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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.10.2003
Aktenzeichen: 16 W 35/02
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, LuftVG


Vorschriften:

ZPO § 23
ZPO § 81
ZPO § 293
ZPO § 571 Abs. 1 S. 2
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 3
ZPO § 793
ZPO § 828 Abs. 2, 2. Alt.
ZPO § 851 Abs. 1
ZPO § 882a Abs. 1
ZPO § 882a Abs. 2
ZPO § 829
GVG § 119 Abs. 1 Ziff. 1b
LuftVG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 W 35/02

In der Zwangsvollstreckungssache

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 06.10.2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 29.05.2002 - 288 M 6249/02 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Es verbleibt bei dem Rechtskraftvorbehalt des Amtsgerichts vom 29.05.2002.

Der Gläubiger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren wird unter Abänderung der Wertfestsetzung des Amtsgerichts auf 511.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Gläubiger gründete 1990/91 über eine ihm gehörende US-amerikanische Firma gemeinsam mit einer Behörde in Q eine Aktiengesellschaft russischen Rechts, deren Gegenstand die Entwicklung, Beschaffung pp. von Polizeiausrüstungen, Transport- und Schutzdienste für ausländische und sowjetische Bürger sowie der Im- und Export verschiedener Güter war und in die von der russischen Behörde u. a. Liegenschaften eingebracht wurden. Nachdem die Schuldnerin 1992 auf der Grundlage neuer Gesetze einen Vermögensfond eingerichtet hatte, durch den während der stattfindenden Privatisierung das staatliche Vermögen einschließlich der Einlagen in Gemeinschaftsunternehmen gesichert werden sollte, ordnete der Präsident der S F durch eine Direktive vom 04.12.1994 die Übertragung der Liegenschaften auf ein - so die Übersetzung - "Beschaffungsamt" an, das sodann mit der Behörde aus Q eine entsprechende Vereinbarung traf. Im Oktober 1995 wurden die Liegenschaften teilweise versiegelt und im Januar 1996 beschlagnahmt.

In der Folgezeit rief der Gläubiger, nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, Rechtsschutz vor russischen Gerichten zu erlangen, das internationale Schiedsgericht bei der Handelskammer in Stockholm an. Grundlage hierfür war der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13.09.1989 - BGBl. 1990 II 342 - , nach dessen Art. 4 Kapitalanlagen von Investoren einer Vertragspartei nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur gegen Entschädigung enteignet werden dürfen und ein Betroffener das Recht hat, zur Entscheidung von Streitigkeiten über das Enteignungsverfahren und zur Höhe der Entschädigung ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Ferner enthält der Vertrag in den Artikeln 9 und 10 Regelungen über das Schiedsgerichtsverfahren, u. a. dass ein Schiedsspruch anerkannt und vollstreckt werde nach Maßgabe des UN-Übereinkommens vom 10.06.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche.

Im Verlaufe des Schiedsverfahrens hatte die Schuldnerin insbesondere eine fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt, weil Investor im Sinne des Vertrages vom 13.09.1989 nicht der Gläubiger, sondern seine US-amerikanische Firma gewesen sei und es seinerzeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika noch keine dem deutsch-sowjetischen Vertrag entsprechende Regelungen gegeben habe. Das Schiedsgericht ist dem mehrheitlich nicht gefolgt und hat nach Beweiserhebung am 07.07.1998 einen Schiedsspruch erlassen, nach dem die Schuldnerin an den Gläubiger 2.350.000,00 US$ nebst 10 % Zinsen seit dem 25.11.1996 zu zahlen hat. Diesen Schiedsspruch hat das Kammergericht mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss vom 16.02.2001 (KGReport 2001, 146 = NJOZ 2001, 727) für vollstreckbar erklärt.

Eine von der Schuldnerin gegen den Schiedsspruch erhobene Nichtigkeitsklage hat das Amtsgericht Stockholm mit Urteil vom 18.12.2002 zurückgewiesen. Über eine hiergegen eingelegte Berufung der Schuldnerin ist noch nicht entschieden.

Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin und hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 05.02.2002 erwirkt, mit dem wegen eines Teilbetrages von 511.000,00 € angebliche "Zahlungsansprüche und weitergehende Ansprüche" der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin "aus Einräumung von Überflugrechten, Transitrechten, Einflugrechten und sonstigen bezüglich Luftverkehr zwischen der Schuldnerin und Drittschuldnerin geschlossenen Verträgen" gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurden.

