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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.03.2004
Aktenzeichen: 16 W 39/03
Rechtsgebiete: EuGVVO
Vorschriften:
EuGVVO Art. 34 | |
EuGVVO Art. 35 |
Entscheidung wurde am 28.09.2004 korrigiert: der Verfahrensgang wurde korrigiert
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In Sachen
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm
am 19.03.2004
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 08.10.2003 - 10 O 566/03 - wird zurückgewiesen.
Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Die Schuldnerin ist durch Urteil des Kantonsgerichts Maastricht/Niederlande vom 23.04.2003 verurteilt worden, an die Gläubigerin 4.537,80 € zzgl. Zinsen und Kosten zu zahlen. Mit Beschluss vom 08.10.2003 hat der Vorsitzende der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen das Urteil für vollstreckbar erklärt. Gegen diese ihr am 14.11.2003 zugestellte Entscheidung wendet sich die Schuldnerin mit ihrem am 12.12.2003 bei dem Landgericht Aachen eingegangenen "Einspruch". Sie macht geltend, sie habe gegen das Urteil keine Rechtsmittel einlegen können, weil es ihr nur in niederländischer Sprache zugestellt worden sei, die sie nicht verstehe. Dem Urteil sei ferner gem. Art. 35 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 lit. c und b EuGVVO die Anerkennung zu versagen, weil die Gläubigerin durch ein interaktives Online-Angebot auf ihrer Homepage ihre gewerbliche Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat der Schuldnerin - Belgien - ausgerichtet habe und das zugrunde liegende Darlehen die Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen zum Gegenstand gehabt habe. Außerdem bestünden immer noch Zahlungsdifferenzen zwischen den von ihr gezahlten Raten und der Schuldsumme.
II.
Der in formeller Hinsicht unbedenkliche, als Beschwerde auszulegende "Einspruch" ist in der Sache nicht begründet.
Die Vollstreckung aus dem Urteil des Kantonsgerichts Maastricht ist zulässig.
Soweit die Schuldnerin geltend macht, sie habe sich nicht effektiv gegen das Urteil des Kantonsgerichts Maastricht zur Wehr setzen können, weil es ihr nur in holländischer Sprache zugestellt worden sei, stehen weder Art. 34 Ziff. 2 noch Ziff. 1 EuGVVO der Vollstreckbarkeitserklärung entgegen. Art. 34 Ziff. 2 EuGVVO ist schon deshalb nicht verletzt, weil die Vorschrift allein die Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke betrifft. Die Schuldnerin rügt indessen die fehlende Übersetzung der aus dem Verfahren hervorgegangenen Entscheidung. Vorenthaltungen des rechtlichen Gehörs nach dem Stadium der Verfahrenseinleitung sind allein anhand von Art. 34 Ziff. 1 EuGVVO zu messen. Jedoch ist auch im Rahmen dessen nur dann ein Anerkennungsversagungsgrund gegeben, wenn es insgesamt an einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren fehlt (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Auflage, Art. 34-36 EuGVVO Rn 7). Für solch einen Fall hat die Schuldnerin nicht genügend Anhaltspunkte vorgetragen. Das Urteil des Kantonsgerichts Maastricht wurde ihr zwar tatsächlich allein in niederländischer Sprache zugestellt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Schuldnerin im Jahr 1992 in I/Niederlande einen in niederländischer Sprache gefassten Kreditvertrag abschloss und ihr Wohnort sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Niederlanden befindet, ist aber schon zweifelhaft, ob sie die niederländische Sprache nicht versteht. Im übrigen ist der Schuldnerin das Urteil des Kantonsgerichts Maastricht zusammen mit dem in deutscher Sprache abgefassten Beschluss des Landgerichts Aachen und der ebenfalls deutschsprachigen Vollstreckbarkeitsklausel gem. Art. 14 EuZVO, § 183 ZPO zugestellt worden. Aus diesen Schriftstücken ließ sich die Zahlungsverpflichtung aufgrund des niederländischen Titels nochmals entnehmen. Während des Gerichtsverfahrens war die Schuldnerin darüber hinaus anwaltlich vertreten und musste anschließend mit einem niederländischen Urteil rechnen. Unter diesen Gesichtspunkten ist von ihr jedenfalls nicht schlüssig dargelegt, dass die fehlende Übersetzung ihr die Rechtsmitteleinlegung unmöglich machte.
