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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: 16 WX 34/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 43
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 WX 34/02

In der Wohnungseigentumssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 20.09.2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde, soweit sie die Entscheidung über die Ablehnung des Vizepräsidenten des Landgerichts M. und der Richterin am Landgericht N. betrifft, wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 werden die Beschlüsse der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 18.12.2001 - 8 T 153/00 - sowie des Amtsgerichts Bonn vom 17.05.2000 - 28 II 192/97 WEG - aufgehoben, soweit sie in der Sache ergangen sind (Verwirkung des Anfechtungsrechts). Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren - an das Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Das gegen den Vizepräsidenten des Landgerichts M. und gegen die Richterin am Landgericht Dr. N. gerichtete Befangenheitsgesuch ist nicht gerechtfertigt. Die Entscheidungen beider Vorinstanzen sind jedoch in der Sache nicht ohne Rechtsfehler.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Ablehnungsgesuch der Beteiligten zu 1) und 2) - wie das Landgericht gemeint hat - rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig ist. Jedenfalls liegen - soweit hinreichend individualisiert - keine Gründe vor, die bei vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Ablehnenden aus, die Befürchtung erwecken können, die abgelehnten Richter stünden der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Soweit die Beteiligten zu 1 und 2 die amtsgerichtliche Verfahrensweise rügen, ist - wie auch bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht erkennbar, inwieweit hierdurch eine Befangenheitsbesorgnis gegenüber den abgelehnten Richtern des Beschwerdegerichts begründet sein kann.

Das Ablehnungsgesuch kann auch nicht mit Erfolg auf die Verfahrensweise des Beschwerdegerichts im Verfahren 8 T 292/99 gestützt werden. In diesem Zusammenhang rügen die Beteiligte zu 1) und 2) die getrennte Terminierung und Entscheidung in den Verfahren 8 T 292/99 (28 II 187/98 AG Bonn), 8 T 140/00 (28 II 2/97 AG Bonn), 8 T 153/00 (28 II 192/97 AG Bonn), 8 T 154/00 (28 II 26/99 AG Bonn) und 8 T 135/01 (28 II 177/99 AG Bonn) sowie die "konsequente Hintanstellung" des Verfahrens 28 II 15/96 AG Bonn und beanstandet des weiteren, dass das Landgericht den besonderen Zusammenhang des Verfahrens 8 T 292/99 mit dem Verfahren 8 T 135/01 nicht beachtet habe. Die Beteiligten zu 1 und 2 übersehen hierbei, dass der Vorsitzende des Beschwerdegerichts die Verfahren 8 T 140/00, 8 T 153/00 und 8 T 154/00 auf den selben Tag (06.12.2001) terminiert hat und dass das älteste Verfahren 28 II 15/96 AG Bonn beim Landgericht überhaupt noch nicht anhängig ist. Dass die Verfahren 8 T 292/99 und 8 T 135/01 getrennt und zudem nicht gleichzeitig mit den zuvor genannten Verfahren gemeinsam terminiert worden sind, betrifft eine richterliche Ermessensentscheidung im Rahmen der Prozessleitung, die - aus Sicht einer vernünftigen Partei - weder auf eine unsachliche Einstellung der abgelehnten Richter gegenüber den Beteiligten zu 1) und 2) schließen lässt noch willkürlich erscheint. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der im Verfahren 28 II 187/88 AG Bonn (8 T 292/99 LG Bonn) von den dortigen Antragstellern am 18.09.1999 beantragten einstweiligen Anordnung, mit der der Verwalterin die Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.09.1999 untersagt werden sollte, deren Beschlussfassung Gegenstand des Verfahrens 28 II 177/99 AG Bonn (8 T 135/01 LG Bonn) ist. Nachdem die Eigentümerversammlung vom 22.09.1999 stattgefunden hatte, bevor die Antragsteller sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 25.10.1999 - 28 II 187/98 - eingelegt hatten, ist nicht erkennbar, dass die abgelehnten Richter "die Tatsache des EA - Antrages vom 18.09.99 kurzerhand ausgeblendet haben" sollen. Der Antrag war im Zeitpunkt der Einlegung der sofortigen Beschwerde durch Zeitablauf bereits erledigt und nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Soweit die Beteiligten zu 1) und 2) die richterliche Würdigung des im Termin vom 02.10.2001 - 8 T 292/99 LG Bonn - vorgelegten Verwaltervertrages mit Datum vom 18.09.1998 beanstanden und darauf hinweisen, dass unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Rechtsanwälte S. pp. vom 28.05.2001 (28 II 129/00 AG Bonn) diese Vereinbarung von der Verwalterin rückdatiert worden sein müsse, die Vereinbarung aber dennoch von den abgelehnten Richtern "kurzerhand als am Tage seines Datums gefertigt" behandelt worden sei, so wird hiermit die Entscheidung in der Sache kritisiert, die Gegenstand der eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde gewesen ist. Fehlerhafte Entscheidungen sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Entscheidungen in der Sache unterfallen der grundgesetzlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit und sind im Wege eines Befangenheitsgesuch nicht überprüfbar. Dies gilt auch bezüglich weiterer Rügen der Beteiligten zu 1 und 2, die die Sachentscheidung des Beschwerdegerichts betreffen. Anhaltspunkte dafür, dass eine mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der abgelehnten Richter gegenüber den Beteiligten oder auf Willkür beruht, liegen nicht vor.

