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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: 16 W 25/06
Rechtsgebiete: EuGVVO, ZPO


Vorschriften:

EuGVVO Art. 5
EuGVVO Art. 23
ZPO § 485
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 W 25/06

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Einzelrichter, Richterin am Oberlandesgericht Dr. Ahn-Roth

am 24.05.2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 02.03.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe:

1.

Der Antragsteller hat unter dem 14.03.2006 beim Amtsgericht Köln einen Antrag im selbständigen Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerin gestellt, und diese konkretisiert als "Niederlassung L, in L-S, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn X bzw. - so später korrigiert - Q". Ziel des Antrags ist die Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob in einem bei der Antragsgegnerin erworbenen Niederflurbus der Einbau eines Schwingsitzes möglich ist. Ein solcher Schwingsitz soll vereinbart gewesen sein. Die Antragstellerin hält das Amtsgericht Köln für örtlich zuständig, da die Antragsgegnerin dort eine selbständige Niederlassung unterhalte, über die das Geschäft getätigt worden sei. Das bestreitet die Antragsgegnerin, die vorträgt, ihr Firmensitz sei in den Niederlanden, sie unterhalte keine Niederlassung in Deutschland, Herr Q betreibe eine selbständige Handelsvertretung.

Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, das Amtsgericht Köln sei jedenfalls nicht örtlich zuständig, wenn überhaupt eine internationale Zuständigkeit für die Bundesrepublik Deutschland bestehe. Es sei nicht auszuschließen, dass Herr Q ein selbständiger Handelsvertreter sei, somit an dessen Sitz nicht zugleich eine Zweigniederlassung eines Unternehmens begründet sein könne. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. In dem Beschwerdeverfahren werden von beiden Parteien die Frage einer selbständigen Niederlassung der Antragsgegnerin sowie der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einschließlich einer Gerichtsstandsvereinbarung, die mit diesen vereinbart worden sein soll, thematisiert. Es liegen verschiedene Allgemeine Geschäftsbedingungen vor, und zwar zunächst die mit der Bestellung vom 21.11.2004 eingebrachten, sodann die von der Antragsgegnerin mit ihrer Bestätigung vom 28.11.2004 verwendeten.

2.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Auch der Hilfsantrag des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

Das Amtsgericht Köln hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen, da es international und örtlich unzuständig ist.

Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beurteilt sich allein nach den Regelungen der EG-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 - Verordnung Nr. 44/2001 - (EuGVVO). Gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO findet die Verordnung grundsätzlich in allen Zivil- und Handelssachen Anwendung, somit auch auf das selbständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO. Auch aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 EuGVVO, die davon ausgehen, dass eine Person "verklagt" wird, folgt nichts anderes. Denn damit ist nicht etwa eine Beschränkung auf Klagen im formellen Sinn des § 253 ZPO gemeint, sondern lediglich klargestellt, dass die Zuständigkeitsregeln nur für streitige Verfahren wie das vorliegende gelten (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., Anh. 1 Art. 2 EuGVVO Rn. 12). Nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 EuGVVO kann eine juristische Person, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß Art. 5 ff. EuGVVO verklagt werden. In diesem Fall wird auch die örtliche Zuständigkeit alleine durch Art. 5 ff. EuGVVO bestimmt, §§ 12 ff. ZPO sind unanwendbar (Zöller/Geimer, Anh. 1 Art. 2 EuGVVO Rn. 6).

Eine Ausnahme von der ausschließlichen Anwendbarkeit der EuGVVO für die internationale und örtliche Zuständigkeit ergibt sich vorliegend auch nicht aus Art. 31 EuGVVO, der für das Gebiet des einstweiligen Rechtsschutzes die Anwendbarkeit des nationalen Zuständigkeitsrechts (neben dem der EuGVVO) zulässt. Denn selbständige Beweisverfahren fallen nicht unter den Begriff der "einstweiligen Maßnahmen" i. S. d. Art. 31 EuGVVO (EuGH, Urt. v. 28.04.2005, JZ 2005, 1166).

Ob hier der besondere Gerichtsstand der Niederlassung gemäß Art. 5 Nr. 5 EuGVVO mit der Folge einer Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln in Betracht kommt, kann offen bleiben. Es liegt nämlich eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vor, wonach das für den Sitz der Verkäuferin zuständige Gericht für Streitigkeiten aus dem Vertrag zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Die Frage, ob der von Herrn Q in L unterhaltene Geschäftsbetrieb eine selbständige Niederlassung der Antragstellerin ist, kann deshalb dahin stehen.

Die Parteien haben wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 EuGVVO für das Gericht am Sitz der Antragsgegnerin getroffen. Diese begründet gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 EuGVVO die ausschließliche Zuständigkeit dieses Gerichts. Dadurch wird eine eventuell gemäß Art. 5 Nr. 5 EuGVVO bestehende Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln verdrängt.

Durch Einbeziehung der Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin ist eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Die unter Ziff. 19.3 der erwähnten AGB vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung ist in der Form des Art. 23 Abs. 1 S. 3 Buchst. a EuGVVO durch schriftliche Vereinbarung geschlossen worden. Das Schriftformerfordernis kann auch durch Bezugnahme auf die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfüllt werden (Zöller/Geimer, Anh. 1 Art 23 EuGVVO Rn. 23). Die Annahme eines Angebots unter Beifügung der AGB des Annehmenden führt zwar grundsätzlich noch nicht zur Vereinbarung einer darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel, da es insoweit an der vollen (beiderseitigen) Schriftlichkeit fehlt (BGH, Urt. v. 09.03.1994, NJW 1994, 2699 zum Art. 23 EuGVVO entsprechenden Art. 17 EuGVÜ; MünchKomm/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., Art. 17 EuGVÜ, Rn. 24). Etwas anderes gilt aber dann, wenn die andere Partei die Geschäftsbedingungen schriftlich bestätigt und damit der Gerichtsstandsklausel zustimmt (Zöller/Geimer, a.a.O., Art 23 EuGVVO Rn. 28; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2 Aufl., Art. 23 Rdnr. 107; MünchKomm/Gottwald, a.a.O., Art. 17 EuGVÜ, Rn. 32).