Der Vollstreckbarkeitserklärung steht auch Art. 35 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 lit. b bzw. c EuGVVO nicht entgegen. Denn unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 lit c. EuGVVO hier konkret vorliegen, ist die Anerkennung schon deshalb nicht zu versagen, weil der dem Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO zeitlich vorausgehende und im Erkenntnisverfahren hier anwendbare Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 EuGVÜ nicht verletzt wurde. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist hier nicht maßgeblich. Dies ergibt sich aus Art. 35 Abs. 1 EuGVVO i.V.m. den Übergangsvorschriften, Art. 66 EuGVVO, sowie dem Sinn und Zweck der Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsvorschriften der Verordnung, die eine möglichst breite und schnelle Vollstreckung der in den Mitgliedsstaaten ergangenen Urteile ermöglichen wollen. Art. 66 Abs. 2 EuGVVO besagt zwar, dass unter den Voraussetzungen des Buchstaben a) Entscheidungen, deren zugrunde liegende Klage vor dem Inkrafttreten der Verordnung erhoben worden und nach diesem Zeitpunkt erlassen worden sind, "nach Maßgabe des Kapitels III" anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen werden. Damit verweist er auf Kapitel III der Verordnung. In Kapitel III verweist Art. 35 Abs. 1 EuGVVO seinerseits auf "die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II" und auf Art. 72 EuGVVO; auch er legt dem Wortlaut nach eine Überprüfung der Verbraucherschutzvorschriften der Verordnung (Art. 15 ff. EuGVVO) nahe. Das Kantongericht Maastricht konnte indes Abschnitt 4 des Kapitels II (Artt. 15 ff. EuGVVO) nicht verletzen, weil die Verordnung zeitlich noch nicht anwendbar war. Die Klage war hier nämlich jedenfalls vor dem 01.03.2002 erhoben worden, so dass gem. Art. 66 Abs. 1 EuGVVO für das Erkenntnisverfahren die Vorschriften des EuGVÜ maßgeblich waren. Es würde aber dem von den Verordnungsgebern intendierten Zweck widersprechen, wenn man einer Entscheidung, die ohne Verletzung der Verbraucherschutzvorschriften nach den gewolltermaßen im Erkenntnisverfahren anwendbaren Vorschriften des EuGVÜ ergangen ist, anschließend unter Berufung auf die zwischenzeitlich geänderten Verbrauchervorschriften der Verordnung (Artt. 15 ff. EuGVVO) die Anerkennung versagen wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verordnungsgeber durch den Verweis in Art. 66 Abs. 2 lit. a EuGVVO auf Kapitel III der Verordnung - und damit mittelbar auch auf bestimmte Zuständigkeitsbestimmungen - eine nach dem bisher geltenden EuGVÜ unproblematisch mögliche Anerkennung nicht erschweren wollten. Es sollte der reibungslose Übergang zwischen dem EuGVÜ und der EuGVVO erleichtert werden (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 7. Auflage, Art. 66 Rn 5). Die geringfügigen Unterschiede zwischen dem EuGVÜ und der EuGVVO wurden im Rahmen der Übergangsvorschrift vernachlässigt (vgl. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Auflage, Art. 66 Rn 6). Dies lässt sich unter anderem an Art. 66 Abs. 2 lit. a EuGVVO ablesen, der, wie sich aus einem Vergleich mit Art. 66 Abs. 2 lit. b EuGVVO ergibt, unterstellt, dass die Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ und der EuGVVO "übereinstimmen", obwohl das gerade nicht der Fall ist. Eine andere als die hier vertretene Auslegung der Vorschriften hätte im übrigen für den Gläubiger fatale Folgen, denn eine an sich in Übereinstimmung mit dem EuGVÜ ergangene Entscheidung wäre für ihn unter Umständen praktisch wertlos, ohne dass dies durch ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Schuldners gerechtfertigt wäre.
