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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.07.2002
Aktenzeichen: 16 W 25/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 917
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 W 25/02

In Sachen

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Richter am Oberlandesgericht Jennissen als Einzelrichter

am 23.07.2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 19.07.2002 - 127 C 231/02 - abgeändert.

Wegen einer Forderung des Antragstellers in Höhe von 1.589.309,92 € gegen den Antragsgegner sowie wegen einer Kostenpauschale von 40.000,00 € wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen des Antragstellers angeordnet.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Arrestverfahrens zu tragen.

Die Vollziehung des Arrests wird durch Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 1.630.000,00 € gehemmt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein Kunsthistoriker, war nach seinem Vortrag von dem Antragsgegner 1992 mündlich beauftragt worden, insgesamt 13 zum Nachlass der 1978 in N. verstorbenen Mutter des Antragsgegners gehörende verschollene Kunstwerke aufzufinden und entweder wieder zu beschaffen oder ggfls. vergleichsweise eine finanzielle Entschädigung von mindestens 50 % des Marktwertes zu vereinbaren. Als Gegenleitung hierfür habe er - so der weitere Vortrag des Antragstellers - unter Ausschluss von Aufwendungsersatzansprüchen im Erfolgsfall 50 % des nach Wiederbeschaffung erzielten Veräußerungserlöses oder aber der Entschädigungsleistung erhalten sollen, wobei der Antragsgegner unter Vorlage eines russischen Erbscheines versichert habe, er sei alleiniger Erbe seiner Mutter. Zu deren Sammlung habe auch das von ihr 1926 als Leihgabe dem Provinzialmuseum der Stadt H. übergebene und nach Beschlagnahme als "Entartete Kunst" entschädigungslos zu Gunsten des Deutschen Reiches enteignete Gemälde "I. Nr. 10" von W. K. gehört. Aufgrund seiner Recherchen sei es ihm gelungen, das weitere Schicksal des Gemäldes zu rekonstruieren und die derzeitige Besitzerin, die B.-Stiftung, ausfindig zu machen. Da diese sowohl eine Herausgabe wie auch eine Entschädigung abgelehnt habe, habe er im Namen des Antragsgegners, aber auf eigene Rechnung einen US-amerikanischen Rechtsanwalt sowie Schweizer Anwälte beauftragt. Im Zusammenhang hiermit sei auch die 1992 getroffene Vereinbarung am 05.08.1999 schriftlich fixiert worden. Nachdem die weiteren Verhandlungen, in deren Verlauf zahlreiche Rechtsgutachten erstellt worden seien, gescheitert gewesen seien, habe ein Schweizer Anwalt am 13.07.2001 namens und mit Vollmacht des Antragsgegners, aber auf seine - des Antragstellers - Kosten bei dem Bezirksgericht B.-Stadt Klage gegen die B.-Stiftung auf Herausgabe des Gemäldes "I. 10", das einen Marktwert von mindestens 20.000.000,00 € habe, eingereicht.