Hiergegen haben sowohl die Schuldnerin wie auch die Drittschuldnerin Erinnerung eingelegt. Die Schuldnerin hat eine nicht hinreichende Parteibezeichnung gerügt und geltend gemacht, die Pfändung verletze ihre staatliche Immunität, weil die gepfändeten Ansprüche ihre hoheitliche Tätigkeit beträfen. Die Drittschuldnerin hat sich primär darauf berufen, dass die Forderungspfändung nicht hinreichend bestimmt sei. Auch sie war der Meinung, dass die Immunität der Schuldnerin verletzt sei. Ferner hat sie geltend gemacht, dass durch die Pfändung für sie Nachteile entständen, die über die bloße Erfüllung der gepfändeten Forderungen weit hinausgingen, weil mit Sicherheit zu erwarten sei, dass die ihr gewährten Überflug- und Einflugrechte storniert würden, wenn sie statt an die Schuldnerin an den Gläubiger zahle.

Mit Beschluss vom 29.05.2002, der dem Gläubiger am 05.06.2002 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht unter Vorbehalt der Rechtskraft den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben, weil in hoheitliche Ansprüche der Schuldnerin vollstreckt werde und die Schuldnerin nicht auf die ihr deswegen zustehende Immunität verzichtet habe.

Hiergegen richtet sich die am 13.06.2002 eingegangene sofortige Beschwerde des Gläubigers, mit der geltend gemacht wird, dass das Amtsgericht eine Vollmachtsrüge nicht beachtet habe, und die in der Sache im wesentlichen darauf gestützt ist, dass die Schuldnerin durch den Investitionsschutzvertrag vom 13.09.1989 bzw. durch die hierin enthaltene Unterwerfung unter das UN-Schiedsgerichtsübereinkommen vom 10.06.1958 nicht nur für das Erkenntnis-, sondern auch für das Vollstreckungsverfahren auf ihre Immunitätsrechte verzichtet habe. Ferner tritt er unter Abweichung von früherem Vorbringen sowie unter Vorlage eines Rechtsgutachtens der Auffassung des Amtsgerichts entgegen, dass die gepfändeten Forderungen hoheitlicher Art seien. Ob dies der Fall sei, beurteile sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach deutschem Recht. Forderungen eines Hoheitsträgers gegen einen privaten Dritten seien aber grds. als Teil des dem Privatrecht unterstehenden und damit dem Vollstreckungszugriff nach § 882a Abs. 1 ZPO unterliegenden staatlichen Finanzvermögens anzusehen.

Die Schuldnerin und die Drittschuldnerin verteidigen die Entscheidung des Amtsgerichts. Auch verweisen sie darauf, dass die Luftverkehrsgebühren von einem staatlichen Einheitsunternehmen, einer nach dem russischen Zivilgesetzbuch selbständigen juristischen Person, eingezogen und die Einnahmen für Zwecke der Luftverwaltung verwendet würden. Einer etwaigen Pfändung ständen zudem öffentliche Interessen entgegen, wie sich aus einer gem. § 882a Abs. 2 ZPO einzuholenden Auskunft des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ergeben werde. Ergänzend macht die Drittschuldnerin geltend, dass es bereits an der Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln fehle, weil die Forderungen der Schuldnerin gegen sie in Deutschland nicht gerichtlich durchsetzbar seien und daher nicht den alleine in Betracht kommenden Gerichtsstand des Vermögens gem. §§ 23, 828 Abs. 2, 2. Alt. ZPO begründen könnten. Ferner zweifelt sie an, dass die Forderungen nach dem ihrer Meinung nach anwendbaren russischen Recht übertragbar und daher pfändbar seien.

II.