Der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung steht nicht entgegen, dass diese als Bestandteil von in niederländischer Sprache abgefasster AGB vereinbart worden ist, mithin in einer von der Verhandlungssprache abweichenden Sprache. Im Anwendungsbereich des Art. 23 EuGVVO muss nach der überwiegenden Meinung die Sprache der AGB nicht mit der des Hauptvertrages übereinstimmen. Die vom nationalen Gesetzgeber aufgestellten Vorschriften über die Verwendung bestimmter Sprachen für den Abschluss von Verträgen sind im Anwendungsbereich des Art. 23 EuGVVO unbeachtlich (vgl. Geimer/Schütze, a.a.O., Art. 23, Rdnr. 93, 125; Zöller/Geimer, a.a.O., Art. 23 Rdnr. 34). Die Klärung der auch in der Rechtsprechung bisher noch nicht abschließend entschiedenen Frage, nach welchen Grundsätzen sich das Sprachrisiko richtet (vgl. BGH, IPRax 1991, 326; IPRax 1992,373; der EuGH hat die Frage bisher offen gelassen), kann der Senat im vorliegenden Fall dahin stehen lassen. Denn der Antragsteller hat die Verwendung der in niederländischer Sprache abgefassten Bedingungen nicht gerügt. Ferner hat er für die Bestellung ein Bestellformular verwendet, auf dessen Rückseite sich die in deutscher Sprache abgefassten allgemeine Geschäftsbedingungen des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes befinden, die jedenfalls eine inhaltlich gleichlautende Gerichtsstandsvereinbarung beinhalten. Auf diese AGB hat sich der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ausdrücklich berufen. Mithin kann allein die Fremdsprachigkeit der von der Antragsgegnerin verwendeten Gerichtsstandsklausel, die insoweit inhaltlich mit den vom Antragsteller ausdrücklich akzeptierten Bedingungen des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes übereinstimmt, nicht zu deren Unwirksamkeit führen.

Für die Frage des Gerichtsstandes kann schließlich offen bleiben, ob die erwähnten AGB der Antragsgegnerin oder die AGB des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes vereinbart worden sind, da die beiden teilweise abweichenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedenfalls zur Frage des Gerichtsstandes eine inhaltlich gleich lautende Regelung vorsehen. Nach den für diesen Vertrag geltenden Bestimmungen des Einheitlichen UN-Kaufrechts (CISG) - Deutschland und die Niederlande sind Vertragsstaaten (vgl. Schlechtriem, CISG ,3. Aufl., Anhang); ein Ausschluss der Anwendung dieses Übereinkommens findet sich im Vertrag nicht, Art. 6 CISG - führt eine Vertragsauslegung bei kollidierenden Bedingungen dazu, dass jedenfalls die übereinstimmenden Regelungen wirksam vereinbart sind; andernfalls greift die "Theorie des letzten Wortes" ein, wonach die zuletzt übersandten Bedingungen (vgl. zum Ganzen Schlechtriem, a.a.O., Art. 19, Anm. 19 ff) entscheidend sind. Bei beiden Alternativen liegt eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vor.

Der in den jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Gerichtsstand für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung besteht am Sitz der Verkäuferin. Dieser befindet sich in W/Niederlande, selbst wenn der in L von Q betriebene Geschäftsbetrieb eine Zweigniederlassung im Sinne des Art. 5 Nr. 5 EuGVVO wäre. Denn der Sitz der Partei ist der Ort, an dem sich das Stammhaus befindet, während die Niederlassung als Außenstelle gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass sie sich nicht an diesem Ort befindet (zur Niederlassung als Außenstelle eines Stammhauses Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO, Rdnr. 307 ff).

Aufgrund der eine ausschließliche Zuständigkeit der niederländischen Gerichte begründenden Gerichtsstandsvereinbarung fehlt es an der internationalen - und daneben an der örtlichen - Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln.

Auch der Hilfsantrag des Antragstellers, das Verfahren an das Amtsgericht Borna abzugeben, kann keinen Erfolg haben. Die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 23 EuGVVO verdrängt die sonst möglicherweise gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO (Gerichtsstand des Erfüllungsortes) gegebene Zuständigkeit des Amtsgerichts Borna. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Für eine Kostenverteilung nach § 97 Abs. 2 ZPO bestand keine Veranlassung, da beim derzeitigen Verfahrensstand offen bleibt, ob die sofortige Beschwerde nicht auch unabhängig vom Vorbringen zur Vereinbarung einer Gerichtsstandsklausel erfolgreich gewesen wäre. Die Frage einer Niederlassung in L hätte möglicherweise unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der Niederlassung i. S. v. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO (insbesondere EuGH, Urt. v. 22.11.1978, RIW 1979, 56; Urt. v. 18.03.1981, IPrax 1982, 64; vgl. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.08.2002, OLGR Saarbrücken 2003, 55) noch weiterer Aufklärung bedurft.

Ende der Entscheidung

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