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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.06.1999
Aktenzeichen: 16 U 6/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 651 f Abs. 2
Umfang der Aufklärungspflicht des Reiseveranstalters über die Gefährlichkeit einer geplanten Reise (hier: Ägyptenreisen 1997)

BGB § 651 f Abs. 2

Ist in allen Medien in den letzten Jahren vor einer geplanten Urlaubsreise mehrfach ausführlich und teilweise sogar sensationell aufgemacht über die Gefahren der Reise in ein bestimmtes Urlaubsland berichtet worden, so spricht eine Vermutung dafür, daß die unzureichende Aufklärung über diese Gefahren durch den Urlaubsveranstalter nicht ursächlich für die Buchung der Reise war. Der Reisende, der , nachdem sich diese Gefahren auf seiner Reise ebenfalls verwirklicht haben, Schadensersatz vom Reiseveranstalter wegen Verletzung der Informationspflicht verlangt, muß darlegen und gegebenenfalls beweisen, warum er diese Gefahren nicht kannte, also einer detaillierteren Information bedurft hätte.

- 16 U 6/99 - Urteil vom 21.06.1999 - rechtskräftig.


OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 6/99

Anlage zum Protokoll vom 21.6.99

Verkündet am 21.6.99

Zimmermann, J.H.S. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schuschke, Reinemund und Dr. Schmitz auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 8.12.98 - 3 O 303/98 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist in der Sache selbst nicht begründet.

Mit Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltendgemachte Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch zu, denn sie hat nicht den ihr obliegenden Nachweis geführt, daß der Beklagten im Hinblick auf den Anschlag ein schadensursächliches Fehlverhalten bei der Vorbereitung und/oder Durchführung der Pauschalreise nach Ägypten vom 15.9. - 29.9.97 (6 Tage Rundreise "Nil-Delta" und 8 Tage Badeaufenthalt in der Ferienanlage Giftun Village, Hurghada) anzulasten ist.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte belaste kein Fehlverhalten. Ihrer Informationspflicht habe die Beklagte durch ihren Hinweis im Reisekatalog hinreichend genügt. Im übrigen könne dahinstehen, ob Sicherheitsmängel bestanden hatten, und zwar mangels Nothämmer oder einer zusätzlichen bewaffneten Begleitperson: Ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden der Beklagten, was hier lediglich in Betracht komme, da die die Stadtrundfahrt in Kairo durchführende Fa. S. Tours kein Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen sei, sei nicht feststellbar. Hiergegen wendet sich die Berufung jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg.

Jedweder materielle Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung oder unerlaubter Handlung (§§ 823, 831 BGB) sowie immaterieller Ersatz-/Schmerzensgeldanspruch aus den §§ 823, 847 oder Ersatzanspruch wegen vertanen Urlaubs aus § 651 f II BGB scheitert bereits daran, daß die Klägerin ein für den Schaden kausales Fehlverhalten der Beklagten bei der Vorbereitung bzw. der Durchführung der Reise nicht nachgewiesen hat.

1) Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, daß die Beklagte mit ihrer Erklärung im Reisekatalog zu den Ägypten- Reisen:

"Hinweise auf besondere Risiken:

Unsere Reisen führen in ein Entwicklungsland mit starken politischen und sozialen Gegensätzen, die zu Spannungen führen können. Wird der Reiseverlauf dadurch beeinflußt, ist die Haftung des Reiseveranstalters eingeschränkt bzw. ausgeschlossen" ihrer Hinweis- und Informationspflicht als Reiseveranstalter gegenüber der Klägerin deshalb genügt hatte, da dieser im Zeitpunkt der Buchung der Reise, nämlich im März 1997 die mögliche Gefahr von Terroranschlägen auf Touristen in Ägypten hinlänglich bekannt war bzw. bekannt sein mußte; denn die Gefährlichkeit derartiger Reisen war jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt.

Allein im Jahre 1993 waren in Kairo bereits vier Anschläge auf Touristen zu verzeichnen gewesen, und zwar am 26.2., 11.4., 26.1o. und 27.12.1993. Dies sei dann auch der Grund gewesen, warum die Klägerin, wie diese im Senatstermin ergänzte, und ihre Mitreisenden eine im Jahre 1994 schon einmal geplante Reise nach Ägypten storniert hätten, nachdem ihr insbesondere ihre Mutter von der Reise abgeraten habe. Der nächste Anschlag gerade in Kairo erfolgte im Jahre 1996 in einem Hotel auf eine griechische Reisegruppe mit insgesamt 18 Toten. Diese Bluttat vom 18.4.96, also knapp 1 Jahr vor der streitigen Reisebuchung der Klägerin, lief damals jedenfalls in Deutschland - was gerichtsbekannt ist - durch alle Medien, und war damit allgemein bekannt geworden. Dennoch behauptet die Klägerin (= Medizinstudentin) lapidar, sie habe bis zum Antritt der Reise von diesem Anschlag und der "besonderen Gefahr gezielter terroristischer Anschläge auf Touristen" keine Kenntnis gehabt und die Reise bei einem entsprechenden Hinweis nicht angetreten. Damit kann sie indes nicht gehört werden. Sie war durch die vorherige Reisestornierung und ihre ersichtlich fortdauernde Faszination für Ägypten sensibilisiert für alles das, was für sie bei einer künftigen Reise nach Ägypten von Bedeutung werden konnte. Deshalb hatte sie, wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - von dem Anschlag damals nichts direkt über die Medien erfahren haben sollte, spätestens im März 97, als sie die Reise buchte, Kenntnis hiervon nach Gesprächen mit ihren Kommilitonen, Freunden, Bekannten oder Verwandten (etwa ihrer Mutter), die von der Absicht der Klägerin, nach Ägypten reisen zu wollen, erfahren hatten. Jede andere Annahme wäre lebensfremd, zumal da die Klägerin nur pauschal behauptet, in der Folgezeit von weiteren Anschlägen nichts gehört oder gelesen zu haben, d.h. ohne näher und nachvollziehbar darzulegen, warum sie wider Erwarten und gegen alle Lebenserfahrung von dem Anschlag nichts gehört haben will, wie etwa zur damaligen Zeit aus bestimmten Gründen von den aktuellen Tagesereignissen abgeschirmt gewesen zu sein. Mangels des die Behauptung nachvollziehbaren Tatsachenvortrags ist somit die beantragte Beweisaufnahme durch Vernehmung ihrer Mitreisenden nicht veranlaßt. Daß der Klägerin das Sicherheitsrisiko im übrigen weiterhin nicht unbekannt geblieben war, bestätigte sie schließlich in der Berufungsverhandlung selbst, indem sie bekundete, die Reise im September 1997 in Angriff genommen zu haben, weil sie von Bekannten gehört habe, daß dort alles optimal bewacht sei.

