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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.01.2005
Aktenzeichen: 16 U 70/04
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 87
GWB § 91
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 U 70/04

Anlage zum Protokoll vom 10.01.2005

Verkündet am 10.01.2005

in Sachen

pp.

Tenor:

Das Oberlandesgericht Köln erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt ein privates Flugunternehmen und fliegt seit 1968 regelmäßig 10-15-mal im Jahr im Rahmen des sogenannten Gelegenheitsverkehrs in ihrer Eigenschaft als personeller Flugdienst einer Hamburger Verlagsgruppe den von der Beklagten betriebenen Flughafen L/C an. Die Flüge dienen der Beförderung von Mitarbeitern der Verlagsgruppe, die in ca. 4 km Entfernung vom Flughafen eine Druckerei unterhält. Seit einer Tarifstruktur zum 01.01.1999 verlangt die Beklagte aufgrund einer Entgeltordnung u. a. vorher nicht erhobene sog. Infrastruktur- und Positionsentgelte.

Die Klägerin hält diese Entgeltpositionen nicht für gerechtfertigt. Sie begehrt deshalb die Feststellung, dass die für die Nutzung des Flughafens erhobenen Infrastruktur- und Positionsentgelte für sie unverbindlich sind, sowie die Rückzahlung der jeweils unter Vorbehalt hierauf gezahlten Beträge.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin unter Erhöhung des Zahlungsantrags wegen zwischenzeitlich entrichteter weiterer Beträge ihr Begehren weiter und beantragt hilfsweise die Verweisung der Sache an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

II.

Die Sache war entsprechend § 281 ZPO an den gem. §§ 91, 95 GWB i. V. m. der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte vom 22.11.1994 (GVBl NW 1994,1067) zuständigen Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu verweisen.

Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um eine Kartellsache i. S. d. §§ 87, 91 GWB.

Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist Kartellstreitsache gem. 87 Abs.1 GWB, wenn die Klage, sei es auch nur neben anderen, auf eine kartellrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt ist, oder der Ausgang des Rechtsstreits von einer kartellrechtlichen Vorfrage abhängt.

Dies ist vorliegend jedenfalls wegen des Zahlungsantrags der Fall. Es handelt sich um ein einheitliches Klagebegehren, das die Klägerin auf mehrere miteinander konkurrierende Anspruchsgrundlagen, in erster Linie auf § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB i. V. m. § 315 Abs.3 BGB und "hilfsweise" auf einen Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB stützt, wobei Grundlage für das Rückforderungsbegehren § 33 GWB wäre. In Betracht kommt nach dem Vortrag der Klägerin jedenfalls ein Preismissbrauch (Ausbeutungsmissbrauch) der - marktbeherrschenden - Beklagten nach § 19 Abs.4 Nr.2 GWB. Ferner vertritt die Klägerin die Meinung, dass nicht nur bei einem faktischen Monopol, sondern auch bei einem Oligopol i. S. d. § 19 Abs. 3 GWB die Tarife der Beklagten einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterlägen. Auf der Grundlage dieser nicht unvertretbaren Rechtsauffassung, die verknüpft ist mit der vom Bundesgerichtshof bisher offen gelassenen Problematik einer etwaigen Einschränkung des Ermessens aus § 315 Abs. 1 BGB im Falle einer marktbeherrschenden Stellung (siehe unten), können sich im Rahmen der Billigkeitskontrolle kartellrechtliche Vorfragen stellen, und zwar auch zu dem Klageantrag zu 1.

Als allgemeines Gericht wäre der Senat zu einer eigenen Entscheidung allenfalls dann befugt, wenn die Sache auch ohne Eingehen auf einen kartellrechtlichen Anspruch oder eine kartellrechtliche Vorfrage spruchreif wäre, also abschließend entschieden werden könnte ( vgl. BGH WuW 4/1986-BGH2187; OLG Köln NJWE-WettbR 2000, 224; Immenga/Mestmäker/K. Schmidt, GWB 3. Auflage, § 87 Rdn. 46; weitergehender OLG Stuttgart WuW 11/1987-OLG 4001; Langen/Bunte/Bornkamp, GWB, 9. Auflage, § 87 Rdn. 27, die auch im Falle einer Entscheidungsreife aus nicht kartellrechtlichen Gründen bei Anspruchskonkurrenz eine Zuständigkeit des Kartellgerichts annehmen ).

Eine kartellrechtsunabhängige Spruchreife besteht indes nicht.

Das Landgericht hat als das für den Bezirk des Oberlandesgerichts Köln nach der Verordnung vom 22.11.1994 zuständige Kartellgericht entschieden, auch wenn es die Voraussetzungen für eine innergerichtliche Abgabe an die nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kartellsachen zuständige Kammer nicht als gegeben angesehen hat. Es hat deshalb nicht nur die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB wegen Fehlens einer Monopolstellung der Beklagten verneint, sondern zugleich festgestellt, dass es an der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte und damit an den Voraussetzungen der §§ 19, 20 GWB fehle. Wenn man die Rechtsauffassung des Landgerichts zur fehlenden Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB folgen würde, hätte auch nunmehr im Berufungsverfahren zwangsläufig eine Befassung mit kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen zu erfolgen.

Bei anderer rechtlicher Beurteilung, etwa bei Bejahung einer Monopolstellung der Beklagten aufgrund der bisherigen Rspr. des Bundesgerichtshofs zu den Tarifen von Flughafenbetreibern (vgl. zuletzt BGH NJW-RR 1997, 1019) unter einem Zurücktretenlassen der Besonderheiten, die sich möglicherweise aus der Lage des Flughafens der Beklagten im Zentrum der Ballungsgebiete Rhein/Ruhr - Rheinland - Rhein/Main ergeben, und damit der Anwendbarkeit des § 315 Abs.3 BGB kann es dahinstehen, ob die Tatsache, dass die zur Leistungsbestimmung berufene Beklagte möglicherweise eine marktbeherrschende Stellung inne hat, ohne jeden Belang ist oder ob dieser Umstand die Grenzen ihres Ermessens beschränken kann (vgl. BGH NJW-RR 1992,183 f). Denn für diesen Fall bedürfte die Sache weiterer Aufklärung, zunächst dahingehend, dass der Beklagten aufgegeben werden müsste, ihre Kalkulationsgrundlagen offen zu legen (BGH a. a. O.). Der Ausgang des Verfahrens wäre selbst unter Außerachtlassung der weiteren Möglichkeit, dass auch zu der Frage einer etwaigen Monopolstellung der Beklagten entsprechend den Rügen der Klägerin gegen die ihrer Meinung nach nicht hinreichenden Tatsachenfeststellungen des Landgerichts zur zeitlichen Erreichbarkeit benachbarter Flughäfen Beweis zu erheben ist, daher derzeit völlig offen und es ließe sich nicht absehen, ob und inwieweit die kartellrechtlichen Missbrauchsbestimmungen im Verlaufe des weiteren Verfahrens für die Entscheidung von Bedeutung sein werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Grenzen des allgemeinen kartellrechtlichen Missbrauchsverbots nicht zwingend mit den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB zusammenfallen (BGH a. a. O.).

Ende der Entscheidung

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