Vorab war die Parteibezeichnung der Schuldnerin wie aus dem Rubrum ersichtlich klarzustellen, da das Administrative Büro bei dem Präsidenten der S F - eine Bezeichnung auf welche sich die Parteien vor dem Amtsgericht Stockholm geeinigt haben - nicht Partei, sondern Vertreterin der S F ist. Dies folgt aus dem Schiedsspruch, in dessen Gründen ausgeführt ist, dass der Kläger die ursprüngliche Angabe "Präsidialadministration, Beschaffungsamt" später dahin berichtigt habe, dass die S F ordentliche Beklagte sein solle. So lautet - jedenfalls in der deutschen Übersetzung ferner das Rubrum des Schiedsspruchs und auch die Nichtigkeitsklage ist namens der S F erhoben worden. Vollstreckt werden soll schließlich in Ansprüche nicht etwa des Administrativen Büros, sondern der S F als Trägerin von eigenen Vermögensrechten. Gegen sie ist auch der Schiedsspruch durch den Beschluss des Kammergerichts vom 16.02.2001 für vollstreckbar erklärt worden.

III.

Die gem. § 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde. über die gem. § 119 Abs. 1 Ziff. 1b GVG der Senat zu befinden hat, ist nicht begründet.

1.

Nicht nur die Erinnerung der Drittschuldnerin, sondern auch diejenige der Schuldnerin war zulässig. Die von der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin im Original eingereichte Vollmacht vom 07.05.2002 ist inhaltlich eine solche nach § 81 ZPO und vom Botschafter der S F in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet (GA 233). Dass dieser befugt ist, eine in Deutschland zugelassene Rechtsanwältin mit der Vertretung der Schuldnerin vor deutschen Vollstreckungsgerichten zu beauftragen, wird auch von dem Gläubiger nicht angezweifelt. Die Befugnis folgt unabhängig von der in Art. 3 Ziff. 1a) des Wiener Übereinkommens über Diplomatische Beziehungen vom 18.04.1961 - BGBl. 1964 II 957 - vorgesehenen - diplomatischen - Vertretung daraus, dass es zu den laufenden und üblichen Geschäften eines Botschafters gehört, durch die Beauftragung eines im deutschen Recht kundigen Rechtsanwalts bzw. einer Rechtsanwältin für eine möglichst effektive Vertretung des Entsendestaates vor deutschen Gerichten Sorge zu tragen (vgl. hierzu KG NJW 1974, 1627).

2.

In der Sache hat das Amtsgericht mit Recht und mit zutreffender Begründung auf die Erinnerungen hin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 05.02.2002 aufgehoben.

a)

Vorab ist es bereits zweifelhaft, ob für das vorliegende Verfahren eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht, die trotz § 571 Abs. 1 S. 2 ZPO auch im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist (vgl. BGH NJW 2003, 426 zu der entsprechenden Regelung in § 545 Abs. 2 ZPO für das Revisionsverfahren). Der alleine in Betracht kommende Gerichtsstand des Vermögens (§ 828 Abs. 2 i. V. m. § 23 ZPO) setzt nach neuerer Ansicht voraus, dass die Partei Gegenstände besitzt, die dem Vollstreckungszugriff unterliegen (vgl. BGH NJW 1993, 2684; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Auflage, § 23 Rdn. 7a), was dann nicht der Fall ist, wenn das Vermögen der sachlichen Immunität unterliegt (vgl. OLG Frankfurt OLGReport 1999, 147 = IPrax 1999, 461 = RIW 1999, 461). Hierfür kommt es allerdings - anders als bei der nach § 571 Abs. 1 S. 2 ZPO im Beschwerdeverfahren einer Prüfung entzogenen örtlichen Zuständigkeit - nur darauf an, ob die Schuldnerin irgendwo in Deutschland vollstreckbares Vermögen besitzt, ob also z. B. tatsächlich Ansprüche der Schuldnerin gegen die P-X-Bank in G bestehen, deren Pfändung in dem Verfahren 83 M 12303/2001 AG Frankfurt = 26 W 101/2002 OLG Frankfurt rechtskräftig für zulässig erklärt worden ist.

Die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte kann aber letztlich offen bleiben, da die Pfändungsmaßnahme als solche unzulässig ist.

b)