Im Januar 2002 hätten sodann angebliche Miterben des Antragsgegners durch Rechtsanwalt v.B. aus L. Ansprüche an dem Gemälde angemeldet. Nachdem der Antragsgegner nachhaltig seine Alleinerbenstellung versichert habe, sei ein Münchener Anwalt - wiederum namens und mit Vollmacht des Antragsgegners, aber auf seine Kosten - mit der Abwehr dieser Ansprüche beauftragt worden. Ende April 2002 hätten der Antragsgegner und dessen Ehefrau ihm sodann überraschend mitgeteilt, dass er nunmehr ebenfalls von Rechtsanwalt v.B. vertreten werde, man nunmehr mit den Miterben in einem Boot säße und er keine Anrufe des Antragstellers mehr wünsche. Nachdem ein von ihm - dem Antragsteller - versuchter persönlicher Kontakt nicht zustande gekommen sei, habe er dem Antragsgegner die bisher verauslagten Kosten mitgeteilt und ihn gebeten, diese Kosten und seinen Honoraranspruch bei Abschluss eines Vergleiches mit der B.-Stiftung zu berücksichtigen. In der Folgezeit sei sodann auch ein vereinbartes Gespräch mit dem neuen Anwalt des Antragsgegners von diesem unter einer fadenscheinigen Begründung abgesagt worden, bis dieser ihm mit Schreiben vom 02.07.2002 darüber informiert habe, dass aufgrund einer Einigung der Miterben mit der B.-Stiftung das Mandat mit dem Schweizer und dem Münchener Anwalt beendet sei. Am 06./07.2002 sei in der L.er Volkszeitung ein Artikel erschienen, in dem Rechtsanwalt v. B. über die Einigung berichtet und erklärt habe, die Höhe der Entschädigung sei geheim. Zu Ansprüchen des Antragstellers habe er sich dahingehend geäußert: "Das macht uns etwas Ärger." Auch werde in dem Artikel die als Gerücht getarnte unzutreffende Behauptung aufgestellt, ein "US-Galerist" habe ihm - dem Antragsteller - Geld vorgestreckt, um an das Gemälde zu kommen. Da inzwischen eine Zahlung der Entschädigung erfolgt sei, wie einem Bericht der Zeitung "Der Sonntag" vom 07.07.2002 zu entnehmen sei, habe er mit Schreiben vom 08.07.2002 Rechtsanwalt v.B. auffordern lassen, entweder den Vergleich mit der B.-Stiftung vorzulegen oder zur Bezifferung des Honoraranspruchs Auskunft über die insoweit wesentlichen Bestimmungen des Vergleichs zu erteilen. Dies sei von Rechtsanwalt v.B. mit der unzutreffenden Behauptung abgelehnt worden, ihm liege die Vereinbarung vom 05.08.1999 nur fragmentarisch vor. Auch treffe eine von ihm behauptete Vereinbarung über einen gemeinsamen Besprechungstermin Ende Juni 2002 nicht zu. Die weiter von Rechtsanwalt v.B. geltend gemachte Vereinbarung mit der B.-Stiftung über eine Vertraulichkeit des Vergleichs, sei im Verhältnis zu ihm ohnehin rechtlich ohne Belang, was dieser habe wissen müssen.

Die Höhe der ihm bisher durch die Recherche und die Rechtsverfolgung namens des Antragsgegners entstandenen Aufwendungen beziffert der Antragsteller auf 1.589.309,92 € und trägt weiter vor, der Antragsgegner habe Vermögen, nämlich den fotografischen Nachlass von E. L. im Wert von mindestens 400.000,00 US$ in K.. Diese Sammlung habe er ihm, dem Antragsteller, und der Inhaberin der Galerie P. auf Grund eines Kommissionsvertrags vom 16.07.1996 zum Verkauf bis zum 30.06.1997 überlassen und auch nach dem Auslaufen des Kommissionsvertrags in der Galerie belassen. Am 17.07.2002 habe der Antragsgegner gegen 22:20 Uhr die Inhaberin der Galerie angerufen und erklärt, sie solle die bei ihr verwahrten Fotos nicht mehr verkaufen, sondern sofort zu ihm nach Spanien schicken. Dies habe die Galerieinhaberin zwar unter Hinweis auf das Transportrisiko und die Transportkosten abgelehnt. Es sei indes zu befürchten, dass der Antragsgegner die Sammlung alsbald, spätestens im Rahmen eines für den 29./30.07.2002 angekündigten Deutschlandbesuchs ins Ausland schaffe.

Der Antragsteller, der sich zur Glaubhaftmachung auf eidesstattliche Versicherungen, Urkunden und Auszüge aus Publikationen bezieht, hat die Anordnung des dinglichen Arrestes in das Vermögen des Antragsgegners beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit der Begründung abgelehnt, aus dem Vorbringen des Antragstellers ergebe sich nicht, dass der Antragsgegner die in der Galerie P. aufbewahrte Sammlung der Vollstreckung entziehen oder die Vollstreckung erschwert werde. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Anordnung des dinglichen Arrestes weiter.

II.

Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners war antragsgemäß anzuordnen

Für die Entscheidung über den Arrestantrag sind deutsche Gerichte gem. Art. 31 der am 01.03.2002 in Kraft getretenen EG-Verordnung Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (EuGVVO) i. V. m. § 919 Alt. 2 ZPO international zuständig, da sich mit Arrest zu belegende Gegenstände nach dem Vorbringen des Antragstellers in K. befinden.