Eine Befangenheit der abgelehnten Richter ergibt sich schließlich auch nicht aus der Beanstandung der Beteiligten zu 1 und 2, dass ihnen im Verfahren 8 T 154/00 (28 II 26/99 AG Bonn) erstmals mit Terminsverfügung vom 04.10.2001 Doppel der Schriftsätze der Rechtsanwälte S. pp. vom 22. und 31.01.2001 zugeleitet worden sind. Ihrem weiteren Vorbringen ist nicht zu entnehmen, wieso durch die verspätete Zuleitung dieser Schriftsätze Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter gerechtfertigt sein könnten; es fehlen auch insoweit objektive Anhaltspunkte, die aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei hierzu Anlass geben.

Wenn auch keinerlei Zweifel an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter bestehen, so ist die Beschwerdeentscheidung - wie auch die Entscheidung des Amtsgerichts - in der Sache nicht ohne Rechtsfehler.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen haben die Beteiligten zu 1 und 2 ihr Anfechtungsrecht nicht verwirkt.

Zwar ist das Anfechtungsrecht des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gesetzlicher Ausdruck des schutzwürdigen Interesses der Wohnungseigentümer an alsbaldiger Klarheit über den Bestand der von ihnen gefassten Beschlüsse, so dass der anfechtende Wohnungseigentümer verpflichtet ist, nach fristgerechter Anfechtung auch die ihm obliegenden Handlungen, die zur Zustellung der Antragsschrift erforderlich sind, vorzunehmen. Den Beteiligten zu 1 und 2 kann vorliegend jedoch nicht angelastet werden, dass die Beteiligten zu 3 von der Anfechtung der in der Eigentümerversammlung vom 01.10.1997 gefassten Beschlüsse erst im April 2000 Kenntnis erlangt haben. Die Antragsschrift datiert vom 30.10.1997 und genügt den Anforderungen des auch im Wohnungseigentumsverfahren geltenden § 253 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO a. F. Hierfür reicht aus, wenn der Antragsschrift entnommen werden kann, dass sich der Antrag gegen die "Wohnungseigentümergemeinschaft, X-Straße, vertreten durch den Verwalter..." richtet, ohne dass die Mitglieder namentlich aufgeführt werden. Durch die Kurzfassung wird die Partei so klar bezeichnet, dass keine Zweifel an ihrer Identität und Stellung aufkommen können und sich für jeden Dritten die betreffende Partei ermitteln lässt (vgl. Beschluss des Senates vom 18.01.2002 - 16 WX 249/01 m. w. N.; BGH NJW 1977, 1686; WE 1990, 84; Staudinger-Wenzel, WEG, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 43 ff. Rz. 24). Der Zustellung einer Ausfertigung der Antragsschrift an die Beteiligte zu 4 als Zustellungsbevollmächtigte der Beteiligten zu 3 nach § 189 Abs. 1 ZPO a. F. (vgl. BGH Z 78, 168 ff., 173) stand mithin nichts entgegen. Das Amtsgericht hätte die Zustellung der Antragsschrift im Hinblick auf das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an baldiger Klarheit über den Bestand der von ihnen gefassten Beschlüsse deshalb unverzüglich vornehmen müssen. Es durfte die Zustellung weder von der Einzahlung eines - hier am 18.03.1998 bei Gericht eingegangen - Kostenvorschusses abhängig machen (vgl. Beschluss des Senats vom 02.02.2001 - 16 WX 183/00) noch von der Erfüllung gerichtlicher Auflagen zur Beibringung von Unterlagen. Die Frage, ob die Beteiligten zu 1 und 2 zur Begründung ihres Antrages auf Ungültigerklärung ihrer Eigentümerbeschlüsse ausreichend vorgetragen haben, ist allein eine Frage der sachlichen Begründetheit des gestellten Antrages und für das Erfordernis der unverzüglichen Zustellung der Antragsschrift ohne jede Bedeutung.

Die Antragsabweisung durch das Amtsgericht ist aber auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Anfechtungsantrag nicht begründet und die gerichtlichen Auflagen nicht erfüllt haben.