Soweit der Gläubiger Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin neben Zahlungsansprüchen "weitergehende Ansprüche" und solche "aus sonstigen bezüglich Luftverkehr geschlossenen Verträgen" gepfändet hat, unterliegt der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss schon deshalb der Aufhebung, weil er nicht hinreichend bestimmt ist. Die gepfändete Forderung ist so genau zu bezeichnen, dass sowohl Schuldner und Drittschuldner wie auch unbeteiligte Dritte, etwa weitere an einer Vollstreckung interessierte Gläubiger keine vernünftigen Zweifel daran haben können welche konkrete Forderung gemeint ist (vgl. Schuschke/Walker Zwangsvollstreckung, 3. Auflage, § 829 Rdn. 37). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bei "weitergehenden Ansprüchen" ist es vollkommen unklar, ob es sich dabei überhaupt um solche handelt, die der Forderungspfändung unterliegen können. Auch macht die Drittschuldnerin mit Recht geltend, dass es wegen der Vielzahl der vertraglichen Verflechtungen im internationalen Flugverkehr bei der Pfändung von Ansprüchen "aus sonstigen bezüglich Luftverkehr geschlossenen Verträgen" nicht identifizierbar ist, welche konkrete Forderung beschlagnahmt ist.

c)

Im Übrigen, also soweit angebliche Zahlungsansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin aus der Einräumung von Überflugrechten, Transitrechten und Einflugrechten gepfändet worden sind, ist die Pfändung unzulässig, weil die gepfändeten Geldforderungen der Vollstreckung nicht unterworfen sind.

aa)

Hierzu kann es offen bleiben, ob die gepfändeten Ansprüche nach dem gem. Art. 33 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Recht der S F nicht abtretbar und damit gem. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar sind, was wegen der fehlenden Kenntnis des Senats zu den einschlägigen ausländischen Rechtsnormen nur durch ein Rechtsgutachten nach § 293 ZPO geklärt werden könnte. Auch bedarf es keiner näheren Erörterung der Frage, welchen Einfluss die im September 2002 erfolgte Beauftragung des staatlichen Einheitsunternehmens "Hauptzentrums der Planung der Flugbewegungsströme", einer nach dem Recht der S F selbständigen juristischen Person, mit der Einziehung auf die Inhaberschaft an den gepfändeten Forderungen haben könnte; denn gepfändet wird immer nur eine angebliche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner, während die Feststellung ihres Bestehens dem Einziehungsprozess vorbehalten ist (Schuschke/Walker a. a. O. § 829 Rdn. 47). Auch kommt es nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlagnahme an. Eine etwaige danach erfolgte Verfügung über die gepfändeten Ansprüche wäre dem Gläubiger gegenüber relativ unwirksam. In dem gem. § 829 Abs. ZPO maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an die Drittschuldnerin Anfang 2002 war die Schuldnerin aber auch nach ihrer Darstellung Inhaberin der hier interessierenden Forderungen, die sie seinerzeit noch über eine Clearing-Stelle der J einziehen ließ.

bb)

Jedenfalls war die Pfändung deshalb unzulässig, weil die gepfändeten Ansprüche in dem auch insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken der Schuldnerin zu dienen bestimmt waren und deshalb der Vollstreckungsimmunität unterlagen, die Schuldnerin also im vorliegenden Verfahren nicht der deutschen Gerichtsbarkeit untersteht und es deshalb an einer allgemeinen Verfahrensvoraussetzung fehlt, die auch für das Vollstreckungsverfahren zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.05.2003 - IXa ZB 19/03 - BGHReport 2003, 1041 = NJW-RR 2003, 1218)

Nach den wegen Art. 25 GG maßgeblichen allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist - wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat - der Gerichtsstaat nicht schlechthin gehindert, auf Grund eines gegen einen fremden Staat gerichteten Titels Vollstreckungsmaßnahmen in dessen im Gerichtsstaat befindliche Vermögensgegenstände zu betreiben. Die Vollstreckung ist allerdings ohne Zustimmung des fremden Staates dann unzulässig, wenn der Vermögensgegenstand im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates diente (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.12.1977 - 2 BvM 1/76 - BVerfGE 46, 342; BVerfG, Beschluss vom 12.04.1983 - 2 BvR 678/81u. a. - BVerfGE 64, 1 [40]; BGH a. a. O.). Die Abgrenzung, ob der hoheitliche oder nicht hoheitliche Bereich staatlicher Tätigkeit betroffen ist, ist mangels entsprechender Kriterien im Völkerrecht im Normalfall nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung vorzunehmen. Abschließend entschieden hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage zwar nur für das Erkenntnisverfahren (BVerfGE 16, 27 [62]). Für das Vollstreckungsverfahren kann indes nichts anderes gelten, wie es in dem Beschluss vom 12.04.1983 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, wobei es bei seiner Entscheidung auch darauf abgestellt hat, dass ein Bankguthaben einer ausländischen staatlichen Ölgesellschaft nach deutschem Recht lediglich Teil des dem Privatrecht unterstehenden staatlichen Finanzvermögens sei (BVerfGE 64, 1 [42 ff.]). Die Geltung entsprechender Grundsätze wird weder von den Parteien, noch sonst - etwa in einschlägiger Literatur - angezweifelt, so dass der Senat insoweit keinen Anlass zu einer Vorlage der Sache gem. Art. 100 Abs. 2 GG dazu hat, welche völkerrechtliche Regeln wegen der Abgrenzungsfrage Bestandteil des Bundesrechts sind.