Es kann sonach dahinstehen, daß die Beklagte mit dem vorerwähnten Hinweis nur auf mögliche "Spannungen" wegen der starken sozialen und politischen Gegensätze in dem Entwicklungsland die bestehenden Sicherheitsrisiken für Leib und Leben der Touristen unzulässig verniedlicht hat, d.h. bei Drucklegung des Katalogs "I. Flugreisen Sommer 97" der Reisehinweis des Auswärtigen Amtes vom 22.5.96 für Ägypten hinsichtlich des Risikos terroristischer Anschläge (Bl. 218 GA) einen deutlicheren Ausdruck hätte finden können und müssen. Ein entsprechendes Manko räumt die Beklagte gewissermaßen selbst ein, wenn sie meint, darauf hätte hinweisen müssen, "wonach terroristische Anschläge militanter Islamisten nicht ausgeschlossen werden können".

2) Ebensowenig ist etwa ein Organisationsfehlverhalten der Beklagten daraus herzuleiten, daß sie einen Bustransport - wie die Klägerin aber meint - "ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingefordert und gerade nicht darauf gedrungen hatte, daß zusätzliches bewaffnetes Personal im Bus zur Sicherheit der Reisenden eingesetzt wurde".

Richtig mag sein, daß das ägyptische Museum für ausländische Touristen im Hinblick auf gegen sie gerichtete mögliche Terroranschläge eine besonders gefährdete Stelle im Stadtgebiet gewesen ist. Es ist der Beklagten aber nicht zum Vorwurf zu machen, den Umstand nicht zum Anlaß genommen zu haben, von dem von ihr für die Stadtrundfahrt eingeschalteten Unternehmer - die Fa. S. Tours aus Zamalek-Cairo - zu verlangen, daß dieser zum Schutz ihrer Kunden auch den Bus durch entsprechendes Schutzpersonal sichert. Dabei ist bereits weder dargetan noch ersichtlich, daß die ägyptischen öffentlich- rechtlichen Vorschriften für Sicherheit und Ordnung es privaten Unternehmen überhaupt gestattet hätten, ihren für Stadtrundfahrten eingesetzten Bus mit bewaffnetem Personal auszustatten. Aber selbst wenn das möglich gewesen wäre, hatte entgegen der Ansicht der Berufung der schon einige Zeit zurückliegende Anschlag aus April 1996 nicht bereits den Reiseveranstalter zu der einschneidenden Maßnahme veranlassen müssen, nunmehr jedweden Touristenreisebus in Kairo zur Sicherheit der Reisenden mit einer bewaffneten Begleitperson auszurüsten. Ob durch den Einsatz einer bewaffneten Begleitperson der konkrete Anschlag überhaupt verhindert worden wäre, kann danach dahinstehen.

Abgesehen davon wäre der erstmals mit der Berufung geltendgemachte Entschädigungsanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651 f II BGB, der freilich kein "Schmerzensgeld" umfassen könnte, das die Klägerin hier aber auch beansprucht, infolge Geltendmachung erst im Prozeß gemäß § 651 g Abs.2 BGB verjährt, worauf sich die Beklagte hilfsweise mit Erfolg beruft.

3) Schließlich hat das Landgericht zutreffend auch eine Haftung der Beklagten aus § 831 BGB verneint, denn es ist - nach wie vor - nicht feststellbar, daß die Beklagte hinsichtlich der Auswahl der Fa. S. Tours und/oder deren Überwachung ein schadensursächliches Fehlverhalten trifft. Bei der von der Beklagten eingesetzten Fa. S. Tours handelt es sich um einen in Ägypten renommierten Veranstalter der Rundreise, die ein selbständiges Unternehmen ist, das sich wie ein Subunternehmer zum Hauptunternehmer verhält, also nicht Verrichtungsgehilfe sondern ein Leistungsträger der Beklagten ist. Ein Auswahl- oder Kontrollverschulden der Beklagten wird von der Klägerin aber nach wie vor schon nicht dargetan.

Sonach muß der Berufung der Erfolg versagt bleiben. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 7o8 Nr. 1o, 713 ZPO.

Der Wert der Beschwer für die Klägerin beträgt 1o.862,- DM.

Ende der Entscheidung

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