Auch wenn im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den §§ 43 Abs. 1 WEG, 12 FGG der Grundsatz der Amtsermittlung gilt, d. h. das Gericht eine Überprüfung der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse von Amts wegen vorzunehmen hat, so trifft den Antragsteller eine gewisse Darlegungslast. Ihm obliegt es darzulegen, inwiefern und aus welchen Gründen er die Eigentümerbeschlüsse in ihrem Zustandekommen oder ihrem Inhalt nach beanstandet (vgl. Beschluss des Senats vom 18.01.2002 - 16 WX 187/01; BayObLGZ 1999, 177 ff.). Eine Begründung des Anfechtungsantrages schreibt das Gesetz allerdings nicht vor. Unterbleibt eine solche, so hat das Gericht aufgrund der geltenden Amtsermittlungspflicht eine Überprüfung von Amts wegen vorzunehmen, wobei sich die Amtsermittlungspflicht aber im Hinblick auf die bestehenden Mitwirkungspflichten der Beteiligten abschwächt; sie hat sich nicht auf die für den Antragsteller günstigen Tatsachen zu erstrecken, sofern angenommen werden kann, dass diese im Falle einer Begründung von ihm vorgetragen worden wären (vgl. BayObLGZ a. a. O.).

Vorliegend haben die Beteiligten zu 1 und 2 bereits in der Antragsschrift darauf hingewiesen, dass sie zur Vorbereitung einer detaillierten Antragsbegründung die der Einladung der Eigentümerversammlung vom 01.10.1997 zugrundeliegende Eigentümerliste sowie die Anwesenheitsliste der Versammlung selbst benötigten und haben das Gericht darum gebeten, der Verwalterin aufzugeben, diese Unterlagen vorzulegen. Das Amtsgericht hat ihnen daraufhin mit Verfügung vom 06.11.1997 mitgeteilt, dass eine entsprechende Aufforderung an die Verwalterin erst nach Vorschusszahlung erfolgen werde. Die Zustellung der Antragsschrift hat das Amtsgericht sodann erst mit der Ladung zum Termin vom 16.05.2000 veranlasst, ohne allerdings der Verwalterin die Vorlage der von den Beteiligten zu 1 und 2 erbetenen Unterlagen aufzugeben. Dies wird von den Beteiligten zu 1 und 2 mit der sofortigen Beschwerde ausdrücklich gerügt und es wird in diesem Zusammenhang zum Verdacht von Einladungsmängel konkret unter Bezugnahme auf das Verfahren 8 T 260/95 LG Bonn (28 II 182/94 WEG AG Bonn) vorgetragen, in dem das Beschwerdegericht durch Beschluss vom 16.07.1996 die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 21.09.1994 insgesamt wegen Einladungsmängel für ungültig erklärt hat.

Bereits das Amtsgericht, spätestens aber das Landgericht hätten aufgrund der geltenden Amtermittlungspflicht die genannten Listen von der Verwalterin anfordern und durch Weiterleitung an die Beteiligten zu 1 und 2 diesen die erbetene Möglichkeit einräumen müssen, die angefochtenen Beschlüsse zunächst daraufhin zu überprüfen, ob sie formell wirksam zustande gekommen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligten zu 1 und 2 selbst von der Verwalterin die Übergabe der Listen verlangen können. Im Hinblick auf die einmonatige Anfechtungsfrist bis § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG können die Beteiligten zu 1 und 2 nicht darauf verwiesen werden, mit der Anfechtung der Beschlüsse solange zu warten, bis ihnen die Überprüfung der formellen Wirksamkeit anhand der von der Verwalterin zu beschaffenden Listen ermöglicht wird. Sie liefen dann unter Umständen Gefahr, die Anfechtungsfrist zu versäumen. Ohne gerichtliche Anforderung der genannten Listen und ohne erneute Fristsetzung zur Vorlage der Beschwerdebegründung ab Eingang der Listen dürfte der Anfechtungsantrag nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, es fehle an einer nachvollziehbaren Begründung der Anfechtung, nachdem eine solche gerade für den Fall der Übermittlung der angeforderten Unterlagen in Aussicht gestellt und zum Verdacht von Einladungsmängeln konkret vorgetragen worden war.

Da bisher weder vom Amtsgericht noch vom Landgericht in eine Sachprüfung der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse eingetreten wurde, hält der Senat es geboten, die Sache unter Aufhebung der Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO bis zum Abschluss des gegen den ehemaligen Präsidenten des Landgerichts B. Dr. G. sowie die Richter am Landgericht B. V. und X. gerichteten Ermittlungsverfahrens 63 Js 70/02 StA Bonn kommt nicht in Betracht, da dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 und 2 weder zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer strafbaren Handlung der genannten Richter entnommen werden kann noch ersichtlich ist, dass das Ermittlungsverfahren - falls es noch nicht abgeschlossen sein sollte - auf die Entscheidung im vorliegenden Verfahren von Einfluss ist.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 15.339,00 € (30.000,00 DM)

Ende der Entscheidung

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