Die gepfändeten Ansprüche sind entgegen der Meinung des Gläubigers nicht Teil des sog. staatlichen Finanzvermögens.

In der traditionellen Verwaltungsrechtslehre wird differenziert zwischen dem Verwaltungsvermögen als dem Vermögen, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient und dem Finanzvermögen als dem öffentliche Vermögen von Rechtsträgern, das nicht unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient, sondern nur mittelbar, nicht durch die Nutzung selbst, sondern durch die Erträgnisse, die es abwirft und die zur Finanzierung der Verwaltung beitragen (vgl. die Legaldefinitionen in Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrags; BT Drucksache 11/7760 S. 365; BGH MDR 1998, 1275; Wolf/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974 S. 483 f.; Salzwedel in Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Auflage 1995, § 42 Rdn. 13). Typische nur mittelbar öffentlichen Zwecken dienende Vermögenswerte sind etwa die Erträgnisse aus nicht öffentlichen Zwecken gewidmeten Grundstücken oder aus Kapitalforderungen, die weder für die laufende Haushaltswirtschaft noch zu maßgeblicher Einflussnahme auf Unternehmensführungen genutzt werden, während zum Verwaltungsvermögen nicht lediglich die unmittelbar von den Organwaltern selbst genutzten Vermögenswerte gehören, sondern auch diejenigen an Sachen im Gemeingebrauch, etwa Verkehrsanlagen aller Art und - vgl. § 1 Abs. 1 LuftVG - der Luftraum (Wolf/Bachof a. a. O. S. 484 u. 486 f.).

Anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall, in dem es darum ging, ob auf Erträgnisse zurückgegriffen werden kann, die aus dem privatwirtschaftlichen Verkauf von Öl herrühren und die nur mittelbar öffentlichen Zwecken dienen, indem sie - ähnlich wie z. B. Erträge aus der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Grundstücks oder sonstiger privatwirtschaftlicher Betätigung (vgl. die Beispiele bei Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Auflage, Rdn. 592) - zur Finanzierung des Staatshaushaltes beitragen sollen, entspringen die gepfändeten Ansprüchen unmittelbar hoheitlicher Tätigkeit. Die Luftverkehrsverwaltung ist entgegen der Meinung, die in dem von dem Gläubiger vorgelegten Rechtsgutachten vertreten wird, jedenfalls nach deutschem Recht öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Die der Luftverkehrsverwaltung im LuftVG übertragenen Aufgaben und Eingriffsbefugnisse sind hoheitlicher Art und entsprechend geregelt. Die für ihre Tätigkeit zu erhebenden Entgelte sind aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlage (§ 32 Abs. 1, Abs. 13 LuftVG) öffentlich-rechtlich in der Kostenverordnung der Luftfahrtverwaltung (LuftKostV) normiert und stellen ein Entgelt für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung dar (so für die Flugsicherheitsgebühr BVerfG, Beschluss vom 11.08.1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176 = DVBl. 1999, 1220), stehen also mit der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Hinzuweisen ist im Übrigen noch darauf, dass auch nach internationalen bzw. zwischenstaatlichen Abkommen nichts anderes feststellbar ist. Nach Art. 15 Abs. 2 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt (Chicagoer-Abkommen) vom 07.12.1944 - BGBl. 1956 II 411 - können für die Benutzung von Flughäfen und Luftfahrteinrichtungen "Gebühren" erhoben werden. Entsprechendes gilt nach Art. 1 Abschnitt 4 der Vereinbarung über den Durchflug im internationalen Fluglinienverkehr (Transit-Abkommen) vom 07.12.1944 - BGBl. 1956 II 442 - . Auch nach Art. 5 des Abkommens vom 14.07.1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der S F - BGBl. II 1997, 681 - kann jede Vertragspartei nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 2 des Chicagoer-Abkommens "Gebühren und andere Abgaben" erheben.

