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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.04.2006
Aktenzeichen: 16 W 7/06
Rechtsgebiete: ZPO, EuGVVO, EuGVÜ/LugÜ


Vorschriften:

ZPO § 322
ZPO § 722
EuGVVO Art. 38
EuGVVO Art. 53
EuGVÜ/LugÜ Art. 31
EuGVÜ/LugÜ Art. 46
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Beschluss

16 W 7/06

In dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

hat die 16. Zivilkammer des Oberlandesgerichts Köln am 28.4.2006 durch seine Mitglieder Jennissen, Appel-Hamm und Wurm beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 18.01.2006 wird der Beschluss des Vorsitzenden der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 02.01.2006 - 12 O 383/05 - aufgehoben und der Antrag des Antragstellers vom 05.08.2005 auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zum Versäumnisurteil des Bezirksgericht Zielona Góra (Polen) vom 17.02.2004 - I C 324/03 - als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller hat ein vollstreckbares Versäumnisurteil des Bezirksgericht Zielona Góra, Republik Polen, vom 17.2.2004 erwirkt, in dem die Antragsgegnerin und der inzwischen verstorbene Herr G H als Gesamtschuldner zur Zahlung von PLN 33.045,19 (€ 6.912,64) nebst Zinsen verurteilt wurden. Bereits unter dem 29.11.2004 hatte der Antragsteller die Erteilung der Vollstreckungsklausel beantragt. Der antragsgemäße Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10.01.2005 (12 O 613/04) ist vom Senat durch Beschluss vom 02.03.2005 (16 W 4/05) dahingehend abgeändert worden, dass die beantragte Vollstreckungsklausel nur zu erteilen sei, soweit sich das Urteil gegen Herrn G H richtet. Den weitergehenden Antrag hat der Senat mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antragsteller trotz Hinweises des Senats keine Urkunde vorgelegt habe, aus der sich die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes an die Antragsgegnerin ergebe.

Mit Schriftsatz vom 2.8.2005 hat der Antragsteller erneut beantragt, die Vollstreckungsklausel zu dem o.g. Urteil des Bezirksgerichts Zielona Góra zu erteilen. Der Vorsitzende der 12. Zivilkammer hat nach Vorlage polnischer Urkunden, aus denen sich auch die Zustellung der zum Versäumnisurteil führenden Klageschrift ergeben soll, sowie von Urkunden, die eine deutsche Übersetzung enthalten sollen, durch Beschluss vom 2.1.2006 (12 O 383/05) antragsgemäß entschieden. Hinsichtlich des Wortlauts der vom Antragsteller vorgelegten Zustellungsbescheinigungen wird verwiesen auf Bl. 50 - 53 d.A. Gegen diesen der Antragsgegnerin am 12.01.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, die bei Gericht am 18.1.2006 eingegangen ist.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Dem Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel steht schon die Rechtskraft der Entscheidung des Senats vom 02.03.2005 (16 W 4/05) entgegen. Das Landgericht stützt seine gegenteilige Ansicht auf eine Entscheidung des BGH (NJW 1987, 1146 ff.), die jedoch nicht die Rechtskraft einer Vollstreckbarerklärung in Inland betrifft, sondern die Reichweite der Rechtskraft eines ausländischen Unterhaltsurteils und deshalb den vorliegenden Sachverhalt nicht berührt.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts erwächst die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung in materielle Rechtskraft. Dies beruht nicht auf nationalem Recht des Vollstreckungsstaates, sondern gilt aufgrund einheitlichen Konventionsrechts. Wird die Vollstreckbarerklärung wegen Fehlens einer Vollstreckbarerklärungsvoraussetzung verweigert, so stellt diese Entscheidung das Fehlen dieser Voraussetzung bindend fest. Das erneut angerufene Gericht muss im Hinblick auf die erste Entscheidung den Antrag verwerfen (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Auflage 2004, A1 Art. 41 Rn. 48 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Auflage 2001, Rn. 3164; Wolf in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/2, 1984, Kap. 4 Rn. 125 f.). Das ist allerdings nicht unumstritten; für den Fall, dass der Antragsteller der Aufforderung zur Nachreichung fehlender Urkunden innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachkommt, wird teilweise vertreten, dass ein solcher Antrag lediglich als derzeit unzulässig abzuweisen sei. Ein erneuter Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel sei jederzeit möglich (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.06.1988 - 20 W 147/88, IPRspr. 1988 Nr. 198 zu Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ; dagegen: Zöller/Geimer, ZPO, 25. Auflage 2004, § 722 Rn. 77). Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen. Das LugÜ stellt mit der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde bereits Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung im Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Verfügung; für den Antragsteller besteht daher im Beschwerdeverfahren die Möglichkeit, bisher fehlende Urkunden beizubringen. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerde des Gläubigers unbefristet ist und er damit genügend Zeit hat, die erforderlichen Urkunden vorzulegen, ist es nicht unbillig, nach erfolgloser Fristsetzung das Fehlen der entsprechenden Urkunden verbindlich festzustellen. Der Schuldner hat daran ein legitimes rechtliches Interesse: er soll durch die Rechtskraft der Entscheidung davor geschützt werden, vom Gläubiger mit immer neuen (zuvor stets abgelehnten) Anträgen auf Vollstreckbarerklärung überzogen zu werden. Der durch die fehlende Befristung der Beschwerde vom Gesetzgeber in Kauf genommene Schwebezustand trägt dem Bedürfnis des Schuldners nach Rechtssicherheit schon in einem so geringen Maße Rechnung (vgl. Wieczorek/Schütze, ZPO, 1999, Anh I § 722 Rn. 65; Geimer/Schütze, a.a.O., A1 Art. 41 Fn. 52), dass es unbillig ist, darüber hinaus weitere Einschränkungen zuzulassen. Auch das LugÜ geht davon aus, dass eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren nur mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden kann (Art. 41 LugÜ: "... findet nur statt: ...").

