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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 16 W 17/07
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, InsO


Vorschriften:

GVG § 72
GVG § 119
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 b
ZPO § 568
InsO § 1
InsO § 335
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die an das Oberlandesgericht gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 22.03.2007 - 95 N 94/02 - wird als unzulässig verworfen.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Über das Vermögen des Schuldners ist mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Gegen den Antrag des Schuldners, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen, wendet sich die in Frankreich ansässige Gläubigerin. Das Amtsgericht hat durch den angegriffenen Beschluss vom 22.03.2007 dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt, den Insolvenzverwalter zum Treuhänder bestellt und den Versagungsantrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Die Gläubigerin hat diese Entscheidung fristgerecht angefochten und wendet ein, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 vorliege, wozu sie im einzelnen vorträgt. Wegen ihres ausländischen Firmensitzes hat sie ihr Rechtsmittel im Hinblick auf § 119 Abs. Nr. 1 b GVG vorsorglich sowohl beim Landgericht wie beim Oberlandesgericht eingelegt. Das Landgericht hat daraufhin die Beschwerde an das Oberlandesgericht abgegeben.

Die innerhalb des Senats zuständige Einzelrichterin hat die Sache dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Zuständigkeitsfrage gem. § 568 ZPO übertragen.

II.

Das grundsätzlich statthafte Rechtsmittel (§§ 6, 289 InsO) ist unzulässig, da das Oberlandesgericht für die (sofortige) Beschwerden gegen Entscheidungen des Amtsgerichts als Insolvenzgericht sachlich nicht zuständig ist. Die Ausnahmeregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG findet auch bei Beteiligung eines ausländischen Gläubigers keine Anwendung in einem Verfahren nach der Insolvenzordnung. Vielmehr bleibt es bei der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts als Beschwerdegericht, § 72 GVG.

Die von der Gläubigerin angesprochene mögliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG für Insolvenzverfahren erscheint bereits aufgrund des Wortlauts der Vorschrift problematisch, der auf "Streitigkeiten über Ansprüche" abstellt, während Inhalt des Insolvenzverfahrens die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung durch eine möglichst gerechte Verteilung des aus dem Schuldnervermögen herrührenden Erlöses ist, § 1 InsO. Für dieses Verfahren ist, soweit ersichtlich, bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine Beschwerdezuständigkeit des Oberlandesgericht wegen Beteiligung einer ausländischen Partei in Erwägung gezogen worden (z.B. Kübler u.a., InsO, Stand März 2007, § 6 Rdnr. 22a: "Beschwerdegericht ist immer das Landgericht ..."; ebenso Kirchhof in HK-InsO, 4. Aufl., § 6 Rn. 23).

Vielmehr ist in Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die aktuellen Gesetzesvorhaben eine einschränkende Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG geboten. Soweit für Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz und Verfahren in der Zwangsvollstreckung die Anwendung dieser Vorschrift umstritten war, ist inzwischen durch die Neufassung des WEG (vgl. Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.03.2007, BGBl. 2007, S. 370) sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 25.10.2006 ( -VII ZB 24/06 -, Grundeigentum 2007, 48) eine Klärung in der Weise erfolgt, dass die Zuständigkeitsregelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nicht bei Beschwerden in Wohnungseigentumssachen zur Anwendung kommt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 26.03.2007 zur Neufassung des § 72 Abs. 2 GVG) und ebenfalls nicht greifen soll, wenn das Amtsgericht als Zwangsvollstreckungsgericht entschieden hat (so BGH v. 25.10.2006, a.a.O.). In diesem Sinne hatte der Bundesgerichtshof bereits früher eine Sonderzuständigkeit des Oberlandesgerichts für Zwangsversteigerungen mit Auslandbezug verneint (BGH v. 19.03.2004, BGHReport 2004, 1114). Für die Zukunft sieht der Entwurf der Bundesregierung zur Reform des FGG (FGG-ReformG), der am 09.05.2007 vom Kabinett verabschiedet wurde, eine Neufassung des § 119 GVG vor, der die Sonderzuständigkeit für Verfahren mit Auslandsbezug vollständig fallen läßt (Pressemitteilung des Bundesminsteriums für Justiz vom 09.05.2007 und das FGG-ReformG).

Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, die Zuständigkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG auf Beschwerden im Insolvenzverfahren auszudehnen. Auch die ursprünglich der Einführung dieser Vorschrift zugrunde liegende Absicht des Gesetzgebers, dass bei den unter § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG erfassten Fallkonstellationen regelmäßig Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden sind, verlangt im Insolvenzverfahren keine Sonderzuständigkeit. Ähnlich wie im Vollstreckungsverfahren hat das Amtsgericht in einem von ihm eröffneten Insolvenzverfahren ausschließlich deutsches Recht anzuwenden. § 335 InsO bestimmt dies ausdrücklich als Grundsatz des "lex fori concursus", der die Grundnorm des deutschen internationalen Insolvenzrechts bildet (Stephan in HK-InsO, 4. Aufl., § 355, Rdnr. 3, 5). In Anbetracht dieser Rechtslage, die vergleichbar ist derjenigen in der Zwangsvollstreckung, besteht nach Meinung des Senats kein Bedürfnis für eine Sonderzuständigkeit des Oberlandesgerichts. Der Senat schließt sich - auch mit Blick auf die Pläne des Gesetzgebers - der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof an und läßt seine ursprünglich gegenteilige Meinung zur Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG im Zwangsvollstreckungsverfahren fallen (Senat vom 02.04.2004, InVO 2004, 512).

Soweit im übrigen in solchen Fällen aus der Auslandsberührung gelegentlich rechtliche Fragen entstehen können (wie zur Rechtspersönlichkeit der ausländischen Partei o.ä.), reicht dieser Kontakt mit ausländischem Recht nicht aus, um die Sonderzuständigkeit zu begründen (so ausdrücklich BGH vom 25.10.2006, a.a.O.).

Die zum Oberlandesgericht eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist somit unzulässig.

Die Kostenentscheidung, die lediglich die Gerichtskosten betrifft, da der Schuldner nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt wurde, folgt aus § 97 ZPO, der im Insolvenzverfahren entsprechende Anwendung findet.

Soweit das Landgericht das gleichzeitig bei ihm eingelegte Rechtsmittel an das Oberlandesgericht formlos abgegeben hat, wird die Sache zur weiteren Behandlung an die Zivilkammer zurückgegeben.

Ende der Entscheidung

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