Der Antragsteller hat einen Arrestanspruch in der geltend gemachten Höhe hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Aus seinem Vorbringen ergibt sich nachvollziehbar, dass ihm - je nach dem Inhalt des ihm unbekannten Vergleichs zwischen dem Antragsgegner und seinen möglichen Miterben mit der B.-Stiftung - gegen den Antragsgegner ein Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruch mindestens in Höhe von 1.589.309,92 € zusteht, dessen Voraussetzungen sich gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB nach deutschen Sachnormen (zum Hauptanspruch: § 675 BGB i. V. m. § 157 BGB) richten; denn im Zeitpunkt des mündlichen Abschlusses des dargelegten Geschäftsbesorgungsvertrages hatten beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Selbst wenn auf den schriftlichen Vertrag aus dem Jahre 1999 abzustellen wäre, ergäbe sich nichts anderes, weil jedenfalls der Antragsteller, also derjenige der die Dienste zu leisten und damit die charakteristische Leistung zu erbringen hatte, zu diesem Zeitpunkt noch in K. wohnte.

Es besteht auch ein Arrestgrund i. S. d. § 917 Abs. 1 ZPO der alleine in Betracht kommt, da wegen des Wohnortes des Antragsgegners in dem EG-Land Spanien nach § 917 Abs. 2 S. 2 ZPO der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung (§ 917 Abs. 2 S. 1 ZPO) ausscheidet. Bei der Befürchtung des Antragstellers, der Antragsgegner werde ggfls. die Sammlung in sein Geburtsland Russland verbringen lassen, handelt es sich gerade vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner sie zurück nach Spanien haben will, um eine spekulative Erwägung ohne Tatsachenkern.

Indes ist bei objektiver Würdigung der gesamten Umstände die Besorgnis gerechtfertigt, dass ohne die Arrestanordnung die künftige Vollstreckung des Anspruchs des Antragstellers zumindest wesentlich erschwert wird. Hierbei kann die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage dahingestellt bleiben, ob bei einer Vollstreckung in den Staaten, für die nach § 917 Abs. 2 S. 2 ZPO der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung nicht gilt, also insbesondere in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft Schwierigkeiten bei der dortigen Vollstreckung im Rahmen des allgemeinen Arrestgrundes des § 917 Abs. 1 ZPO mit berücksichtigt werden können (so die amtliche Begründung zu Abs. 2 S. 2 BT-Drucks. 13/10871, S. 28; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Auflage, § 917 Rdn. 16), was jedenfalls seit Inkrafttreten der EuGVVO und der hierin enthaltenen erleichterten Form der Klauselerteilung zweifelhaft ist. Unabhängig hiervon rechtfertigen die von dem Antragsteller dargelegten und glaubhaft gemachten Vorgänge seit April 2002, die in einem Presseartikel als "Frontwechsel" bezeichnet worden sind, die Besorgnis, dass eine Verschlechterung der Zugriffsmöglichkeiten des Antragstellers auf Vermögen des Schuldners droht. Der Abbruch der langjährigen Geschäftsbeziehung war brüsk. Auch hat der Antragsgegner sich bisher in Kenntnis der hohen Forderung, die der Antragsteller geltend macht, nicht nur einer persönlichen Kontaktaufnahme verweigert, sondern über seinen anwaltlichen Vertreter auch versucht, den Antragsteller ohne konkretes Eingehen auf dessen Ansprüche hinzuhalten, was ein typisches Kriterium für eine mögliche Vollstreckungsvereitelung sein kann (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 2. Auflage, § 917 Rdn. 3). Gerade deswegen und wegen des Umstandes, dass die Fotosammlung auch noch nach dem Auslaufen des Kommissionsvertrags vier Jahre in der Galerie P. verblieben war, ohne dass der Antragsgegner Anstalten gemacht hatte, hierüber anderweitig zu disponieren, kann die plötzliche Zurückforderung durch einen spätabendlichen Anruf und in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen den Parteien nicht - wie das Amtsgericht gemeint hat - als ein normaler Geschäftsvorgang angesehen werden. Vielmehr ist es insgesamt hinreichend glaubhaft, dass eine ungünstige, nicht unerhebliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners bevorsteht, insbesondere dem Antragsteller zunächst durch Verbringung der Sammlung an einen anderen ihm unbekannten Ort eine Zugriffsmöglichkeit zumindest deutlich erschwert wird.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 923 ZPO.

Beschwerdewert: 550.000,00 € (ca. 1/3 der Hauptforderung)

Ende der Entscheidung

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