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt (a.a.O.) auch nicht für das "Nachreichen" von Urkunden im Rahmen eines erneuten Antrags. Andernfalls wäre nicht ersichtlich, aus welchem Grunde das Gericht gem. Art. 48 LugÜ eine Frist zur Vorlage der Urkunden setzen sollte. Daneben stellen die vom Gläubiger vorzulegenden Urkunden die wesentliche Voraussetzung für eine Vollstreckbarerklärung dar. Die Möglichkeit, fehlende Urkunden in einem erneuten Verfahren vorzulegen, würde daher die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung fast vollständig aushöhlen. Soweit sich der Beschluss des OLG Frankfurt/Main darauf stützt, dass ein erneuter Antrag aufgrund veränderter Umstände zulässig sein muss, so greift dies hier jedenfalls nicht durch. Anders als in dem vom OLG Frankfurt/Main entschiedenen Sachverhalt, in dem es schon an der Zustellung des zu vollstreckenden Urteils fehlte, ist hier die Zustellung nach dem Vortrag des Antragstellers bereits vor dem ersten Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt (Zustellung der Klageschrift: 25.11.2003, erster Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel: 29.11.2004). Es liegt daher beiden Anträgen des Antragstellers der gleiche Sachverhalt zu Grunde. Allein die Vorlage von Urkunden über die Zustellung stellt keine geänderte Sachlage dar, die zur Zulässigkeit eines neuerlichen Antrags führt.

Der Antrag wäre im Übrigen aber - nach wie vor - nicht begründet, weil der Antragsteller die Voraussetzungen für eine Klauselerteilung nicht schlüssig vorgetragen und die ihm in diesem Zusammenhang durch den Senat erteilten Auflagen nicht erfüllt hat. Das betrifft zum einen die erforderliche, aber nicht geleistete Erläuterung der auf den vorgelegten Dokumenten beschriebenen Vorgänge. Zum anderen ergibt sich aus dem Sachvortrag des Antragstellers auch nicht der Inhalt der für die ordnungsgemäße Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Polen maßgeblichen Vorschriften der polnischen Prozessordnung. Schon aus diesen Gründen ist eine Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks und der Endentscheidung (Art. 46 LugÜ) nicht möglich. Es kommt hinzu, dass die sich bereits aus der Verfügung vom 22.3.2006 ergebenden Zweifel hinsichtlich der Zustellungsart auch durch die Vorlage der am 25.3.2006 gefertigten Übersetzung nicht geringer geworden sind, nach der eine Zustellung durch Niederlegung erfolgt ist, über die eine Benachrichtigung hierüber "an die Tür des Empfängers hineingesteckt" worden sein soll. Schließlich ist auch die Ermächtigung des beauftragten Dolmetschers zu derartigen Übersetzungen durch eine deutsche Landesjustizverwaltung entgegen der dem Antragsteller erteilten Auflage nicht dargelegt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 Abs. 2 S. 2 AVAG.

Beschwerdewert: 6.912,64 €.

Ende der Entscheidung

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