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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 03.04.2000
Aktenzeichen: 16 U 82/99
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 92 | |
ZPO § 97 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
16 U 82/99 3 O 655/98 LG Köln
Anlage zum Protokoll vom 03.04.2000
Verkündet am 03.04.2000
Luckau, JHS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 16. Zivilsenat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2000 durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juli 1999 verkündete Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 655/99 - teilweise abgeändert:
Unter Klageabweisung im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Auskunft zu erteilen über sämtliche von Kunden geleisteten Anzahlungen sowie den an Kunden erteilten Gutschriften hinsichtlich der von der Gemeinschuldnerin angebotenen Reisen, welche vor dem Übergabestichtag 16.04.1994 gebucht wurden, und deren Abreisedatum am oder nach dem Übergabestichpunkt liegt, und zwar unter Angabe des Namens des Reiseteilnehmers, der Buchungsnummer und der Höhe der Anzahlung bzw. Gutschrift.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Kosten der Berufungsinstanz haben die Beklagte zu 4/5, die Klägerin zu 1/5 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Beklagte ist aufgrund des zwischen den Parteien im April 1994 geschlossenen Übernahmevertrages der Klägerin zur Auskunft über sämtliche von Kunden geleisteten Anzahlungen sowie an Kunden erteilten Gutschriften verpflichtet, die Reisen betreffen, welche vor dem Übergabestichtag (16.04.1994) gebucht wurden und deren Durchführung erst am oder nach dem 16.04.1994 liegt. Diese Auskunftspflicht erstreckt sich entgegen der Meinung des Landgerichtes allerdings nicht auf Kundenanzahlungen, die an die Reisebüros der sogenannten "Schwestergesellschaften" der Gemeinschuldnerin, bzw. Tochtergesellschaften der W.S. Omnibusbetriebe GmbH & Co. geleistet worden sind.
Mangels einer ausdrücklichen vertraglichen oder gesetzlichen Regelung ergibt sich die Auskunftspflicht nach Treu und Glauben aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages. Eine solche Pflicht zur Auskunft besteht dann, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erbringen kann (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 59. Aufl. § 261 Rn. 8 m. w. N. auf die ständige Rechtssprechung). Das Bestehen des zugrunde liegenden Rechts muß in einem gewissen Umfang wahrscheinlich sein (vgl. MünchKomm/Keller, 3. Aufl., § 260, Rn. 10, 11; BGH NJW 78, 1002).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
a) Der Übernahmevertrag begründet eine Sonderverbindung zwischen den Parteien und sieht hinsichtlich des Kaufpreises vor, dass dieser mit Anzahlungen und Gutschriften für Reisen ab dem Übernahmestichtag verrechnet wird. Bei Vertragsabschluss wurde hierfür ein ausdrücklich als "vorläufig geschätzt" bezeichneter Betrag von 20.000,00 DM angesetzt, der bei Abweichung der anzurechnenden Anzahlungen und Gutschriften nach oben oder unten um mehr als 20% zu korrigieren ist. Damit haben die Parteien zunächst lediglich eine vorläufige Verrechnung der Anzahlungen und Gutschriften vereinbart, die durch eine spätere genaue Abrechnung ersetzt werden soll. Zwar ist, worauf die Beklagte sich beruft, eine Korrektur des zunächst lediglich geschätzten Betrages nur bei Abweichungen über 20% nach oben oder unten vorgesehen. Gleichwohl ist aus dieser vertraglichen Abrede für die Klägerin ein Auskunftsrecht herzuleiten. Denn für die Feststellung, ob sich die Berechnung des Kaufpreises nach Vorliegen der entgültigen Zahlen verändert, ist zunächst eine Kenntnis der tatsächlich erfolgten Anzahlungen und Gutschriften erforderlich und erst danach schließt sich die Prüfung an, ob eine eventuelle Abweichung des Gegenanspruchs des Käufers von über 20% über dem zunächst angenommenen Betrag von 20.000,00 DM liegt. Für die von der Beklagten vertretene Auffassung, mit dem Vertrag sei letztlich endgültig ein Kaufpreis von 150.000,00 DM vereinbart worden, um eine Einzelabrechnung der Anzahlungen zu vermeiden, und eine Korrektur sei nur bei außergewöhnlichen Umständen vorzunehmen, finden sich keine konkreten Anhaltspunkten im Wortlaut des von den Parteien vorgelegten Vertragsentwurfs, der - so übereinstimmendes Vorbringen - später mit diesem Inhalt mündlich abgeschlossen worden ist. Vielmehr spricht der Wortlaut der geplanten Ziffer IV, b für eine vorläufige Berechnung der Verrechnungsforderung, wie bereits oben erwähnt. Im übrigen gingen die Parteien auch in anderen Regelungen (so in Ziffer II und III) davon aus, dass Anzahlungen und Gutschriften sowie andererseits auch Auslagen der Veräußererin noch endgültig zu ermitteln und abzurechnen sind.
b) Das Bestehen der von der Klägerin geltend gemachten Verrechnungsforderung ist im gewissen Maße wahrscheinlich. Die Klägerin hat dazu eigene Zahlenangaben gemacht (vgl. Bl. 6 und Bl. 55 der Gerichtsakten), die nicht völlig unwahrscheinlich sind. Schließlich kommt auch das vorgelegte Gutachten vom 19.05.1995 zu Ergebnissen, die diesem Zahlenwert nicht völlig widersprechen.