Schließlich hat die Schuldnerin, an deren Darlegungs- und Beweisführungslast insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfGE 46, 342 [400]; BGH, Beschluss vom 28.05.2003 - IXa ZB 19/03 -), nachvollziehbar vorgetragen und durch Vorlage der Auskunft ihres Ministeriums für Verkehr - Staatlicher Dienst der Zivilluftfahrt - vom 18.02.2003 hinreichend glaubhaft gemacht, dass die in Betracht kommenden Ansprüche gegen die Drittschuldnerin tatsächlich entsprechend ihrer hoheitlichen Zweckbestimmung verwandt, nämlich für Zwecke der Luftfahrtverwaltung verbraucht werden (Löhne, Abführungen an Renten-, Sozial- und Krankenversicherungsfonds, Arbeitsschutz, Amortisation, Raummieten, Energie- und Kommunikationskosten, Kosten für die Bedienung und Modernisierung von Navigationsanlagen). Die Luftverkehrsverwaltung wiederum ist jedenfalls nach dem maßgeblichen deutschen Rechtsverständnis Ausübung hoheitlicher Tätigkeit, wie oben ausgeführt wurde. Nichts anderes ergibt sich aus den Darlegungen des Gläubigers, in denen er auf den Haushaltsplan der S F Bezug nimmt, da auch er davon ausgeht, dass das beauftragte Staatliche Einheitsunternehmen keine nennenswerten Erträge aus der Luftverkehrsverwaltung in den allgemeinen Haushalt der Schuldnerin abführt.

cc)

Ein Verzicht der Schuldnerin auf die ihr nach alledem in Bezug auf die gepfändeten Ansprüche zuzubilligende Vollstreckungsimmunität kann nicht festgestellt werden. Da es an ausdrücklichen Erklärungen seitens der Schuldner fehlt, kommt nur ein konkludenter Verzicht in Betracht, der grundsätzlich möglich ist. Insbesondere ist es anerkannt, dass in einer Schiedsgerichtsabrede ein Immunitätsverzicht liegen kann, der sich indes nicht ohne weiteres auf das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs oder gar der anschließenden Zwangsvollstreckung erstreckt (vgl. KG, in der in dieser Sache ergangenen Vollstreckbarkeitsentscheidung; Geimer a. a.O. Rdn. 631; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Auflage, § 2 Rdn. 24; Niggemann, BB-Beilage 2001 Nr. 7 S. 11; Dahlhoff, BB 1997, 321). Daraus, dass die Schuldnerin sich in dem Investitionsschutzabkommen nicht lediglich einem Schiedsverfahren unterworfen hat, sondern nach dem Willen der beteiligten Staaten ein zu Gunsten eines Investors ergangener Schiedsspruch nach Maßgabe des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche anerkannt und vollstreckt werden kann, lässt sich ein Verzicht der Schuldnerin auf ihre Immunität bei der Vollstreckung in Vermögensgegenstände, die hoheitlichen Zwecken dienen, nicht herleiten, wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. Das in Bezug genommene Übereinkommen enthält in Art. III lediglich allgemeine Regeln dahingehend, dass beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Schiedssprüche nach den inländischen Verfahrensregeln zur Vollstreckung zugelassen werden und die Vollstreckung nicht wesentlich strengeren Verfahrensvorschriften und wesentlich höheren Kosten unterworfen werden darf als inländische Schiedssprüche. Damit soll lediglich die Möglichkeit einer Vollstreckung selbst eröffnet werden, wie sie vorliegend auch durch die Entscheidung des Kammergerichts geschaffen worden ist. Einen weitergehenden Verzicht auf die Staatenimmunität bei der Vollstreckung in bestimmte Vermögensgegenstände enthält die Unterwerfung dagegen nicht. Die Bezugnahme auf die im wesentlichen gleichen Verfahrensvorschriften bedingt im Gegenteil zugleich, dass auch die Bestandteil des Bundesrechts gewordenen allgemeinen Regeln des Völkerrechts weiter gelten, also bei der Vollstreckung in Ansprüche, die hoheitlichen Zwecken dienen, eine Staatenimmunität besteht. Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass dem weitaus größten Teil der Investitionsschutzabkommen das Übereinkommen vom 18.03.1965 zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (ICSID-Convention) - BGBl. 1969 II 369 - zugrunde liegt. Art. 55 der ICSID-Convention enthält aber einen ausdrücklichen Vorbehalt zur Vollstreckungsimmunität (vgl. hierzu Semler, SchiedsVZ 2003, 97 [102]). Auch wenn dieses Übereinkommen vorliegend nicht anwendbar ist, weil zwar Deutschland, nicht aber die S F Vertragsstaat ist, ist es bei der Bestimmung der Tragweite der Unterwerfung unter die Schiedsabrede in dem deutsch-sowjetischen Investitionsschutzabkommen mit heranzuziehen.