In Anbetracht dessen kann die streitige Frage, ob das Bereithalten einer weltweit zugänglichen, interaktiven Website eines Unternehmers in einem Mitgliedsstaat nunmehr unter die Vorschrift des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO zu fassen ist, dahinstehen. Die - engeren - Voraussetzungen des allenfalls in Betracht kommenden Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 EuGVÜ wurden im vorliegenden Fall mangels eines Vertrages zur Erbringung von Dienstleistungen und mangels einer im Wohnsitzstaat der Schuldnerin - Belgien - zum Vertragsabschluss vorgenommenen Rechtshandlung nicht verletzt. Die Schuldnerin hat auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass es sich bei dem ihr von der Gläubigerin gewährten Darlehen um eine solches handelte, das zur Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen i.S. des Art. 13 Abs. 1 Ziff. 2 EuGVÜ "bestimmt" war. Unter Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 EuGVÜ (bzw. nunmehr wortgleich 15 Abs. 1 lit. b EuGVVO) fallen alle Kreditgeschäfte, die zur Finanzierung eines Kaufes beweglicher Sachen abgeschlossen wurden. Entscheidend ist dabei, dass der Kreditnehmer nicht frei über die Darlehensvaluta verfügen kann (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Auflage, § 15 EuGVVO Rn 6). Aus dem von der Schuldnerin vorgelegten Darlehensvertrag vom 21.09.1992 ergibt sich hier aber kein Anhaltspunkt dafür, dass die Schuldnerin über die Darlehensvaluta nicht frei verfügen können sollte. Soweit ersichtlich, war kein bestimmter Zweck vorgesehen. Unerheblich wäre insoweit, wenn nur die Schuldnerin selbst das Darlehen zur Finanzierung beweglicher Sachen nutzen wollte; vielmehr hätte es einer von den Parteien ausdrücklich getroffenen Zweckbestimmung bedurft. Dazu hat die Schuldnerin indes nichts Konkretes vorgetragen.
Ungeachtet dessen hat sich die Schuldnerin auch vor dem Kantonsgericht Maastricht auf das Verfahren eingelassen, indem sie dort, anwaltlich vertreten, zur Sache vorgetragen hat. Auch aus diesem Grunde scheidet die Anerkennungsversagung gem. Art. 35 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 ff. EuGVVO von vornherein aus. Art. 24 EuGVVO verdrängt nämlich nach zu folgender herrschender Meinung die Artt. 15 ff. EuGVVO (vgl. OLG Koblenz IPRax 2001, 334 ff. m.w.N.; Schlosser, EU-Prozessrecht 2. Auflage, Art. 15 Rn 1; Thomas/Putzo, ZPO 25. Auflage, Art. 24 Rn 1), wie sich schon im Umkehrschluss aus Art. 24 Satz 2 a.E. EuGVVO entnehmen lässt. Auch Art. 17 Nr. 1 EuGVVO zeigt, dass die besonderen Zuständigkeiten für Verbrauchersachen für die schwächere Partei keinen absoluten Schutz garantieren. Vielmehr kann von dem Verbrauchergerichtsstand durch eine Vereinbarung nach Entstehung der Streitigkeit ohne weiteres abgewichen werden.
Der Einwand der Schuldnerin, es bestünden immer noch Zahlungsdifferenzen zwischen den von ihr gezahlten Raten und der Schuldsumme, ist schließlich gänzlich unsubstantiiert und daher unbeachtlich, da sie nicht darlegt, wann was von ihr gezahlt worden ist. Eine etwaige Zahlung vor Erlass des Urteils könnte ohnehin nicht berücksichtigt werden, da der Senat das ausländische Urteil nicht auf seine Richtigkeit überprüfen darf (Art. 36 EuGVVO, § 12 Abs. 1 AVAG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Beschwerdewert: 5.686,29 €
Ende der Entscheidung
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