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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.09.2007
Aktenzeichen: 16 W 8/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T in L bewilligt.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 16.01.2007 - 3 O 11/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Beschwerdewert: bis 6.000,00 Euro.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Myslenice vom 03.02.2005 - III RC 165/04 - wurde der Antragsgegner als Vater des Antragstellers festgestellt. Zugleich wurde er verpflichtet, als Unterhaltsgeld zu Gunsten des Antragstellers monatlich 500 Zloty seit dem 21.04.2004 bis zum 15. eines jeden Monats mit gesetzlichen Zinsen im Falle des Verzuges zu zahlen.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 09.01.2007 die Vollstreckbarerklärung des Unterhaltstitels (ohne Zinsen) beantragt.

Die Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat dem Antrag mit Beschluss vom 16.01.2007 stattgegeben.

Gegen den ihm am 24.01.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 08.02.2007 "Erinnerung" eingelegt und mit Schriftsatz vom 06.03.2007 für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe beantragt.

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er nicht der Vater des Antragstellers sei. Das Urteil des Amtsgerichts Myslenice verstoße gegen den deutschen ordre public, weil seine Vaterschaft ohne Abstammungsbegutachtung festgestellt worden sei. Er habe seine Vaterschaft bereits anlässlich seiner - im Wege der Rechtshilfe erfolgten - Anhörung vor dem Amtsgericht Gummersbach am 20.12.2004 bestritten und die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeregt. Gegen das polnische Urteil habe er kein Rechtsmittel einlegen können, weil ihm dieses nicht zugestellt worden sei und er keine Kenntnis davon erlangt habe.

Der Antragsteller, der seinerseits um Prozesskostenhilfe nachsucht, tritt dem entgegen. II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der auf das Hager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 02.10.1973 (HUVollstrÜ - BGBl. 1996 II 1073) gestützte Vollstreckbarkeitsantrag ist begründet.

Die formellen Voraussetzungen des Art. 4 und 17 HUVollstrÜ sind erfüllt.

Anerkennungsversagungsgründe liegen nicht vor.

Nach Art. 5 Nr. 1 HUVollstrÜ ist eine Anerkennung ausgeschlossen, wenn die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates offensichtlich unvereinbar ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Allerdings hat das Amtsgericht Myslenice die Vaterschaft des Antragsgegners - wie sich aus dem vorgelegten Terminsprotokoll ergibt - ausschließlich aufgrund der Angaben der Vormünderin (Großmutter) des Antragstellers festgestellt, ohne persönliche Anhörung der Kindesmutter und ohne Überprüfung der Abstammung mit medizinischen Mitteln. Nach deutschem Recht gilt im Kindschaftsrecht der Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO). Die danach gebotene Erhebung aller sachdienlichen Beweise von Amts wegen zwingt den deutschen Richter in einem Rechtsstreit um die Feststellung der Vaterschaft im Regelfall zur Einholung eines Blutgruppengutachtens und etwaiger weiterer zur Überzeugungsbildung notwendiger medizinischer Gutachten. Die Vaterschaftsfeststellung allein aufgrund der Aussage der Großmutter des Kindes über die Angaben der Kindesmutter betreffend die Vaterschaft wird sich für den deutschen Richter in der Regel verbieten. Indessen führt nicht jede Abweichung des ausländischen Gerichts von Verfahrensgrundsätzen, der deutsche Richter zu beachten hätte, zu einer Unvereinbarkeit mit dem verfahrensrechtlichen ordre public. Vielmehr ist unter diesem Gesichtspunkt nur solchen ausländischen Urteilen die Anerkennung zu versagen, die in einem Verfahren ergangen sind, das den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße widerspricht, dass das Urteil nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (BGH FamRZ 1986, 667; Rauscher, Europäischen Zivilprozessrecht, 2006, Art. 34 Brüssel I VO Rdz. 13 m.w.N.). Es bedarf hiernach nachweisbarer Verstöße gegen elementare verfahrensrechtliche Garantien. Daran gemessen liegt hier ein die Anerkennung des Urteils des Amtsgerichts Myslenice ausschließender Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vor. Das polnische Gericht hat den Antragsgegner im Wege der Rechtshilfe angehört und seine Bekundungen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2005 gemacht. Es hat sodann die Vormünderin des Antragstellers ausführlich angehört und deren Bekundungen protokolliert. Dem Terminsprotokoll ist zu entnehmen, dass die Vormünderin und Großmutter des Antragstellers konkret zu den Angaben der Kindesmutter über die Vaterschaft des Antragsgegners und ihr Zusammenleben mit diesem in Deutschland bekundet hat und ihr auch die Angaben des Antragsgegners anlässlich seiner Anhörung vor dem Amtsgericht Gummersbach vorgehalten worden sind. Wenn das Gericht sodann nach der Anhörung des Antragsgegners sowie den Bekundungen der Vormünderin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vaterschaft des Antragsgegners festzustellen sei, so verstößt diese Verfahrensweise zwar gegen tragende Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts, bedeutet aber nicht, dass das ausländische Urteil nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Auch nach deutschem Recht können die Angaben der Kindesmutter als Beweismittel von entscheidender Bedeutung sein. So ist es ausnahmsweise möglich, eine Vaterschaft allein aufgrund der Angaben der Kindesmutter ohne Gutachten festzustellen, wenn sich der beklagte Mann nachdrücklich einer Begutachtung entzieht (vgl. BGH a.a.O.). Insofern kennt auch das deutsche Recht Urteile, die die Vaterschaft feststellen und nicht auf einer medizinischen Überprüfung der Abstammung beruhen.

Die vom Antragsgegner weiter gerügte Nichtzustellung des Titels ist unschädlich. Ausschlaggebend ist allein die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Danach ist es Sache der beklagten Partei, sich entweder unmittelbar am Verfahren zu beteiligen oder dafür zu sorgen, dass sie vom Gericht erreicht werden kann. Ohne Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten in Polen wird der Schriftverkehr einschließlich der Entscheidung gem. Art. 1135 der Zivilverfahrensordnung den Akten mit Zustellungswirkung beigefügt. Diesbezüglich ist vorliegend eine ausdrückliche Belehrung des Antragsgegners mit Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes erfolgt, und zwar sowohl in polnisch wie auch in deutsch. Bei Beachtung der ihm mitgeteilten verfahrensrechtlichen Vorschriften der polnischen Zivilverfahrensordnung hätte der Antragsgegner die Möglichkeit gehabt, das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsurteil mit der Appellation anzufechten (Art. 367-391 ZVGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Obwohl das Rechtsmittel des Antragsgegners unbegründet ist, war ihm die begehrte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung zu bewilligen. Dies gilt im Hinblick darauf, dass der polnische Unterhaltstitel, der im Verbund mit der Vaterschaftsfeststellung ergangen ist, keine Angaben zu der Grundlage der Vaterschaftsfeststellung enthält und deshalb vom Senat um Vorlage des verfahrenseinleitenden Schriftstückes sowie des Sitzungsprotokolls vom 03.02.2005 gebeten worden ist. Das Rechtsmittel des Antragsgegners war mithin im Zeitpunkt der Antragstellung nicht ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller im vorliegenden Verfahren obsiegt, bedarf es einer Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch nicht.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 42 Abs. 1 u. 5 GKG.

Ende der Entscheidung

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