eines Reiseveranstalters, sondern bereits bei der weitergehenden allgemeinen Verkehrssicherungspflicht kann von dem Verantwortlichen nicht verlangt werden, dass Wege völlig gefahrlos sind, was ohnehin letztlich nicht zu verwirklichen wäre. Vielmehr hat er in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag (vgl. z. B. OLG Frankfurt OLGReport 1997, 148).

Vorliegend ging von den Ziegelsteinen bzw. Tonplatten eine hohe Warnfunktion aus. Sie unterscheiden sich durch ihre rotbraune Farbe deutlich von dem hellgrauen Beton des Weges im Übrigen. Selbst anhand der vorgelegten Fotos ist zu erkennen, dass ihre Oberfläche - was auch in der Natur der Sache liegt - nicht so aufgeraut ist wie der Beton des Weges. Auch wenn man beim Begehen eines Weges in einer Ferienanlage nicht bei jedem Schritt darauf achtet, worauf man tritt, ist es aber letztlich eine Selbstverständlichkeit und gehört zu der von Jedem zu verlangenden Sorgfalt, dass man sich jedenfalls darüber orientiert, wie der vor einem liegende Teil eines unbekannten Weges beschaffen ist; denn bei einer anderen Betrachtungsweise verlören beispielsweise farbliche Markierungen für Stufen o. ä. ihren Sinn. Vor allem gilt dies dann, wenn man einen vorher nicht einsehbaren Abschnitt betritt. Insofern musste das optisch markante Band, das nach den vorgelegten Fotos auch schon ohne weiteres bei der Annäherung zu erkennen war (wenn auch möglicherweise erst einige Schritte vorher) geradezu ins Auge springen. Die Klägerin hätte daher, wenn sie die erforderliche Sorgfalt hätte walten lassen, ohne weiteres ihr Verhalten hierauf einstellen können, indem sie entweder nur vorsichtig ihren Fuß auf einen der Ziegel setzte oder - was bei der nur geringen Breite nahe lag - ihre Schrittfolge so änderte, dass sie nicht darauf zu treten brauchte.

2.

Die Tatsache, dass die Klägerin entgegen der Zusicherung der Reiseleiterin kein Sitz mit hinreichender Beinfreiheit erhalten hat, rechtfertigt ebenfalls kein Schmerzensgeld.

Der Senat sieht es zwar wegen der vorherigen ärztlichen Äußerungen als nachvollziehbar an, dass die Klägerin in den ersten drei Stunden des Fluges in großer Sorge gewesen ist. Indes ist kein Haftungstatbestand erkennbar.

a)

Der von der Beklagten nicht bestrittene Sachverhalt würde zwar die Annahme einer schuldhaften Vertragsverletzung i. S. d. § 280 BGB n. F. dann rechtfertigen, wenn die Zusage der örtlichen Reiseleitern der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen wäre. Indes scheidet ein hieraus eventuell gem. § 253 Abs. 2 BGB n. F. zuzubilligendes Schmerzensgeld schon deshalb aus, weil der Reisevertrag im August 2001 geschlossen worden ist. Die Regeln des neuen Schuldrechts einschließlich der Möglichkeit wegen einer Vertragsverletzung ein Schmerzensgeld zu fordern, finden gem. Art. 229 § 5 EGBGB auf solche Verträge keine Anwendung, die vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sind, und zwar gilt dies für das Schuldverhältnis im Ganzen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 62. Auflage, Art. 229 § 5 EGBGB Rdn. 5). Darauf, dass die Vertragspflicht erst im Jahr 2002 verletzt worden ist, kommt es daher nicht an. Ein neues selbständiges Schuldverhältnis sollte mit der Zusage der Reiseleiterin ersichtlich nicht begründet werden.

b)

Wegen eines etwaigen Anspruchs gem. §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 831, 847 a. F. BGB i. V. m. § 230 StGB ist es schon zweifelhaft, ob gem. Art 40 EGBGB überhaupt deutsches Recht anwendbar ist. Dies kann indes offen bleiben; denn eine der Beklagten gem. § 831 BGB zuzurechnende unerlaubte Handlung der Reiseleiterin "A." liegt tatbestandlich nicht vor. Sie war für die Sitzverteilung im Flugzeug nicht verantwortlich, hat also die physischen und psychischen Schäden der Klägerin nicht durch eigenes Handeln verursacht. Auch ergibt sich aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht, dass die fehlende Möglichkeit, einen Sitz mit der nötigen Beinfreiheit zu bekommen, auf einem pflichtwidrigen Unterlassen der Reiseleiterin gegenüber der Fluggesellschaft beruht. Deren Handeln wiederum ist der Beklagten nicht nach § 831 BGB zuzurechnen.

II.

Die hiergegen von der Klägerin vorgetragenen Bedenken vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

1.

Tragendes Argument des Senats bezüglich des Sturzes ist es, dass von dem Streifen im Bodenbelag wegen der deutlich abgesetzten Linienführung und vor allem der Farbe eine hohe Warnfunktion ausging und die Klägerin sich deshalb hierauf einstellen konnte, wodurch sich die vorliegende Situation von den Beispielsfällen, die die Klägerin anführt, unterscheidet. Zu warnen ist auch nicht vor allen nur denkbaren Gefahrenlagen, z. B. für Personengruppen mit Sehbehinderungen, die ohnehin in der Regel mit ihrer Behinderung "leben" können und sich entsprechend verhalten. Bei der gegenteiligen Betrachtungsweise der Klägerin dürfte es z. B. auf einem Gehweg keine Stufen mehr geben, da diese u. U. selbst bei noch so deutlicher Markierung für einzelne Personen nicht erkennbar wären.

2.

Wegen der Unterbringung der Klägerin im Flugzeug ist lediglich ergänzend darauf hinzuweisen, dass Verrichtungsgehilfe i. S. d. § 831 BGB nur Jemand sein kann, der zu dem Geschäftsherrn in einem Abhängigkeitsverhältnis steht. Dies ist bei selbständigen Unternehmen in der Regel nicht der Fall, weil der Geschäftsherr ihr Handeln nicht jederzeit beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann. Ob insoweit etwas anderes gilt, wenn ein "Schwester-" oder "Tochterunternehmen" eines Reiseveranstalters die Beförderungsleistung erbringt, kann offen bleiben, da die Klägerin auch auf den Hinweisbeschluss hin nicht vorgetragen hat, mit wem sie geflogen ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert: 18.374,00 €

Ende der Entscheidung

Zurück