Auch zu der vorliegenden Frage ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 2 GG nicht veranlasst. Die Vorlagevoraussetzungen bestehen zwar unabhängig davon, ob das mit der Sache befasste Gericht entsprechende Zweifel hat, bereits dann, wenn die Geltung oder Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts objektiv zweifelhaft ist (BVerfGE 64, 1 [14]. Dass eine Unterwerfung unter eine Schiedsabrede sich allenfalls noch - wie vorliegend vom Kammergericht festgestellt - auf das Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren bezieht, wird - soweit ersichtlich - in der deutschen Rechtsprechung und Literatur nicht angezweifelt (vgl. die Nachweise im vorstehenden Absatz). Lediglich in der französischen Rechtsprechung sind in neuerer Zeit Entscheidungen der Cour de Cassation vom 06.06.2000 in der Sache Creighton ./. Quatar, der Cour dŽAppel von Rouen vom 20.06.1996 in der Sache Société Bec Frères ./. Office des céréales de Tunis und der Cour dŽAppel von Paris vom 10.08.2000 in der Sache NOGA ./. Russische Förderation ergangen, in denen ein weitergehender Verzicht angenommen worden ist (vgl. die Wiedergabe und kritische Erläuterung der Entscheidungen bei Niggemann a. a. O. und Kröll IPrax 2002, 439). Indes ist zu berücksichtigen, dass es sich letztlich um Auslegungsfragen handelt. Insofern sind aber die Sachverhalte, die den Entscheidungen der Berufungsgerichte in Rouen und Paris zugrunde liegen, nicht mit der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbar. Auch die Entscheidung der Cour de Cassation bezieht sich nicht auf eine Unterwerfung unter das UN-Schiedsgerichtsabkommen, sondern befasst sich mit der Frage, ob die Vereinbarung der Schiedsordnung der International Chamber of Commerce (ICC) wegen der Regelung in Art. 24 (jetzt Art. 28.6), dass sich jede Partei, die die ICC-Schiedgerichtsbarkeit in Anspruch nimmt, verpflichtet, den Schiedsspruch unverzüglich zu erfüllen und von allen Rechtsmitteln, auf die sie verzichten kann, Abstand zu nehmen. einen Verzicht auf Vollstreckungsimmunität enthält. Ein Verzicht auf verzichtbare Rechtsmittel wurde vorliegend indes nicht erklärt.

dd)

Tatsachen, die die Berufung der Schuldnerin auf ihren durch Art. 25 GG gewährleisteten Schutz vor einer Vollstreckung in Vermögensgegenstände, die hoheitlichen Zwecken dienen, ausnahmsweise als treuwidrig bzw. rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, sind nicht erkennbar, so dass es auch nicht darauf ankommt, ob der Gläubiger mit seinem entsprechenden Einwand überhaupt gehört werden kann.

3.

Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da in Rechtsprechung und Literatur bisher nur die Frage näher behandelt worden ist, unter welchen Voraussetzungen Grundstücke oder Forderungen eines ausländischen Staates auf Auszahlung eines Bankguthabens hoheitlichen Zwecken dienen. Die Frage, wann dies bei Gebührenforderungen der Fall ist, ist dagegen bisher ungeklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert ist nur nach der Forderung zu bemessen, wegen der vollstreckt wird. Dies ist der Teilbetrag von 511.000,00 €. Die abweichende Festsetzung des Amtsgerichts war gem. § 25 Abs. 2 S. 2 GKG von Amts wegen zu ändern.

Ende der Entscheidung

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