c) Die Klägerin als Berechtigte eines Auskunftsanspruchs ist in "entschuldbarer Unkenntnis" über die Höhe der Anzahlungen und Gutschriften, die Kunden vor dem 16.04.1994 an die Gemeinschuldnerin und an die Beklagte geleistet haben. Eine mögliche Kenntnis des ehemaligen Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin (im folgenden: GS), des Zeugen R.S., des Ehemanns der Geschäftsführerin der Klägerin, ist ihr nicht zuzurechnen. Der Zeuge S. ist nämlich an der Geschäftsführung der Klägerin nicht beteiligt. Es kann auch keine Kenntnis in der Person der Geschäftsführerin der Klägerin angenommen werden. Diese war zwar als Teilzeitangestellte für die Gemeinschuldnerin tätig, aber nicht als deren Geschäftsführerin. Als solche hatte sie keinen regelmäßigen Zugang zur (kompletten) Buchführung und sonstigen Geschäftsunterlagen. Erst recht gilt dies für den späteren Zeitraum nach Anordnung der Sequestration bzw. Eröffnung des Konkursverfahrens.
Der Klägerin kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass sie wegen der späteren Abwicklung der Reisen inzwischen genaue Kenntnisse der vorangegangenen Anzahlungen und Gutschriften erlangt haben müsste. Das würde nämlich bedeuten, dass sie sich hierzu auf die Angaben der Kunden verlassen müsste, die wiederum naturgemäß von deren Interessen bestimmt sind und nicht korrekt und vollständig sein müssen.
d) Die Beklagte ist in der Lage, die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Auskünfte über bis zum 16.04.1994 erfolgten Anzahlungen und Gutschriften zu erbringen. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr stünden die Unterlangen nicht zur Verfügung, da sie zur Darlegung entsprechender Abgrenzungsposten einen Wirtschaftsprüfer beauftragt habe und dieser die Herausgabe der Unterlagen wegen nicht vollständiger Zahlung des Werklohnes verweigere. Insoweit handelt es sich allenfalls um ein zeitweises Hindernis, was nicht Unmöglichkeit der Leistung zur Folge hat. Im übrigen wäre das Vorliegen dieses zeitlich begrenzten Hindernisses von der Beklagten zu vertreten. Soweit diese nämlich ihre Unterlagen durch Dritte auswerten lässt, obliegt es ihr, sich wieder den Besitz dieser Geschäftsunterlagen zu verschaffen, sei es, indem sie bereits vorher entsprechende Vorkehrungen trifft (wie z. B. Fotokopien herstellt oder ähnliches), sei es, indem sie eine Regelung mit dem beauftragten Sachverständigenbüro findet oder zumindest um kurzzeitige Einsichtnahme bittet. Im übrigen sind inzwischen die Rechtsstreitigkeiten der Beklagten mit den damals beauftragten Wirtschaftsprüfern entschieden worden, wie der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin vor dem Senat am 28.02.2000 selbst erklärt hat, so dass die Beklagte nun durch Erfüllung einer eventuellen Zahlungspflicht die Herausgabe der Unterlagen erreichen kann.
e) Der Auskunftsanspruch ist bisher nicht erfüllt. Die Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen E. vom 19.01.1995 ist nicht ausreichend. Abgesehen davon, dass die Ausführungen in diesem Gutachten nur schwer nachvollziehbar sind, beschäftigt dieses sich lediglich mit Zahlungen auf das Anderkonto der Beklagten ab dem 15.02.1994, dem Tag der Anordnung der Sequestration. Frühere Zahlungen an die Gemeinschuldnerin sind hingegen nicht einbezogen, diese sind andererseits jedoch ebenfalls Gegenstand der Verrechnung gemäß Ziffer IV b des geplanten Vertrages und unterliegen damit ebenfalls der Auskunftspflicht. Weiterhin fehlen Angaben zu möglichen Gutschriften, die Kunden vor dem Stichtag gewährt worden sind.
Die Beklagte hat auch nicht in anderer Weise ihrer Auskunftspflicht genüge getan, soweit sie sich nunmehr auf die Anlage zu diesem Gutachten beruft. Auch diese Aufstellung, unabhängig von der Frage, ob sie hinreichend verständlich ist, enthält zumindest nicht diejenigen Kunden, denen Gutschriften erteilt worden sind.
Die der Klägerin obliegende Auskunftspflicht erstreckt sich nicht auf die Schwestergesellschaften der Gemeinschuldnerin. Denn diese sind nicht Vertragspartner der Klägerin geworden und stehen somit nicht zu ihr in einer Sonderverbindung, aus der sich eine Auskunftspflicht herleitet. Soweit diese Reisebüros Zahlungen von Kunden der Gemeinschuldnerin bzw. der Beklagten entgegengenommen haben, sind sie zwar zur Weiterleitung der Gelder an die Gemeinschuldnerin bzw. die Beklagte verpflichtet, so dass diese Zahlungen letztlich in der Auskunft der Beklagten erscheinen müssten. Diese Verpflichtung zur Abführung der Gelder besteht jedoch nur gegenüber der Gemeinschuldnerin bzw. der Beklagten und kann keine Rechte der Klägerin, zu der eine vertragliche Beziehung fehlt, begründen. Keine Rolle spielt hierbei, dass die Beklagte zugleich auch Konkursverwalterin dieser Gesellschaften war und somit möglicherweise tatsächlich entsprechende Auskünfte erteilen könnte.
Insoweit war auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage teilweise abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000,00 DM (1/10 des von der Klägerin dargestellten Zahlungsanspruchs über 200.000,00 DM).
Beschwer beider Parteien: nicht über 60.000,00 DM.
Ende der Entscheidung
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